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Befunderhebungsfehler Laminektomie – unterbliebene postoperative Untersuchung

Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt – Az.: 1 U 123/18 – Urteil vom 08.10.2019

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 24. August 2018 verkündete Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau teilweise aufgehoben:

Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt, soweit die Klägerin wegen der bei ihr am ersten postoperativen Tag (29. November 2012) unterlassenen ärztlichen neurologischen Untersuchung Schadensersatz verlangt.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Schäden (immaterieller Art nur, soweit sie derzeit nicht vorhersehbar sind, materieller Art nur, soweit der Ersatzanspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist oder übergeht) zu ersetzen, welche ihr aus der am ersten postoperativen Tag (29. November 2019) unterlassenen ärztlichen neurologischen Untersuchung erwachsen sind oder der Klägerin noch entstehen werden.

Die Sache wird im Betragsverfahren an das Landgericht Dessau-Roßlau zurückverwiesen, das auch über die Kosten der Berufung zu entscheiden hat.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Gebührenstufe bis 110.000,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin ist von Beruf Altenpflegerin und litt vor der Behandlung durch den Beklagten seit Jahren an progredienten Rückenbeschwerden mit Ausstrahlung in beide Füße. Nach – im Ergebnis erfolgloser – konservativer Therapie ( Krankengymnastik, Reha-Sport aber auch Verabreichung von Schmerzmitteln [ z.B. CT-gestützte periradikuläre Therapie rechts L4/L5 unter Applikation einer Ampulle Triam 40 im Gemisch mit 2 ml Bucain am 28.9.2012 gemäß Bericht Dr. G. ] ) stellte sich die Klägerin mit einer Überweisung ihrer Hausärztin beim Beklagten am 2.11.2012 vor, der in Auswertung einer MRT-Aufnahme vom 26.4.2011 eine Spondylolisthesis im LWK 4/5 und LWK 5/S1, eine beidseitige Spondylarthrose in LWK 4/5 und LWK 5/S1, eine Dorsalprotrusion in LWK 3/4 sowie einen medialen Prolaps in LWK5/S diagnostizierte ( Lumbalstenose LWK 3/4/5 ) und die Indikation für eine Laminektomie ( LWK 4 + LWK 5 – Implantat je eines TLIF-Cages L3/4/5; dorsale Stabilisierung LWK 3/4/5 ) stellte. Am 13.11.2012 stellte sich die Klägerin erneut in der Praxis des Beklagten vor. Am 27.11.2012 wurde sie in die C. aufgenommen, wo der Beklagte am 28.11.2012 den Eingriff vornahm.

Im Operationsbericht vom 28.11.2012 heißt es ( u.a. ):

Duraverletzung. Versorgung mittels Duranaht. Die nochmalige Röntgenkontrolle zeigt eine regelrechte Lage des Implantats. Spülung mit Kochsalzlösung, schichtweiser Wundverschluss mit Hautnaht.

In der Dokumentation „Ärztliche Anordnungen / Visite“ ist für den 30.11.2012 vermerkt

Fußheberparese re.

Es wurde eine CT-Kontrolluntersuchung veranlasst ( nach dem Inhalt des Entlassungsberichts vom 4.12.2012 „notfallmäßig“ durchgeführt ), die eine Fehllage beider Schrauben

„intraspinale Schraubenlage der kaudalen Schrauben“

zeigte und zu einer sofortigen Revisionsoperation zur Korrektur der Schrauben LWK 5 beidseits und Dekompression LWK 4/5 beidseitig führte ( gemäß OP-Bericht vom 30.11.2012 ), wobei auch eine Neurolyse durchgeführt wurde ( gemäß Entlassungsbericht vom 4.12.2012 ).

Es erfolgte die Mobilisierung unter Verwendung einer Peroneusschiene. Bei im Übrigen unauffälligem weiteren Verlauf wurde die Klägerin am 10.12.2012 aus der stationären Behandlung entlassen.

Es schloss sich eine Reha-Behandlung im Eisenmoorbad S. vom 27.12.2012 bis zum 17.1.2013 an ( auf den an die Deutsche Rentenversicherung gerichteten Entlassungsbericht vom 21.1.2013 wird Bezug genommen ).

Eine weitere Reha-Maßnahme erfolgte vom 18.2.2014 bis 11.3.2014 in der Klinik B. in K., wobei im Entlassungsbericht weiter als Diagnose ( u.a. ) eine

Fußheberparese rechts und

eine eingeschränkte Beweglichkeit und Belastbarkeit der Lendenwirbelsäule bei Spinalkanalstenose L3/4 und L4/5 bei Listhese L4/5

genannt werden.

Am 25.6.2014 wurde eine weitere MRT-Untersuchung der Lendenwirbelsäule durchgeführt. Im Befundbericht heißt es:

Spondylodese LWK 3 und 4. Ventrolisthesis LWK 3 und 4 gegenüber LWK 2 und 5 von ca. 6 mm. Breitbasige Bandscheibenhernien LWK 2/3 und LWK 4 bis SWK 1. Keine Spinalkanalstenose. Ausgeprägte narbige Veränderungen im operativen Zugangsweg. fettige Degeneration der Rückenmuskulatur, Osteochondrose LWK 5 / SWK 1.

Die Klägerin hat behauptet, nicht über Alternativen zur Operation aufgeklärt worden zu sein. Der Beklagte habe geäußert, die Klägerin müsse alternativlos zeitnah operiert werden. Wären Alternativen dargestellt worden, hätte sie sich zumindest in einem Entscheidungskonflikt befunden und sich ggfls. gegen diese Operation entschieden. Ebenso wenig habe der Beklagte über den Nutzen und die Risiken der Operation, insbesondere über die Operationserweiterung und die damit verbundenen Risiken aufgeklärt. Das mit der Eingriffserweiterung verbundene Risiko eines Nervenfunktionsausfalls nach Schraubenfehllage habe sich dann auch verwirklicht.

Die Operation sei nicht indiziert gewesen.

Die eingesetzte Schraube im 5. Lendenwirbelkörper sei fehlpositioniert worden, was zum einen zur Verletzung der Dura geführt habe und zum anderen vom Beklagten bereits intraoperativ ( anhand der zu fertigenden Röntgenaufnahmen oder des Austastens der Schraubenkanäle ) hätte erkannt werden müssen. Dass eine solche intraoperative Röntgenaufnahme überhaupt erstellt worden sei, sei zumindest nicht dokumentiert worden. Die nach Abschluss des Eingriffs erstellte Röntgenaufnahme sei von so schlechter Qualität, dass damit die intraoperativ erreichte Schraubenlage überhaupt nicht habe kontrolliert werden können.

Es liege damit zum einen ein Befunderhebungsfehler vor in der Gestalt der unterbliebenen intraoperativen Röntgenaufnahme. Ein Behandlungsfehler liege aber auch darin, dass der Beklagte erforderliche Cages nicht eingebracht habe, ohne dass für das Unterlassen dieser Maßnahme eine erkennbare Begründung ersichtlich sei. Folge seien die Revisionsoperation vom 30.11.2012, die Fußheberparese rechts, starke Schmerzen, eine Änderung der Fußhaltung sowie eine Gangunsicherheit mit Sturzgefahr.

Durch die Notwendigkeit einer Revisionsoperation hätten bereits grundsätzlich weniger Möglichkeiten für eine vollständige Nervenregeneration bestanden. Die Revisionsoperation sei aber ihrerseits auch noch fehlerhaft durchgeführt worden, soweit entgegen den Angaben im Operationsbericht die fehlliegende Schraube im Wirbelkörper L5 nicht ersetzt, sondern nur entfernt worden sei, was in Verbindung mit den fehlenden Cages zwangsläufig zu einer weiteren Instabilität im Segment LWK 4/5 geführt habe.

Infolge der Duraverletzung sei es zu der Fußheberparese verbunden mit starken Schmerzen gekommen. Die Klägerin neige bei einem schlechten Halt beim Gehen zu Stürzen. Sie müsse häufig eine Peroneusschiene tragen, was wiederum zu schmerzhaften Druckstellen führe. Der „wackelige“ Gang und die damit verbundenen Fehlhaltungen hätten in der Folge auch zu Schmerzen in den Knien und in den Hüften geführt. Gegen die Schmerzen müsse die Klägerin Schmerzmittel einnehmen. Aufgrund dieser gesundheitlichen Einschränkungen könne sie ihren Beruf als Altenpflegerin nicht mehr ausüben. In der Zeit vom 27.11.2012 bis 27.5.2014 sei sie in vollem Umfang arbeitsunfähig gewesen und habe in der Zeit danach eine Erwerbsunfähigkeitsrente bei einem Behinderungsgrad von 30% erhalten. In Verbindung mit der nur noch eingeschränkt möglichen Hausarbeit und Teilnahme am gesellschaftlichen Leben seien

  • ein Schmerzensgeld von mindestens 40.000, — Euro,
  • ein Haushaltsführungsschaden ( bis Juni 2016 ) in Höhe von 16.596,22 Euro,
  • ein Verdienstausfallschaden (bis 30.6.2016) unter Berücksichtigung des gezahlten Kranken- und Übergangsgeldes sowie der Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von 27.878,37 Euro und
  • ein weiterer materieller Schaden in Höhe von 475,38 Euro zu ersetzen sowie
  • die Schadensersatzpflicht des Beklagten festzustellen.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat Klageabweisung beantragt. Er hat behauptet, ihm seien weder Aufklärungs- noch Behandlungsfehler unterlaufen.

Befunderhebungsfehler Laminektomie - unterbliebene postoperative Untersuchung
(Symbolfoto: Ground Picture/Shutterstock.com)

Der Eingriff selbst sei aufgrund der bei der Klägerin bestehenden Spinalkanalstenose, der Schmerzen und der erfolglos vorangegangenen konservativen Therapie indiziert gewesen. Der Eingriff sei standardgerecht durchgeführt worden. Die Fehllage der Schrauben stelle ein operationsimmanentes Risiko dar, was ebenso für die Duraverletzung gelte. Die bei der Klägerin eingetretene Fußheberparese könne sowohl durch eine Schwellung während der Operation, durch die Verlegung der Nerven als auch durch die später festgestellte falsche Lage der Schraube hervorgerufen worden sein.

Es sei auch nicht von Aufklärungsfehlern auszugehen, die die Klägerin ohnehin erst in der Folge des Gutachtens von Prof. Dr. M. ( konkretisiert ) eingewandt habe, da es nach erfolglos durchgeführter konservativer Therapie Alternativen zu dem streitgegenständlichen Eingriff nicht ( mehr ) gegeben habe. Die Klägerin sei auf die Gefahr einer Fehllage der Schrauben und weitaus schlimmere Operationsrisiken hingewiesen worden. Sie hätte so oder so in den Eingriff eingewilligt.

Der Beklagte bestreitet die geltend gemachten Schadenspositionen nach Grund und Höhe.

Das Landgericht hat auf der Grundlage seines Beweisbeschlusses vom 9.12.2016 ( Bl. 47 I ) zunächst ein schriftliches Gutachten des Prof. Dr. M. eingeholt und – nachdem der Sachverständige erfolgreich wegen Befangenheit abgelehnt worden war ( SH ) – den Sachverständigen Prof. Dr. K. beauftragt. Prof. Dr. K. hat sein schriftliches Gutachten vom 30.1.2018 und 26.6.2018 im Termin des Landgerichts vom 7.8.2018 mündlich erläutert. Die Klägerin und der Beklagte wurden persönlich angehört ( Bl. 144ff. I ).

Mit Urteil vom 24.8.2018, auf das wegen der dort getroffenen tatsächlichen Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zwar fest, dass Teile der Behandlung fehlerhaft gewesen seien. Die Behandlungsfehler seien jedoch nicht für den eingetretenen Schaden kausal. Verwirklicht hätten sich ausschließlich operationsimmanente Risiken. Aufklärungsdefizite seien ebenso wenig schadensursächlich. Der Beklagte berufe sich zu Recht darauf, dass die Klägerin auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung in die Behandlung eingewilligt hätte.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Es sei nicht richtig, dass die Schraubenfehllage nicht zu verhindern gewesen sei. Es habe Kontroll- und Korrekturmöglichkeiten gegeben, die der Beklagte mit der Röntgenkontrolle nur unzureichend genutzt habe, weil die intraoperative Bildqualität schlecht gewesen sei. Ein standardmäßiges Austasten der Schraubenkanäle sei unterlassen worden. Nachdem das Landgericht dies hätte feststellen müssen, wäre die Frage nach einer Beweislastumkehr für die haftungsbegründende Kausalität in Form eines groben Behandlungsfehlers aufzuwerfen gewesen. Damit sei auch die durch die fehlplatzierten Schrauben verursachte Duraverletzung genauso Folge dieses Behandlungsfehlers, wie die lähmungsverursachende Nervenverletzung. Der Dokumentationsmangel zur Lage der Duraverletzung müsse zu Lasten des Beklagten gehen. Zumindest sei die Schraubenfehllage für die Revisionsoperation mitursächlich geworden, was das Landgericht komplett übersehen habe. Außerdem handele es sich um Befunderhebungsfehler, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zum Aufdecken der Fehllage der Schrauben geführt hätten. Nichts anderes gelte im Hinblick auf abgesplittertes und den Nerven beeinträchtigendes Knochenmaterial. Das Nichteinbringen der Cages sowie der zwei entfernten Schrauben sei ein grober Behandlungsfehler gewesen, sodass auch hier die haftungsbegründende Kausalität zu vermuten sei. Insoweit drohe der Klägerin eine weitere große Operation, was das Landgericht zumindest im Hinblick auf den Feststellungsantrag habe berücksichtigen müssen. In jedem Fall sei die Behandlung in der Gesamtbetrachtung als grob fehlerhaft anzusehen. Soweit das Landgericht einen Aufklärungsfehler im Hinblick auf Behandlungsalternativen verneint habe, könne es nicht nur auf die Erfolgsaussichten der Operation ankommen. Dem Patienten müsse Gelegenheit gegeben werden, die ihm zur Verfügung stehenden Optionen zu vergleichen und abzuwägen. Gerade dies habe der Beklagte durch die von ihm dargestellte Alternativlosigkeit der Operation unterbunden. Das gelte besonders angesichts der nur relativen Indikation des Eingriffs, weshalb es bei der notwendigen Erörterung von Nutzen und Risiko auch auf das Misserfolgsrisiko angekommen sei. Aus der Einwilligung der nicht hinreichend aufgeklärten Klägerin in die Operation habe das Landgericht keine Schlüsse im Hinblick auf den verneinten Entscheidungskonflikt ziehen dürfen. Insoweit habe das Landgericht auch verkannt, dass es tatsächlich nur auf den Entscheidungskonflikt und nicht darauf ankomme, wie sich die Klägerin entschieden hätte. Nicht angehen könne auch, dass der Arzt einfach besprochene Behandlungsschritte grundlos entfallen lasse, was das Landgicht nicht gewürdigt habe.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 24.8.2018 wie folgt zu erkennen:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen konkrete Bemessung in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 44.949,97 Euro zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

3. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, welche ihr aus der fehlerhaften Behandlung und Aufklärung im Zeitraum November 2012 bis Dezember 2012 entstanden sind und/oder noch entstehen werden, immaterielle Schäden dabei nur insoweit, als sie derzeit noch nicht konkret vorhersehbar sind, materielle Schäden, soweit die hierauf gerichteten Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.

Hilfsweise beantragt die Klägerin, die Zurückverweisung an das Landgericht.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das Urteil des Landgerichts und verweist darauf, dass der Sachverständige jeglichen Kausalzusammenhang ausgeschlossen habe, sodass es auf einen groben Behandlungsfehler nicht ankomme. Auch die Revisionsoperation habe zu keinem Schaden, insbesondere nicht zur Anschlussdegeneration geführt. Die interoperative Röntgenkontrolle sei ausreichend gewesen und habe auf dem Monitor die Beurteilung der Schraubenlage erlaubt. Auch habe der Beklagte die Schraubenkanäle und den Nervenverlauf ausgetastet. Das Weglassen von Cages sei kein Behandlungsfehler. Außerdem sei deren Einbringen mit der Klägerin nur als eine Option besprochen worden. Intraoperativ hätte sich das Einbringen von Cages dann nicht als notwendig erwiesen. Die Aufklärung der Klägerin sei ordnungsgemäß erfolgt, zumindest würde die hypothetische Einwilligung greifen, wie vom Landgericht zutreffend festgestellt. Die Klägerin habe angesichts deutlich größerer Risiken eingewilligt. Letztlich hätten sich Risiken verwirklicht, über die die Klägerin aufgeklärt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschriften beider Instanzen Bezug genommen. Der Senat hat die Parteien nochmals persönlich angehört und sich vom Sachverständigen das Gutachten mündlich erläutern lassen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 13.8.2019 verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache teilweise Erfolg. Das angefochtene Urteil des Landgerichts beruht im Ergebnis der nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebotenen erneuten Feststellungen des Senats auf einer Rechtsverletzung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Wäre die Kammer ihrer gesteigerten Verpflichtung zur vollständigen Aufklärung des Behandlungsgeschehens (§ 139 ZPO auch in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG) nachgekommen und hätte sie in diesem Zusammenhang die Feststellung des Sachverständigen Prof. Dr. K. im schriftlichen Gutachten vom 30.1.2018 (dort S. 16) berücksichtigt (vgl. § 286 ZPO), wonach sich die direkt postoperativ durchzuführende Überprüfung der peripheren Neurologie nicht ersehen lasse, wäre sie auf einen haftungsbegründenden Befunderhebungsfehler des Beklagten gestoßen, der zu der am 30.11.2012 diagnostizierten gesundheitlichen Befindlichkeit der Klägerin unter Einschluss des Nervenschadens in seiner konkreten Ausprägung beitrug und zur Schadensersatzpflicht des Beklagten aus Schlechterfüllung des Behandlungsvertrages der Parteien führt. Dies hat angesichts der vollständigen Abweisung der nach Grund und Höhe streitigen Klageforderung die Entscheidung des Senats über den Grund des Anspruchs nebst Zurückverweisung des Betragsverfahrens an das Landgericht (§ 538 Abs. 2 S. 1 ZPO) sowie den Erlass eines Teilurteils über den Feststellungsantrag der Klägerin (§ 301 Abs. 1 ZPO) zur Folge. Im Übrigen verbleibt es bei der Abweisung der Klage.

A. Befunderhebungsfehler

Nach dem Ergebnis der ergänzenden Beweisaufnahme steht fest, dass dem Beklagten jedenfalls ein einfacher Befunderhebungsfehler anzulasten ist, soweit er bei der Klägerin am ersten postoperativen Tag nach dem Eingriff vom 28.11.2012 keine neurologische Untersuchung vorgenommen hat. Hätte der Beklagte als Belegarzt entweder selbst oder durch Ärzte der C. diese Untersuchung durchgeführt, hätte sich mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 50% ein neurologisches Defizit ( Fußheberparese ) gezeigt. Die Nichtreaktion auf diesen Befund wäre ein grober Behandlungsfehler gewesen, was im Ergebnis hinsichtlich des Primärschadens zu Lasten des Beklagten zu einer Beweislastumkehr führt. Den ihm obliegenden Gegenbeweis kann der Beklagte nicht führen.

( 1 ) Eine klinisch neurologische Untersuchung am ersten postoperativen Tag wurde in der ärztlichen Dokumentation für den 29.11.2012 nicht festgehalten. Dort findet sich erst für den 30.11.2012 die Eintragung „Fußheberparese re“. Zwar ergibt sich aus dem Pflegebericht für den 29.11.2012 der Eintrag

„Frau L. gibt leichtes Taubheitsgefühl im rechten Bein an“.

Der Sachverständige hat aber im Rahmen seiner mündlichen Anhörung durch den Senat erklärt, dass die Untersuchung, ob die Neurologie intakt ist, eine originäre ärztliche Aufgabe ist, sodass ein Vermerk in der Pflegedokumentation deren Erfüllung nicht belegt (dokumentiert). Auf den Umstand, dass die erforderliche neurologische Untersuchung jedenfalls nicht dokumentiert wurde, hatte der Sachverständigen bereits in seinem Hauptgutachten ( dort S. 17 ) hingewiesen.

( 2 ) Der Beklagte selbst hat im Rahmen seiner Anhörung durch den Senat erklärt, dass eine neurologische Untersuchung am ersten postoperativen Tag stattzufinden hat. Der eigene Standpunkt des Beklagten ist insoweit mit den Feststellungen des Sachverständigen deckungsgleich. Dass er selbst die von ihm als erforderlich beschriebene neurologische Untersuchung durchführte, hat der Beklagte auch im Rahmen seiner Anhörung nicht behauptet. Er hat dazu erklärt:

„Dazu gibt es auf der Station die diensthabenden Kollegen, die sich darum kümmern“.

Dies mag im Grundsatz so sein, soweit der Sachverständige diese Aufgabenteilung zwischen dem Operateur und den Stationsärzten als „durchaus gängige Praxis“ beschrieben hat. Nur vermag diese „gängige Praxis“ den Beklagten als Belegarzt haftungsrechtlich nicht zu entlasten, wenn die erforderliche neurologische Untersuchung entweder tatsächlich nicht durchgeführt wurde oder mangels Dokumentation als nicht durchgeführt vermutet wird.

Die unterbliebene, unvollständige oder nur lückenhafte Dokumentation bildet zwar keine eigenständige Anspruchsgrundlage und führt auch nicht unmittelbar zu einer Beweislastumkehr hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs zwischen einem Behandlungsfehler und dem eingetretenen Primärschaden. Jedoch kann aus der Tatsache der unzureichenden Dokumentation einer aus medizinischen Gründen aufzuzeichnenden Maßnahme ( vorliegend also die neurologische Untersuchung am ersten postoperativen Tag ) bis zum Beweis des Gegenteils durch die Behandlungsseite darauf zu schließen sein, dass diese Maßnahme unterblieben ist bzw. vom Arzt nicht getroffen wurde. Aus einem Dokumentationsmangel kann mit indizieller Bedeutung eine Beweiserleichterung für den Patienten dahingehend hergeleitet werden, es bestehe die Vermutung, dass die nichtdokumentierte Maßnahme vom Arzt auch nicht getroffen worden sei ( z.B. OLG Karlsruhe Urteil vom 25.9.2013 – 7 U 96/10 –; Rn. 14 in der Zitierung nach juris; so jetzt ausdrücklich § 630h Abs. 3 BGB ).

Der Arzt kann mit den üblichen Beweismitteln die Vermutung des Unterlassens der nicht dokumentierten Maßnahme widerlegen. Anders als bei den weiteren Dokumentationsmängeln in Bezug auf den im Rahmen der Revisionsoperation unterbliebenen Ersatz für die fehlliegende Schraube und dem unterbliebenen Einsatz der Cages sowohl im Rahmen der Erst-, als auch im Rahmen der Revisionsoperation, konnte der Beklagte bei seiner mündlichen Anhörung keine schlüssige Erklärung zu der Frage geben, ob die ( auch nach seiner Ansicht erforderliche aber ) nicht dokumentierte neurologische Untersuchung doch durchgeführt wurde. Er selbst hat sie nicht durchgeführt und im Übrigen hat er sich auf die Aussage beschränkt, dass er sich auf die auf der Station diensthabenden Kollegen verlassen habe. Zu der Frage, ob einer dieser diensthabenden Kollegen die neurologische Untersuchung doch durchgeführt hat, hat der Beklagte weder Vortrag gehalten, noch Beweis angetreten.

Als Zwischenergebnis lässt sich also festhalten, dass

  • die neurologische Untersuchung am ersten postoperativen Tag zu erfolgen hatte,
  • sie entweder tatsächlich nicht durchgeführt wurde oder vermutet wird, dass die Untersuchung nicht durchgeführt wurde, weil sie – obgleich dokumentationspflichtig – nicht dokumentiert wurde und
  • der Beklagte mit anderen Beweismittel die gegen ihn sprechende Vermutung nicht widerlegen kann.

Ob sich der Beklagte gemäß klinischer Praxis intern in seinem Verhältnis zur C. darauf verlassen konnte, dass die Untersuchung durch den am ersten postoperativen Tag diensthabenden Stationsarzt durchgeführt wurde, kann im Ergebnis für den vorliegenden Fall dahinstehen. Die Haftung des Beklagten folgt ausschließlich direkt aus dem zwischen der Klägerin und ihm bestehenden Rechtsverhältnis. Unterstellt, dass die unterlassene neurologische Untersuchung im Innenverhältnis zwischen dem Beklagten und der C. rein tatsächlich einem Arzt des Krankenhauses zuzuordnen ist, trifft den Krankenhausträger weder eine vertragliche noch eine deliktische Einstandspflicht gegenüber dem Patienten, wenn

– der Belegarzt für eine eigene Fehlleistung innerhalb seines Fachbereichs haftet oder

– der Fehler durch einen nachgeordneten Arzt des Krankenhauses desselben Fachgebiets gemacht wurde, dessen sich der Belegarzt bei der Durchführung der ihm obliegenden Behandlung bedient.

Für Fehler dieses Arztes haftet der Belegarzt vertraglich nach § 278 BGB bzw. deliktisch nach § 831 BGB. Die Voraussetzungen für die Haftung des Beklagten sind daher gegeben, weil die neurologische Untersuchung am ersten postoperativen Tag zu seinen eigenen unmittelbaren ärztlichen Pflichten gehörte, die er nur mit den haftungsrechtlichen Folgen aus den §§ 278, 831 BGB delegieren konnte.

( 3 ) Der Sachverständige hat im Rahmen seiner Anhörung erklärt, dass er die fehlende neurologische Untersuchung nicht für einen groben Fehler halte, soweit es der Klägerin möglich gewesen sei, Bewegungseinschränkungen des Fußes gegenüber dem ärztlichen oder dem Pflegepersonal zu kommunizieren. Ob man dieser Ansicht rechtlich folgen könnte ( schon mit der Blickrichtung, dass im Pflegebericht von einem leichten Taubheitsgefühl die Rede ist, die vom Sachverständigen geforderte Kommunikation offenbar stattgefunden hat ), kann im Ergebnis dahinstehen, weil es auch bei der Annahme eines nur einfachen Befunderhebungsfehlers zu einer Beweislastumkehr hinsichtlich des Kausalzusammenhang mit dem Primärschaden kommt.

Auch ein einfacher Befunderhebungsfehler kann zur Beweislastumkehr hinsichtlich dessen Kausalität für den eingetretenen Gesundheitsschaden führen, wenn sich bei der gebotenen Abklärung ( vorliegend also des neurologischen Zustandes ) mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein so deutlicher und gravierender Befund ergeben hätte, dass sich dessen Verkennung als fundamental oder die Nichtreaktion hierauf als grob fehlerhaft darstellen würde und dieser Fehler generell geeignet ist, den tatsächlich eingetretenen Gesundheitsschaden herbeizuführen ( z.B. BGH Urteil vom 26.1.2016 – VI ZR 554/12 – [ z.B. MDR 2016, 587 ]; Rn. 4 in der Zitierung nach juris ).

Der Sachverständige hat zu der unterlassenen Befunderhebung ausgeführt:

Wenn man die Klägerin standardgerecht am ersten postoperativen Tag untersucht hätte, dann hätte man entweder nichts festgestellt, weil sich die Nervenbeeinträchtigungen beispielsweise durch Schwellung oder Absprengung erst entwickelten oder man hätte bereits die Lähmung gesehen. Ich halte die Wahrscheinlichkeit, dass es postoperativ schon zu neurologischen Problemen kam, für wahrscheinlicher. Ganz einfach, weil sich während des Eingriffs schon mehrere Komplikationen ergeben haben.

Zu dem zuletzt genannten Gesichtspunkt sind zu nennen:

  • die Duraverletzung und
  • das nach der Bekundung des Beklagten deshalb unterbliebene ( aber zunächst geplante ) Einsetzen der Cages im Rahmen der Erstoperation.

Die Wahrscheinlichkeit, dass man bei der gebotenen neurologischen Untersuchung einen reaktionspflichtigen Befund erhoben hätte ( der zu einer CT-Untersuchung und nachfolgender Revisionsoperation geführt haben könnte ), hat der Sachverständige mit mehr als 50% angegeben ( dazu: Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 5. Aufl., Anm. U 57; s.a. BGH a.a.O., Rn. 5 ) und er hat weiter die Nichtreaktion auf einen ( mit mehr als 50% Wahrscheinlichkeit erhobenen ) verdächtigen neurologischen Befund als groben Fehler bezeichnet, was dem Senat einleuchtet und von ihm geteilt wird. Ein neu ( also postoperativ ) aufgetretenes funktionswirksames neurologisches Defizit erfordere eine erneute Untersuchung. Die Richtigkeit dieser Aussage ergibt sich schon daraus, dass genau das am zweiten postoperativen Tag ( 30.11. ), nachdem gemäß der ärztlichen Dokumentation die Fußheberparese rechts festgestellt worden war, dann auch so ( CT als Notfall / Revisionsoperation ) durch den Beklagten verfahren wurde.

Vor diesem Hintergrund kommt es zur Beweislastumkehr hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität für den Primärschaden. Dabei meint Primärschaden die durch den Behandlungsfehler herbeigeführte gesundheitliche Befindlichkeit in ihrer konkreten Ausprägung unter Einschluss des daraus geschaffenen oder erhöhten Risikos ( BGH Urteil vom 2.7.2013 – VI ZR 554/12 – [ z.B. MDR 2013, 3094 ]; Rn. 16 in der Zitierung nach juris ), wobei eine Mitursächlichkeit des Behandlungsfehlers genügt. Insoweit hat die verspätete Befunderhebung zu einer verzögerten Neurolyse im Rahmen des Revisionseingriffs vom 30.11.2012 geführt, der nach den Feststellungen des Sachverständigen ausschließlich wegen des Nervenschadens notwendig war (S. 6 Mitte des Protokolls vom 13.8.2019).

Deshalb lässt sich gerade nicht annehmen, dass es im konkreten Fall der Klägerin nicht zur Umkehr der Beweislast kommt, weil jeglicher haftungsbegründender Ursachenzusammenhang äußerst unwahrscheinlich ist ( BGH a.a.O., Rn. 11 ). Dies bestätigt sogar die Einlassung des Beklagten selbst. Im Zusammenhang mit der Frage, warum im Rahmen der Revisionsoperation die Schrauben nicht ausgewechselt worden seien, hat er bekundet, dass für ihn im Rahmen dieser Revisionsoperation die Fußheberparese das Entscheidende und Wichtigste gewesen sei und er deshalb noch mehr Platz für die Nervenwurzel gemacht habe. D.h. dann doch aber, dass er selbst davon ausging, durch die Entlastung der Nervenwurzel die Folgen der Fußheberparese ( jedenfalls ) verringern zu können. Wäre der Beklagte selbst nicht von dieser Verbesserungsmöglichkeit ausgegangen, dann wäre die Revisionsoperation mit der Blickrichtung der Entlastung der Nervenwurzel bei Irreversibilität der Parese selbst, sinnlos gewesen. Zwar hat der Sachverständige insoweit ausgeführt:

Wenn man so vorgegangen wäre, hätte man wahrscheinlich kein viel besseres Ergebnis erreicht als es sich jetzt darstellt.

Daraus mag zwar eine schlechte Prognose dafür folgen, ob man mittels einer einen Tag früher durchgeführten Revisionsoperation noch eine Verbesserung hätte erzielen können. Da dies auch nach Ansicht des Sachverständigen ( „kein viel besseres Ergebnis“ ) aber auch nicht ausgeschlossen werden kann, ist vom Beklagten ein äußerst unwahrscheinlicher Ursachenzusammenhang zwischen dem Befunderhebungsfehler und der sich bis zum 30.11.2012 entwickelten und durch den Nervenschaden gekennzeichneten gesundheitlichen Befindlichkeit der Klägerin nicht zu belegen.

Es verbleibt mithin bei der Umkehr der Beweislast, sodass der Beklagte für den aus dem Befunderhebungsfehler folgenden Primärschaden in vollem Umfang einzustehen hat. Der Schädiger haftet für alle gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die durch die schädigende Handlung mitverursacht sind. Eine Abgrenzbarkeit der Folgen der ersten Operation und des konkreten Befunderhebungsfehlers besteht nicht.

B. weitere Aufklärungs- und Behandlungsfehler

Weitere Befunderhebungsfehler oder einen für die fehlende Einwilligung der Klägerin ursächlichen Aufklärungsmangel vermag der Senat nicht festzustellen.

 ( 1 ) Aufklärungsfehler

Zwar ist davon auszugehen, dass die Risikoaufklärung vor dem Ersteingriff unzureichend war. Die Klägerin hat dem Senat bei ihrer Anhörung aber nicht vermitteln können, dass sie sich dadurch bedingt in einem Entscheidungskonflikt befunden haben könnte.

Der Eingriff vom 28.11.2012 setzte sich aus zwei Teilen zusammen. Zum einen war das Ziel des Eingriffs, eine Dekompression zu erreichen. Zum anderen sollte mit der Einbringung von Implantaten eine Stabilisierung erzielt werden. Dieser zweite Teil des Eingriffs ist durch das Setzen von Implantaten gegenüber der „reinen“ Dekompression mit zusätzlichen Risiken verbunden:

  • Lockerung, Fehlplatzierung des Implantats,
  • längere Operationszeit,
  • höherer Blutverlust,
  • zusätzliches Verletzungsrisiko für die Dura durch die Einsetzung der Schrauben.

Es gibt im vorliegenden Fall nur einen Aufklärungsbogen überschrieben mit

Operation bei Verengung des Wirbelkanals der Lendenwirbelsäule ( Lumbale Spinalkanalstenose ).

Dieser Aufklärungsbogen befasst sich nach den Ausführungen des Sachverständigen ausschließlich mit dem ersten Teil des Eingriffs, also der Dekompression. Dass der Beklagte die Klägerin auch hinsichtlich der zusätzlichen Risiken, die sich aus dem zweiten Teil des Eingriffs ergeben könnten, hinreichend aufgeklärt hat, kann er jedenfalls nicht beweisen. Zwar ist den Angaben der Klägerin, wie und worüber sie nach dem Inhalt ihrer Anhörung aufgeklärt wurde, mit Zurückhaltung zu begegnen ( auf die Angaben der Klägerin ist im Rahmen der hypothetischen Einwilligung zurückzukommen ). Der Beklagte selbst musste aber einräumen, dass er an die Klägerin ( jedenfalls, was die Aufklärungssituation anbetrifft ) keine konkrete Erinnerung mehr hatte. Er hat angegeben, dass es einen Standardbogen gebe, den er im Kopf habe und den er mit den Patienten durchgehe. Diese Angabe ist bezogen auf den zu fordernden Umfang der Aufklärung für den Gesamteingriff schon deshalb problematisch, weil es nur den einen von beiden Parteien unterschriebenen Aufklärungsbogen gibt, der aber lediglich den ersten Teil des Eingriffs – also die Dekompression – abdeckt. Für die genannten zusätzlichen Risiken des zweiten Teils fehlt es an einer schriftlichen Grundlage mithin gänzlich. Der handschriftliche Zusatz

dorsale Stabilisierung L3/4/5

2 TLIF-Cages

besagt zur Aufklärung über die vorgenannten Risiken überhaupt nichts. Der Stempelaufdruck am Ende des Bogens

Patient wurde aufgeklärt

über mögliche Dislokation

des Implantats

wird zum einen nicht von der Unterschrift der Klägerin gedeckt ( Palandt/Ellenberger BGB, 79. Aufl., § 126, Rn. 6 ) und umfasst auch nicht sämtliche aufklärungsbedürftigen Risiken. Da der Beklagte keine konkrete Erinnerung an das Aufklärungsgespräch hat, kann er nur wiedergeben, wie er die Aufklärung „üblicherweise“ durchführt. An den Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung dürfen zwar keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Es ist grundsätzlich ausreichend, wenn der Arzt seine „ständige Übung“ schildert und das aufklärungsbedürftige Risiko in einem vom Patienten unterschriebenen Aufklärungsbogen enthalten ist. An Letzterem fehlt es vorliegend aber und die Klägerin bestreitet, dass ihr im Rahmen der Aufklärung mehr gesagt wurde, als dass es

  • keine andere Möglichkeit als die Operation gebe,
  • der Beklagte den Knochen aufsägen, die Stenosen entfernen und hinterher alles wieder zusammenbauen werde und sie
  • hinterher wieder in ihrem Beruf arbeiten könne.

Darüber hinaus hat die Klägerin die Behauptung des Beklagten ausdrücklich bestritten, dass er die Operationsschritte anhand eines Modells beschrieben habe.

Unter Berücksichtigung dieser „Gegendarstellung“ der Klägerin und des Fehlens eines schriftlichen Aufklärungsbogens, der die aufklärungsbedürftigen Punkte umfasst, vermag der Beklagte mit der Schilderung seiner üblichen Aufklärungspraxis den ihm obliegenden Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung nicht zu führen.

Im Ergebnis kann dies aber letztlich dahinstehen, weil sich der Beklagte mit Erfolg auf eine hypothetische Einwilligung der Klägerin berufen kann. Die Klägerin hat einen Entscheidungskonflikt im Rahmen ihrer Anhörung nicht plausibel machen können.

Beruft sich der Arzt darauf, der Patient hätte auch bei ausreichender Aufklärung die Einwilligung zur Durchführung des konkreten Eingriffs erteilt, etwa weil die Ablehnung der Behandlung medizinisch unvernünftig gewesen wäre, kann der Patient diesen Einwand dadurch entkräften, dass er dem Gericht plausibel macht, er hätte sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung in einem echten Entscheidungskonflikt befunden. Für die Darlegung eines Entscheidungskonfliktes kommt es nicht darauf an, wie sich ein „vernünftiger“ Patient voraussichtlich verhalten hätte. Für die Plausibilität ist keine objektive Risikobewertung entscheidend. Vielmehr muss allein auf die persönliche Entscheidungssituation des konkreten Patienten aus damaliger Sicht abgestellt werden ( BGH Urteil vom 9.11.1993 – VI ZR 248/92 – [ z.B. MDR 1994, 1089 ]; Rn. 28 und Urteil vom 30.9.2014 – VI ZR 443/13 – [ z.B. MDR 2014, 1445 ]; Rn. 25, jeweils zitiert nach juris ). Wie er sich entschieden hätte, ist unbeachtlich ( BGH Urteil vom 21.5.2019 – VI ZR 119/18 – [ z.B. GesR 2019, 566; 569 ]; Rn. 22; Palandt/Weidenkaff a.a.O., § 630h, Rn. 5 ).

Der Sachverständige hat festgestellt, dass eine elektive OP-Indikation bestanden habe, weil zum Vorstellungszeitpunkt keine Lähmungen oder Ausfälle vorhanden waren. Die schon bestehenden Beschwerden hätten sich mit der Zeit verstärkt, sodass ein längeres Zuwarten keinen Sinn gemacht hätte, da keine Heilung ( mehr ) eintreten konnte. Die Klägerin hat bekundet, dass es ihre oberste Priorität war, ihre berufliche Tätigkeit fortsetzen zu können ( schon bedingt durch wirtschaftliche Erwägungen, soweit sie die Alleinverdienerin in der Familie war ). Daran wiederum knüpft der Sachverständige an. Im Rahmen der Aufklärung hätte der Klägerin verdeutlicht werden müssen, dass mit dem Eingriff wahrscheinlich eine Beschwerdelinderung zu erreichen sei ( was bezogen auf die Schmerzproblematik auch der Fall war, soweit die Klägerin gegenüber dem Sachverständigen im Jahre 2017 nur „tolerable“ Schmerzen angegeben hat ), aber keine vollständige Beschwerdefreiheit. Vor dem streitgegenständlichen Eingriff nahm die Beklagte bereits hochdosierte Schmerzmittel ( z.B. Ibuprofen 600 ) und hatte sich im September 2012 auch einer CT gestützten periradikulären Therapie rechts L4/L5 unterzogen. Die Spritzentherapie war längerfristig ebenso erfolglos, wie weitere konservative Behandlungsmaßnahmen ( Krankengymnastik; Reha-Sport ). Mit dem Beklagten ist somit davon auszugehen, dass die konservative Therapie bei der Klägerin „ausgereizt“ war und letztlich zur Beschwerdelinderung nur noch der streitgegenständliche Eingriff verblieb oder das Abwarten bei ( u.U. ) progredienten Schmerzen. Für die persönliche Entscheidungssituation muss in den Vordergrund gerückt werden, dass die Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit für die Klägerin erste Priorität hatte, sie so lange arbeiten wollte, wie es geht. Die Klägerin befand sich damit aber so oder so in einer sehr schlechten Situation, weil die Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit wegen der fortschreitenden Erkrankung bei permanenten Schmerzen ohne den Eingriff mindestens ebenso gefährdet war, wie mit dem Eingriff, mit dem zwar auch keine vollständige Beschwerdefreiheit erreicht werden konnte, wohl aber wahrscheinlich eine Beschwerdebesserung. Die – zu fordernde – Aufklärung hätte diese positive Prognose hinsichtlich einer zu erreichenden Beschwerdelinderung umfassen müssen, was zwar auch dazu geführt hätte, dass die Klägerin künftig nicht mehr schwer heben konnte ( zweifelsohne ein erhebliches Handikap bei einer Tätigkeit als Altenpflegerin ). Nur: Diese Entwicklung war auch bei Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit ohne die Operation zwangsläufig. D.h.: Im Ergebnis hätte die Klägerin gerade in Bezug auf die perspektivische Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit bei Absehen von dem Eingriff nichts zu gewinnen gehabt, sondern sie hätte weiter mit der bestehenden Schmerzbelastung leben müssen. Zumindest dies wäre bei allenfalls gleichwertigen Risiken für die Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit mit dem Eingriff mit Wahrscheinlichkeit besser geworden. Warum sich die Klägerin – gerade in Bezug auf eine perspektivische Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit – mit einer Lösung auseinander setzen sollte, die keinerlei Vorteil bot gegenüber einer Lösung, die jedenfalls eine Beschwerdelinderung wahrscheinlich machte, ist gerade dann nicht nachvollziehbar, wenn die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit für die Klägerin erste Priorität hatte.

Bei der Bewertung, ob die Klägerin einen Entscheidungskonflikt dadurch nachvollziehbar machen konnte, dass sie letztlich allein angab, sie habe solange wie möglich arbeiten wollen, spielt auch eine Rolle, dass der Senat ihre Angaben (auch im Übrigen) nur für eingeschränkt glaubhaft hält. Zum einen hat die Klägerin angegeben, dass sie von ihrer Hausärztin zum Beklagten überwiesen worden sei, weil dieser in größerem Umfang Physiotherapie verschreiben könne und im Zeitpunkt der Überweisung sei von einer möglichen Operation keine Rede gewesen. Dieser Aussage steht eindeutig der Inhalt des Überweisungsscheines entgegen, wo es heißt

Spondylolisthesis, erbitte Prüfung der OP-Indikation.

Es ist schon wenig wahrscheinlich, dass die Klägerin den Inhalt der Überweisung nicht zur Kenntnis genommen hat, noch weniger wahrscheinlich ist, dass die Hausärztin bei diesem Inhalt der Überweisung mit der Klägerin nicht darüber gesprochen hat, dass ein operativer Eingriff nicht wenigstens im Bereich des Möglichen lag. So gesehen kann die Klägerin von der OP-Indikation durch den Beklagten nicht völlig unvorbereitet getroffen worden sein. Dass die Klägerin nicht um den Inhalt der Überweisung wusste, ist für den Senat danach ebenso wenig glaubhaft wie die Bekundung der Klägerin, dass es anlässlich des – grundsätzlich unstreitigen – Termins vom 13.11.2012 nicht zu einer klinischen Untersuchung und Aufklärung durch den Beklagten gekommen sein soll. Der Beklagte hat angegeben, eine klinische Untersuchung am 13.11. durchgeführt zu haben. Eine solche klinische Untersuchung ergibt sich zumindest aus dem Inhalt des Schreibens des Beklagten an die C., datiert auf eben diesen 13.11.2012. Auch in diesem Punkt hält der Senat die Angaben der Klägerin für nicht glaubhaft. Gleiches gilt soweit die Klägerin das Aufklärungsgespräch vom 13.11.2012 an sich bestreitet. Von einem Arzt-Patienten-Kontakt am 13.11.2012 ist der Senat überzeugt.

Zwar hängt die Frage, ob die Klägerin einen Entscheidungskonflikt plausibel gemacht hat, nicht unmittelbar damit zusammen, ob der Senat den Angaben zu anderen Punkten Glauben schenkt. Die geschilderten Unwahrheiten beeinträchtigen jedoch die Glaubwürdigkeit der Klägerin, was auch auf ihre Angaben zum Entscheidungskonflikt durchschlägt.

Im Ergebnis hat sich der Senat nicht von einem plausiblen Entscheidungskonflikt überzeugen können mit der Folge, dass der Einwand der hypothetischen Einwilligung nicht entkräftet ist. Ansprüche aus einem möglichen Aufklärungsmangel bestehen mithin nicht.

 ( 2 ) Behandlungsfehler

Weitergehende Ansprüche ergeben sich auch nicht aus anderen Umständen. Der Sachverständige hat – vor die Klammer gezogen – bekundet, dass weder die Schraubenfehllage, die Verletzung der Dura noch die Nervenverletzung für sich betrachtet einen Behandlungsfehler darstellten und auch nicht auf einen solchen Fehler schließen ließen, es sich vielmehr um mögliche Komplikationen des Eingriffs handele. Der Sachverständige beanstandet aber an verschiedenen Stellen Dokumentationsmängel:

a) hinsichtlich der Schraubenfehllage im Rahmen der Erstoperation,

b) hinsichtlich der Unterlassung der Einbringung der Cages im Rahmen der Erst- und der Revisionsoperation,

c) hinsichtlich des Verzichts auf die Auswechslung der Schrauben im Rahmen der Revisionsoperation.

Es gilt auch insoweit, dass grundsätzlich mit indizieller Bedeutung aus einem Dokumentationsmangel eine Beweiserleichterung für den Patienten dahingehend hergeleitet werden kann. Es besteht die Vermutung, dass die nichtdokumentierte Maßnahme vom Arzt auch nicht getroffen wurde ( z.B. OLG Karlsruhe Urteil vom 25.9.2013 – 7 U 96/10 -; Rn. 14 in der Zitierung nach juris ). Diese dann gegen den Arzt streitende Vermutung des Unterbleibens der nicht dokumentierten Maßnahme kann er jedoch widerlegen, insbesondere durch Zeugenbeweis oder Parteivernehmung. So bleibt es dem Operateur unbenommen, etwaige Mängel und Unvollständigkeiten der Dokumentation im Rahmen der persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung zu vervollständigen und zu ergänzen, z.B. durch seine glaubhaften Angaben bei unvollständigem OP-Bericht ( Martis/Winkhart a.a.O., Anm. D 406 m.w.N. ).

zu ( a ):

Der Sachverständige hat bekundet, dass sich der Operateur während der Platzierung der Schrauben anhand sog. knöcherner Landmarks tastend orientieren und dann auch dokumentieren muss, dass die Schrauben richtig liegen. Diese Kontrolle wurde vom Beklagten nicht dokumentiert. Der Beklagte hat im Rahmen seiner Anhörung erläutert, wie er hinsichtlich der Kontrolle der Schraubensetzung vorgegangen ist:

Ich beginne mit der Laminektomie. Anschließend markieren wird die betroffene Pedikel, dann erfolgt eine Kontrollaufnahme. Anschließend wird die Bohrung gesetzt. Dies erfolgt mit Hilfe eines sogenannten Pedikeltasters. Dabei stellt man sicher, dass rings herum um den Schraubenkanal Knochen ist. Das kann man schon durch Klopfen hören und so habe ich die Schraube dann gesetzt.

Der Sachverständige hat die Richtigkeit dieser Vorgehensweise ausdrücklich bestätigt. Den Inhalt der Anhörung des Beklagten unterstellend, konnte er die Lücke im Operationsbericht in Bezug auf die Schrauben füllen. Der Senat ist von der Richtigkeit der Angaben des Beklagten überzeugt. Der Sachverständige hatte schon zuvor deutlich hervorgehoben, eher einen alleinigen Dokumentationsmangel und keine Standardunterschreitung für wahrscheinlich zu halten (S. 7 Mitte der Sitzungsniederschrift vom 13.8.2019). Es sei nicht vorstellbar, wie der Beklagte die Schrauben ohne standardgerechtes Vorgehen habe setzen sollen. Dem schließt sich der Senat an, weil diese Begründung überzeugt.

zu ( b ):

Die Operationsplanung sah vor, dass bereits im Rahmen der Erstoperation Cages eingebracht werden sollten. Diese Platzhalter führen zu einer geringeren Lockerungsrate und beeinflussen die knöcherne Durchbauung der Bandscheibenzwischenräume positiv. Diesen Vorteilen steht ein größeres Operationsrisiko gegenüber, mit der Blickrichtung auf eine längere Operationsdauer und einen größeren Blutverlust. Die Abwägung der Vor- und Nachteile hat dabei vor dem Eingriff zu erfolgen, schon um die Frage mit dem Patienten zu erörtern. Insoweit ist noch einmal auf den handschriftlichen Eintrag im Aufklärungsbogen zu diesem Punkt hinzuweisen. Es können allerdings auch intraoperativ Gründe auftreten, die dafür sprechen, vom Einbau der Cages abzusehen. Die Gründe dafür hat der Operateur zu dokumentieren. Unterlässt der Operateur den vor dem Eingriff mit dem Patienten abgestimmten Einsatz der Cages, ohne dass dafür intraoperativ eingetretene Gründe vorliegen, dann bezeichnet der Sachverständige das Weglassen als groben Behandlungsfehler. Der Senat hat den Beklagten zu diesem Punkt befragt und erhielt die Erklärung, dass letztlich die intraoperativ eingetretene Dura-Verletzung der Grund für das Weglassen der Cages bei der Erstoperation gewesen sei. Die Versorgung der Dura-Verletzung habe allein bereits ca. eine Stunde gedauert, sodass „es auch zeitlich knapp wurde“. Der Beklagte hat weiter erklärt, dass er die Bandscheiben getastet und für ausreichend fest erachtet habe. Aus Furcht vor einer Ausweitung der Duraverletzung und vor weiteren Komplikationen habe er auf den Einsatz der Cages verzichtet. Diese vom Beklagten angegebenen Gründe rechtfertigten es nach Ansicht des Sachverständigen vom Einsatz der Cages im Rahmen der Erstoperation abzusehen:

Es ist jedenfalls kein Fehler angesichts der Dura-Verletzung und der mit der Implantation der Cages verbundenen Risiken davon abzusehen, insbesondere wenn die Operation schon eine gewisse Zeit gedauert hat und wegen der Komplikationen länger zu dauern droht. Insoweit hat man beispielsweise den Blutverlust berücksichtigen. Dies kann einer Verlängerung der Operation entgegenstehen.

Der Beklagte hat somit die erforderliche Dokumentation der Gründe für die Nichteinbringung der Cages im Rahmen der Erstoperation zwar unterlassen; er konnte im Rahmen seiner Anhörung aber glaubhaft Gründe benennen, warum er davon im konkreten Fall Abstand genommen hat. Diese Gründe hat der Sachverständige als nachvollziehbar bezeichnet, sodass der Beklagte die im Hinblick auf die unvollständige Dokumentation gegen ihn streitende Vermutung nach Überzeugung des Senats widerlegen konnte. Denn die Duraverletzung steht fest. Ebenso richtig ist es, dass der Beklagte beim Einbau der Cages die Dura passieren musste (S. 8 oben der Sitzungsniederschrift vom 13.8.2019).

Die Gründe, die es rechtfertigen konnten, vom Einsetzen der Cages im Rahmen der Erstoperation abzusehen, gelten nach Ansicht des Sachverständigen letztlich erst Recht für die Revisionsoperation, zumal im Hinblick auf die kurze Zeitspanne zwischen Erst- ( 28.11. ) und Revisionsoperation ( 30.11. ) mit einer geänderten Situation nicht zu rechnen war. Unter Berücksichtigung der Komplikationen im Rahmen der Erstoperation ( wiederum in erster Linie die Dura-Verletzung ) hält es der Sachverständige für richtig, dass die Revisionsoperation nicht weiter ausgeweitet wurde. Insoweit muss man zudem das berücksichtigen, was der Beklagte zum unterbliebenen Ersatz der Schraube gesagt hat, nämlich dass die Revisionsoperation ganz wesentlich mit der Blickrichtung der aufgetretenen Fußheberparese durchgeführt wurde, um eine weitergehende Entlastung der Nervenwurzel zu erreichen. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar und nicht fehlerhaft, diesen Eingriff nicht mit weiteren ( nicht akut notwendigen ) Operationsschritten zu belasten.

zu ( c ):

Im Ausgangspunkt gilt das zuletzt zu ( b ) Gesagte, nämlich dass es aus Sicht des Beklagten der eigentliche Sinn der Revisionsoperation war, auf die festgestellte Fußheberparese zu reagieren. Nach dem Entfernen der im Rahmen des Ersteingriffs gesetzten Schrauben hätten neue Schrauben keinen Halt mehr gefunden. Um eine Stabilisierung zu erreichen, hätte der Beklagte das Operationsgebiet ausweiten müssen, wovon er auch zur Meidung einer weiteren Dura-Verletzung abgesehen hat. Diese Motivation des Beklagten hat der Sachverständige nicht beanstandet. Wenn neue Schrauben keinen Halt fanden, dann „mussten sie draußen bleiben“. Zwar hätte man die Verankerung nach unten verlängern können. Der Sachverständige hat aber in Übereinstimmung mit der Bekundung des Beklagten angegeben, dass dies nicht zwingend im Rahmen der konkret zu beurteilenden – letztlich vorrangig einem anderen Zweck dienenden – Revisionsoperation erfolgen musste. Der Senat geht daher auch insoweit davon aus, dass der Beklagte die gegen ihn sprechende Vermutung widerlegen konnte.

Zwar hat die Klägerin die vom Beklagten im Rahmen seiner Anhörung zur Ausfüllung der Lücken in der Dokumentation gemachten Angaben mit Nichtwissen bestritten. Der Senat ist aber nicht gehindert, seine Überzeugungsbildung auch allein auf den Inhalt der Anhörung einer Partei gemäß § 141 ZPO zu stützen ( BGH Beschluss vom 27.9.2017 – XII ZR 48/17 – [ z.B. MDR 2018, 172 ]; Rn. 12 in der Zitierung nach juris ).

C. Ergebnis

Der Beklagte haftet der Klägerin mithin nur hinsichtlich der Folgen, die sich aus dem Befunderhebungsfehler der unterlassenen neurologischen Untersuchung am ersten postoperativen Tag ergeben, was in Sonderheit die Fußhebeparese selbst und ihre Folgen für die Klägerin betrifft. Ersichtlich befindet sich der daraus folgende Schaden mit den sich täglich ergebenden Nachteilen in der Entwicklung. Aus Sicht der Klägerin ist auch mit weiteren Nachteilen (beispielsweise aus Folgebehandlungen oder Symptomverschlechterungen) zu rechnen. Die haftungsbegründende, behandlungsfehlerbedingte Körper- und Gesundheitsverletzung der Klägerin im Rahmen des Behandlungsvertrages der Parteien steht fest. Zu ersetzen sind der Klägerin sonach alle materiellen und immateriellen Nachteile aus der Nervenverletzung, wozu insbesondere der krankheitsbedingte Mehraufwand, der Verdienstausfall und die Einschränkung in der Haushaltsführung gehören.

Unter Berücksichtigung des Hilfsantrages der Klägerin entscheidet der Senat – soweit sich das angefochtene Urteil als fehlerhaft erweist – durch Grund- und Teilurteil. Im Übrigen bleibt es bei der Abweisung der Klage. Für das noch offene Betragsverfahren wird die Sache an das Landgericht zurückverwiesen (§ 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO). Insoweit sieht der Senat ausnahmsweise von einer vollständigen Entscheidung in der Sache ab. Soweit die Klägerin Leistung verlangt, sind noch umfangreiche Feststellungen notwendig, die mit Blick auf die starke Belastung des Senats mit aufwändigen Berufungen und Beweisaufnahmen zügiger in erster Instanz zu treffen sind. Außerdem gelingt so eine Abschichtung des Streitstoffes, die es den Parteien ermöglicht, zur Höhe des Anspruchs eine einvernehmliche Regelung zu erreichen oder sich mit einem Rechtsmittel an eine zweite Tatsacheninstanz zu wenden.

III.

Über die Kosten der Berufung ist mit dem Endurteil zu entscheiden. Auch zurückverweisende Urteile sind für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 708 Nr. 10 ZPO).

Die Revision lässt der Senat nicht zu. Die Sache wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung auf und weder die Fortbildung des Rechts noch die Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung verlangen nach einer Entscheidung des Revisionsgerichts.

Der Streitwert ist nach §§ 47 Abs. 1 S. 1; 39 Abs. 1; 40; 43 Abs. 1; 48 Abs. 1 S. 1 GKG; § 3 ZPO festgesetzt.

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