Skip to content
Menu

Aufklärungs- und Behandlungsfehler bei Brustoperation

Der Wunsch nach optimierter Ästhetik endete für eine Patientin mit einer Klage vor Gericht. Nach einer kosmetischen Brustvergrößerung traten Probleme auf: Die Implantate sanken ab, auch als Bottoming-Out-Syndrom bekannt. Die Frau warf Klinik und Arzt vor, Fehler gemacht und sie nicht ausreichend gewarnt zu haben. Doch das Landgericht Dortmund wies ihre Forderung ab.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 4 O 280/20 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landgerichts Dortmund
  • Datum: 24.03.2022
  • Aktenzeichen: 4 O 280/20
  • Verfahrensart: Klage auf Feststellung der Einstandspflicht
  • Rechtsbereiche: Medizinrecht, Schadensersatzrecht, Zivilprozessrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Die Klägerin, die sich einer kosmetischen Brustvergrößerung unterzog und Schadensersatz bzw. Feststellung der Haftung forderte.
  • Beklagte: Die Beklagten (Klinik und Arzt), die sich gegen die Vorwürfe verteidigten und Behandlungs- sowie Aufklärungsfehler bestritten.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Die Klägerin ließ sich 2015 die Brust vergrößern. Danach traten Probleme auf wie Absinken der Implantate, Schmerzen und sichtbare Narben. Die Klägerin machte geltend, dies sei Folge von Fehlern bei Operation und Aufklärung. Die Beklagten bestritten Fehler und sahen die Ursache in einer Bindegewebsschwäche der Klägerin.
  • Kern des Rechtsstreits: Zentraler Punkt des Streits war, ob die Probleme der Klägerin durch Fehler der Beklagten (Klinik und Arzt) bei der Brustoperation und der Aufklärung verursacht wurden.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Die Klage der Klägerin wurde vom Gericht abgewiesen. Sie muss die Kosten des Verfahrens tragen.
  • Begründung: Das Gericht folgte einem Sachverständigengutachten und sah keine Beweise für einen Behandlungsfehler. Das spätere Auftreten der Probleme spreche eher für eine Bindegewebsschwäche der Klägerin. Das Gericht hielt die Aufklärung über die Risiken für ausreichend, auch ohne den Fachbegriff ‚Bottoming-Out‘.
  • Folgen: Da keine Fehler festgestellt wurden, wurde die Klage auf Schadensersatz abgewiesen. Die Klägerin muss die Prozesskosten übernehmen.

Der Fall vor Gericht


Klage wegen Bottoming-Out-Syndrom nach Brustvergrößerung abgewiesen: LG Dortmund verneint Behandlungs- und Aufklärungsfehler

Das Landgericht Dortmund hat mit Urteil vom 24. März 2022 (Aktenzeichen: 4 O 280/20) die Klage einer Frau abgewiesen, die nach einer kosmetischen Brustvergrößerung Schadensersatz und Schmerzensgeld von einer Klinik und dem behandelnden Arzt forderte.

Chirurg setzt Silikon-Brustimplantate bei Patientin im OP, während Behandlungsfehler beim Brust-Update diskutiert werden.
Brustimplantate, Bottoming-Out-Syndrom & Behandlungsfehler bei Silikon-OP im sterilen Operationssaal. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Die Frau machte geltend, durch Fehler bei der Operation und mangelnde Aufklärung über Risiken erhebliche gesundheitliche und ästhetische Nachteile erlitten zu haben, insbesondere ein sogenanntes Bottoming-Out-Syndrom, bei dem die Brustimplantate nach unten absinken. Das Gericht sah jedoch weder einen Behandlungsfehler noch einen Aufklärungsfehler als erwiesen an.

Ausgangssituation: Wunsch nach Brustvergrößerung und die Folgen

Die Auseinandersetzung begann, als sich die Frau im Mai 2015 in der beklagten Klinik vorstellte, um sich über eine Brustvergrößerung beraten zu lassen. Der spätere Operateur, Dr. S., führte ein Aufklärungsgespräch, in dem verschiedene Implantattypen, Größen (empfohlen wurden runde Implantate mit 375 ml Volumen) und Operationstechniken besprochen wurden. Die Frau entschied sich für den Eingriff.

Am 27. Juli 2015 führte Dr. S. die kosmetische Brustaugmentation mit Silikonimplantaten durch. Zuvor hatte die Patientin eine Einverständniserklärung unterschrieben, auf der handschriftlich die Risiken „Infektion, Blutung, Kapselfibrose“ vermerkt waren. Nach einer Nacht im Krankenhaus wurde sie am folgenden Tag entlassen.

Wenige Wochen später, am 12. August 2015, wurden die Fäden gezogen. Im Nachschauprotokoll vermerkte der Arzt „alles o.B.“ (ohne Befund). Die Frau gab jedoch an, dass sie bereits zu diesem Zeitpunkt über Schmerzen geklagt habe. Im Oktober 2015 suchte sie eine Partnerpraxis der Klinik auf, wo man ihr riet, weiterhin einen speziellen Operations-BH zu tragen, aber keine Notwendigkeit für eine erneute Operation sah. Fast ein Jahr nach dem Eingriff, am 7. Juli 2016, wandte sie sich erneut an die Klinik wegen anhaltender Schmerzen und Unzufriedenheit mit dem Aussehen ihrer Brüste. Dort wurde ihr nach ihren Angaben bestätigt, dass das linke Implantat abgerutscht sei.

Unstrittig war zwischen den Parteien, dass bei der Frau beidseitig ein Bottoming-Out-Syndrom aufgetreten war, also ein Absinken der Implantate nach unten. Uneinigkeit bestand jedoch darüber, wann genau dieses Problem auftrat und was die Ursache dafür war: ein Fehler bei der Operation oder eine anlagebedingte Bindegewebsschwäche der Patientin.

Streitpunkte: Vorwürfe der Patientin wegen Behandlungsfehlern und mangelnder Aufklärung

Die Frau erhob schwere Vorwürfe gegen die Klinik und den Arzt. Sie behauptete erstens, nicht ausreichend über die Risiken der Operation aufgeklärt worden zu sein. Insbesondere sei sie weder auf die Gefahr eines Bottoming-Out-Syndroms noch auf mögliche chronische Schmerzen im Narbenbereich hingewiesen worden. Wäre sie umfassend informiert gewesen, hätte sie sich nach eigener Aussage nicht operieren lassen.

Zweitens rügte sie fehlerhaftes Vorgehen bei der Operation selbst. Sie machte geltend, die Implantate seien falsch eingesetzt worden, die Implantattaschen unter der Brust (die sogenannte Unterbrustfalte) seien zu tief präpariert und die Hautschnitte falsch platziert worden. Ihrer Ansicht nach war das Absinken der Implantate die direkte Folge dieser Fehler, insbesondere der zu tiefen Präparation und der Wahl möglicherweise zu großer Implantate. Zudem sei die Nachsorge mangelhaft gewesen, da ihre Schmerzhinweise beim Fädenziehen ignoriert worden seien. Die Angaben im Operationsbericht, der erst spät im Gerichtsverfahren vorgelegt wurde, hielt sie für nachträglich erstellt und nicht glaubwürdig.

Als Folge der Operation und der Komplikationen gab die Frau an, unter starken, dauerhaften Schmerzen in der Brust zu leiden (Drücken, Ziehen, Spannungsgefühl). Sie müsse ständig einen BH tragen, sei beim Sport, Schwimmen und Saunabesuchen eingeschränkt und könne nur noch auf dem Rücken schlafen. Zudem beklagte sie verstärkte Lungen- und Atembeschwerden sowie später aufgetretene Rücken- und Kopfschmerzen aufgrund einer Schonhaltung. Sie forderte die Feststellung, dass die Klinik und der Arzt für alle materiellen und immateriellen Schäden haften müssen, die aus der Behandlung resultieren.

Verteidigung der Klinik: Operation nach Regeln der Kunst und Bindegewebsschwäche als Ursache

Die beklagte Klinik und der Arzt wiesen alle Vorwürfe zurück. Sie betonten, die Operation sei Lege artis, also nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst, durchgeführt worden. Das Absinken der Implantate sei nicht auf einen Behandlungsfehler zurückzuführen, sondern auf eine individuelle Bindegewebsschwäche der Patientin. Dies zeige sich insbesondere daran, dass das Bottoming-Out erst Monate nach der Operation deutlich wurde, was untypisch für einen Operationsfehler sei.

Die Aufklärung sei ebenfalls ausreichend gewesen. Die von der Patientin beklagten Schmerzen wurden bestritten oder als Folge des schicksalhaften Absinkens der Implantate dargestellt. Die Lungenbeschwerden seien auf bekannte Vorerkrankungen der Frau (Allergien, Asthma, Nikotinkonsum) zurückzuführen. Auch die Sichtbarkeit der Narben sei eine Folge des Bottoming-Out und nicht von falsch gesetzten Schnitten. Rein formal wurde zudem eingewandt, dass die Klage auf Feststellung der Haftung unzulässig sei, da die Frau stattdessen direkt auf Zahlung hätte klagen können (Leistungsklage).

Zur Klärung der medizinischen Fragen wurde ein Sachverständigengutachten aus einem vorangegangenen selbstständigen Beweisverfahren herangezogen. Der Gutachter, ein renommierter Professor für Plastische Chirurgie, erstellte ein schriftliches Gutachten, eine Ergänzung dazu und erläuterte seine Ergebnisse mündlich vor Gericht. Zudem wurden die Patientin persönlich angehört und der Operateur als Zeuge vernommen.

Gerichtsentscheidung: Klage abgewiesen – Kein Nachweis für Fehler

Das Landgericht Dortmund wies die Klage der Frau vollständig ab. Zwar hielt das Gericht die Feststellungsklage für zulässig, da zukünftige Schäden (etwa durch notwendige Korrekturoperationen) noch nicht endgültig bezifferbar waren und die Verjährung drohte. In der Sache selbst war die Klage jedoch unbegründet. Das Gericht konnte weder einen Behandlungsfehler noch einen relevanten Aufklärungsfehler feststellen. Die Kosten des Rechtsstreits wurden der Patientin auferlegt.

Begründung des Gerichts: Kein Behandlungsfehler nachweisbar

Das Gericht stützte seine Überzeugung maßgeblich auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. L. Dieser verfüge über hohe Expertise und habe den Fall gründlich und nachvollziehbar bewertet. Die Patientin, die die Beweislast für einen Fehler trug, konnte diesen Beweis nicht erbringen.

Der erst spät vorgelegte Operationsbericht spielte für die Entscheidung keine zentrale Rolle, da Zweifel an dessen zeitnaher Erstellung bestanden. Die Überzeugung des Gerichts basierte vielmehr auf dem Gutachten und der als glaubhaft eingestuften Aussage des Operateurs.

Im Einzelnen stellte das Gericht fest:

  • Die Wahl der Implantatgröße (375 ml) war laut Gutachter zwar an der oberen Grenze, aber eine Standardgröße und medizinisch nicht zu beanstanden. Sie erforderte keine ungewöhnlich große Implantattasche.
  • Die gewählte Operationstechnik (Zugang in der Unterbrustfalte, Platzierung unter dem Muskel) war nach Absprache mit der Patientin nicht fehlerhaft.
  • Eine fehlerhafte Schnittführung (zu tief oder an falscher Stelle) konnte der Sachverständige anhand von Fotos und dem Erscheinungsbild des Bottoming-Out ausschließen. Die sichtbaren Narben seien eine Folge des späteren Absinkens der Implantate, nicht einer falschen Schnittsetzung am Anfang.
  • Das Gericht glaubte dem Operateur, dass er die Lage der Implantate während der OP im Sitzen überprüft hatte und diese zu diesem Zeitpunkt korrekt erschien. Auch der Vermerk „alles o.B.“ im Nachschauprotokoll beim Fädenziehen stützte die Annahme einer zunächst ordnungsgemäßen Implantatposition.
  • Entscheidend war für das Gericht die zeitliche Entwicklung: Ein typisches Bottoming-Out aufgrund eines Operationsfehlers (zu große Tasche) tritt laut Sachverständigem sehr früh auf, meist innerhalb von 2-4 Wochen. Die Patientin selbst beklagte jedoch erst Monate nach der OP ein sichtbares Absinken. Dieses spätere Auftreten über Monate hinweg ist typisch für ein Absinken aufgrund einer Bindegewebsschwäche. Dies sei eine schicksalhafte Entwicklung und kein dem Arzt anzulastender Fehler. Eine solche Gewebeschwäche könne der Operateur vorab nicht erkennen. Auch das ungleichmäßige Absinken (erst links, dann rechts) passe zu diesem Bild.
  • Die Schmerzen wurden ebenfalls als Folge des schicksalhaften Absinkens der Implantate gewertet. Andere gesundheitliche Beschwerden (Lunge, Atmung) seien auf Vorerkrankungen der Patientin zurückzuführen.
  • Eine fehlerhafte Nachsorge lag ebenfalls nicht vor. Zwar fehlte teilweise die Dokumentation, die Patientin bestätigte aber die Kontrolltermine. Laut Sachverständigem gibt es keine zwingende medizinische Notwendigkeit für engmaschige Nachkontrollen nach einer Brustvergrößerung; diese dienen oft eher der Patientenzufriedenheit.
  • Das Fehlen einer postoperativen Fotodokumentation durch die Klinik führte nicht zu Beweiserleichterungen für die Patientin. Eine solche Dokumentation sei medizinisch nicht zwingend vorgeschrieben, und nur das Fehlen medizinisch gebotener Aufzeichnungen könne zu Nachteilen für den Arzt führen (§ 630h Abs. 3 BGB).

Begründung des Gerichts: Ausreichende Aufklärung über Risiken

Auch einen Aufklärungsfehler sah das Gericht nicht. Es war überzeugt, dass die Patientin ausreichend über die wesentlichen Risiken informiert wurde.

  • Beweis dafür waren der von beiden Seiten unterschriebene Aufklärungsbogen und die handschriftlichen Ergänzungen auf der Einverständniserklärung. Die Markierungen auf dem Bogen deuteten darauf hin, dass die Risiken besprochen wurden. Die Patientin erinnerte sich selbst an Teile der Aufklärung (Implantatwahl, Kapselfibrose, Infektionen).
  • Zwar konnte sich der Arzt nicht mehr an jedes Detail des Gesprächs erinnern, dies sei aber nachvollziehbar und stehe der Annahme einer ordnungsgemäßen Aufklärung nicht entgegen. Die Rechtsprechung stelle hier keine überzogenen Anforderungen an den Beweis.
  • Eine explizite Nennung des Fachbegriffs „Bottoming-Out-Syndrom“ sei nicht erforderlich gewesen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Patient „im Großen und Ganzen“ über Chancen und Risiken aufgeklärt werden, um eine allgemeine Vorstellung von der Gefahr zu bekommen.
  • Es reiche aus, wenn über die Möglichkeit einer Implantatverschiebung (Dislokation), einer daraus resultierenden Formveränderung der Brust, eines unschönen Aussehens und möglicher Schmerzen aufgeklärt wird. Bottoming-Out ist eine Form der Dislokation. Der Arzt hatte glaubhaft ausgesagt, über solche Risiken gesprochen zu haben, etwa im Zusammenhang mit der Kapselfibrose.
  • Über die Kapselfibrose (Verhärtung der Kapsel um das Implantat) sei umfassend aufgeklärt worden, einschließlich der möglichen Folgen wie Formveränderung, Schmerzen und Notwendigkeit einer Nachoperation. Die Patientin hatte diesbezüglich sogar eine Folgekostenversicherung abgeschlossen. Auch wenn Kapselfibrose und Bottoming-Out unterschiedliche Ursachen haben, seien die möglichen Folgen (Formänderung, Schmerz) ähnlich und durch die Aufklärung über Kapselfibrose mit abgedeckt gewesen.
  • Auch über Narbenrisiken, insbesondere „Störungen der Narbenbildung“, sei ausreichend aufgeklärt worden. Dass eine Narbe durch das Absinken des Implantats sichtbar werden kann, sei vom allgemeinen Risiko einer Formveränderung und nicht unauffälliger Narbenbildung umfasst.

Hypothetische Einwilligung als weiterer Aspekt

Selbst wenn man eine Lücke in der Aufklärung unterstellt hätte, griff nach Ansicht des Gerichts hilfsweise der Einwand der hypothetischen Einwilligung. Die Patientin habe keine plausiblen Gründe dargelegt, warum sie sich bei (unterstellt) vollständigerer Aufklärung gegen die Operation entschieden hätte. Sie wusste um das Risiko von Nachoperationen (daher die Versicherung) und das Bottoming-Out-Risiko wäre ebenfalls durch eine Nachoperation korrigierbar gewesen. Ihre Klage schien auch dadurch motiviert, dass sie Schwierigkeiten hatte, Ansprüche bei ihrer Folgekostenversicherung durchzusetzen.

Zusammenfassend konnte die Patientin die ärztlichen Fehler nicht beweisen, und das Gericht sah die Aufklärung als ausreichend an. Die Klage wurde daher kostenpflichtig abgewiesen.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil unterstreicht, dass ein Bottoming-Out-Syndrom nach einer Brustvergrößerung nicht automatisch auf einen Behandlungsfehler schließt, sondern auch durch individuelle Gewebeeigenschaften entstehen kann – besonders wenn es erst Monate nach dem Eingriff auftritt. Bei der Aufklärung vor kosmetischen Eingriffen müssen Ärzte nicht jeden Fachbegriff explizit nennen, sondern die wesentlichen Risiken wie Formveränderungen und mögliche Nachoperationen „im Großen und Ganzen“ verständlich machen. Patienten tragen die Beweislast für behauptete Behandlungsfehler und müssen plausibel darlegen können, warum sie bei vollständigerer Aufklärung vom Eingriff abgesehen hätten.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet „Bottoming-Out-Syndrom“ im Zusammenhang mit Brustvergrößerungen?

Das „Bottoming-Out-Syndrom“ ist ein medizinischer Begriff, der eine bestimmte Komplikation nach einer Brustvergrößerung mit Implantaten beschreibt. Stellen Sie sich vor, das Brustimplantat sinkt über die natürliche Brustfalte hinaus nach unten ab. Genau das ist im Kern das Bottoming-Out-Syndrom.

Was genau passiert dabei?

Normalerweise sitzt das Brustimplantat oberhalb einer Falte, die sich an der Unterseite der Brust bildet – der sogenannten Unterbrustfalte oder Inframammärfalte. Beim Bottoming-Out-Syndrom verschiebt sich das Implantat nach unten, und die Unterbrustfalte wandert ebenfalls nach unten oder wird undeutlich. Das Implantat liegt dann tiefer als es sollte.

Warum kann das passieren?

Dieses Absinken kann verschiedene Gründe haben. Oft ist es eine Kombination aus mehreren Faktoren:

  • Die Schwerkraft wirkt auf das Gewicht des Implantats.
  • Das eigene Brustgewebe und die Haut können im Laufe der Zeit oder aufgrund bestimmter Eigenschaften (z.B. schwaches Gewebe) nachgeben oder sich dehnen.
  • Der bei der Operation geschaffene Raum für das Implantat kann sich nach unten erweitern.
  • Manchmal kann auch die Operationstechnik eine Rolle spielen, wenn zum Beispiel die neue Unterbrustfalte nicht stabil genug fixiert wird.

Die Folge ist eine optische Veränderung: Die Brust kann verlängert aussehen, und das Implantat kann sich unnatürlich weit nach unten verschieben, oft deutlich unter die ursprüngliche oder geplante Unterbrustfalte. Dieses Absinken kann von Frau zu Frau unterschiedlich stark ausgeprägt sein.


zurück

Welche Risiken bestehen bei einer Brustvergrößerung und wie muss darüber aufgeklärt werden?

Bevor bei Ihnen eine Brustvergrößerung vorgenommen wird, hat der behandelnde Arzt die Pflicht, Sie umfassend aufzuklären. Das bedeutet, er muss Ihnen alle wichtigen Informationen geben, damit Sie frei und informiert entscheiden können, ob Sie dem Eingriff zustimmen. Dieses Recht auf Information ist gesetzlich verankert, weil es um Ihren Körper und Ihre Gesundheit geht und nur Sie selbst entscheiden können, was damit geschieht.

Welche Risiken müssen besprochen werden?

Der Arzt muss Sie über alle für Ihre Entscheidung wesentlichen Risiken aufklären. Dazu gehören nicht nur die typischen und häufigen Risiken, sondern auch seltene Risiken, wenn diese besonders schwerwiegend sein können.

Zu den typischen Risiken bei einer Brustvergrößerung zählen beispielsweise:

  • Kapselfibrose: Eine Verhärtung des Bindegewebes um das Implantat herum.
  • Infektionen: Entzündungen im Operationsbereich.
  • Schmerzen: Sowohl kurz nach der Operation als auch möglicherweise länger anhaltend.
  • Wundheilungsstörungen: Probleme beim Zusammenwachsen der Schnitte.
  • Veränderungen der Empfindlichkeit der Brustwarzen oder der Brusthaut.
  • Asymmetrie: Unterschiede in Form oder Größe zwischen den Brüsten.
  • Notwendigkeit weiterer Operationen, zum Beispiel bei Implantatdefekten oder Positionsveränderungen.

Der Arzt muss aber auch über andere mögliche Komplikationen sprechen, die für den jeweiligen Eingriff und Ihre individuelle gesundheitliche Situation relevant sind.

Wie muss die Aufklärung erfolgen?

Die Aufklärung muss persönlich durch den Arzt erfolgen, der die Operation durchführen soll (oder einen anderen Arzt, der dazu ausreichend qualifiziert ist). Sie muss rechtzeitig vor dem Eingriff stattfinden, damit Sie genügend Bedenkzeit haben – in der Regel mindestens 24 Stunden, besser noch mehr Zeit.

Der Arzt muss die Informationen verständlich vermitteln, in einer Sprache, die Sie verstehen. Er muss Ihnen die Möglichkeit geben, Fragen zu stellen, und sich vergewissern, dass Sie die Erklärungen verstanden haben. Die Aufklärung darf sich nicht auf die Unterschrift unter einem Formular beschränken, sondern muss ein richtiges Gespräch sein.

Was passiert bei unzureichender Aufklärung?

Wenn der Arzt Sie nicht oder nicht ausreichend über die wesentlichen Risiken der Brustvergrößerung aufgeklärt hat, fehlt für den Eingriff die rechtlich wirksame Einwilligung von Ihnen. Ohne diese Einwilligung ist die Operation grundsätzlich als rechtswidrig anzusehen, selbst wenn der Arzt den Eingriff medizinisch korrekt durchgeführt hat.

Für Sie als Patientin bedeutet das, dass der Eingriff ohne Ihre gültige Zustimmung erfolgte. Dies kann unter bestimmten Umständen rechtliche Folgen für den Arzt oder das Krankenhaus haben.


zurück

Welche Rolle spielt das Bindegewebe bei einer Brustvergrößerung und dem Risiko eines Bottoming-Out-Syndroms?

Stellen Sie sich das Bindegewebe in der Brust wie ein natürliches Gerüst oder eine Art Halteband vor. Es gibt dem Brustgewebe und der Haut Struktur und Festigkeit. Bei einer Brustvergrößerung mit Implantaten muss dieses natürliche Gerüst die zusätzliche Last des Implantats tragen und an Ort und Stelle halten.

Das Bindegewebe ist also entscheidend für die Unterstützung und Form der vergrößerten Brust nach dem Eingriff.

Das Bottoming-Out-Syndrom beschreibt eine Komplikation, bei der sich das Implantat nach unten verschiebt. Es rutscht sozusagen unter die Brustfalte, wodurch die Brust unnatürlich lang erscheint und die Brustwarze zu hoch sitzen kann. Man könnte es bildlich vorstellen, als würde das „Halteband“ (das Bindegewebe) dem Gewicht des Implantats nicht standhalten und nachgeben.

Wenn eine anlagebedingte Bindegewebsschwäche vorliegt – das bedeutet, das Gewebe ist von Natur aus oder veranlagungsbedingt weniger fest und elastisch – kann dieses „Gerüst“ schwächer sein als normal.

Das kann bedeuten:

  • Das Risiko, dass das Gewebe das Implantat nicht dauerhaft in der gewünschten Position halten kann, kann erhöht sein.
  • Die Fähigkeit des Gewebes, sich an die neue Form und das Gewicht anzupassen, kann eingeschränkt sein.
  • Folgen wie ein Bottoming-Out oder andere Formveränderungen sind potenziell wahrscheinlicher, weil die natürliche Unterstützung fehlt.

Die Beschaffenheit des vorhandenen Bindegewebes ist daher ein wichtiger Faktor, den ein Arzt bei der Planung und Durchführung einer Brustvergrößerung berücksichtigen sollte.

Präventive Überlegungen bei Bindegewebsschwäche

Medizinisch können verschiedene Aspekte eine Rolle spielen, um das Risiko zu minimieren, wenn bekannt ist oder vermutet wird, dass das Bindegewebe schwächer ist:

  • Umfassende Untersuchung: Die Beschaffenheit des vorhandenen Brustgewebes und der Haut sollte vor dem Eingriff genau beurteilt werden.
  • Wahl der Operationstechnik: Manchmal kann die Art der Platzierung des Implantats (z.B. unter dem Brustmuskel statt nur unter der Drüse) zusätzliche Unterstützung bieten.
  • Auswahl des Implantats: Größe, Form und Gewicht des Implantats können so gewählt werden, dass die Belastung für das Gewebe geringer ausfällt.

Diese medizinischen Überlegungen zielen darauf ab, die bestmögliche Stabilität für das Implantat zu erreichen und dem Risiko eines Bottoming-Out entgegenzuwirken, insbesondere wenn die natürlichen Gegebenheiten des Gewebes weniger ideal sind. Die Aufklärung über solche individuellen Risikofaktoren vor einem geplanten Eingriff ist dabei von großer Bedeutung.


zurück

Was versteht man unter einem Behandlungsfehler bei einer Brustvergrößerung und wie kann man ihn nachweisen?

Was ist ein Behandlungsfehler?

Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn ein Arzt bei einer medizinischen Behandlung nicht die erforderliche Sorgfalt anwendet. Das bedeutet, er hält sich nicht an den medizinischen Standard, der zum Zeitpunkt der Behandlung von einem erfahrenen Facharzt in der jeweiligen Situation erwartet wird. Für Sie als Patientin bedeutet das, dass der Arzt etwas getan oder unterlassen hat, was nach aktuellem Wissensstand und den Regeln der ärztlichen Kunst falsch war. Es geht also darum, ob die Behandlung nicht nach den allgemein anerkannten Regeln der medizinischen Wissenschaft durchgeführt wurde.

Typische Fehler bei einer Brustvergrößerung

Auch bei einer Brustvergrößerung kann es zu Abweichungen vom medizinischen Standard kommen. Beispiele für solche typischen Fehlerquellen können sein:

  • Falsche Platzierung der Implantate: Wenn die Implantate zum Beispiel nicht korrekt unter dem Brustmuskel oder dem Brustdrüsengewebe positioniert werden.
  • Wahl ungeeigneter Implantate: Dies kann die Verwendung von Implantaten mit unpassender Größe, Form oder Oberflächenbeschaffenheit für die Anatomie und Wünsche der Patientin umfassen.
  • Fehler während der Operation: Dazu zählen Verletzungen von Nerven oder Blutgefäßen, unzureichende Blutstillung oder mangelnde Sterilität, die zu Infektionen führen.
  • Unzureichende Aufklärung: Auch wenn die Patientin nicht umfassend über die Risiken, Alternativen und den Ablauf der Operation informiert wurde, kann dies unter bestimmten Umständen als Fehler gewertet werden (ein sogenannter Aufklärungsfehler).

Es ist wichtig zu verstehen, dass nicht jede unerwünschte Folge oder Komplikation nach einer Operation automatisch ein Fehler ist. Medizinische Eingriffe bergen immer Risiken. Ein Fehler liegt nur vor, wenn der Arzt etwas falsch gemacht hat, das nach dem Standard vermeidbar gewesen wäre.

Wie weist man einen Behandlungsfehler nach?

Der Nachweis eines Behandlungsfehlers kann oft kompliziert sein. Sie müssen zeigen, dass der Arzt vom medizinischen Standard abgewichen ist und dass dieser Fehler den Schaden (z.B. Schmerzen, zusätzlicher Operationsbedarf, unästhetisches Ergebnis) verursacht hat.

Die wichtigsten Beweismittel dafür sind in der Regel:

  • Ihre Krankenakte: Sie enthält wichtige Informationen über die Voruntersuchungen, die Operationsplanung, den Eingriff selbst und die Nachsorge.
  • Ärztliche Gutachten: Da es um medizinische Fragen geht, sind Gutachten von unabhängigen medizinischen Sachverständigen fast immer unerlässlich. Diese Gutachter prüfen die Behandlung anhand der Krankenakte und untersuchen Sie gegebenenfalls, um festzustellen, ob der Arzt vom Standard abgewichen ist und ob dieser Fehler Ihren Schaden verursacht hat. Solche Gutachten können zum Beispiel von Gutachterkommissionen der Ärztekammern oder vor Gericht eingeholt werden.
  • Zeugen: Manchmal können auch Zeugenaussagen relevant sein, etwa vom Personal der Klinik oder anderen Personen, die den Ablauf oder die Folgen der Behandlung beobachtet haben.

Der Nachweis liegt grundsätzlich bei Ihnen als Patientin. Sie müssen belegen, dass der Fehler passiert ist und dass er ursächlich für Ihre Probleme ist. Nur in bestimmten Ausnahmefällen, z.B. bei groben Fehlern, kann sich die Beweislast umkehren.


zurück

Welche Rechte habe ich als Patient, wenn ich nach einer Brustvergrößerung unter Komplikationen leide?

Wenn nach einer Brustvergrößerung Komplikationen auftreten, ist das für Sie als Patientin eine belastende Situation. Es ist wichtig zu wissen, dass das Eintreten einer Komplikation nach einer Operation nicht automatisch bedeutet, dass ein Fehler gemacht wurde. Jede Operation birgt Risiken, über die der Arzt im Vorfeld aufklären muss.

Wann können Rechte entstehen?

Rechte können insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Komplikationen nicht auf das normale Operationsrisiko zurückzuführen sind, sondern beispielsweise durch einen Behandlungsfehler verursacht wurden. Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn der Arzt nicht nach den anerkannten medizinischen Standards gearbeitet hat. Auch eine unzureichende oder falsche Aufklärung über Risiken und Alternativen vor der Operation kann Rechte begründen.

Welche Ansprüche können bestehen?

Falls nachweislich ein Behandlungsfehler vorliegt oder die Aufklärung mangelhaft war und dadurch ein Schaden entstanden ist, können verschiedene Ansprüche bestehen:

  • Schadensersatz: Hierzu gehören Kosten, die Ihnen durch die Komplikation entstanden sind und die Ihnen ohne den Fehler oder die mangelhafte Aufklärung nicht entstanden wären. Das können zum Beispiel die Kosten für notwendige Nachbehandlungen, Medikamente, Fahrtkosten oder auch ein Verdienstausfall sein, wenn Sie wegen der Komplikation nicht arbeiten konnten. Der Schadensersatz soll den Zustand herstellen, der ohne den Fehler bestünde.
  • Schmerzensgeld: Wenn Sie durch die Komplikation körperliche oder seelische Schmerzen erlitten haben, kann zusätzlich ein Anspruch auf Schmerzensgeld bestehen. Das Schmerzensgeld soll eine Entschädigung für die erlittenen Beeinträchtigungen darstellen und hat auch eine Ausgleichsfunktion. Die Höhe des Schmerzensgeldes hängt vom Einzelfall ab, insbesondere von der Schwere und Dauer der Schmerzen und Beeinträchtigungen.

Wie können Sie vorgehen, um Ihre Situation zu klären?

Wenn Sie den Verdacht haben, dass die Komplikationen auf einen Fehler zurückzuführen sein könnten, ist es zunächst ratsam, Ihre medizinischen Unterlagen zu sichern. Fordern Sie bei Ihrem behandelnden Arzt oder dem Krankenhaus eine vollständige Kopie Ihrer Patientenakte an.

Es kann auch hilfreich sein, eine zweite medizinische Meinung einzuholen, um die Art der Komplikation und mögliche Ursachen besser zu verstehen. Ein weiterer Arzt kann beurteilen, ob die Behandlung dem medizinischen Standard entsprach.

Die Klärung, ob tatsächlich ein Behandlungsfehler oder ein Aufklärungsfehler vorliegt und welche konkreten Ansprüche daraus resultieren, erfordert oft eine genaue Prüfung des Einzelfalls und der medizinischen Unterlagen.


zurück

Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Bottoming-Out-Syndrom

Das Bottoming-Out-Syndrom beschreibt eine Komplikation nach einer Brustvergrößerung, bei der das Brustimplantat nach unten unter die natürliche Unterbrustfalte absinkt. Dabei verschiebt sich die Falte ebenfalls nach unten, wodurch die Brust unnatürlich verlängert erscheint und die Implantatposition ungünstig wird. Ursache kann eine zu große Implantattasche sein, eine schwache Haltestruktur des Bindegewebes oder Fehler bei der Operationstechnik. Diese Verschiebung ist eine Form der Implantat-Dislokation (Verschiebung) und führt oft zu ästhetischen und gegebenenfalls schmerzhaften Problemen.

Beispiel: Wenn man sich vorstellt, dass ein Kissen in einem zu großen Beutel immer tiefer nach unten rutscht, beschreibt das die Situation beim Bottoming-Out-Syndrom bei Brustimplantaten.


Zurück

Behandlungsfehler

Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn ein Arzt bei der Behandlung nicht die Sorgfalt und den Standard anwendet, die von einem erfahrenen Facharzt unter denselben Umständen erwartet werden. Es bedeutet, dass die Behandlung nicht nach den anerkannten Regeln der medizinischen Wissenschaft (Stand der ärztlichen Kunst) durchgeführt wurde. Entscheidend ist, dass die Abweichung vom Standard ursächlich für einen Schaden ist. Bei Brustvergrößerungen können Behandlungsfehler beispielsweise falsche Implantatplatzierungen oder ungeeignete Implantatgrößen sein.

Beispiel: Wird bei einer Operation das Implantat in eine zu große Tasche eingesetzt, wodurch es sich verschiebt, kann das ein Behandlungsfehler sein.


Zurück

Aufklärungsfehler

Ein Aufklärungsfehler entsteht, wenn der Arzt den Patienten vor einer Behandlung nicht ausreichend über die wesentlichen Risiken, Folgen oder Alternativen informiert. Die Aufklärung muss so erfolgen, dass der Patient eine informierte Entscheidung treffen kann (gemäß § 630e BGB). Dabei genügt es, wenn der Arzt über typische Risiken in verständlicher Weise spricht und eine „grobe Vorstellung“ der Gefahren vermittelt. Eine detaillierte Nennung aller Fachbegriffe ist nicht erforderlich. Fehlt oder mangelt die Aufklärung, ist die Einwilligung des Patienten rechtswidrig, was rechtliche Ansprüche ermöglichen kann.

Beispiel: Wenn ein Arzt einen Patienten nicht über die Möglichkeit einer Implantatverschiebung informiert, obwohl diese ein typisches Risiko ist, kann ein Aufklärungsfehler vorliegen.


Zurück

Lege artis

„Lege artis“ bedeutet, dass eine medizinische Behandlung nach den allgemein anerkannten fachlichen Standards und Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt wird. Diese Standards ergeben sich aus dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Erfahrung und definieren den Maßstab für fachgerechte ärztliche Leistungen. Im Gerichtsverfahren dient dieser Begriff zur Beurteilung, ob ein Behandlungsfehler vorliegt. Nur bei Abweichungen von „lege artis“ kann ein Fehler angenommen werden.

Beispiel: Ein Operateur, der bei einer Brustvergrößerung nach erprobten Methoden und Standards arbeitet, handelt „lege artis“.


Zurück

Hypothetische Einwilligung

Die hypothetische Einwilligung ist ein juristisches Konzept, das im Fall mangelnder oder unvollständiger Aufklärung greift. Dabei wird angenommen, dass der Patient auch bei vollständiger und korrekter Aufklärung in gleicher Weise eingewilligt hätte, wenn die Behandlung insgesamt sinnvoll und notwendig war. Das entkräftet dann Schadensersatzansprüche wegen Aufklärungsfehlern. Voraussetzung ist, dass der Patient nicht glaubhaft machen kann, dass er die Behandlung wegen der fehlenden oder unvollständigen Informationen abgelehnt hätte.

Beispiel: Wenn eine Patientin trotz fehlender Aufklärung über ein Risiko später nicht beweisen kann, dass sie sich deshalb gegen die Operation entschieden hätte, wird von einer hypothetischen Einwilligung ausgegangen.

Zurück


Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 630a ff. BGB (Behandlungsvertrag und Pflicht zur ordnungsgemäßen Behandlung): Regelt die Pflichten des Arztes bei der Behandlung, insbesondere die Pflicht zur fachgerechten und sorgfältigen Behandlung nach den anerkannten fachlichen Standards (lege artis). | Bedeutung im vorliegenden Fall: Entscheidend für die Frage, ob der Operateur bei der Brustvergrößerung fehlerhaft gehandelt hat, sprich ob ein Behandlungsfehler vorliegt, der das Bottoming-Out-Syndrom verursacht hat.
  • § 630c BGB (Aufklärungspflichten): Verlangt vom Arzt eine umfassende, verständliche und rechtzeitige Aufklärung über Art, Umfang, Durchführung, Risiken und Erfolgsaussichten der Behandlung, damit der Patient eine informierte Einwilligung geben kann. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Zentral für die Beurteilung, ob die Patientin vor der Operation ausreichend über das Risiko des Bottoming-Out-Syndroms und chronische Schmerzen aufgeklärt wurde, was vom Gericht verneint wurde.
  • § 630h BGB (Dokumentationspflichten): Verpflichtet den behandelnden Arzt zur ordnungsgemäßen Dokumentation der Behandlung und des Aufklärungsgesprächs; fehlende medizinisch gebotene Dokumentationen können zu Beweiserleichterungen zugunsten des Patienten führen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Relevant im Hinblick auf den strittigen Operationsbericht und das Fehlen einer postoperativen Fotodokumentation, wobei das Gericht keine Nachteile für den Arzt daraus ableitete.
  • Beweislastregel beim Arzthaftungsrecht: Der Patient trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Behandlungs- oder Aufklärungsfehlers und den daraus resultierenden Schaden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Patientin konnte nach Auffassung des Gerichts die erforderlichen Beweise für einen Fehler oder unzureichende Aufklärung nicht erbringen, was zur Klageabweisung führte.
  • Grundsatz der hypothetischen Einwilligung (Rechtsprechung BGH): Wird angenommen, dass der Patient auch bei vollständiger Aufklärung in den Eingriff eingewilligt hätte, wenn schlüssige Gründe dagegen fehlen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht nahm an, dass die Patientin sich trotz möglicher Aufklärungsdefizite operieren lassen hätte, da das Risiko einer Nachoperation bekannt war und durch eine Folgekostenversicherung abgesichert wurde.
  • Medizinrechtliche Standards (lege artis Behandlung und Gutachtenbewertung): Fachlich anerkannte Operationsmethoden und die Bewertung durch Sachverständige sind bei der Prüfung von Behandlungsfehlern maßgeblich. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gutachten des Experten bestätigte, dass die Operation den medizinischen Standards entsprach und das Bottoming-Out-Syndrom auf eine Bindegewebsschwäche zurückzuführen ist, nicht auf einen Fehler bei der Operation.

Das vorliegende Urteil


LG Dortmund – Az.: 4 O 280/20 – Urteil vom 24.03.2022


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Medizinrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Medizinrecht und Arzthaftungsrecht.  Gerne beraten und vertreten wir Sie in medizinrechtlichen Angelegenheiten.

Rechtsanwälte Kotz Medizinrecht - Kreuztal

Urteile und Rechtstipps aus dem Medizinrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!