OLG München – Az.: 1 U 4791/11 – Urteil vom 19.07.2012
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 23.11.2011, Az. 3 O 3445/09, wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Traunstein ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagten vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin macht übergegangene Schadenersatzansprüche in Zusammenhang mit der ärztlichen Behandlung ihres am 10.08.2007 verstorbenen Versicherungsnehmers Johann F. (im folgenden Patient) geltend.
Dem Patienten wurde am 20.3.2007 in der Kreisklinik F. links eine zementfreie Hüfttotalendoprothese implantiert. Die in der Klinik erhobenen Laborwerte zeigten u.a. am 23.3.2007 einen CRP von 289 mg/L und am 5.4.2007 von 59 mg/L auf.
Am 6.4.2007 erfolgte die Verlegung des Patienten zur Anschlussrehabilitation in die Klinik der Beklagten zu 1.
Die Eingangsuntersuchung ergab u.a. folgenden Befund:
12 cm lange Wunde ohne Nahtmaterial, subkutane Verhärtung im unteren Teil der Wunde ohne Sekretion. Ödem in der Umgebung. Massives Ödem im unteren Drittel des li. Oberschenkels und am ganzen Unterschenkel bis zum Fuß.
Am 7.4.2007 erfolgte durch die Beklagte zu 3 ein Verbandswechsel. Desweiteren wurde „Husten mit Auswurf“ in die Patientenkurve eingetragen.
Zwei Tage später (9.4.2007) wurde am unteren Teil der Wunde ein flüssiges Hämatom festgestellt, von dem ca.35 ml Flüssigkeit herausgelassen wurden.
Die am 10.4.2007 durchgeführte Laborkontrolle ergab Entzündungswerte von 6,4 TSDN und einen CRP von 34,2 mg/L.
Am 11.4.2007 ist dokumentiert, dass etwa 15 ml kolliquiertes Blut aus der Wunde ausgelaufen sind und ein Verbandswechsel im Beisein eines Arzt durchgeführt wurde.
In dem Eintrag in das Kurvenblatt am 13.4.2007 heißt es, dass nur noch wenig blutige aber sonst (?) seröse Flüssigkeit aus der Wunde kommt (Das Wort „sonst“ ist schwerlesbar und wurde von dem Sachverständigen des Ermittlungsverfahrens Prof. E. als „trüb“ gelesen).
Am 14.4.2007 vermerkte der behandelnde Arzt Schmerzen des Patienten am linken Bein und ein deutliches Stauungsödem.
Auch zwei Tage später wurde ein starkes Ödem am linken Bein festgestellt. Desweiteren erfolgte ein Verbandswechsel.
Am 17.4.2007 wird dokumentiert, dass die Wunde der Hüfte zu ist und an der linken Ferse eine offene Blase mit leicht nekrotischem Areal vorhanden ist.
Ausweislich des Pflegeberichts dauerten die Schmerzen des Patienten an dem linken Bein und der linken Ferse auch am 18.4.2007 und 19.4.2007 an. In dem Bericht wird am 19.4.2007 weiter vermerkt, dass der Patient gegen 13.00 Uhr sehr verwirrt und antriebslos und gegen 19.00 Uhr im Gespräch klar erscheint. Für den nächsten Tag wurde ärztlicherseits eine Laborkontrolle (kleines Blutbild, CRP) angeordnet.
Der Patient rutsche am morgen des 20.4.2007 im Bad aus und stürzte nochmals am Vormittag in der Physiotherapie. Daraufhin wurde der Patient zum Röntgen in die Notaufnahme im Krankenhaus A. gebracht.
Nach seiner Rückkehr war der Patient zwar ansprechbar, reagierte aber inadäquat und erschien den Ärzten so verwirrt, dass sie seine Verlegung in die neurologische Abteilung des Klinikums R. veranlassten. Die am 20.4.2007 erhobenen Laborwerte zeigten erhöhte Leukozyten mit 13,8 TSDN und einen Anstieg des CRP auf 248,5 mg/l.
In dem Klinikum R. wurde ein infiziertes Hämatom diagnostiziert und grampositive Haufenkokken nachgewiesen. Am 23.4.2007 wurde der Patient wieder in das Klinikum F. verlegt.
Der Patient verstarb am 10.8.2007 an einem durch die Infektion verursachten Multiorganversagen.
Das von der Staatsanwaltschaft München II gegen Unbekannt eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde nach Einholung eines Sachverständigengutachtens, verfasst von Prof. E., am 29.4.2008 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
Die Ehefrau des Patienten bezieht seit dem Tode ihres Ehegatten von der Klägerin Witwenrente.
Die Klägerin hat vorgetragen:
Die Ärzte der Beklagten zu 1 hätten den Patienten fehlerhaft behandelt. Spätestens am 13.04.2007 hätte eine weitere Befundung des Krankheitsbildes des Patienten erfolgen müssen. Ein erhobener Befund hätte mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiges Verhalten ausgelöst, dessen Unterbleiben jedenfalls als grob behandlungsfehlerhaft einzuschätzen sei. Insbesondere der Eintrag in den Behandlungsunterlagen vom 13.04.2007, wonach „noch wenig leicht blutige, trüb-seröse Flüssigkeit raus“ gekommen sei, hätte auf eine Entzündung im Operationsgebiet hingewiesen und sei ein verdächtiger Befund gewesen. Dieser Befund sowie außerdem anhaltende Schmerzen im linken Bein bei deutlichem Stauungsödem und zusätzlichem Auftreten einer wunden Stelle an der linken Ferse seien behandlungsfehlerhaft nicht zum Anlass genommen worden, die aus der Operationswunde abpunktierte Flüssigkeit mikrobiologisch untersuchen zu lassen oder zumindest eine Überprüfung der bei Aufnahme noch erhöhten Entzündungsparameter zu veranlassen. Wäre die aus dem Operationsgebiet austretende Flüssigkeit am 13.04.2007 punktiert und mikrobiologisch untersucht worden, so wäre mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine bakterielle Infektion befundet worden, auf welche nicht zu reagieren grob fehlerhaft gewesen wäre. Dann aber hätte bei rechtzeitiger Befunderhebung und gebotener Therapie bereits im Klinikum der Beklagten zu 1 die Infektion nicht ihren schweren und tödlichen Verlauf genommen. Verspätet, nämlich erst am 20.04.2007 nach einem Sturzereignis, seien erneut Untersuchungen durchgeführt worden.
Die Klägerin hat beantragt,
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 15.411,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche, weiteren Leistungen zu ersetzen, soweit Schadenersatzansprüche der Versicherten, Anneliese F. durch den Tod ihres Ehegatten, Herrn Johann F. gern. § 116 SGB X auf die Klägerin übergegangen sind.
Die Beklagten haben beantragt: die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben vorgetragen: Die streitgegenständliche Behandlung sei in jeder Hinsicht lege artis gewesen. Von einer unzureichenden Diagnostik bzw. mangelhaften Befunderhebung könne nicht ausgegangen werden. Eine Kausalität zwischen dem Tod des Patienten und der Behandlung durch die Beklagte scheide aus. Bei der klinischen Untersuchung hätten sich im Wundbereich keine aktuellen Entzündungszeichen ergeben, jedoch eine fluktuierende Schwellung am unteren Narbenpol. Infolge dessen sei schon notiert worden, dass dies zu überwachen und gegebenenfalls eine Antibiose einzuleiten sei. Bei zunächst rückläufigen Entzündungsparametern sei dies jedoch nicht für notwendig erachtet worden. Auf die Dokumentation werde insoweit verwiesen. Es habe sich aktuell kein Anhalt auf ein akutes infektiöses oder septisches Geschehen ergeben. Wegen des Ödems am Bein sei dieses vorübergehend hochgelagert worden. Auch bei der Vorstellung beim Durchgangsarzt nach dem Sturz habe sich ein regelrechter Sitz der Prothese ergeben, nach Rückkehr des Patienten in desorientiertem und unruhigen Zustand sei sofort die akutmedizinische Betreuung im Klinikum R. eingeleitet worden. Insgesamt ergebe sich keinerlei Abweichung vom medizinischen Standard.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch die Hinzuziehung des orthopädischen Sachverständigen Prof.Dr. M.
Das Landgericht wies mit Urteil vom 23.11.2011 die Klage ab und führte zur Begründung aus:
Nach dem Ergebnis der Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. med. M., der sich überzeugend mit den vorgelegten Privatgutachten auseinandergesetzt habe, könne das Gericht davon ausgehen, dass die Behandlung im Klinikum der Beklagten zu 1 zu jeder Zeit lege artis gewesen wäre. Der Sachverständige habe nachvollziehbar dargelegt, dass am 13.04.2007 noch keine erkennbaren, klinischen Zeichen für eine Infektion bestanden hätten. Der Infektionsverdacht im Gutachten des Prof. E. beruhe auf dem Eintrag in der Patientenkurve, dass nur noch wenig leicht blutige trüb-seröse Flüssigkeit aus der Wunde komme. Hierbei handele es sich aber um einen Lesefehler, wie die Beklagte zu 4 bestätigt habe. Auch die nachfolgenden Einträge habe der Sachverständige so bewertet, dass es höchst unwahrscheinlich erscheine, dass sich zu diesem Zeitpunkt infiziertes Sekret entleert habe. Dies sei deswegen nicht möglich, weil bei Bildung und Entleerung von Sekret aufgrund einer Infektion es zu keinem spontanen Verschluss der Wunde mehr komme. Es sei aber auch nach dem 13.04.2007 durch die behandelnden Ärzte, aber auch im Aufnahmebefund des Klinikums R. dokumentiert, dass die Wunde geschlossen gewesen sei. Erst am 19.04.2007 seien Hinweise auf eine systemische Infektion durch die Verwirrtheit des Patienten aufgetreten. Am 20.04.2007 sei korrekterweise eine Verlegung in eine Akutklinik erfolgt.
Die Klägerin legte mit Schriftsatz vom 7.12.2012 gegen das ihr am 28.11.2012 zugestellte Urteil Berufung ein und begründete diese mit Schriftsatz vom 30.1.2012.
Die Klägerin trägt vor: Das Landgericht Traunstein habe zu Unrecht unter Verkennung der vorliegenden Entzündungszeichen, welche bereits am 06.04.2007, spätestens eindeutig am 13.04.2007 vorgelegen hätten und auf welche die Beklagten behandlungsfehlerhaft keine weiteren Befunde erhoben hätten, die Klage abgewiesen.
Ausweislich des Gutachtens von Herrn PD Dr. Frank G. vom 04.03.2011 hätten zu diesen Zeitpunkten sehr wohl und eindeutig Anzeichen für eine Infektion vorgelegen.
Bereits am 06.04.2007 hätte bereits ein hochgradiger Verdacht auf eine postoperative Wundinfektion bestanden. Aufgrund der starken Schmerzen am linken Hüftgelenk, des massiven Beinödems, des hochpathologischen CRP-Wertes bei ansonsten fehlenden anderen Infektherden und einer offenbar nicht vollständig geschlossenen und trockenen Wunde hätte an einen Wundinfekt gedacht werden müssen.
Die am 09.04.2007 vorgenommene Hämatompunktion von 35 ml aus der Wundregion und das am 11.04.2007 aus dem Wundgebiet ausgetretene Blut hätten mikrobiologisch untersucht werden müssen. Die Unterlassung dieser mikrobiologischen Befunderhebung seien als fehlerhaft anzusehen.
Unabhängig von der Beschaffenheit des Sekrets (trüb-serös oder serös oder klar) hätte die Sekretion am 13.04. zu weiteren Abklärungsmaßnahmen führen müssen. In jedem Fall wäre eine Wundsekretion, die über einen so langen Zeitraum nach der Operation offensichtlich bestanden habe, ein erhebliches Verdachtsmoment für das Vorliegen einer irregulären infektbedingten Wundheilung respektive für das Vorliegen einer Wundinfektion.
Der spontane Verschluss der Wunde, wie er am 19.04.07 erstmalig dokumentiert worden sei, widerspreche nicht dem Vorliegen eines Infektgeschehens. Es sei einschlägig bekannt, dass gerade im Bereich des Hüftgelenkes Wundinfektionen vorhanden sein können, ohne dass an der Hautoberfläche dafür Hinweise, wie z. B. eine Sekretabsonderung, vorhanden seien.
Bei entsprechender konsequenter Diagnostik durch mikrobiologische Untersuchung des Punktates bzw. Sekretes und/oder einer ggf. frühzeitigen Wunderöffnung hätte die Infektion des Wundgebietes bereits schon in den ersten Tagen der stationären Behandlung in der R.klinik festgestellt werden können. Spätestens hätte aber am 13.04.07 bei fortgesetzter Spontansekretion aus der Wunde eine entsprechende aggressive Diagnostik bzw. Therapie des schwelenden Wundinfektes vorgenommen werden müssen.
Auch der Gutachter des Instituts für Rechtsmedizin der Universität München, Herr Prof. E. sei in seinem Gutachten für die Staatsanwaltschaft München II zu dem Ergebnis gekommen dass der Patient durch die Beklagten fehlerhaft behandelt worden sei.
Die Klägerin beantragt:
I. Das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 23.11.2011 wird aufgehoben.
II. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 15.411,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
III. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche weiteren Leistungen zu ersetzen, soweit Schadenersatzansprüche der Versicherten Anneliese F.durch den Tod ihres Ehegatten Herrn Johann F. gern. § 116 SGB X auf die Klägerin übergegangen sind.
IV. Hilfsweise für den Fall, dass das Berufungsgericht keine eigene Sachentscheidung trifft: Das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 23.11.2011 wird aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Traunstein zurückverwiesen.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor: Das Landgericht habe rechtsfehlerfrei, insbesondere mit zutreffender Beweiswürdigung, aufgezeigt, dass die Behandlung im Klinikum der Beklagten zu 1 jederzeit lege artis und nicht fehlerhaft gewesen sei.
Insoweit die Klägerin abweichend von der Dokumentation geltend mache, dass eine offene und nicht verheilte Wunde zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt vorgelegen habe, sei dies spekulativ und entbehre jeglicher Grundlage.
Der mit der Berufungsbegründung erhobene Einwand der Klägerin, das Landgericht habe sich nicht hinreichend mit dem Parteigutachten auseinandergesetzt, sei nicht nachvollziehbar.
Der Sachverständige habe auch dezidiert dargelegt, dass die Einschätzung im Gutachten von Professor E. bei korrekter Entzifferung des Eintrages am 14.3.2007 nicht aufrecht zu erhalten sei.
Der Senat hat Beweis erhoben durch die Hinzuziehung des Sachverständigen Prof. Dr. M. sowie der Anhörung der Beklagten zu 2 und 4.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung erwies sich als unbegründet.
A. Der Klägerin ist auch in der Berufungsinstanz nicht der Nachweis gelungen, dass die Beklagten behandlungsfehlerhaft die Infektion zu spät erkannt haben. Den Beklagten kann weder ein Diagnose- noch ein Befunderhebungsfehler vorgeworfen werden. Der Sachverständige Prof. M. hat überzeugend dargelegt, dass die Beklagten lege artis gehandelt haben. Eines weiteres Sachverständigengutachtens bedarf es nicht, da der Sachverständige Prof. M. sämtliche Einwände des Privatgutachters Dr. G. überzeugend entkräftet hat.
I. Den Beklagten kann nicht vorgeworfen werden, am 6.4.2007 einen Befund nicht erhoben zu haben oder Anzeichen einer beginnenden Infektion übersehen zu haben.
1. Der Sachverständige Prof. M. kommt zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass zum Zeitpunkt der Verlegung ein weitgehend regelgerechter Verlauf vorgelegen hat. Der Sachverständige bezieht sich dabei auf die dokumentierte Eingangsuntersuchung sowie auf den Verlegungsbericht der Kreisklinik F. vom 5. April 2007.
Aus der Dokumentation ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass die Wunde offen oder noch nicht vollständig geschlossen war. In dem Verlegungsbericht heißt es, dass sich die Wundheilung per primam gestaltet habe und zum Zeitpunkt der Entlassung reizlose Wundverhältnisse vorgelegen haben. Der Beklagte zu 2 hat in der mündlichen Anhörung vor dem Senat nachvollziehbar versichert, dass er, sofern entgegen dem Verlegungsbericht eine offene Wunde vorgelegen hätte, die Wunde fotografiert und gegebenenfalls den Patienten zurückverlegt hätte. Er schilderte weiter, dass er das Medikament Braunovidon auf die Schwellung aufgetragen hat. Der Sachverständige erklärte, dass das festgestellte Hämatom und die starken Schmerzen am linken Hüftgelenk keine Anzeichen für eine beginnende Infektion dargestellt haben und verwies darauf, dass der CRP Wert am Zugangstag rückläufig war und sich auch im weiteren ein rückläufiger Verlauf gezeigt habe.
2. Insoweit der Privatgutachter einwendet, dass aufgrund der Eingangsbefunde eine infektverdächtige Situation vorgelegen habe und weitere diagnostische, wenn nicht sogar therapeutische Bemühungen hätten erfolgen müssen, ist festzustellen, dass der CRP Wert im Vergleich zu den vorangegangenen Werten rückläufig war und von einer nicht vollständig geschlossenen Wunde nicht ausgegangen werden kann. Weder aus dem Verlegungsbericht der Kreisklinik F. noch aus der Eingangsbefundung durch die Beklagten ergeben sich Hinweise auf eine nicht völlig geschlossene Wunde.
Der weitere Verlauf belegt die Auffassung des Sachverständigen. Der am 10.4.2007 erhobene CRP-Wert war nochmals rückläufig, ohne dass Antibiotika verabreicht worden waren. Nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen kann aus den rückläufigen – aber immer noch erhöhten – CRP-Werten geschlossen werden, dass zu diesem Zeitpunkt beim Patienten keine sich ausbreitende Infektion vorgelegen hat. Der erhöhte Wert konnte nach den Ausführungen des Sachverständigen durch den am 7.4.2007 dokumentierten Husten mit Auswurf erklärt werden.
II. Den Beklagten kann nicht vorgeworfen werden, das Punktat vom 9.4.2007 nicht mikrobiologisch untersucht zu haben.
1. Der Sachverständige Prof. M. hat ausgeführt, dass keine Leitlinien oder Empfehlungen vorhanden sind, die eine regelmäßige Untersuchung von Punktaten fordern bzw. nahelegen. In Universitätskliniken ist eine labormäßige Untersuchung – so der Sachverständige weiter – üblich, in Arztpraxen jedoch nur bei Verdacht auf eine Infektion. Da der am nächsten Tag erhobene CRP-Wert rückläufig war, war nach der Bewertung des Sachverständigen eine Laboruntersuchung nicht zwingend geboten. Der Sachverständige vermochte insoweit nicht dem Privatgutachter zuzustimmen, der allerdings ohne Richtlinien oder Empfehlungen benennen zu können, die unterbliebene Untersuchung des Punktats als fehlerhaft bezeichnet hat. Die Ausführungen des Sachverständigen Prof. M. überzeugen, da seine Bewertung auf den konkreten Einzelfall abstellt. Der Privatgutachter berücksichtigt nicht die rückläufigen CRP-Werte und kann für seine Auffassung, dass es medizinischem Facharztstandard entspreche, Punktate aus einer Operationsregion stets mikrobiologisch zu untersuchen, keine Belege anführen.
2. Selbst wenn eine Laboruntersuchung des Punktats zu fordern gewesen wäre, ist es nach Darlegung des Sachverständigen völlig offen, ob bei einer solchen Untersuchung Bakterien im Punktat festgestellt hätten werden können. In der mündlichen Anhörung vor dem Senat erklärte Prof.M., dass es genauso wahrscheinlich ist, dass das Hämatom schon mit Bakterien besiedelt gewesen wäre, wie dass die Keime noch lediglich auf der Prothese vorhanden gewesen wären. Im folgenden verweist er darauf, dass für den Fall, dass die Infektion damals schon das Hämatom ergriffen hätte, sich anschließend die Wunde nicht von selbst verschlossen hätte und dass nicht nur die Behandlungsdokumentation der Beklagten sondern auch der Befund der Durchgangsärzte in A. und R. nicht von einer offenen Wunde berichten würden.
Der Sachverständige konnte der Auffassung des Privatgutachters, dass es auch bei einer schwerwiegenden Infektion am Hüftgelenk zu Wundverschlüssen kommen kann, nicht folgen. Er stimmte dem Privatgutachter insoweit zu, dass es auch bei einer geschlossenen Wunde nach Primärverheilung zu einer Infektion kommen kann. Dass sich eine infizierte Wunde von selbst verschließt, entspricht nach den Ausführungen des Sachverständigen aber nicht der medizinischen Erfahrung. Vertiefend legte er dar, dass, sofern die Sekretion durch die Infektion begründet ist, sich das infizierte Sekret aus der Tiefe an die Oberfläche entleert, womit der Weg auch immer infiziert ist und dass bei bestehendem Infekt ein Verschluss nicht auftritt.
Den weiterführenden Ausführungen des Sachverständigen kann daher entnommen werden, dass er es eher für wahrscheinlich hält, dass in dem Punktat keine Bakterien festgestellt hätten werden können. Die Klägerin konnte daher auch nicht den Nachweis führen, dass eine Befunderhebung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Ergebnis geführt hätte, dass eine Reaktion erfordert hätte.
III. Den Beklagten kann nicht vorgeworfen werden, am 11.4.2007 auf das Entleeren des Hämatoms nicht sachgerecht reagiert zu haben.
Der Sachverständige Prof. M. hat ausgeführt, dass das Entleeren des Hämatoms kein Anzeichen für eine Infektion darstellt, weil eine vollständige Entleerung eines Hämatoms durch eine Punktierung praktisch nicht möglich ist und es daher normal ist, dass nach einer Punktion in den nächsten Tagen noch weitere Flüssigkeit ausläuft.
Die von dem Privatgutachter geforderte mikrobiologische Untersuchung des ausgetretenen Blutes war nicht erforderlich, da es sich um dieselbe Flüssigkeit wie die am 9.4.2007 punktierte Flüssigkeit gehandelt hat, die CRP-Werte rückläufig waren und die Situation insgesamt gegenüber dem 9.4.2007 unverändert geblieben war.
IV. Der Austritt von Flüssigkeit aus der Wunde am 13.4.2007 erforderte keine Reaktion der Beklagten Ein Öffnen der Wunde oder weiterführende diagnostischen Maßnahmen waren nicht geboten, da der Austritt des Sekretes kein Anzeichen für Infektion darstellte.
Der gerichtliche Sachverständige, der Gutachter des Ermittlungsverfahrens und der Privatgutachter stimmen insoweit überein, dass der Austritt einer trüb-serösen Sekretion ein Anzeichen für eine Infektion geliefert hätte. Der Privatgutachten vertritt darüber hinaus die Auffassung, dass unabhängig von der Beschaffenheit des Sekrets weitere Abklärungsmaßnahmen veranlasst hätten werden müssen.
1. Der Austritt eines trüben Sekrets ist nicht dokumentiert. Die Beklagte zu 4 hat auch vor dem Senat bestätigt, dass ihr Eintrag vom 13.4.2007 in der Patientenkurve „sonst“ und nicht „trüb“ lautet. Diese Leseart scheint dem Senat wesentlicher naheliegender, auch wenn das betreffende Wort schwer lesbar sein mag.
2. Der Sachverständige hat in seinem Ergänzungsgutachten vom 21.4.2011 zu der oben dargestellten Auffassung des Privatgutachters Stellung genommen. Er weist nochmals daraufhin, dass eine seröse Sekretion mit dem nachgewiesenen Hämatom vereinbar war und ein seröser Erguss in Zusammenhang mit den rückläufigen Entzündungswerten keinen Hinweis auf eine Infektion bietet.
3. Der Sachverständige kommt weiter zu dem Ergebnis, dass eine mikrobiologische Untersuchung des Sekretes vom 13.4.2007 wahrscheinlich negativ gewesen wäre. Er betont, dass das spontane Verschließen der Wunde dafür spricht, dass am 13.4.2007 noch keine manifeste Infektion vorgelegen hat und davon auszugehen ist, dass es erst kurz vor dem 20.4.2007 zu einer manifesten Infektion der Hüfte gekommen ist.
V. Der Sachverständige hat nachvollziehbar dargelegt, dass ausweislich der Dokumentation sich bis zum 19.4.2007 keine Hinweise auf eine Wundinfektion ergeben haben und dass auf die Anzeichen durch die Anordnung einer Laborkontrolle und durch die am 20.4.2007 erfolgte Überweisung an eine Fachklinik angemessen reagiert worden ist.
VI. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Klägerin den Nachweis eines kausalen Behandlungsfehlers durch das auf ihren Antrag eingeholte Sachverständigengutachten nicht führen konnte, und der Sachverständige insbesondere in seinem Ergänzungsgutachten die Einwände des Privatgutachters überzeugend entkräftet hat. Der Sachverständige hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Privatgutachter entgegen den Befunden von einer nicht vollständig verschlossenen Wunde ausgeht und hat überzeugend dargelegt, dass die rückläufigen CPR-Werte gegen einen manifesten Gelenkinfekt ebenso wie das Verschließen der Wunde sprechen.
B. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO.
C. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
D. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben. Dem Rechtsstreit kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.