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Arzthaftung – Nichterkennen einer erkennbaren Erkrankung und ihrer Symptome

OLG Dresden – Az.: 4 U 935/21 – Beschluss vom 16.08.2021

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers zu 1 und der Klägerin zu 2 ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 haben Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollten allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der Streitwert soll auf bis zu 240.000,00 € festgesetzt werden.

Gründe

I.

Die Kläger sind die Ehefrau und der minderjährige Sohn des am …01.20XX im Alter von 39 Jahren verstorbenen Patienten M…… S……. Sie begehren als dessen Erben und aus eigenem Recht mit ihrer Berufung, die sich gegen den Beklagten zu 1) als den Hausarzt des Verstorbenen, und gegen die als Radiologen tätigen Beklagten zu 2) und 3) richtet, Schmerzensgeld, Schadensersatz und Feststellung der Einstandspflicht für immaterielle Zukunftsschäden wegen behaupteter fehlerhafter Behandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage nach Einholung von hausärztlichen und radiologischen Sachverständigengutachten mit der Begründung abgewiesen, die Gutachten hätten den Nachweis eines behandlungsfehlerhaften Vorgehens der Beklagten nicht erbracht. Insbesondere seien Befunderhebungsfehler weder im Vorgehen des Hausarztes noch in der fachärztlichen Behandlung erkennbar gewesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger. Zur Begründung rügen sie die fehlende Auseinandersetzung der landgerichtlichen Entscheidung mit dem vorgerichtlich eingeholten MDK-Gutachten in Abgrenzung zu den Ausführungen des hausärztlichen und des radiologischen Sachverständigen. Der hausärztliche Sachverständige Prof. Dr. F…… habe es unterlassen, den Behandlungsstandard festzulegen, obwohl durchgängig erhöhte Thrombozytenwerte und auch zumindest ein erhöhter Leberwert vorgelegen hätten. Den Ursachen dieser auffälligen Werte sei nicht standardgerecht nachgegangen worden. Wäre die gebotene Abklärung erfolgt, wäre mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die richtige Diagnose einer Polycythemia vera (PCV) gestellt worden, so dass sich die Unterlassung als grob fehlerhaft darstelle. Nach der insoweit maßgeblichen Leitlinie, hätten bereits die Thrombozytenwerte spätestens 2013 durch Überweisung zu einem Hämatologen weiter differentialdiagnostisch abgeklärt werden müssen, was dann auch zur Feststellung der vorliegenden PCV geführt hätte. Dies gelte umso mehr, als auch pathologische Leberwerte vorgelegen hätten. Zumindest hätte die Thrombozythose nach den Leitlinien durch die Verordnung von ASS als Blutverdünnungsmittel therapiert werden müssen, dies hätte möglicherweise den späteren Leberverschluss verhindert. Die massiv erhöhten Leberwerte hätten differentialdiagnostisch abgeklärt werden müssen. Das Landgericht habe ferner auch die widersprüchliche Begutachtung durch den radiologischen Sachverständigen Prof. Dr. T…… nicht ausreichend gewürdigt. Die sonografische Befundung sei nicht ausreichend gewesen, da Lebervenen nicht ausreichend mittels Duplex Farbsonografie dargestellt worden seien. Den zur schriftlichen Begutachtung im Widerspruch stehenden mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen sei nicht hinreichend nachgegangen worden.

Die Kläger beantragen, unter Abänderung des am 03.05.2021 verkündeten und am 06.05.2021 zugestellten Urteils des Landgerichts Leipzig, Aktenzeichen 07 O 2167/18

1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Kläger zu 1.) und 2.) als Gesamtgläubiger ein angemessenes, in das Ermessen des Gerichts gestelltes, jedoch mindestens 80.000,00 € betragendes Schmerzensgeld nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % Punkten über dem Basis Zinssatz seit dem 09.12.2016 zu zahlen.

2. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin zu 2.) Beerdigungskosten von 7.980,45 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.12.2016 zu zahlen.

3. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger zu 1.) 3.906,96 € Unterhaltsschaden nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 8.12.2018 sowie monatlich im Voraus 187,62 € bis zum Erreichen des 18. Lebensjahres und danach Ausbildungsunterhalt entsprechend den gesetzlichen Voraussetzungen zu zahlen,

4. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen an die Klägerin zu 2.) Haushaltsführungsschaden in Höhe von 4.010,98 € und rückständigen Unterhaltsschaden in Höhe von 5.395,50 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.12.2018 zu zahlen sowie zukünftigen Haushaltsführungsschaden in Höhe von täglich 2,47 € monatlich im Voraus bis zum 16.10.2054 und zukünftigen Unterhalt in Höhe von 93,80 € monatlich im Voraus bis zum 16.10.2054,

5. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, den Klägern zu 1.) und 2.) als Gesamtgläubiger sämtliche materielle und immaterielle Schäden zu ersetzen welche sich aus der fehlerhaften Behandlung des Herrn M…… S…… in der Zeit vom 20.10.2011 bis zum 15.12.2015 entstanden sind und/oder noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden,

6. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Kläger zu 1.) und 2.) als Gesamtgläubiger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.795,59 € zu zahlen

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angegriffene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

II.

Arzthaftung - Nichterkennen einer erkennbaren Erkrankung und ihrer Symptome
(Symbolfoto: fizkes/Shutterstock.com)

Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch – einstimmig gefassten – Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers zu 1 und der Klägerin zu 2 bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Aufgrund der erstinstanzlich durchgeführten sachverständigen Begutachtung steht fest, dass den Klägern die geltend gemachten Ansprüche nicht zustehen, da den Beklagten kein vorwerfbarer Behandlungsfehler zur Last fällt.

1.

Der Sachverständige Prof. Dr. F…… ist zu dem überzeugend begründeten Ergebnis gekommen, dass der Beklagte zu 1 keine weitere Diagnostik hätte durchführen oder veranlassen müssen, die ein zwingend reaktionspflichtiges Ergebnis erbracht hätte.

Grundsätzlich ist zwar das Nichterkennen einer erkennbaren Erkrankung und der für sie kennzeichnenden Symptome als Behandlungsfehler zu werten (vgl. Senat, Beschluss vom 09. Dezember 2020 – 4 U 1777/20 –, Rn. 4, juris und Beschluss vom 29.07.2019 – 4 U 1078/19 – juris). Irrtümer bei der Diagnosestellung, die in der Praxis nicht selten vorkommen, sind jedoch oft nicht die Folge eines vorwerfbaren Versehens des Arztes. Die Symptome einer Erkrankung sind nämlich nicht immer eindeutig, sondern können auf verschiedene Ursachen hinweisen. Auch kann jeder Patient wegen der Unterschiedlichkeiten des menschlichen Organismus die Anzeichen ein und derselben Krankheit in anderer Ausprägung aufweisen. Diagnoseirrtümer, die objektiv auf eine Fehlinterpretation der Befunde zurückzuführen sind, können deshalb nur mit Zurückhaltung als Behandlungsfehler gewertet werden (vgl. BGH, Urteil vom 08.07.2003 – VI ZR 304/02 – juris; Senat, Beschluss vom 29.07.2019 – 4 U 1078/19 – juris; vgl. Senat, Urteil vom 15.05.2018 – 4 U 248/16 – juris). Die Wertung einer objektiv unrichtigen Diagnose als Behandlungsfehler setzt die vorwerfbare Fehlinterpretation erhobener Befunde oder die Unterlassung für die Diagnosestellung oder ihre Überprüfung notwendiger Befunderhebungen voraus (vgl. BGH, Urteil vom 08.07.2003 – VI ZR 304/02 – juris). Maßgeblich ist hierbei die Sicht ex-ante.

Im vorliegenden Fall hat der Sachverständige Prof. Dr. F…… eine dem Beklagten zu 1) vorwerfbare Fehlinterpretation der erhobenen Befunde verneint und auch keine unterlassene Befunderhebung festgestellt.

a)

Dass der Beklagte zu 1) die bei dem Patienten vorliegende Erkrankung eines Budd-Chiari-Syndroms (BCS) infolge einer PCV verkannt hat, kann nach den Ausführungen des Gerichtssachverständigen Prof. Dr. F…… dem Beklagten zu 1 nicht vorgeworfen werden. Dieses Ergebnis wird auch durch den MDK-Gutachter Dr. W…… nicht in Frage gestellt.

b)

Das Unterlassen einer weiteren Befunderhebung war auch trotz der vom Beklagten zu 1) erhobenen Laborbefunde, die teilweise auffällige Leberwerte und durchweg erhöhte Thrombozytenwerte erbracht hatten, nicht fehlerhaft.

Zur Abklärung auffälliger Leberfunktionsparameter in der hausärztlichen Praxis hat es dem Gerichtssachverständigen Prof. Dr. F…… zufolge im hier maßgeblichen Behandlungszeitraum keine eindeutigen Leitlinien gegeben. Erhöhte Leberenzyme waren bei dem Patienten schon seit 2009 bekannt. Auf die am 10.01.2012 festgestellte Transaminasenerhöhung sei zeit- und sachgerecht mit der Überweisung zum Ultraschall reagiert worden (vgl. Bl. 151 d. A.). Soweit der Sachverständige bei der gebotenen Abklärung der Leberwerte die erst für den 29.01.2015 erfolgte Abklärung des Verdachts einer möglicherweise virusbedingten Leberentzündung als „spät“ rügt und auch die Absetzung des Medikaments Citalopram mit anschließender Laborkontrolle vermisst, hat dies im Ergebnis der sachverständigen Feststellungen keine Relevanz für den Krankheitsverlauf und das weitere Behandlungsgeschehen. Ab dem Zeitraum Januar 2012 habe die Abdomensonografie das Bestehen einer Fettleber bestätigt, die eine plausible Erklärung für die erhöhten Leberwerte geliefert habe. Darüber hinaus seien von dem Beklagten zu 1 im Hinblick auf die Sonografieergebnisse keine weiteren Befunderhebungen veranlasst gewesen, da es hierfür keine entsprechende klinische Symptomatik gegeben habe. Überdies sei das Krankheitsbild eines BCS so selten, dass eine weitere Bildgebung in Bezug auf die Lebervenen von einem Hausarzt als Allgemeinmediziner nicht hätte gefordert werden können, zumal es auf die Allgemeinmedizinische Praxis bezogen nur wenig Fachliteratur dazu gebe und eine Erhöhung von Leberwerten, die in der Gesamtbevölkerung recht häufig vorkomme, auch ohne Therapie von selbst verschwinden würde.

Dass die erhöhten Thrombozytenwerte weder initial noch im weiteren Behandlungsverlauf weiter abgeklärt wurden, kann dem Beklagten zu 1) ebenfalls nicht angelastet werden. Das von den Klägern gerügte fehlerhafte Vorgehen nach Feststellung von erhöhten Thrombozytenwerten in den Laborkontrollen seit Oktober 2011 ist zumindest bis Januar 2012 nach den Feststellungen sowohl des Privatgutachters Dr. W…… (vgl. K 28, S. 19/20) als auch des Gerichtsgutachters Prof. Dr. F…… nicht behandlungsfehlerhaft. Der Gerichtsgutachter weist nachvollziehbar darauf hin, dass erhöhte Thrombozytenwerte auch infekt-reaktiv z. B. durch eine chronische Entzündung verursacht sein können und die Werte zudem nicht deutlich erhöht waren, der Sachverständige sieht die Grenze zu einer moderaten Erhöhung bei 100 über einem Normwert von > 361. Aus diesem Grund sei es nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte zu 1) die Thrombozytenzahl zunächst auf einen vorausgegangenen Infekt zurückgeführt und lediglich Kontrolluntersuchungen angeordnet habe. Der Gerichtssachverständige hat ferner ausgeführt, dass der Beklagte zu 1) im weiteren Verlauf ab Januar 2012 aufgrund der weiterhin erhöhten Thrombozytenwerte eine „am ehesten essentielle“ Thrombozytose diagnostiziert hat (vgl. Bl. 151, 332 d. A. und Abschrift der Behandlungsunterlagen), was als nachvollziehbar und korrekt, zumindest als vertretbar anzusehen sei. Die Annahme des Privatgutachters, der Beklagte zu 1) habe hinsichtlich der Thrombozytenwerte bereits keine Diagnose gestellt, wird dagegen durch die Patientenakten widerlegt, wie der Gerichtsgutachter festgestellt hat. Auch den Laborbefund vom 13.08.2013 mit den erstmaligen Erhöhungen weiterer Blutlaborparameter wertet der Sachverständige im Einklang mit dem MDK-Gutachter (K28 S. 11) als unkritisch, da die marginale Erhöhung nicht zwingend zur Einleitung weiterer Diagnostik hätte führen müssen. Auf den Befund vom Oktober 2014 sei mit der Anordnung einer weiteren Abdomensonografie ausreichend reagiert worden, die den Befund einer Fettleber bestätigt habe, was die Erhöhung der Laborwerte mangels Klinik und entsprechend den obigen Ausführungen des Sachverständigen zu den bei einem Hausarzt zugrundezulegenden Anforderungen an den Fachstandard ausreichend erklärt habe.

Der Sachverständige kommt in der Gesamtschau der erhobenen Befunde zu dem Ergebnis, dass es bis Dezember 2015 nachvollziehbar und vertretbar gewesen sei, von einer essentiellen Thrombozythämie als Diagnose auszugehen und daran auch festzuhalten. Dieser nachvollziehbaren Einschätzung durfte sich das Landgericht anschließen, Fehler bei der Beweiswürdigung sind nicht erkennbar.

c)

Ein Behandlungsfehlervorwurf hinsichtlich der vermuteten essentiellen Thrombozythämie liegt auch nicht darin, dass der Beklagte zu 1) nicht durch die Gabe von Aspirin behandelt hat. Eine ergänzende Befragung des Sachverständigen zu diesem Punkt ist entgegen der Ansicht der Berufung nicht veranlasst, auch nicht soweit die Klägerseite behauptet, die spätere Entwicklung des Lebervenenverschlusses (BCS) wäre bei einer der Leitlinie „Thrombozythämie“ entsprechenden Anwendung von ASS als blutverdünnendem Mittel beeinflusst bzw. verhindert worden. Der Sachverständige hat hierzu die dem Beklagten zu 1) zugängliche Fachliteratur zitiert, die diesem aber keinen Anlass geboten hätte, ein anderes Vorgehen einzuschlagen. Eine ASS-Therapie bei dem Patienten sei wegen dessen Einstufung als Niedrigrisikopatient gerade nicht geboten gewesen, denn wie sich aus der auch von den Klägern zitierten Leitlinie ergebe, werden bei solchen Patienten lediglich ein „Watch and Wait“ empfohlen. Weiter heißt es in der Leitlinie, dass Aspirin bei einer essentiellen Thrombozythämie (lediglich) in Bezug auf Patienten mit höherem Risiko unter bestimmten Indikationen von Nutzen sein kann, dass aber selbst für diese Empfehlung bisher keine prospektiven klinischen Studien existierten. Aus der unterlassenen Gabe von Aspirin kann somit jedenfalls kein Behandlungsfehlervorwurf folgen. Zwar hätte der Beklagte den Patienten zur Abklärung der Diagnose einer essentiellen Thrombozythämie an einen Facharzt für Hämatologie überweisen oder die Bestimmung einer JAK2 Mutation veranlassen können, dies hätte aber dem Sachverständigen zufolge weder zu einer anderen Diagnose noch entsprechend der Leitlinie der Thrombozythämie zu einer therapeutischen Konsequenz geführt, nach dem maßgeblichen Behandlungsstandard war eine solche Überweisung nicht geschuldet.

d)

Er hält auch die Erhebung weiterer Befunde nicht für geboten, auch nicht soweit der radiologische Sachverständige gefordert habe, der Beklagte zu 1) habe im Hinblick auf die Ergebnisse der Sonografien vom 20.01.2012 und 01.11.2014 wegen der erschwerten bzw. Nichtdarstellbarkeit der Lebervenen eine Farb-Duplexsonografie der Lebervenen veranlassen müssen (s. u.). Aufgrund der beim Patienten bestehenden Klinik und der Seltenheit des Krankheitsbildes einer PCV bzw. eines BCS sei eine weitere Bildgebung hinsichtlich der Lebervenen jedenfalls nicht vom Hausarzt zu veranlassen gewesen. Die Nichtdarstellbarkeit der Lebervenen ließe nicht darauf schließen, dass diese nicht vorhanden oder stark verengt seien.

Selbst wenn eine weitere Diagnostik erfolgt wäre, hätte diese keine therapeutischen Konsequenzen nach sich gezogen. Den Klägern ist somit auch der Beweis dafür nicht gelungen, dass selbst bei zutreffender Diagnosestellung das Auftreten des BCS bzw. der Lebervenenverschluss verhindert worden wäre und damit ein kausaler Gesundheitsschaden nicht eingetreten wäre.

2.

Entgegen der Ansicht der Berufung haben die Beklagten zu 2) und 3) es nicht behandlungsfehlerhaft unterlassen, in der Sonografie-Untersuchung vom 20.01.2012 bei erschwerter Abgrenzung von zwei der drei Lebervenen eine farbkodierte Duplexsonografie mit Flussmessung durchzuführen, um Verschlüsse der Lebervenen ein- und/oder auszuschließen. Der Sachverständige Prof. Dr. T…… hat hierzu in seiner Stellungnahme vom 17.07.2020 erläutert, dass die Anordnung einer zusätzlichen Untersuchung wie die Duplexsonografie in hohem Maße von den labormedizinischen Befunden abhängig sei und daher nur dann dringend geboten, wenn die Klinik und die Laborwerte des Patienten als pathologisch zu werten seien. Aus diesem Grund müsse der Hausarzt dies nach entsprechenden Untersuchungen auch explizit anfordern. Entsprechend seinen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht sei eine Farbduplexsonografie lediglich bei Bestehen einer konkreten Verdachtsdiagnose indiziert gewesen, da diese spezielle und zeitaufwendige Untersuchung nicht Standard einer Abdomensonografie sei. Da mit der Überweisung keine richtungsweisende Beschwerden für eine PCV bzw. für ein BCS mitgeteilt worden seien, sei die Untersuchung mittels Farbduplexsonografie nicht geboten gewesen. Zudem hätte eine solche Untersuchung zu einem früheren Zeitpunkt lediglich eine Verengung der Lebervenen gezeigt, die aber durch die gleichfalls festgestellte Fettleber plausibel erklärt werde. Der Verschluss der Lebervenen habe offensichtlich erst kurz vor Aufnahme in die stationäre Behandlung stattgefunden, so dass dies nicht entscheidend früher hätte festgestellt werden können. Ein niedergelassener Radiologe hätte im Rahmen der Farbduplexsonografie auch nicht zuverlässig unterscheiden können zwischen der durch eine Fettleber und einer durch eine Thrombozythämie bei einem BCS hervorgerufenen Lebervenenverengung. Diese Unterscheidung sei auch für einen Leberspezialisten ausgesprochen schwierig, zumal es sich zu den Untersuchungszeitpunkten nicht um einen akuten, sondern einen chronischen Verlauf gehandelt habe.

Im Ergebnis der sachverständigen Begutachtung durch Prof. Dr. T…… steht daher nicht fest, dass die Beklagte zu 2) – was dem Beklagten zu 3) im Rahmen der vertraglichen Haftung als Mitglied der Praxisgemeinschaft zurechenbar wäre – mit der Farbduplexsonografie eine gebotene weitere Untersuchung vorwerfbar unterlassen hätte, die dazu geführt hätte, dass weitere zwingend gebotene Behandlungen nach sich gezogen hätte, wodurch der später eingetretene Gesundheitsschaden verhindert worden wäre.

Soweit die Kläger mit der Berufung das Gegenteil behaupten, bietet das keinen hinreichenden Anlass für die Einholung eines Obergutachtens. Der bloßen Behauptung eines anderen Fachstandards muss nicht nachgegangen werden, weil sie nicht durch eine gutachterliche Stellungnahme untersetzt wird. Der Berufung ist zwar zuzugeben, dass die schriftlichen Äußerungen des Sachverständigen zunächst unklar waren. Der Sachverständige hat aber im Rahmen der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens etwaig bestehende Missverständnisse ausgeräumt und nachvollziehbar und überzeugend den bei der Behandlung des Patienten geltenden Standard dargestellt.

Der Senat rät daher zur Rücknahme der Berufung, die zwei Gerichtsgebühren spart.

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