Skip to content
Menu

Arzthaftung – Pflicht zur Aufklärung über alternative Behandlungsmöglichkeiten

LG Köln – Az.: 25 O 70/15 – Urteil vom 26.10.2018

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin aufgrund der rechtswidrigen Behandlung am 31.3.2009 ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen, die ihr aufgrund der rechtswidrigen ärztlichen Behandlung am 31.3.2009 in der Vergangenheit bereits entstanden sind oder zukünftig noch entstehen werden, soweit Schadensersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden;

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt die Klägerin von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.273,95 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 80% und die Beklagten als Gesamtschuldner 20%.

Tatbestand

Die am 16.7.1947 geborene Klägerin macht gegen die Beklagte zu 1), Trägerin eines Krankenhauses in Köln sowie gegen den Beklagten zu 2), Chefarzt im Haus der Beklagten zu 1) Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht für vergangene und zukünftige materielle Schäden wegen des Vorwurfs von Behandlungsfehlern und unzureichender Aufklärung geltend.

Die Klägerin litt vor ihrer Vorstellung im Haus der Beklagten zu 1) bereits seit längerer Zeit unter Schmerzen im Metacarpophalangealgelenk (MCP-Gelenk/Fingergrundgelenk). Im August 2008 war bereits eine Radiosynoviorthese durchgeführt worden. Am 18.02.2009 stellte sich die Klägerin im Haus der Beklagten zu 1) erstmals ambulant vor. Es wurde eine klinische Untersuchung vorgenommen und eine Röntgenaufnahme erstellt, in der sich eine MCP-Arthrose präsentierte. Die Beklagte zu 2) empfahl die Implantation einer Grundgelenkprothese. Die weiteren Einzelheiten des Gespräches der Klägerin mit der Beklagten zu 2) sind streitig.

Am 31.03.2009 wurde die Klägerin stationär im Haus der Beklagten aufgenommen und die Implantation einer Grundgelenksprothese „Toccata mittel“ am rechten Finger D 2 (Zeigefinger) von der Beklagten zu 2) durchgeführt. Am 04.04.2009 wurde die Klägerin aus der stationären Behandlung entlassen. Es gab postoperativ ambulante Wundkontrollen am 08.04.2009, 15.04.2009 und am 22.04.2009. Am 15.04.2009 wurde eine streckseitige funktionelle Gipsschiene angelegt und eine Röntgenkontrolle durchgeführt. Am 22.04.2009 wurde das eingebrachte Nahtmaterial entfernt und der Beginn einer krankengymnastischen Beübung sowie die Weiterbetreuung durch den Hausarzt empfohlen. Am 29.04.2009 stellte sich die Klägerin mit Schmerzen und einer dezenten Rötung am rechten Zeigefinger erneut im Haus der Beklagten zu 1) vor. Es wurden ihr eine Blutabnahme, Ruhigstellung und ggf. Antibiose durch den Hausarzt empfohlen. Am 04.05.2009 stellte sich die Klägerin nochmals im Haus der Beklagten zu 1) vor und klagte über Schmerzen und Sensibilitätsausfälle. Es zeigte sich eine Rötung, Schwellung und Schmerzen über dem MCP-Grundgelenk. Die Beklagte zu 2) empfahl eine neurologische Abklärung. Bei einer Voruntersuchung im Haus der Beklagten zu 1) am 8.5.2009 wurde ein normwertiger Leukozytenwert erhoben. Ein ärztlicherseits auf den 8.5.2009 datierter Aufklärungsbogen findet sich in den Akten. Nach erfolgter Abklärung wurde am 12.05.2009 eine Karpaltunnelsyndrom-OP in der rechten Hand durchgeführt. Es erfolgte eine Karpaltunnel-Spaltung rechts und eine A1 Ringbandspaltung D II bis D V. Ferner wurde eine Beugesehnensynovektomie durchgeführt und ein Abstrich entnommen, der eine unspezifische Synovitis ergab. Am 15.05.2009 wurde die Klägerin aus der stationären Behandlung entlassen. Am 19.05.2009 und am 27.05.2009 erfolgten postoperative Nachuntersuchungen. Die Fäden wurden gezogen. Bei Fortbestehen der Schmerzen und des Streckdefizits der Langfinger der rechten Hand wurde die Klägerin erneut am 8.6.2009 und am 6.7.2009 im Haus der Beklagten zu 1) vorstellig. Es erfolgte bei noch bestehenden Schmerzen und Streckdefizit des rechten Zeigefingers die Empfehlung zur Fortführung der Physiotherapie und Narbenmassage sowie bei arthritischen Beschwerden zur Vorstellung in einer handchirurgischen Spezialklinik. Vom 4.6. bis 16.6.2010 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung des Ambulanten Zentrums für spezielle Schmerztherapie und Palliativmedizin. Im November 2010 suchte die Klägerin wegen eines stechenden Schmerzes am rechten Zeigefinger einen niedergelassenen Orthopäden in B… auf, der das Vorliegen eines Morbus Dupuytren Stadium II an den Fingern D 2 und 3 diagnostizierte. Eine neurologische Untersuchung am 30.11.2010 ergab ein Carpaltunnelsyndrom beidseits. Unter der Diagnose: „Dupuytrenkontraktur, 1. Grades, 3. Strahl, Tendovaginitis stenosans D 3 rechts“, wurde im … Krankenhaus … am 3.2.2011 eine partielle Hohlhandaponeurektomie mit Neurolysen, Arteriolysen, partieller Synovektomie der der Beugesehne mit Ringbandspaltung sowie V-Y-Transpositionshautlappenplastik vorgenommen. Nachdem auch postoperativ weiterhin Schmerzen in der Hohlhand und Streckdefizite bestanden, wurde die Klägerin am 1.8.2011 im … Krankenhaus … erneut operiert. Es erfolgte die Prothesenexplantation am MP-Gelenk D 2, ein Debridement von Knochen und Grundgliedbasis, die Metacarpalköpfchenentnahme, eine Beckenkammspongiosatransplantation mit Arthrodese des MP Gelenks D 2 rechts sowie eine Kompressionsdrahtfixation des MP-Gelenks. Am 5.8. erfolgte eine Infektsanierung. Im Jahr 2012 erfolgte eine weitere OP und im Jahr 2013 zwei weitere Revisionen.

Die Klägerin behauptet, fehlerhaft behandelt worden zu sein. Vor der Operation am 31.03.2009 hätte es weiterer Abklärungen bedurft, um zu entscheiden, ob die Operation überhaupt indiziert gewesen sei. Die Auswahl der Prothese, die ihr in der Operation am 31.03.2009 eingesetzt worden sei, sei fehlerhaft gewesen. Zum einen sei ihr Metall und damit ein veraltetes Material anstelle eines Kunststoffimplantats eingesetzt worden; zum anderen sei die Größe falsch dimensioniert gewesen. Es sei ferner bei der Operation am 31.03.2009 unsteril gearbeitet und dadurch eine Infektion ausgelöst worden. Die Infektion sei fehlerhaft nicht rechtzeitig erkannt und behandelt worden. Auch die postoperative Behandlung sei wegen fehlender Verwendung einer dynamischen Schiene fehlerhaft gewesen. Die am 12.05.2009 durchgeführte A1-Ringbandspaltung sei nicht indiziert gewesen.

Die Klägerin erhebt des Weiteren die Aufklärungsrüge mit der Behauptung, sie sei nicht darüber aufgeklärt worden, dass es Metall- und Kunststoffprothesen gebe und der Nachteil von Metallprothesen eine Überempfindlichkeit bei Hitze sei. Sie habe auch keineswegs einer Metallprothese zugestimmt. Der „Toccata“-Prothese habe sie im Vertrauen auf den behandelnden Arzt zugestimmt, aber in Unkenntnis, dass es sich um ein Metallimplantat gehandelt habe. Die Klägerin behauptet, sie sei auch nicht über die Option einer sofortigen Versteifung aufgeklärt worden. Folge der Behandlungsfehler sei, dass sie insgesamt 5 Nachoperationen habe über sich ergehen lassen müssen. Die Schmerzen würden ausstrahlen und ihr gesamtes physisches und psychisches Wohlbefinden beeinträchtigen, was zu einer erheblichen Depression geführt habe. Die Hand brenne dauerhaft und fühle sich entzündet an.

Die Hand könne nicht belastet und auch nicht benutzt werden. Auch nachts wache sie vor Schmerzen häufig auf.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin aufgrund der streitgegenständlichen Behandlungsfehler im Jahre 2009 ein angemessenes in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 25.000 € zzgl. 5 Prozentpunkten Verzugszinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. festzustellen dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen, die ihr aufgrund der ärztlichen Fehlbehandlung im Jahre 2009 in der Vergangenheit bereits entstanden sind oder zukünftig noch entstehen werden, soweit Schadensersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden;

3. die Beklagten zu verurteilen an die Klägerin 2843,49 € an vorgerichtlichen Anwaltskosten zzgl. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten bestreiten Behandlungsfehler. Sie behaupten, eine Infektion habe zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Die Ringbandspaltung sei wegen der „springenden Schnappfinger“ indiziert gewesen. Die Beklagten behaupten, die Aufklärung sei ordnungsgemäß gewesen (Bl. 99 ff.). Insbesondere seien der Klägerin die Möglichkeiten einer Kunststoff- und einer Metallprothese erklärt worden. Auf Empfehlung habe sie sich dann für die Metallprothese entschieden. Auch über die Versteifungsoption werde regelhaft aufgeklärt. Die Beklagten erheben den Einwand hypothetischer Einwilligung. Die Beklagten bestreiten die geltend gemachten Beschwerden sowie, dass diese auf einem Behandlungsfehler beruhen. Sie halten das Schmerzensgeld für übersetzt.

Es wurde ein Verfahren vor der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler durchgeführt. Die Gutachterkommission hat einen Behandlungsfehler nicht festzustellen vermocht.

Für den weiteren Sach- und Streitstand wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze sowie auf die Anlagen und Behandlungsunterlagen Bezug genommen.

Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß dem Beweisbeschluss vom 03.11.2015 (Bl. 104 ff.) durch Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung des Sachverständigen im Termin. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten von Dr. med. … vom 23.7.2016 (Bl. 132 ff. der Akte), und auf die Sitzungsprotokolle der mündlichen Verhandlungen vom 30.5.2017 (Bl.271 ff. der Akte) und vom 18.9.2018 (Bl. 381 ff. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Arzthaftung - Pflicht zur Aufklärung über alternative Behandlungsmöglichkeiten
(Symbolfoto: Von AnemStyle/Shutterstock.com)

Der Klägerin stehen Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten zu 1) und 2) wegen einer rechtswidrigen Körperverletzung (§§ 823 Abs. 1, 249, 253 Abs. 2 BGB) zu. Denn die Beklagten haben zur Überzeugung des Gerichts nicht nachweisen können, dass der in Rede stehende Eingriff am 31.3.2009 mit wirksamer Einwilligung der Klägerin nach vorangegangener ordnungsgemäßer Aufklärung vorgenommen wurde, § 286 ZPO. Demgegenüber sind Behandlungsfehler nicht bewiesen.

1.

Es steht nicht infrage, dass die Beklagtenseite über die Risiken der Operation am 31.03.2009, auch im Hinblick auf die Gefahr einer Lockerung oder Luxation des Implantats oder weitere Risiken hingewiesen hat. Nach der Beweisaufnahme ist aber nicht bewiesen, dass die Beklagtenseite über die alternative Möglichkeit einer Arthrodese oder über alternative Implantate aufgeklärt hat. Zwar ist die Wahl der Behandlungsmethode primär Sache des Arztes. Im Sinne der Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten hat jedoch eine Unterrichtung über alternative Behandlungsmöglichkeiten dann zu erfolgen, wenn für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen eines Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten (BGHZ 168,103 ff.). Zwar hat der Sachverständige im Rahmen der mündlichen Verhandlung angegeben, dass man nicht zwingend über die Alternative der Arthrodese hätte aufklären müssen. Zum einen ist die Kammer hieran, anders als in Bezug auf die Frage des Vorliegens eines Behandlungsfehlers, nicht gebunden, da es hier nicht um eine rein medizinische Sachfrage geht sondern vielmehr eine rechtliche Bewertung enthält. Zugleich hat der Sachverständige gutachterlich und auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung erläutert, dass bei der Klägerin ein gelenkerhaltendes Verfahren, ebenso wie ein gelenkversteifendes Verfahren in Betracht kamen und man ihr beides hätte anbieten können. Auch hat der Sachverständige angegeben, dass die Endoprothetik im Bereich der kleinen Fingergelenke nicht so erfolgreich sei, wie dies im Knie- oder Hüftbereich sei. Saubere Zahlen im Hinblick auf zufriedenstellende Ergebnisse mit der Endoprothetik im Fingerbereich könne man nicht nennen, da es zum einen nicht sehr viele Kliniken gebe, die im handchirurgischen Bereich derartige Operation vornähmen und zum anderen, weil sehr viele verschiedene Modelle im Bereich der Endoprothetik angewendet würden. Auf nochmaliges Nachfragen hat der Sachverständige angegeben, dass es bei etwa 20 % der Patienten durchaus zu Problemen komme, wobei er ausdrücklich klargemacht hat, dass es sich hierbei um eine Schätzung handele. Auf diesem Hintergrund und insbesondere auch unter Berücksichtigung der Vorerkrankung der Klägerin an ihrer Hand und aufgrund ihres Alters ist die Kammer der Auffassung, dass hier die Alternative einer Arthrodese der Klägerin hätte vor Augen geführt werden müssen. Auch die alternativen Möglichkeiten reiner Keramikimlantate im Vergleich zu Metallimplantaten hätten, zumindest umrissweise, mit Vor- und Nachteilen erörtert werden müssen. Auf eine Beweisaufnahme über die Frage, inwieweit der Klägerin die Implantation eines reinen Kreamikimplantats angekündigt wurde oder sie davon ausging, dass das Toccata-Implantat aus Keramik sei, kam es insoweit nicht mehr an. Denn in der Beweisaufnahme hat sich durch die Angaben des Beklagten zu 2) im Rahmen der Anhörung bestätigt, dass, jedenfalls im Fall der Klägerin, zwar gekoppelte und ungekoppelte Prothesen erwähnt wurden und über die Verwendung von körpereigenem Gewebe, nämlich eine sogenannte Resektionsinterpositionsarthroplastik aufgeklärt wurde, nicht aber über eine Arthrodese oder über die Alternative eines reinen Keramikimplantats (zb. Swanson-Implantat). Auch sei-jedenfalls im Fall der Klägerin – kein entsprechendes Anschauungsmaterial vorhanden gewesen, das über die Materialien der Implantate näher hätte Auskunft geben können. Der Beklagte zu 2) hat dies auch nachvollziehbar damit begründet, dass es ein Stufenverfahren in dem Sinne gebe, dass zunächst ein Implantat, wie das Eingesetzte versucht würde, und das Swanson Implantat eher als sekundäres Implantat, bei Lockerung, verwendet werde; Implantate seien jedenfalls vorrangig vor einer Arthrodese, bei der ja das Gelenk versteift werde. Er gehe nicht davon aus, dass er über die Arthrodese aufgeklärt habe. Durch die Angaben des Sachverständigen ist aber im Rahmen der mündlichen Verhandlung deutlich geworden, dass dieses 3 -stufige Verfahren keinesfalls zwingend ist, sondern es durchaus Stimmen in der Literatur gebe, die eine Arthrodese im Fingergelenksbereich wegen der häufigen Folgeoperationen und der schlechteren Ergebnisse im Vergleich zu Hüft- und Knie- Endoprothesen von vielen als gleichwertig angesehen und als primärer Eingriff vorgenommen werden. Daher sei es auf jeden Fall möglich, der Patientin beides anzubieten. Aufgrund dieser Sachlage ist die Kammer überzeugt, dass die Aufklärung der selbstbestimmten Entscheidung in der Lage der Klägerin nur dann gerecht wird, wenn diese Möglichkeiten mit den entsprechenden Vor- und Nachteilen (Arthrodese- Versteifung des Fingergelenks bei geringerem Revisionsrisiko versus Endoprothese – mögliche Erhaltung der Beweglichkeit bei erhöhter Revisionsgefahr) den Patienten erläutert werden, damit diese selbst entscheiden können, welche Operation sie ggfs. bevorzugen, insbesondere wenn sie bereits unter einer Vorproblematik in der entsprechenden Region leiden und sie aufgrund ihres Alters weniger auf eine unumschränkte Beweglichkeit angewiesen sind. Da der Beklagte zu 2) im Hinblick auf das mit der Klägerin geführte Gespräch eindeutige Angaben gemacht hat, auch anhand seiner am 18.2.2009 gemachten Aufzeichnungen, war der Zeuge R., der unstreitig an Gesprächen mit der Klägerin nicht beteiligt war, sondern nur für das generelle Prozedere bei der Aufklärung benannt war, nicht mehr zu hören.

Auch greift, nach Anhörung der Klägerin, der Einwand der hypothetischen Einwilligung nicht durch. Denn die Klägerin hat durchaus plausibel gemacht, dass sie sich hier, aufgrund der schon bestehenden Problematik ihres Fingers, möglicherweise für eine Versteifung entschieden hätte. Jedenfalls ist nicht auszuschließen, dass die Klägerin, die im Rahmen der Verhandlungen und auch nach den eingereichten Unterlagen den Eindruck gemacht hat, sich mit ihren medizinischen Belangen zu befassen, sich noch einmal eine weitere Meinung eingeholt und sich möglicherweise gegen die Implantation eines Fingergelenks und für eine Arthrodese oder für ein reines Keramikimplantat entschieden hätte.

Im Hinblick auf die Folgen ist zu berücksichtigen, dass vor allem der insoweit rechtswidrige Eingriff selbst und die unmittelbar mit diesem Eingriff feststehenden zusammenhängenden Folgen (Phase der Wundheilung, Tragen eines Gipses, Physiotherapie) im Rahmen eines Schmerzensgeldes zu ersetzen sind, des Weitern die Operation am 1.8.2011 im … Krankenhaus …, soweit die vorgenommene Explantation der Prothese betroffen ist und die entsprechende Wundheilungsphase. Einer Operation, bezogen auf ihren rechten Zeigefinger, hätte sie sich allerdings in jedem Fall unterziehen müssen. Auch hat der Sachverständige angegeben, dass in Bezug auf die Operation am 12.5.2009 Ursache der Operation ein Karpaltunnelsyndrom war, das auch bereits im Jahr 2000 diagnostiziert worden war und auffällig dort eine Synovitis in der Beugesehne war, so dass ein Zusammenhang mit der am 31.3.2009 stattgehabten Operation nicht gesehen wurde. Im Hinblick auf die Schmerzen bis zur Explantation des Implantats am 1.8.2011, auch in Bezug auf den stationären schmerztherapeutischen Aufenthalt der Klägerin im Jahr 2010 konnte der Sachverständige insoweit nicht auseinanderhalten, inwieweit hier die Endoprothese hierfür verantwortlich war und inwieweit das Karpaltunnelsyndrom. Bezogen auf den Zeitpunkt des Jahres 2010 hat er jedenfalls eine diagnostizierte Lockerung der Prothese ausgeschlossen, eine Lockerung der Prothese aber jedenfalls für das Jahr 2011 auf der Grundlage des Röntgenbilds vom 29.7.2011 erkannt. Gleichwohl ist er zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Schmerzbeteiligung durch die gelockerte Endoprothese nur mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 50% vorgelegen hat, mithin, nach dem relevanten Beweismaß des § 287 ZPO, die Schmerzen nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit durch die implantierte Prothese hervorgerufen wurden. Die Operation am 3.2.2011 erfolgte im Hinblick auf einen Morbus Dypuytren am 3. Finger, bei der der Sachverständige weder direkt noch indirekt einen Zusammenhang mit der Endoprothese gesehen hat. Insoweit ist auch der von der Klägerin beklagte, weitgehende Funktionsverlust der Hand wegen der vielfältigen unabhängigen Probleme der rechten Hand (Karpaltunnelsyndrom, Morbus Dupuytren) nicht nachweisbar auf die Operation am 31.3.2009 zurückzuführen.

Insgesamt hält die Kammer daher einen Schmerzensgeldbetrag von 4000,- € für angemessen und im Vergleich zu bereits entschiedenen vergleichbaren Fällen für ausreichend.

2.

Die Klägerin hat nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme demgegenüber nicht zur Überzeugung der Kammer beweisen können, dass sie von den Beklagten fehlerhaft behandelt worden ist, § 286 ZPO. Der Sachverständige Dr. med. … ist in seinem Gutachten vom 23.7.2016 (Bl. 132 ff. der Akte) unter sehr eingehender und sorgfältiger Auswertung der umfänglichen Behandlungsunterlagen und einer eigenen Untersuchung zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Behandlungsfehler nicht festzustellen sei.

Er hat ausgeführt, bei der Klägerin habe vor der Operation am 31.03.2009 eine schmerzhafte Arthrose des Zeigefingergrundgelenkes der rechten Hand vorgelegen. Diese Diagnose sei als gesichert anzusehen. Im Hinblick auf die hochgradige Arthrose gebe es keinen Zweifel an der Indikation für die stattgehabte Operation am 31.3.2009. Es habe angesichts der Röntgenunterlagen vom 11.02.2009 auch keiner weiteren Abklärung durch andere bildgebende Verfahren mehr bedurft. Vor der Operation habe auch eine konservative Behandlung stattgefunden in Form von Injektionen. Des Weiteren habe eine Radiosynoviorthese am MCP 2-Gelenk rechts am 04.09.2008 stattgefunden. Bei erfolgloser konservativer Therapie sei eine Operation indiziert. Kontraindikationen hat der Sachverständige im Fall der Klägerin verneint. Die Operation selbst sei, ausweislich des Operationsberichts, fehlerfrei durchgeführt worden. Das beschriebene Vorgehen entspreche typischem handchirurgischem Vorgehen. Die implantierte Prothese sei weder nach Art noch nach gewählter Größe zu beanstanden. Hierzu hat der Sachverständige mündlich ausgeführt, dass in der Operation ja zunächst eine Probeprothese benutzt werde und sich dann zeige, ob die Auswahl zutreffend sei. Es gebe keinerlei Hinweise auf eine fehlerhafte Größe der im Jahre 2011 explantierten Prothese. Der Sachverständige hat auch mündlich daran festgehalten, dass eine gelenkerhaltende Operation auch bei der Klägerin unter Berücksichtigung ihrer bestehenden Arthrose und ihres Alters nicht kontraindiziert gewesen sei. Denn auf den Einwand der Klägerseite im Schriftsatz vom 10.10.2016, Bl. 195 d.A. und in der mündlichen Verhandlung, ob die Operation mittels einer Fingerprothese nicht angesichts der Gesamtsituation in Bezug auf die Arthrose der Klägerin kontraindiziert gewesen sei, sondern vielmehr eine Arthrodese habe durchgeführt werden müssen, auch angesichts des Alters der Klägerin, hat der Sachverständige mündlich ausgeführt, dass die Patienten durch die Endoprothese in den Genuss einer weiterbestehenden Beweglichkeit kommen könnten. Zwar sei es, bezogen auf die Weichteilsituation und die Knochensubstanzsituation so, dass es sicherlich vorteilhafter sei bei einem jungen Menschen eine Prothese einzusetzen, als bei einem älteren Menschen. Zugleich müsse man sich klarmachen, dass ein junger Mensch in einem viel stärkeren Maße seine Hand und seine Finger einsetze, als dies bei älteren Menschen der Fall sei. Hierdurch sei das Risiko einer Lockerung aufgrund besonders großer Beanspruchung bei jungen Menschen erheblich höher als bei älteren Menschen. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass auch bei Vorliegen einer schweren Arthrose, wie dies bei der Klägerin der Fall war, die gelenkerhaltende Operation indiziert sei. Zu dem Vorwurf der Klägerseite, es sei bei der Operation unsteril gearbeitet worden, hat der Sachverständige schriftlich ausgeführt, dass ein Hinweis auf eine intraoperativ festgestellte Infektion nicht gegeben sei. Auch Hygieneversäumnisse bei der Operation seien aus dem Operationsbericht oder den sonstigen Unterlagen nicht ersichtlich. Insoweit ist die Kammer mit der insoweit anerkannten ständigen Rechtsprechung im Übrigen der Auffassung, dass ein Hygieneverstoß schon nicht substantiiert vorgetragen ist. Allein ein Zusammenhang einer aufgetretenen Infektion mit dem Behandlungseingriff – hier liegt postoperativ noch nicht einmal eine Infektion vor – genügt nicht für die Annahme eines Hygienemangels und einer Beweislastumkehr unter dem Aspekt des vollbeherrschbaren Risikos. Vielmehr muss ein konkreter Bezug des Infektionseintritts zu den konkreten Hygiene- Bedingungen hergestellt werden (OLG Köln 5 U 69 /12). Bereits hieran fehlt es. Auch mündlich hat der Sachverständige nochmals erläutert, dass es keinen Nachweis dafür gebe, dass es im Nachgang zur Operation überhaupt zu einer Infektion gekommen sei. Denn es habe postoperativ keinerlei Hinweise auf eine Infektsituation gegeben. Ein möglicher Hinweis für ein Vorliegen einer Infektsituation könne auf den 29.04.2009 datieren. Dass eine Infektsituation zu diesem Zeitpunkt vorgelegen habe, sei aber im Ergebnis nicht gesichert, da die Leukozyten etwa 1 Woche später dann wieder unauffällig gewesen seien, so dass eine sichere Angabe über einen Infekt auch ex post nicht gemacht werden können, zumal auch die im Rahmen der weiteren Operation am 12.05.2009 durchgeführte Abstrichentnahme keine Keime gezeigt habe. Damit hat der Sachverständige die Frage der Klägerseite im Schriftsatz vom 10.10.2016 (Bl. 197 der Akte), woraus sich ergebe, dass ein Infekt nicht nachweisbar vorgelegen habe, beantwortet. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass es deshalb auch keine Versäumnisse im Hinblick auf die Erkennung oder Behandlung eines Infektes gegeben habe.

Zur postoperativen Nachsorgebehandlung hat der Sachverständige schriftlich ausgeführt, dass diese nicht zu beanstanden sei; insbesondere stelle die Unterlassung eines dynamischen Schienenprogramms keinen Behandlungsfehler da Hieran hat er auch im Rahmen seiner mündlichen Erläuterung des Gutachtens festgehalten. Es gebe verschiedene Nachbehandlungsschemata, ohne dass sich diese reduzieren ließen auf die Anordnung einer bestimmten Schiene. In der Literatur werde auch die vorliegend im Haus der Beklagten erfolgte Ruhigstellung empfohlen.

Im Hinblick auf die Operation am 12.05.2009 hat der Sachverständige ausgeführt, dass auch die Indikation zur Durchführung dieser Operation angesichts des klinischen Befundes gegeben gewesen sei. Die Klägerin habe an Missempfindungen an den ersten 3 Fingern rechts gelitten sowie eine Verlängerung der distalen motorischen Latenz aufgewiesen. Außerdem habe ein eindeutiges antidromes Reizantwortpotential gefehlt. Intraoperativ habe sich eine ausgeprägte Beugesehnensynovitis gefunden, durch die der Nervus medianus eingeengt gewesen sei. Dieser Befund lasse es als sinnvoll erscheinen, die Ringbänder über den Langfingern D 2 bis D 4 ebenfalls zu durchtrennen, um die Gleitfähigkeit der Beugesehnen in diesem Bereich zu ermöglichen. Diese Operation sei durch den intraoperativen Befund gerechtfertigt und sinnvoll gewesen. An dieser Einschätzung hat der Sachverständige auch mündlich festgehalten, wobei er noch einmal klargestellt hat, dass die Operation am 12.5.2009 nicht mit der Erstoperation im Haus der Beklagten zu 1) in Zusammenhang gestanden habe.

3.

Auch der Feststellungsantrag ist begründet, allerdings aufgrund der Angaben des Sachverständigen zum Schadensverlauf nicht in dem gestellten Umfang (25.000,- €). Denn insoweit hatte die Klägerin behauptet, dass sämtliche materiellen, im Zusammenhang mit der eingeschränkten Funktionsfähigkeit ihrer rechten Hand entstandenen und noch entstehenden Schäden von der Beklagtenseite zu ersetzen seien. Dies hat sich nach den Sachverständigenangaben (s.o.) gerade nicht bestätigt, so dass dieser nur in Höhe von maximal 20% als begründet angesehen werden kann.

4.

Der zuerkannte Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

5.

Die Klägerin konnte als Schadensersatz auch die Freistellung in Höhe der vorgerichtlichen Anwaltskosten nebst Zinsen entsprechend eines Streitwerts der zugesprochenen Hauptforderung (9000,- €), somit in Höhe von 1.273,95 € verlangen, wobei eine 2,0 Geschäftsgebühr zzgl. Auslagenpauschale, Kopierkosten und Mehrwertsteuer zugrunde gelegt wurden. Der Behauptung der Beklagten in der Klageerwiderung, dass eine Rechtsschutzversicherung besteht (S. 13 d. Klagerwiderung, Bl. 69 d.A.) ist die Klägerseite nicht entgegengetreten. Dass die Tätigkeit überdurchschnittlich umfangreich und schwierig war, insbesondere aufgrund der umfänglichen Krankengeschichte der Klägerin, ist für die Kammer nachvollziehbar.

6.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs.1, 709 S. 1, 2 ZPO.

7.

Die Schriftsätze der Klägerseite vom 19.9.2018, 18.10.2018, 19.10.2018 und 24.10.2018 gaben keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

Der Streitwert wird auf 48.000,00 EUR festgesetzt.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Medizinrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Medizinrecht und Arzthaftungsrecht.  Gerne beraten und vertreten wir Sie in medizinrechtlichen Angelegenheiten.

Rechtsanwälte Kotz Medizinrecht - Kreuztal

Urteile und Rechtstipps aus dem Medizinrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!