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Arzthaftung bei nicht erkannter Schwangerschaft

OLG Köln – Az.: I-5 U 39/11 – Beschluss vom 01.09.2011

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 1. Februar 2011 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln (3 O 139/09) durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweis binnen drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.

Gründe

I.

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Entscheidung des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die im Berufungsverfahren zugrunde zu legenden Tatsachen (§§ 529, 531 ZPO) eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).

Das Landgericht hat vielmehr zu Recht entschieden, dass der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche gegen den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustehen. Auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung, die sich der Senat zu Eigen macht, wird hier zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich Bezug genommen. Das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt eine abweichende Entscheidung nicht:

1.

Insbesondere wehrt sich die Klägerin ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Landgerichts, dass bei den Untersuchungen der Klägerin durch die Beklagten am 10., 12. und 16. April 2007 eine Schwangerschaft noch nicht feststellbar gewesen sei.

Bei dieser Beurteilung und auch im Übrigen folgt der Senat dem Gutachten des erstinstanzlich beauftragten Gerichtssachverständigen Prof. Dr. L [Gutachten vom 24. März 2010 (Bl. 95 – 99 d. A.) nebst mündlicher Erläuterungen vom 11. Januar 2011 (S. 1 – 3 des Protokolls der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme vom 11. Januar 2011 (Bl. 150 ff., 150/150R/151 d. A.)], das den Senat nicht zuletzt deshalb überzeugt, weil es auf der Basis einer sorgfältigen Auswertung der Krankenunterlagen und des Akteninhalts sowie unter eingehender Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Parteien umfassend, in sich schlüssig und gut nachvollziehbar begründet worden ist.

Arzthaftung bei nicht erkannter Schwangerschaft
Symbolfoto: Von Syda Productions/Shutterstock.com

Nach den überzeugend begründeten Feststellungen war die Schwangerschaft der Klägerin am 10., 12. und 16. April 2007 weder aufgrund der klinischen und sonographischen Untersuchungen noch durch den Beta HCG-Test nachweisbar [vgl. hierzu insb.: S. 1 – 5 seines schriftlichen Gutachtens vom 24. März 2010 (Bl. 95 ff., 95 – 99 d. A.)]. Zur Begründung hat der Sachverständige insbesondere ausgeführt, dass die Blutentnahme am 10. April 2007 keinen Befund ergeben habe, der auf eine Schwangerschaft hätte hindeuten können, und dass auch das im Serum bestimmte schwangerschaftsspezifische Hormon Beta HCG nicht erhöht gewesen sei [vgl. hierzu insb.: S. 1/2 seines Gutachtens vom 24. März 2010 (Bl. 95 ff., 95/96 d. A.)]. Dies sei plausibel, auch wenn aufgrund der in der Folgezeit gewonnenen Erkenntnisse davon auszugehen sei, dass die Klägerin am 10. April 2007 bereits seit ca. 10 Tagen schwanger gewesen ist [vgl. hierzu insb.: S. 4 seines Gutachtens vom 24. März 2010 (Bl. 95 ff., 98 d. A.)]. Denn der Beta HCG-Nachweis sei im Serum erst ab etwa 8 bis 10 Tagen nach der erfolgten Konzeption positiv, so dass sich – je nach angewendetem Testverfahren – eine diagnostische Lücke für die ersten ein bis zwei Wochen nach der Konzeption ergebe. In diesem Zeitraum könne der Test trotz bereits bestehender Schwangerschaft negativ ausfallen [vgl. hierzu insb.: S. 3/4 seines Gutachtens vom 24. März 2010 (Bl. 95 ff., 97/98 d. A.)]. Auch klinisch und sonographisch sei zu der fraglichen Zeit die Schwangerschaft noch nicht feststellbar gewesen. Sonographisch sei mit konventionellen Ultraschallgeräten eine Schwangerschaft und insbesondere die Fruchthöhle mit Fruchtanlage frühestens ab der fünften Schwangerschaftswoche darstellbar [vgl. hierzu insb.: S. 5 seines Gutachtens vom 24. März 2010 (Bl. 95 ff., 99 d. A.)]. Diese Ausführungen überzeugen den Senat. Sie werden von der Klägerin auch nicht mit Substanz angegriffen. Sie setzt vielmehr lediglich ihr „Gefühl“, dass in der fraglichen Zeit eine Schwangerschaft hätte festgestellt werden können, gegen die fundiert begründeten Feststellungen des Gerichtssachverständigen, der als Hochschullehrer und als geschäftsführender Direktor des Zentrums für Geburtshilfe und Frauenheilkunde des Universitätsklinikums C mit Tätigkeitsschwerpunkten in den Bereichen der allgemeinen Frauenheilkunde und der gynäkologischen Onkologie in besonderem Maße qualifiziert und erfahren ist, die im vorliegenden Rechtsstreit anstehenden medizinischen Streitfragen sachverständig zu begutachten.

Soweit die Klägerin zudem die Auffassung vertritt, dass der erstinstanzlich beauftragte Sachverständige schon deshalb nicht hinreichend beurteilen könne, ob eine Schwangerschaft bei ihr am 10., 12. und 16. April 2007 feststellbar gewesen ist, weil er sie in der fraglichen Zeit nicht begleitet habe, und soweit sie gleichwohl für ihre Behauptung, dass die Schwangerschaft damals bereits feststellbar gewesen sei, Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens antritt, ist dies nicht nachvollziehbar. Denn begleitet wurde die Klägerin in der fraglichen Zeit ausschließlich durch die Beklagten. Dementsprechend kämen nach der Auffassung der Klägerin nur diese als Sachverständige in Betracht, was sich allerdings selbstredend verbietet. In Bezug auf jeden anderen Sachverständigen würde demgegenüber der Kritikpunkt der Klägerin sprechen, dass dieser sie in der fraglichen Zeit nicht begleitet hat. Die Auffassung der Klägerin führte letztlich dazu, dass sie den ihr obliegenden Beweis, dass ihre Schwangerschaft bereits am 10., 12. bzw. 16. April 2007 hätte erkannt werden können, schon vom Ansatz her nicht führen könnte.

2.

Die Klägerin beruft sich auch ohne Erfolg darauf, dass es den Beklagten nicht gelungen sei, die Vermutung aufgrund ihrer Dokumentation, dass sie die Klägerin nicht auf die Notwendigkeit des Abwartens der nächsten Regelblutung vor der Einnahme des verordneten Ovulationshemmers hingewiesen haben, zu entkräften.

Bei dieser Beurteilung steht dem Senat vor Augen, dass es nach den überzeugend begründeten Feststellungen des Sachverständigen zumindest behandlungsfehlerhaft – im Regelfalle jedenfalls bei Patientinnen, die anders als die Klägerin dem behandelnden Arzt nicht bereits bekannt sind und die noch keine Erfahrungen mit Ovulationshemmern haben, auch grob fehlerhaft – ist, eine Patientin bei der Verordnung eines Ovulationshemmers nicht darauf hinzuweisen, dass vor der Einnahme zunächst die nächste Regelblutung abzuwarten ist [vgl. hierzu insb.: S. 3/4 und 5 seines Gutachtens vom 24. März 2010 (Bl. 95 ff., 97/98 und 99 d. A.) sowie seine mündlichen Erläuterungen am 11. Januar 2011 (S. 2 des Protokolls vom 11. Januar 2011, Bl. 150 ff., 150 R d. A.)].

a)

Insoweit ist aber zunächst darauf hinzuweisen, dass es im vorliegenden Streitfall auf die Frage, ob es den Beklagten gelungen ist, die genannte Vermutung zu entkräften, nicht entscheidungserheblich ankommt. Denn nach den eigenen Bekundungen der Klägerin anlässlich ihrer persönlichen Anhörung durch das Landgericht am 11. Januar 2011 beruhten ihre gravierenden Ängste vor einer Missbildung und/oder geistigen Behinderung ihres Kindes und die daraus resultierenden gravierenden psychischen Probleme während der Schwangerschaft darauf, dass sie während der Schwangerschaft in der Zeit, in der sie von dieser noch keine Kenntnis hatte, eine Magenspiegelung, eine Zahnbehandlung mit Röntgen eines Zahnes sowie eine Leistenbruchoperation unter Vollnarkose habe vornehmen lassen und ein Kreislaufmittel eingenommen habe. Die zeitweise erfolgte Einnahme des Ovulationshemmers war demgegenüber für die Klägerin zwar Anlass für Behandlungsfehlervorwürfe gegen die Beklagten, aber offenbar kein Grund für ihre Befürchtung während der Schwangerschaft, ein Kind mit Missbildungen und/oder geistigen Behinderungen zur Welt zu bringen.

b)

Der Senat geht zudem aber ebenso wie das Landgericht aus den zutreffenden Gründen von S. 8/9 der angefochtenen Entscheidung auch davon aus, dass die Beklagte zu 1. die Klägerin anlässlich der Verordnung des Ovulationshemmers am 16. April 2007 darauf hingewiesen hat, dass sie vor der Einnahme bis zur nächsten Regelblutung warten müsse, um sicher zu sein, dass sie nicht schwanger ist. Dem steht nicht entgegen, dass zu dieser Frage Zeugen nicht vernommen worden sind, die dies hätten bestätigen können. Denn auch ohne Zeugenbeweis ist es möglich, eine Vermutung, die durch eine ärztliche Dokumentation begründet wird, in der eine bestimmte Maßnahme nicht beschrieben ist, zu entkräften. Entscheidend ist, dass das Gericht davon überzeugt ist, dass die fragliche Maßnahme trotz fehlender Dokumentation tatsächlich durchgeführt worden ist. Und davon ist der Senat ebenso wie das Landgericht aufgrund der Bekundungen der Beklagten zu 1. und der Klägerin anlässlich ihrer persönlichen Anhörungen in der mündlichen Verhandlung vom 11. Januar 2011 [vgl. S. 3 – 5 des Protokolls vom 11. Januar 2011 (Bl. 150 ff., 151/151R/152 d. A.)] überzeugt. Denn die Beklagte zu 1. hat nachvollziehbar und in sich stimmig den Verlauf der Konsultation am 16. April 2007 geschildert und bekundet, dass sie die Klägerin entsprechend ihrer ständigen Übung bei jeder Verordnung eines Ovulationshemmers darauf hingewiesen habe, dass sie mit der Einnahme bis zur nächsten Regelblutung warten müsse, es sei denn, sie sei sicher, dass sie nicht schwanger sei; die Klägerin habe dann gesagt, dass sie nicht schwanger sei; im Hinblick darauf und im Hinblick auf den Umstand, dass die Untersuchungsergebnisse keine Anzeichen für eine Schwangerschaft ergeben hätten, habe sie der Klägerin vertraut und gesagt, dass sie das Medikament sofort einnehmen könne; dies sei wegen der Beschwerden der Klägerin auch angezeigt gewesen sei [vgl. S. 3 des Protokolls vom 11. Januar 2011 (Bl. 150 ff., 151 d. A.)]. Dieser Darstellung hat die Klägerin trotz Gelegenheit hierfür nicht widersprochen, obwohl sie aus ihrer Sicht dazu Veranlassung gehabt hätte, wenn ein entsprechender Hinweis der Beklagten zu 1. nicht erfolgt wäre. Und dass die Klägerin die Bekundungen der Beklagten zu 1. anlässlich der persönlichen Anhörung durch das Landgericht nicht einfach hingenommen, sondern durchaus kritisch hinterfragt hat, zeigt sich etwa darin, dass sie bekundet hat, dass die von der Beklagten zu 1. genannten Daten nicht stimmen könnten, weil sie (die Klägerin) sich ihre Daten immer genau aufschreibe [vgl. S. 5 des Protokolls vom 11. Januar 2011 (Bl. 150 ff., 152 d. A.)].

II.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung; weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung (§ 522 Abs. 2 Nr. 2, 3 ZPO).

 

 

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