OLG Karlsruhe – Az.: 7 U 240/13 – Urteil vom 17.09.2014
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 22.11.2013, 4 O 427/10, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffern 3 und 4 lauten:
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin jeden weiteren zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden aus der fehlerhaften Behandlung am 16.07.2007 gegen 0.45 Uhr im F.-S.-K. B. zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen.
3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin € 1.416,02 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 824,24 seit dem 17.12.2010 und aus 591,78 seit dem 15.06.2013 zu bezahlen.
3. Die Beklagten haben die Kosten der Berufung zu tragen.
4. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung aus dem Urteil durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin macht Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld nach einer Wundversorgung geltend.
Die Klägerin, die auf Lehramt an Grund- und Hauptschulen studierte, arbeitete nebenher in einem Gastronomiebetrieb. Beim Polieren von Gläsern zerbrach ihr in den frühen Morgenstunden des 16.12.2007 ein Stielglas in der Hand und verletzte sie nahe des Handgelenks. Sie suchte daraufhin die vom Beklagten zu 2 geleitete Ambulanz der F.- S.-K. in B. auf. Dort wurde sie vom Beklagten zu 1 behandelt, der die Wunde desinfizierte mit einem Stich nähte, ein Pflaster auflegte und die Klägerin als arbeitsfähig entließ.
In der Dokumentation hielt der Beklagte „leichte Sensibilitätsstörungen an D V und D IV, vermutlich durch Druckverband,“ fest. Der Hausarzt der Klägerin stellte am nächsten Tag Streckdefizite im PIP-Gelenk und eine Hypästhesie im Bereich des Kleinfingers und des Ringfingers sowie des Kleinfingerballens fest. An einem der Folgetage fasste der Bruder der Klägerin sie im Bereich der Wunde fest an, worauf sie einen starken, elektrisierenden Schmerz verspürte. In den folgenden Tagen wurde beim Röntgen ein rundlicher Glassplitter von 1 cm Länge und Höhe, ein Fragment des Stiels, in der Wunde festgestellt. Bei der am 28.12.2007 durchgeführten Operation zeigte sich, dass die Flexor carpi ulnaris Sehne durchtrennt und der Nervus ulnaris in Höhe des Wundkanals eine narbige Überbrückung mit ¾ Durchtrennung aufwies. Sehne und Nerv wurden genäht, der Arm mit einer Gipsschiene 4 Wochen lang ruhig gestellt. Danach begann eine drei- bis viermonatige physiotherapeutische Behandlung. Bei einer Nachschau am 22.09.2008 wurde die Behandlung insgesamt für abgeschlossen erklärt. Die Klägerin unterbrach die für Ende Februar, Anfang März vorgesehene schriftliche Prüfung für das erste Staatsexamen und nahm erst im Februar 2009 an ihr erfolgreich teil. Ab November 2009 arbeitete sie als Krankheitsvertreterin im Lehramt, in dem sie heute verbeamtet (Besoldungsgruppe A 12) ist.
Der Klägerin verblieb eine 13 cm lange Narbe am Arm und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 bzw 15%. Der Invaliditätsgrad wurden mit 2/10 Armwert festgelegt.
Die Klägerin erhielt vorgerichtlich ein Schmerzensgeld in Höhe von 500 EUR und Entgeltersatzleistungen i.H.v. 2.264,43 EUR.
Das Landgericht, auf dessen Urteil verwiesen wird, hat der auf ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 12.500 EUR, Verdienstausfall i.H.v. 32.147,37 EUR, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten (1.762,39 EUR) und die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere materielle und immaterielle Schäden gerichteten Klage überwiegend stattgegeben. Es hat einen Verdienstausfall i.H.v. 27.450,57 EUR als erwiesen erachtet und ein Schmerzensgeld i.H.v. 3.500 EUR als angemessen angesehen. Dem Feststellungsantrag hat es stattgegeben, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten aus einem Streitwert von 35.950,57 EUR auf der Basis einer 1,5 fachen Geschäftsgebühr zugesprochen. Es hat hierzu ausgeführt, es stelle einen Befunderhebungsfehler dar, dass der Beklagte zu 1 die Klägerin nicht geröntgt habe, da er damit habe rechnen müssen, dass in der Wunde Glassplitter verblieben seien. Auf einer solchen Aufnahme wäre der Glassplitter zu sehen gewesen. Wenn der Beklagte zu 2 dann nichts veranlasst haben würde, hätte dies einen groben Behandlungsfehler dargestellt. Der Klägerin kämen daher die Grundsätze einer Beweislastumkehr zugute. Danach sei davon auszugehen, dass zwar der Nervus ulnaris durch den Unfall bereits geschädigt worden sei. Die Unaufklärbarkeit, wann es zu der Sehnenverletzung und ob es zu einer Verstärkung der Nervverletzung gekommen sei, gehe aber zulasten der Beklagten. Ohne diese Schadenserweiterung würde die Klägerin ein Jahr früher ihr erstes Staatsexamen absolviert haben und daher auch ein Jahr früher als Lehrerin verbeamtet worden sein. Die Differenz zwischen A 12 (Stand 1.8.2012: 3.164,10 EUR brutto monatlich) abzüglich einer geschätzten Steuerlast von 688 EUR monatlich, gerechnet auf ein Jahr und den vereinnahmten Entgeltersatzleistungen von 2.264,43 EUR mithin 27.450,57 EUR seien zu erstatten.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihr Klageabweisungsinteresse weiterverfolgen. Die Anfertigung eines Röntgenbildes sei nicht veranlasst gewesen, weil der Beklagte zu 1 nicht von einer Stichverletzung habe ausgehen müssen, bei der Splitter in der Wunde hätten verbleiben können. Der Beklagte zu 2 sei an der Behandlung im Übrigen nicht beteiligt gewesen und habe für sie aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt einzustehen. Die Klägerin tritt der Berufung entgegen.
Für das weitere Berufungsvorbringen wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze, für die Formulierung der Berufungsanträge auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.07.2014 (II 89) verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht geht zutreffend davon aus, dass beide Beklagten zutreffend der Klägerin die Ihr aus dem Unterlassen einer röntgenologischen Abklärung der Wundverhältnisse erwachsenen Schäden und Schmerzen zu entgelten haben (§§ 280, 823 BGB).
1. Die Berufung wendet sich ohne Erfolg gegen die Feststellung des Landgerichts, wonach von einem Befunderhebungsfehler auszugehen ist.
Bereits im Ausgangspunkt überspitzt die Berufung die Ausführungen des Sachverständigen dahin, dass er nur dann einen Befunderhebungsfehler angenommen habe, wenn der Beklagte zu 1 nicht von einer Schnittverletzung, sondern von einer Stichverletzung habe ausgehen müssen, und meint dann, aufgrund der Dokumentation einer Schnittverletzung habe das Landgericht dem Sachverständigen vorgeben müssen, dass er von einer Schnittverletzung auszugehen habe. Der Sachverständige unterschied zwischen einer Verletzung, bei der es nach der Schilderung möglich ist, dass etwas abgebrochen ist und Glassplitter verblieben sind, und einer Schilderung, nach der dies nicht der Fall ist (I 253). Hierzu hat das Landgericht aufgrund der Anhörung der Klägerin in nicht zu beanstandender Weise festgestellt – und darüber setzt sich die Berufung hinweg -, die Klägerin habe dem Beklagten den Hergang des Unfalls so beschrieben, dass er mit in der Wunde verbliebenen Glassplittern rechnen musste. Dieses Anhörungsergebnis wird nicht durch die Dokumentation des Beklagten zu 1 (Anl. K 1 ABKl. S. 1), der selbst keine Erinnerung an den Vorgang hatte, widerlegt. „Beim Gläserspülen Schnittwunde am Unterarm zugezogen“ lässt die eigentliche Unfallursache, nämlich das Zerbrechen des Glases, gerade aus und konzentriert sich, wie von dem Text in diesem Formularfeld vorgegeben, auf die Tätigkeit, bei der der Unfall eintrat. Es ist auch davon auszugehen, dass die Klägerin dem Beklagten zu 1 den Unfall so schilderte wie ihrem Hausarzt, den sie auf Weisung des Beklagten zu 1 am nächsten Tag aufsuchte. Er hielt fest: „Beim Polieren eines Glases sei der Stiel abgebrochen und die Pat. hat sich dabei in den rechten Unterarm geschnitten“ (Anl. H-Arzt-Bericht 17.12.2007; ABKl. S. 89). Eine solche Beschreibung legt aber eine Verletzung durch den abgebrochenen Glasstiel nahe. Dass bei einer Verletzung durch den abgebrochenen Glasstiel mit Splittern in der Wunde gerechnet werden musste, hat der Sachverständige in seinem Gutachten ausgeführt (GA S. 9; I 185). Schon ausgehend von diesen Feststellungen des Landgerichts ist ein Befunderhebungsfehler anzunehmen. Die hilfsweisen Überlegungen des Landgerichts, dass der Beklagte den genauen Verletzungshergang zumindest hätte erfragen müssen, wenn er ihm nicht geschildert worden wäre, und dass die Sensibilitätsstörungen Veranlassung zu weitergehenden Fragen hätten geben müssen, kommen daher nicht zum Tragen, führen aber auch ihrerseits zu einer unzureichenden Anamnese und Befunderhebung. Die von der Berufung betonte notfallmäßige Erstversorgung haben sowohl der Sachverständige als auch das Landgericht berücksichtigt. Sie findet in die Ausführungen des Sachverständigen auch dadurch Eingang, dass er nur erwartete, dass der Beklagte zu 1 der Klägerin die röntgenologische Abklärung aufgab und sie anwies, bis dahin den Arm zu schonen.
2. Der Berufung bleibt der Erfolg auch insoweit versagt, als sie sich gegen die vom Landgericht angenommene Beweislastumkehr wendet. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung erfolgt bei der Unterlassung der gebotenen Befunderhebung eine Beweislastumkehr hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität nicht nur, wenn bereits die Unterlassung einer aus medizinischer Sicht gebotenen Befunderhebung einen groben ärztlichen Fehler darstellt. Vielmehr kann auch eine, wie hier vorliegend unstreitig, nicht grob fehlerhafte Unterlassung der Befunderhebung dann zu einer Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Kausalität des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Gesundheitsschaden führen, wenn sich bei der gebotenen Abklärung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiges positives Ergebnis gezeigt hätte und sich die Verkennung dieses Befundes als fundamental oder die Nichtreaktion hierauf als grob fehlerhaft darstellen würde (BGH, Urteile vom 27. April 2004 – VI ZR 34/03, BGHZ 159, 48, 56 f.; vom 2. Juli 2013 – VI ZR 554/12, VersR 2013, 1174 Rn. 11; vom 21. Januar 2014 – VI ZR 78/13 –, juris Rn 20 mwN). Ob der Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines reaktionspflichtigen Ergebnisses eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordert oder ein weniger genügt, kann dahinstehen. Denn der Senat ist wie das Landgericht davon überzeugt, dass sich der Glassplitter auf einer vom Beklagten zu 1 veranlassten Röntgenaufnahme ebenso als Fremdkörper gezeigt hätte, wie auf der Aufnahme vom 27.12.2007. Die Ausführungen des Sachverständigen, dass nicht jeder Glassplitter auf einem Röntgenbild zu sehen ist, bedeutet entgegen der Berufung nicht, dass ein Glassplitter, der auf einem Röntgenbild erkennbar ist, es auf einem einige Tage zuvor gefertigten nicht wäre. Steckt er wie hier mit seiner auffälligen röntgenologischen Dichte nach wie vor in den Weichteilen des Armes, ist kein Grund ersichtlich, warum er auf einer früheren Aufnahme nicht hätte sichtbar sein sollen. Jedenfalls spricht eine ganz überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass er sich in gleicher Weise abgebildet hätte. Daher hat der Sachverständige auch die Frage, ob er zu sehen gewesen wäre, bejaht (I 255).
3. Ausgehend von einer Beweislastumkehr hat das Landgericht zutreffend eine Haftung für die Sehnenverletzung und eine Verschlimmerung der Nervenverletzung angenommen. Es ist hierbei zum einen unbeachtlich, dass erst der grobe Zugriff des Bruders möglicherweise das Glasstück mit der Sehne in Berührung brachte. Denn es ist nicht erforderlich, dass der grobe Behandlungsfehler die einzige Ursache für den Schaden ist. Eine Mitursächlichkeit genügt. Ebenso wenig wirkt sich aus, dass die Sehnenverletzung auch schon bei dem Unfall selbst entstanden sein könnte. Es genügt nämlich, dass der Behandlungsfehler generell geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu verursachen; wahrscheinlich braucht der Eintritt eines solchen Erfolgs nicht zu sein. Eine Umkehr der Beweislast ist nur ausgeschlossen, wenn jeglicher haftungsbegründende Ursachenzusammenhang äußerst unwahrscheinlich ist (vgl. BGH aaO). Nachdem der Sachverständige zwar Anzeichen für eine unfallbedingte Nervschädigung, nicht aber auch eine Verletzung der Sehne feststellen konnte, ist es nicht unwahrscheinlich, dass diese Verletzung erst nach der Versorgung durch den Beklagten zu 1 entstand, weil der Bruder der Klägerin etwa durch seinen Griff Druck auf den im Arm verbliebenen Glassplitter ausübte.
Es kann hierbei auch dahingestellt bleiben, ob das Verbleiben des Glassplitters im Arm als die Primärverletzung anzusehen ist und die Verletzung der Sehne einen Sekundärschaden darstellte, oder die Sehnenverletzung der Primärschaden ist. Die Grundsätze über die Beweislastumkehr für den Kausalitätsbeweis bei groben (fiktiven) Behandlungsfehlern finden zwar grundsätzlich nur Anwendung, soweit durch den Fehler des Arztes unmittelbar verursachte haftungsbegründende Gesundheitsbeschädigungen in Frage stehen. Sie gelten jedoch auch für den Kausalitätsnachweis für Folgeschäden (Sekundärschäden), die erst durch den infolge des Behandlungsfehlers eingetretenen Gesundheitsschaden entstanden sein sollen, wenn der Sekundärschaden eine typische Folge der Primärverletzung ist (BGH, Urteile vom 16. November 2004 – VI ZR 328/03 -, VersR 2005, 228, 230; vom 12. Februar 2008 – VI ZR 221/06 –, VersR 2008, 644 mwN). Hierzu zählt die Verletzung der Sehne durch den Glassplitter, da für den Sachverständige keine Zweifel daran bestanden, dass der Glassplitter zu irgendeinem Zeitpunkt die Sehnenverletzung verursachte und sie auch nach der Behandlung durch den Beklagten zu 1 im Arm steckend verursachen konnte. Dies leuchtet auch einem medizinischen Laien unmittelbar ein.
4. Soweit die Berufung die landgerichtliche Feststellung zum Fortkommensschaden angreift, bleibt sie erfolglos. Der Senat geht auch davon aus, dass die Klägerin es im Sinne des § 249 BGB für erforderlich erachten durfte, ein Urlaubssemester zu nehmen und erst im Februar 2009 das erste Staatsexamen abzulegen.
aa) Eine schadensbedingt spätere Prüfungsteilnahme mit einem infolgedessen verzögerten Berufseinstieg ist ein Folgeschaden. Für ihn gilt die Beweislastumkehr nach den Grundsätzen des groben fiktiven Behandlungsfehlers nicht. Der Folgeschaden müsste dafür nämlich eine typische Folge der Primärverletzung sein. Zwar mag die Beeinträchtigung der Fähigkeit, mit einem Stift zu schreiben, für eine Handverletzung typisch sein. Hier steht jedoch eine monatelange Beeinträchtigung des Schreibens durch eine Verletzung des den Ring- und den kleinen Finger betreffenden Nervs und der Sehne in Streit, obwohl diese Finger zum Schreiben mit einem Stift typischerweise nicht benötigt werden. Das Landgericht hat daher zu Recht den Beweismaßstab des § 287 ZPO angewendet.
bb) Es ist auch in einer nicht zu beanstandenden Weise davon ausgegangen, dass die Klägerin an der Prüfung im Frühjahr 2008 aufgrund des ärztlichen Fehlverhaltens nicht teilnehmen konnte, bei einer früheren Prüfungsteilnahme aber auch früher eine Anstellung als Lehrerin gefunden hätte. Die Berufung versteht in diesem Zusammenhang die Ausführungen des Sachverständigen miss. Die Ausführungen auf Seite 3 des Protokolls der mündlichen Anhörung des Sachverständigen (I 255) beziehen sich auf Folgen einer isolierten Nervverletzung und ihrer Operation. In diesem Zusammenhang äußerte der Sachverständige die Erwartung, dass die Klägerin nach 2 Wochen vermutlich wieder hätte schreiben können. Daraus entnahm das Landgericht folgerichtig, dass die tatsächliche Dauer der Rekonvaleszenz, bei der ab der Operation am 28.12.2007 für vier Wochen ein Gipsverband getragen wurde und sich physiotherapeutische Übungen anschlossen, der Sehnenverletzung zuzuschreiben ist.
cc) Der Senat sieht es auch als erwiesen an, dass die Klägerin an der Prüfung im Herbst 2008 nicht teilnehmen konnte und ihr daher auch für die zweite Hälfte des Jahres 2008 ein Fortkommensschaden entstand. Die Klägerin hat zweitinstanzlich neu vorgetragen, dass sie sich im April ausgehend von dem damaligen Gesundheitszustand und der Prognose der Ärzte für ein Urlaubssemester entschieden hat, dies aber bedingte, dass sie an der im August stattfindenden Herbstprüfung nicht teilnehmen durfte. Dieser erst durch den gerichtlichen Hinweis vom 15.04.2014 (II 45) veranlasste und daher nach § 531 ZPO zuzulassende Vortrag vom 01.07.2014 ist bestritten, aber als bewiesen anzusehen. Die Klägerin hat die Bewilligung des Urlaubssemesters belegt (Anl. K 16). Sie sagte angehört aus, dass sie ein Urlaubssemester habe nehmen müssen, um nicht automatisch im August für die Prüfung angemeldet zu sein. Dies habe sie aber zu einem Zeitpunkt entscheiden müssen, zu dem absehbar gewesen sei, dass sich der Genesungsprozess hinzog und sie auf absehbare Zeit den in der Prüfung notwendigen Schreibaufwand nicht würde leisten können. Der Senat sieht diese Aussage als glaubhaft an, zumal die Herbstprüfungen am 25. und 27.08.2008 stattfanden (Anl. K 20) und damit zu einem Zeitpunkt, an dem der Klägerin noch eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit attestiert war (I 173). Ihre Behandlung wurde erst am 22.09.2008 abgeschlossen (Anlage K 9). Aus dem gerichtlichen Gutachten geht auch hervor, dass der Gutachter noch heute eine Verkrampfung der rechten Hand beim Schreiben oder handwerklichen Tätigkeiten für nachvollziehbar hält (I 191). Dies bestätigt die Angaben der Klägerin, dass die Beschwerden ein Schreiben über mehrere Stunden nicht zuließen (I 97). Dass eine Beeinträchtigung sogar noch im Februar 2009 bestand, hat die Klägerin durch Vorlage der gewährten Schreibverlängerung bewiesen. Dieser Vergünstigung lagen die als Anlagen K 5 und 6 vorliegenden ärztlichen Begutachtungen aus dem November 2008 zugrunde, in denen eine Verkrampfung der Hand und Schwierigkeiten beim Schreiben sowohl aus handchirurgischer wie neurologischer Sicht für nachvollziehbar gehalten werden. Dem Beweisangebot der Beklagten, ein Sachverständigengutachten einzuholen (II 31), ist nicht nachzukommen. Selbst wenn ein medizinischer Sachverständiger zu dem Schluss kommen sollte, die Klägerin hätte schon im August so flüssig über mehrere Stunden schreiben können, dass sie an der Examensprüfung hätte teilnehmen können, würde dies den Fortkommensschaden nicht in Frage stellen. § 249 BGB stellt nämlich auf die Sicht eines verständigen (wirtschaftlich denkenden) Geschädigten ab. Ein solcher – und zu ihnen zählt der Senat nach seinem persönlichen Eindruck auch die Klägerin – durfte aber aufgrund der fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit und der ärztlicherseits für plausibel und physisch nachvollziehbar erachteten Beschwerden von einer Prüfungsteilnahme absehen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die abzulegende Prüfung für das weitere berufliche Fortkommen der Klägerin von entscheidender Bedeutung war.
5. Die Höhe des Fortkommensschadens für jeden einzelnen Monat wird von der Berufung nicht angegriffen. Die Höhe des ausgeworfenen Schmerzensgelds wird gleichfalls nicht beanstandet. Es ist auch nach Ansicht des Senats angemessen, soweit es nicht rechtskräftig ist.
6. Der tenorierte Feststellungsantrag erfasst weitere materielle Schäden, also auch solche der Vergangenheit. Zu ihnen ist nichts vorgetragen. Insoweit ist eine Korrektur des erstinstanzlichen Urteils vorzunehmen.
Der Feststellungsantrag bezieht sich auch auf weitere immaterielle Schäden ohne eine Beschränkung auf die Zukunft. Auch das ist zu korrigieren, da von dem ausgeworfenen Schmerzensgeld alle bis jetzt erlittenen immaterielle Schäden und die absehbaren Zukunftsschäden erfasst sind.
7. Der Rechtsverfolgungsschaden ist nur Höhe des Schwellenwerts der 1,3-fachen Gebühr zuzusprechen. Das anwaltliche Schätzungsermessen im Rahmen des § 14 RVG bedeutet nicht, dass der Schwellenwert der Nr. 2300 KV-RVG ohne das Vorliegen einer umfangreichen oder schwierigen Tätigkeit zulasten eines Ersatzpflichtigen überschritten werden dürfte (BGH, Urteil vom 05. Februar 2013 – VI ZR 195/12 –, NJW-RR 2013, 1020). Von einer solchen ist auch unter Berücksichtigung, dass es sich um eine Arzthaftungssache mit materiellen und immateriellen Schäden handelt, und vor dem Hintergrund des Schreibens vom 26.04.2010 nicht auszugehen.
8. Ohne Erfolg rügt die Berufung auch, der Beklagte zu 2 sei zu Unrecht verurteilt. Der Beklagte zu 2 haftet nach §§ 280, 278 BGB als Gesamtschuldner mit dem Beklagte zu 1 (§ 426 BGB). Der Behandlungsvertrag der Klägerin kam mit dem Beklagten zu 2 zustande. Die Unfallambulanz wurde, soweit ersichtlich, als Chefarzt-Ambulanz geführt. Der Beklagte zu 2 wird in dem unter den Bericht des Beklagten zu 1 gesetzten Stempel in größeren Typen hervorgehoben mit seinem Namen bezeichnet, während das Krankenhaus, nicht mal der Klinikträger, deutlich kleiner unter diesem Namen genannt wird. Der Beklagte zu 1 hat den Bericht auch „i.V.“ (in Vertretung) unterschrieben, wobei lediglich der Beklagte zu 2 als der Vertretene in Betracht kommt. Der Beklagte zu 2 hat erstinstanzlich nicht bestritten, dass er der Vertragspartner des Behandlungsvertrages geworden ist und auch keine Umstände vorgetragen, aus denen sich Gegenteiliges erschließen ließe.
Der von der Berufung benutzte Begriff des „Durchgangsarztes“ bezeichnet üblicherweise den von dem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung im Rahmen der Behandlung und Abrechnung eines Arbeitsunfalls eingesetzten Arzt. Die vorliegend in Streit stehende Behandlung ach ein Durchgangsarzt aufgrund bürgerlich-rechtlicher Grundlage vorgenommen (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2008 – VI ZR 277/07 -, BGHZ 179, 115).
Die nach § 280 BGB erforderliche Pflichtverletzung liegt in der nicht den ärztlichen Standards genügenden Befunderhebung des Beklagten zu 1, der Erfüllungsgehilfe des Beklagten zu 2 ist. Den Beweis mangelnden Verschuldens des Erfüllungsgehilfen hat der Beklagte zu 2 nicht geführt (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Darauf, ob auch eine deliktische Haftung des Beklagten zu 2 nach § 831 BGB besteht, kommt es wegen der vertraglichen Haftung nicht an.
III.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach §§ 97, 92 Abs. 2 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit nach § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 ZPO).