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Anscheinsbeweis im Arzthaftungsrecht – Anhaltspunkte für Behandlungsfehler

Gericht weist Klage zurück: Keine Erfolgsaussicht und keine grundsätzliche Bedeutung.

Ein Gericht hat entschieden, dass die Berufung eines Klägers in einem Arzthaftungsprozess zurückgewiesen wird. Der Kläger hatte behauptet, dass ein Behandlungsfehler dazu geführt habe, dass er eine Querschnittslähmung erlitten hatte. Der Sachverständige hatte jedoch erklärt, dass weder aufgrund des eingesetzten Materials noch aufgrund der Durchführung der Operation ein Behandlungsfehler ersichtlich sei. Auch die Dokumentation der Beschwerden war unzureichend, um den Zeitpunkt einer OP-Indikation festzustellen. Der Kläger behauptete außerdem, dass er nicht ausreichend über das Risiko der Operation aufgeklärt worden sei. Der gerichtlich bestellte Sachverständige erklärte jedoch, dass die Aufklärung des Klägers ausreichend und keine weiteren Anforderungen notwendig waren. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

OLG Dresden – Az.: 4 U 583/22 – Beschluss vom 13.09.2022

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 25. Februar 2022 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 280.444,99 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die zulässige Berufung des Klägers ist durch einstimmig gefassten Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Sie bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Wegen der Begründung nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf seinen Hinweisbeschluss vom 12. August 2022 einschließlich der dort unter Ziffer I. der Gründe enthaltenen Sachverhaltsdarstellung. An der im vorgenannten Beschluss dargelegten Auffassung hält der Senat auch nach nochmaliger Prüfung fest. Im Hinblick auf die Stellungnahme des Klägers mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 06. September 2022 sind lediglich folgende Ergänzungen veranlasst:

1.

Aus dem Umstand, dass der klinische Verlauf der Beschwerden nicht im Einzelnen dokumentiert worden ist und sich den Behandlungsunterlagen damit aus Sicht des Sachverständigen nicht abschließend entnehmen lässt, ab welchem Zeitpunkt eine OP-Indikation bestanden hat, kann nicht auf einen Behandlungsfehler geschlossen werden. Denn die unterbliebene Dokumentation begründet weder eine eigene Anspruchsgrundlage noch führt sie zur Beweislastumkehr hinsichtlich eines Ursachenzusammenhangs (vgl. auch BGH, Urteil vom 22. Oktober 2019, Az.: VI ZR 71/17 – juris; OLG Braunschweig, Urteil vom 18. November 2021, Az.: 9 U 67/18 – juris). Nach der zu § 630h Abs. 3 BGB ergangenen Rechtsprechung des BGH (a.a.O.) folgt lediglich aus der fehlenden Dokumentation einer aufzeichnungspflichtigen Maßnahme die Vermutung, dass die Maßnahme unterblieben ist. Darum geht es hier aber nicht. Denn unstreitig ist, dass die operative Versorgung des Aneurysma spurium am 05. Oktober 2016 erfolgt ist. Dass dies eine behandlungsfehlerhafte Verzögerung einer bereits früher gebotenen Behandlung darstellt, hat der hierzu befragte Sachverständige aber gerade nicht bestätigt. Weitergehende Schlüsse auf einen Behandlungsfehler können schon aus Rechtsgründen auch nicht aus der von ihm als zum Teil nicht hinreichend aussagekräftigen Behandlungsdokumentation gezogen werden. Gesichtspunkte, die dem Senat Anlass für eine ergänzende Beweisaufnahme bieten könnten, lassen sich zudem weder der erstinstanzlichen Beweisaufnahme noch dem Berufungsvorbringen entnehmen.

2.

Entgegen der Auffassung des Klägers lässt allein der im Jahr 2018 festgestellte Zustand des Stents nicht auf einen Behandlungsfehler im Jahr 2016 schließen. Anders als der Kläger meint, gibt es keinen allgemeinen medizinischen Erfahrungssatz, wonach der Eintritt einer Komplikation auf einen ärztlichen Fehler zurückzuführen ist. Ein solcher Anscheinsbeweis ist im Arzthaftungsbereich selten und nur dann in Betracht zu ziehen, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen Fehler als mögliche Ursache einer Komplikation sprechen (BGH, Urteil vom 27.3.2007 – VI ZR 55/05; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 8. Aufl. C. Rn 231). Derartige Anhaltspunkte sind hier jedoch nicht ersichtlich. Der Sachverständige Dr. U…… hat vielmehr bereits in seinem Gutachten vom 07. April 2021 (Seite 7 oben) ausgeführt, den Behandlungsunterlagen sei zu entnehmen, dass „sowohl die Versorgungsplanung, die Materialzusammenstellung und -bestellung (wesentlich für den Erfolg des Eingriffs) als auch der Eingriff selbst routiniert und fachgerecht erfolgt seien“. Auf den Einwand des Klägers mit Schriftsatz vom 11. Juni 2021 hat der Sachverständige im Rahmen seiner Anhörung ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 26. Januar 2022 (Seite 6 unten) zudem darauf hingewiesen, dass das Risiko eines Stentbruchs grundsätzlich gegeben und dementsprechend in dem verwendeten Aufklärungsbogen dazu eine Passage enthalten sei. Anhand des Gesamtzusammenhanges der Ausführungen des Sachverständigen lässt sich daher feststellen, dass weder aufgrund des eingesetzten Materials noch aufgrund der Durchführung der Operation ein Behandlungsfehler ersichtlich ist.

3.

Bezüglich der behaupteten Aufklärungspflichtverletzung nimmt der Kläger unter Wiederholung seines Vorbringens lediglich eine vom Senat abweichende Bewertung vor, die aus den im Hinweisbeschluss dargelegten Umständen jedoch nicht überzeugt. Soweit er sein Vorbringen dahingehend verstanden wissen will, er habe nicht nur allgemein auf das Risiko einer Querschnittslähmung hingewiesen werden müssen, sondern auch darauf, dass es sich – anders als bei einer lediglich abdominellen Operation – wegen der Länge des Stents um ein erhebliches Risiko handele, liegt auch darin keine Aufklärungspflichtverletzung. Vielmehr hat der gerichtlich bestellte Sachverständige, wie aus seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 26. Januar 2021 deutlich wird (s. insbesondere Seite 5/6des Protokolls), die Aufklärung des Klägers zu dem Risiko – insbesondere auch unter Berücksichtigung des verwendeten Aufklärungsbogens sowie der Darstellung des MDK-Gutachters (s. dazu auch Ziffer 2a) des Senatsbeschlusses vom 12. August 2022) – mit überzeugender Begründung für ausreichend und ausdrücklich keine weiteren Anforderungen an eine Aufklärung bezüglich der Gewichtung des Risikos für notwendig erachtetet.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung erfolgt nach §§ 3 ff. ZPO.

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