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Aufklärung über Behandlungsalternativen – Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung

OLG Dresden – Az.: 4 U 905/20 – Beschluss vom 03.09.2020

1. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

3. Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

4. Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 23.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schmerzensgeld sowie die Feststellung der Einstandspflicht für immaterielle und materielle Schäden wegen im Berufungsverfahren noch geltend gemachten Aufklärungsfehlern im Zusammenhang mit der stationären Behandlung eines Fersenulcus links bei bestehendem diabetischen Fußsyndrom im Zeitraum vom 24.07.2013 bis 01.11.2013.

Wegen der Einzelheiten des Behandlungsablaufs wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat die auf Behandlungs- und Aufklärungsfehlern gestützte Klage nach Anhörung der Klägerin und Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nebst mündlicher Erläuterung sowie Einvernahme von Zeugen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, Ansprüche der Klägerin seien nicht begründet, da weder Behandlungs- noch Aufklärungsfehler bewiesen seien. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass die Klägerin ordnungsgemäß präoperativ aufgeklärt wurde. Zudem sei angesichts des bestehenden erheblichen Leidensdruckes und des Risikos einer Fußamputation von einer hypothetischen Einwilligung der Klägerin auszugehen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Zur Begründung rügt sie, entgegen der landgerichtlichen Würdigung der durchgeführten Beweisaufnahme sei sie durch den ihr unbekannten Zeugen Dr. C… am 25.07.2013 nicht und durch die Zeugin Dr. P… jedenfalls nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden, da diese die Möglichkeit der konservativen Behandlungsalternative nicht angesprochen habe. Mit Schriftsatz vom 31.08.2020 rügt sie, die präoperative Risikoaufklärung sei ungenügend, da die Beklagte wegen des bekannten Diabetes gehalten gewesen wäre, sie besonders eingehend über die bestehenden prä- und postoperativen Risiken aufzuklären.

Sie beantragt, das Urteil des Landgerichts Dresden vom 20.03.2020, Az 6 O 3026/17, abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 20.000,- EUR, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 29.12.2016 zu bezahlen.

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen nicht vorhersehbar immateriellen und materiellen Schaden aus ärztlicher Falschbehandlung und/oder Nachbehandlung im Zeitraum vom 24.07.2013 bis 01.11.2013 zu ersetzen, soweit dieser nicht auf Dritte übergegangen ist oder noch übergehen wird.

3. die Beklagte weiter zu verurteilen, an die Klägerin die außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.711,70 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.12.2016 zu bezahlen.

Aufklärung über Behandlungsalternativen - Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung
(Symbolfoto: Von Branislav Nenin/Shutterstock.com)

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung ergänzend Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch – einstimmig gefassten – Beschluss zurückzuweisen. Sie bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Zur Begründung nimmt der Senat auf den Hinweisbeschluss vom 10.08.2020 Bezug. An der dort geäußerten Rechtsauffassung hält der Senat auch im Hinblick auf die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 31.08.2020 geäußerten Bedenken fest, die zu einer Abänderung keinen hinreichenden Anlass bieten.

Entgegen der Ansicht der Berufung war die Aufklärung der Klägerin über die Risiken des geplanten operativen Eingriffs nicht zu beanstanden. Eine Aufklärung ist nur im Großen und Ganzen geschuldet, medizinisches Detailwissen ist nicht zu vermitteln (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Februar 2019 – 4 U 1616/18 -, Rn. 17, juris; Weidenkaff in Palandt, 78. Aufl., § 630 e Rdnr. 2). Das Landgericht ist bei seiner Beweiswürdigung im Anschluss an die Anhörung der Klägerin sowie der Einvernahme des Zeugen Dr. C… zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Risikoaufklärung, die diesen Anforderungen Rechnung trägt, anlässlich des Aufklärungsgespräches am 25.07.2013 erfolgt ist. Hiernach hat an diesem Tag ein mündliches Aufklärungsgespräch zwischen der Klägerin und dem Zeugen Dr. C… stattgefunden, der der Klägerin die Risiken des geplanten Eingriffs erläutert hat. Der Zeuge Dr. C… hat ausgesagt, dass er in der linken Spalte des in den Behandlungsunterlagen befindlichen Aufklärungsbogen handschriftlich regelmäßig die Diagnose und Therapie des Falles schreibe und in der rechten Spalte die Risiken nenne. Die Spalte mit den Risiken fülle er immer gemeinsam mit dem Patienten aus. Der von der Klägerin und dem Zeugen Dr. C… unterschriebene Bogen, der sich auch bei den Behandlungsunterlagen befindet, enthält handschriftliche Eintragungen zu den Risiken, bei denen u. a. auch das Risiko einer Infektion, einer Wundheilungsstörung, dem Wiederauftreten des Hautdefektes und das Risiko weiterer Operationen im Verlauf aufgeführt sind. Die auch im Übrigen überzeugende Aussage des Zeugen zu diesem Aufklärungsgespräch wird somit auch durch die handschriftlichen Eintragungen im Aufklärungsbogen belegt. Die Aufklärung genügt damit den Anforderungen einer Risikoaufklärung auch vor dem Hintergrund der bestehenden Diabeteserkrankung der Klägerin, zumal davon auszugehen ist, dass sie aufgrund der seit 2006 andauernden Behandlung des neuropathischem diabetischem Fußsyndroms in der Spezialambulanz der Beklagten nebst mehrfachen operativen Eingriffen über ihre Diabeteserkrankung informiert war. Anhaltspunkte dafür, dass andere oder weitergehende Risiken im Rahmen des Aufklärungsgespräches hätten genannt werden müssen, bestehen nicht und werden von der Klägerin auch nicht vorgetragen. Eine Aufklärung darüber, welche Auswirkungen der geplante Eingriff auf den Stoffwechselhaushalt hat, war entgegen der Ansicht der Klägerin nicht geschuldet, da die Aufklärung sich nur auf die im Großen und Ganzen bestehenden Risiken des Eingriffs zu erstrecken hat und sich nicht auf sämtliche Auswirkungen des Eingriffs beziehen muss.

Die Klägerin rügt auch ohne Erfolg, sie sei nicht darüber aufgeklärt worden, dass sie „im Rahmen der Nachsorge besondere Beachtung auf die Diabetesdisposition“ hätte legen müssen. Der Sachverständige hat die postoperative Therapie ausdrücklich unbeanstandet gelassen. Er hat hierzu ausgeführt, dass eine Anpassung von orthopädischem Maßschuhwerk erfolgt sei, die Klägerin ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass diese Schuhe bei jedem Schritt zu tragen seien, und der Klägerin zudem Unterarmgehstützen verschrieben worden seien, was nahelege, dass der Klägerin damit eine Entlastung des Fußes empfohlen worden sei. Hinzu kommt, dass sich die Klägerin zur Behandlung ihres seit 2006 bestehenden diabetischen Fußsyndroms, das auch schon mehrfach operativ behandelt worden war, prä- und postoperativ regelmäßig in der Spezialambulanz der Beklagten vorgestellt hat und schon aus diesem Grund mit der Behandlung und der Nachsorge vertraut gewesen sein muss.

Die Klägerin kann auch mit ihrem Einwand, ihr hätte die Operation in Abwägung zur Alternative einer konservativen Behandlung viel umfassender erläutert werden müssen, nicht gehört werden. Wie der Senat im Hinweisbeschluss vom 10.08.2020 bereits ausgeführt hat, stellte die Fortführung der konservativen Behandlung nach dem Sachverständigengutachten keine als gleichwertig anzusehende Alternative dar.

Soweit die Klägerin die Gleichwertigkeit bestreitet, trägt sie keine Anhaltspunkte vor, die für ihre von den Darlegungen des Sachverständigen abweichende Ansicht streiten. Für konkrete Anhaltspunkte, die in einem Arzthaftungsverfahren i.S.d. § 529 ZPO Zweifel an der erstinstanzlichen Beweiswürdigung wecken können, reicht es nicht aus, dass die Klägerin – wie hier – der medizinisch begründeten Auffassung eines erstinstanzlich bestellten Gerichtssachverständigen lediglich ihre eigene entgegenstellt (vgl. Senat, Beschluss vom 04. November 2019 – 4 U 1388/19 -, Rn. 12, juris; Beschluss vom 10.01.2018 – 4 U 750/19 – juris). Erforderlich ist vielmehr, dass sie entweder ein Privatgutachten vorlegt, zumindest aber selbst medizinische Fundstellen oder Leitlinien benennt, die für ihre Behauptung streiten. Wird ein solches Privatgutachten nicht vorgelegt und fehlt es auch im Übrigen an Anhaltspunkten dafür, dass das Gutachten in sich widersprüchlich oder der Sachverständige erkennbar nicht sachkundig ist, kommt eine Wiederholung der Beweisaufnahme nicht in Betracht (so Senat a.a.O.).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben (§ 543 Abs. 2 ZPO). Der Streitwert wurde gemäß § 3 ZPO festgesetzt.

 

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