OLG Frankfurt, Az.: 8 U 67/99, Urteil vom 05.10.1999
Die Berufung der Klägerin gegen das am 24. Februar 1999 verkündete Urteil des Landgerichts Wiesbaden wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung von 18.000,– DM abwenden, sofern diese nicht vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheit kann durch selbstschuldnerische, unbefristete Bankbürgschaft erbracht werden.
Die Beschwer beträgt 120.000,– DM.
Tatbestand
Zum Tatbestand verweist der Senat auf den Beschluß vom 8.7.1999 (Bl. 405-415 d.A., mit dem der Klägerin Prozeßkostenhilfe zur Durchführung der Berufung verweigert worden ist.
Im weiteren wiederholt und vertieft die Klägerin ihr Vorbringen zur Aufklärungspflichtverletzung durch den Beklagten. Sie meint, dieser hätte auch dann Aufklärung über die damals möglichen medizinischen Hilfen geben müssen, wenn sie bereits infiziert gewesen wäre. Ob dies der Fall war, hätte er feststellen und auch nach dem 29.1.1993 veranlassen müssen, daß sie sich einem HIV-Test unterzog. So habe sie bis zum März 1995 nichts von ihrer Infektion gewußt und es hätte die Gefahr bestanden, daß sie diese auf andere Sexualpartner übertrug. Daß er trotz eindeutigen Hinweises auf eine mögliche Ansteckung nichts zu ihrem Schutz unternommen habe, stelle einen weiteren schweren Behandlungsfehler dar, der in Verbindung mit der unterbliebenen Aufklärung zu einer Beweislastumkehr führe.
Es sei ein erneutes Sachverständigengutachten zu ihrer Behauptung einzuholen, daß sie erst nach dem 29.1.1993 HIV-infiziert gewesen sei (Gutachter: … – Bl. 450 d.A.).
Desweiteren behauptet sie, ihr Gesundheitszustand wäre besser, wenn sie schon 1993 medikamentös behandelt worden wäre (Beweis: Sachverständigengutachten … – Bl. 451 d.A.).
Die Klägerin beantragt, das am 24.2.1999 verkündete Urteil des Landgerichts Wiesbaden abzuändern und
1.
den Beklagten zu verurteilen, an sie ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit 22.11.1996 zu zahlen,
8
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, jeglichen weiteren zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden, der ihr aus der HIV-Infektion entsteht, zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er meint, der Senat habe wesentliche Teile des Entscheidungskonfliktes, in dem er sich befunden habe, verkannt. Es sei unberücksichtigt geblieben, daß das uneingeschränkte Vertrauen des Patienten in die ärztliche Schweigepflicht wesentlich dem allgemeinen präventiven Gesundheitsschutz diene. Werde dieses Vertrauen erschüttert, bestehe die Gefahr, daß sich Infektionsträger einer medizinischen Behandlung entzögen, womit Ansteckungen weiterer Personen nicht auszuschließen seien. Müßten Aids-Kranke befürchten, daß der Arzt seine Schweigepflicht breche, sei eine Erhöhung des Infektionsrisikos zu erwarten (Beweis: infektiologisches und epidemiologisches Sachverständigengutachten). Wegen der möglichen epidemiologischen Nachteile sei auch die HIV-Infektion nicht in die Liste meldepflichtiger Krankheiten aufgenommen worden (Beweis: Sachverständigengutachten).
Bei der Beurteilung des vom Lebenspartner der Klägerin ausgehenden Risikos sei das Berufungsgericht fälschlich zu einem ganz anderen Ergebnis gelangt als das Landgericht, das gestützt auf die Bekundung der Zeugin … ein konkretes Risiko verantwortungslosen Handelns durch den Patienten … nicht gesehen habe.
Es sei aber gerade daran festzuhalten, daß ein Patient, der sich seiner infektiösen Erkrankung schämt, alle gebotenen Präventivmaßnahmen zum Schutze seiner Familie ergreifen werde. Dementsprechend habe die Zeugin … auf Grund ihrer vom Patienten gewonnenen Eindrücke den Beklagten in der Annahme unterstützt, … werde den Schutz seiner Familienangehörigen gewährleisten. Daß ohne Aufklärung der Klägerin über ihre HIV-Infektion ihr Schutz unmöglich gewesen sei, könne keineswegs gesagt werden. Auf Grund besserer Kenntnis über den Charakter des Patienten und größerer Erfahrungen im Umgang mit Aids-Patienten sei er der Beklagte – besser in der Lage zu beurteilen, ob sein Patient Kondome benutzen würde. Die psychische Verfassung seines Patienten habe er so eingeschätzt, daß er ein Suizidrisiko für den Fall der Offenbarung seiner Erkrankung befürchtete.
Selbst wenn man aber von einer Pflichtverletzung seinerseits ausgehen wollte, fehlte es doch an einem Verschulden, weil er sich auf Grund herrschender Rechtsauffassung als nicht war – pflichtig ansehen durfte.
Er glaube nicht, daß die Klägerin ab dem 21.1.1993 ohne Kondombenutzung mit ihrem Lebensgefährten geschlechtlich verkehrt habe. Im übrigen spreche alles dafür, daß sie bereits früher angesteckt gewesen sei. Wenn sie auf einen möglichen früheren Behandlungsbeginn als Anfang 1993 abhebe, so verkenne sie, daß eine effektive Medikation vor 1995 nicht zur Verfügung gestanden habe.
Schließlich meint er, das Schweigegebot auch nach dem Tod seines Patienten noch beachten zu müssen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung, die Berufungserwiderung sowie den Schriftsatz der Klägerin vom 3.9.1999 (Bl. 437-452 d.A.) und den des Beklagten vom 22.9.1999 (Bl. 458-465 d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Ansprüche wegen ärztlicher Pflichtverletzung des Beklagten stehen der Klägerin nicht zu.
Auch nach Überprüfung seiner Erwägungen im PKH-Beschluß vom 8.7.1999 hält der Senat allerdings an seiner Auffassung fest, daß der Beklagte die Klägerin rechtswidrig und schuldhaft nicht über die bei ihrem Lebensgefährten aufgetretene Aids-Erkrankung informiert hat.
Die Ausführungen des Beklagten in der Berufungsinstanz ändern nichts daran, daß er vorwerfbar fehlerhaft davon ausgegangen ist, die Klägerin nicht von der auch ihr Leben bedrohenden Erkrankung ihres Lebenspartners in Kenntnis setzen zu dürfen. Selbst wenn man ergänzend zum Schutz der Intimsphäre des Patienten den Gesichtspunkt des präventiven Gesundheitsschutzes hinzunimmt, kann nicht zweifelhaft sein, daß dem Schutz des Lebens und der Gesundheit eines konkret von einer Ansteckung bedrohten Patienten Vorrang gebührt und zu einer Entscheidung zu seinen Gunsten führen muß.
Auch der Senat hat keinen Zweifel daran, daß Aids-Patienten in ihrem Vertrauen auf die Zuverlässigkeit der ärztlichen Verschwiegenheit geschützt werden müssen. Zweifellos liegt hier auch eine Aufgabe des staatlichen Gesundheitsschutzes, die strikte Einhaltung dieses Grundsatzes zu gewährleisten. Dies geschieht im übrigen dadurch, daß § 203 StGB dem Arzt bei jeder Verletzung Strafe androht. Es besteht sicherlich die Gefahr, daß Aids-Infizierte einen Arzt meiden könnten, wenn sie von einer Offenbarung ihrer Krankheit durch diesen ausgehen müßten. Daß darauf mangels genutzter Beratungs- und Heilungschancen ein erhebliches Infektionsrisiko für Dritte entstehen könnte, erscheint nachvollziehbar.
Dieser Grundsatz erfährt jedoch eine Einschränkung durch § 34 StGB, wonach das ärztliche Schweigegebot zum Schutz eines höherwertigen Rechtsgutes durchbrochen werden darf und sogar muß. Auch der Beklagte bezweifelt nicht, daß der Schutz eines Patienten vor einer Aids-Ansteckung, die auch nach erheblichen Fortschritten bei den Behandlungsmöglichkeiten eine tödliche Gefahr darstellt, Vorrang vor allen anderen hier in Betracht kommenden Rechtsgütern beanspruchen kann.
Daß Aids nicht in der Liste meldepflichtiger Krankheiten (vgl. §§ 12, 13 Geschlechtskrankheiten G) aufgenommen worden ist, führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Immerhin hat die Presse darüber berichtet, daß die Aufnahme von Aids in den Katalog meldepflichtiger Krankheiten im Bundesrat nur knapp gescheitert ist. Welche Überlegungen dafür letztlich maßgeblich waren, hat der Senat nicht zu kommentieren; sie spielen auch keine Rolle. Unbestreitbar ist jedenfalls die sich aus ungeschützten Sexualkontakten mit Aids Infizierten ergebende tödliche Gefahr für eine unbestimmte Zahl Dritter. Dazu wurde bereits im PKH-Beschluß Stellung genommen (vgl. S. 7).
Der Senat ist unverändert davon überzeugt, daß der von … ausgehenden Gefahr für die Klägerin anders als durch ihre Information über den Aids-Ausbruch nicht begegnet werden konnte. Auf die Ausführungen S. 5 und 6 der genannten Entscheidung wird verwiesen.
Die Auffassung des Beklagten, er sei an erster Stelle dazu berufen, das von … ausgehende Infektionsrisiko für die Klägerin zu beurteilen, ist zwar richtig. Zu korrigieren ist aber die in seinen Darlegungen zum Ausdruck kommende Einstellung dann, wenn ein Arzt einseitig die Interessen des AidS-Kranken in den Vordergrund stellt und vor der Gefahr einer Ansteckung eines Menschen, dessen Schutz ihm ebenfalls anvertraut ist, die Augen verschließt.
Der Senat bleibt dabei, daß der Beklagte keinen begründeten Anlaß hatte, dem Verantwortungsbewußtsein des an Aids Erkrankten gegenüber seiner Lebensgefährtin zu trauen. Wenn er meint, ein sich seiner Krankheit – aus naheliegenden Gründen – schämender Patient werde durch das Ergreifen aller gebotenen Präventivmaßnahmen ein Ansteckungsrisiko für Dritte vermeiden, gibt dies keinen Anlaß, das insoweit beantragte Gutachten eines mit den psychologischen Problemen HIV-Infizierter vertrauten Sachverständigen einzuholen. Es mag zwar so sein, daß eine solche Einstellung bei einem Großteil von Aids Erkrankten vorherrscht. Dem stand allerdings konkret entgegen, daß … seine Erkrankung gegenüber seiner Lebensgefährtin strikt geheimhalten wollte. Eine solche Einstellung spricht in keiner Weise für ein dahin geprägtes Verantwortungsbewußtsein eines Patienten. Es ist zwar ohne weiteres nachvollziehbar, daß er seiner Lebenspartnerin gegenüber nach Möglichkeit geheimhalten wollte, auch an Aids infiziert zu sein. Daß künftig Geschlechtsverkehr mit der Klägerin nur noch unter Benutzung von Kondomen (mit der auch insoweit bestehenden bekannten Unsicherheit) ausüben würde, war trotz seiner anders lautenden Beteuerung der Zeugin … gegenüber absolut nicht gewährleistet. Der Beklagte mußte bedenken, daß es für … nicht einfach sein würde, seiner Lebensgefährtin, mit der er seit vielen Jahren geschlechtlich verkehrte, plötzlich die Notwendigkeit einer Kondombenutzung zu erklären; ob die Krebserkrankung einen einleuchtenden Grund darstellen konnte, erscheint mehr als fraglich. Selbst wenn Frau … mit ihm intensiv über Verhütungsmaßnahmen gesprochen hat, mußten sie und auch der Beklagte erkennen, daß bei einem Patienten, der seine HIV-Infektion verdrängte und den die Zeugin … laut Brief vom 11.3.1993 (Bl. 149 d.A.) hat „zur Vermeidung der Gefährdung der Ehefrau überreden können“, keinerlei Sicherheit für eine Einhaltung eines Versprechens gegeben war. Vielmehr mußten die mit dem Patienten … konfrontierten Ärzte angesichts seiner Weigerung, die Aids-Problematik in einem gemeinsamen Gespräch mit dem behandelnden Arzt und seiner Lebensgefährtin aufzuarbeiten, größte Bedenken an der Zuverlässigkeit seiner Beteuerungen hegen. Dies beurteilen zu können, bedarf es keiner gutachterlichen Unterstützung.
Daß der genannte Brief zum Zeitpunkt des – vom Beklagten behaupteten – letzten Kontaktes der Parteien vor 1995 noch nicht geschrieben war, spielt für die vom Beklagten anzustellenden Überlegungen keine Rolle, zumal ihm als mit Aids-Infizierten erfahrenem Arzt bekannt war, daß bei solchen Patienten nach der Aussage der Zeugin … „ein verdrängendes Verhalten überdurchschnittlich normal ist.“
Wenn die genannte Zeugin dem Beklagten ihren Eindruck wiedergegeben hat, … sei zu allen Schutzmaßnahmen bereit, kann er sich damit nicht entlasten. Er hatte zu bedenken, daß auch die Klägerin seine Patientin war und von ihm Aufklärung über die ihr drohenden schwerwiegenden Risiken beanspruchen konnte.
Der Senat konzediert, daß die Aussage, ohne Aufklärung der Klägerin über die HIV-Erkrankung sei ihr Infektionsschutz unmöglich gewesen, zu relativieren ist. Angesichts der Verantwortlichkeit des Beklagten auch für die Sicherheit der Klägerin konnte und durfte er jedoch allein auf Grund des Versprechens des Erkrankten, er werde Kondome benutzen, keinesfalls davon überzeugt sein, daß dies auch geschehen würde.
Die Rechtsfrage hinsichtlich der Sorgfaltspflichten des Beklagten und des Umfanges der Aufklärungsbedürftigkeit der Klägerin abweichend vom Landgericht zu beurteilen, sieht sich der Senat nicht durch den Inhalt der Zeugenaussage … gehindert. Eine Wiederholung der Beweisaufnahme ist nicht erforderlich, weil nicht angezweifelt wird, daß die Zeugin die niedergelegten Erklärungen abgegeben hat. Es handelt sich auch vorliegend nicht um schwierige ärztliche Fachprobleme, die zwingend die Einholung eines Gutachtens erforderten. Vielmehr geht es darum, welcher Grad an Sicherheit zu verlangen ist, damit der Arzt davon entbunden sein kann, einer von der Aids-Ansteckung bedrohten Patientin die Erkrankung ihres Lebensgefährten zu verschweigen. Der Hauptgrund für das Versagen des Beklagten liegt nicht darin, daß er gegen ärztliche Standards bei der Behandlung eines Patienten verstoßen hat. Ihm gereicht zum Vorwurf, daß er eine falsch gewichtete Güterabwägung im Sinne des § 34 StGB vorgenommen hat.
Dies zu beurteilen ist Aufgabe der Gerichte. Es ist dabei kein besonderes richterliches Erfahrungswissen erforderlich, dessen Herkunft und Quellen den Parteien mitzuteilen wäre (vgl. S. 11 der Berufungserwiderung).
Indem der Beklagte von einer Unterrichtung der Klägerin abgesehen hat, ist ihm eine schuldhafte Verletzung von ärztlichen Pflichten anzulasten. Sein Unterlassen ist vorwerfbar, weil er nach richtiger Güterabwägung hätte einsehen müssen, daß er die Klägerin nicht der Todesgefahr, sich an Aids zu infizieren, aussetzen durfte.
Trotz der von der Klägerin erhobenen Bedenken kann ein grober Behandlungsfehler des Beklagten nicht bejaht werden. Auf S. 8 und 9 der PKH-Entscheidung wird verwiesen. An dieser Einschätzung sind auch nicht unter Berücksichtigung dessen Abstriche vorzunehmen, daß der Beklagte als Arzt auch gehalten war, seine Patientin nicht zur Infektionsquelle für nahe Angehörige oder sonstige Dritte werden zu lassen (Laufs-Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechtes S. 347). Dies ist zwar ein wichtiger Gesichtspunkt, den jeder Arzt im Auge zu halten hat. Daß der Beklagte dagegen verstoßen hat, ist objektiv – wie auch bereits die unterlassene Aufklärung über die Aids-Erkrankung des Lebensgefährten – als … fehlerhaft anzusehen. Es ist aber nicht so, daß eine solche Fehlbewertung einem Arzt, der sich der Schweigepflicht unterworfen sieht, schlechthin nicht passieren darf. Wenn er sich auf Grund fahrlässiger falscher Wertung an einer Offenbarung gehindert sieht, ist das nicht damit vergleichbar, daß er eindeutige ärztliche Standards mißachtet hätte.
Damit kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, daß zu Gunsten der Klägerin Beweiserleichterungen bis hin zur Umkehr der Beweislast zu gelten haben. Vielmehr obliegt ihr der volle Kausalitätsnachweis dahin, daß eine Information alsbald nach Kenntniserlangung des Beklagten im Januar 1993 ihre HIV-Infektion verhindert hätte. Diesen Beweis kann sie nicht erbringen. Wie bereits im PKH-Beschluß dargelegt (S. 10) spricht Überwiegendes dafür, daß ihre Infektion vor diesem Zeitpunkt erfolgt war. Die Sachkunde des Gutachters Privatdozent … ist unzweifelhaft in hohem Maße gegeben. Er hat die von ihm gefundenen Ergebnisse durch wissenschaftliche Zitate abgesichert und einen aktuellen Kenntnisstand die Aidsforschung betreffend dokumentiert. Wenn die Klägerin meint, die Annahme des Gutachters, der von einer hohen Wahrscheinlichkeit der Infektion vor 1993 spricht, sei nur eine vage Einschätzung, kann dem nicht gefolgt werden. Die verlangte Einholung eines weiteren Gutachtens (§ 412 ZPO) käme nach pflichtgemäßem Ermessen nur in Betracht, wenn Zweifel an der Sachkunde des Gutachters bestünden und ein anderer überlegene Forschungsmittel zur Verfügung hätte. Es spricht nichts dafür, daß der benannte Obergutachter … eine Infektion nach dem Januar 1993 bestätigen könnte. Die gegebene Begründung, dafür spreche ihr jetziger Gesundheitszustand, trägt nicht, denn sie hat es wohl allein den seit 1993 immer mehr verbesserten medikamentösen Möglichkeiten zu verdanken, daß es ihr relativ gut geht. Daß die Aids-Erkrankung noch nicht ausgebrochen ist, kann nicht als Anhaltspunkt dafür dienen, daß sie erst seit kürzerer Zeit infiziert ist. Maßgeblich ist die durchaus plausibel begründete Einschätzung des Sachverständigen, ausgehend von der Zahl der CD 4-Zellen ergebe sich rein rechnerisch ein vor Januar 1993 liegender Infektionszeitpunkt (S. 8 des Gutachtens vom 12.8.1998). Wenn er mangels genauerer Daten keine exakten Aussagen tätigen kann, spricht nichts dafür, daß dies einem anderen Sachverständigen möglich sein könnte.
Demgemäß ist auch nicht nachvollziehbar, daß sich die Klägerin in einer besseren körperlichen Situation befände, falls sie gleich nach dem Januar 1993 medikamentös behandelt worden wäre. Es steht zur Überzeugung des Senats fest, daß die damals bis Anfang 1995 übliche Behandlung kaum erfolgversprechend gewesen ist.
Soweit die Klägerin weitere für die Schmerzensgeldbestimmung wesentlichen Folgen der Aufklärungsunterlassung des Beklagten geltend macht, hat der Senat dazu auf S. 10 und 11 der PKH-Versagung Stellung genommen.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen, weil sie unterliegt (§ 97 I ZPO). Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziffer 10, 711 ZPO.