OLG Köln – Az.: I-5 U 64/16 – Urteil vom 08.04.2020
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 10.5.2016 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 34.806,81 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins aus einem Betrag von 10.000,00 EUR seit dem 21.7.2013 und aus weiteren 24.806,81 EUR seit dem 20.11.2016.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren zukünftigen, derzeit noch nicht vorhersehbaren, immateriellen und sowie alle materiellen Schäden, die ihr aus der fehlerhaften Zahnbehandlung derzeit entstehen und in Zukunft entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 20 %, die Beklagte zu 80 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 28 % und die Beklagte zu 72 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Seiten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der jeweils anderen Seite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die andere Seite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin, die die Beklagte, eine niedergelassene Zahnärztin, erstmals im September 2008 aufgesucht hatte, ließ im Zeitraum Mai/Juni 2010 von der Beklagten auf Grundlage eines am 20.4.2010 erstellten Heil- und Kostenplans die etwa 20 Jahre alte Versorgung im Bereich der Seiten oben rechts, oben links und unten links erneuern. Im Januar 2011 (für die Zwischenzeit sind Besuche nicht dokumentiert) erstellte die Beklagte einen weiteren Heil- und Kostenplan für eine Neuversorgung (Brücke) im Bereich unten rechts (44 – 47), die ausweislich ihrer Karteikarte am 22.2.2011 oder am 11.3.2011 (insoweit sind die Eintragungen in der Karteikarte nicht eindeutig) eingegliedert wurde. Nach der erstinstanzlich nur in Kopie vorliegenden Karteikarte der Beklagten endete die Behandlung der Klägerin am 11.3.2011. Die zweitinstanzlich erstmals im Februar 2017 dem Gericht vorgelegte Karteikarte enthält allerdings eine weitere handschriftliche Eintragung unter dem Datum 9.5.2011: „Ä1 Rezept CMD“.
Im Juni 2011 suchte die Klägerin die Zahnarztpraxis des Dr. A auf. In dessen Behandlungsunterlagen wurde vermerkt, dass die Klägerin seit ca. sechs Monaten, seitdem ihr neuer Zahnersatz eingesetzt worden war, Schmerzen habe und sie wegen CMD in Behandlung sei. Dr. A stellte eine fehlende Okklusion rechts fest. Im Juli 2011 wurde laut Behandlungsdokumentationen eine „OK Zentrikschiene“ eingesetzt, mit der die Klägerin aber nicht dauerhaft zurechtkam. Sie brach die Behandlung bei Dr. A ab und begab sich im April 2012 in die Behandlung der Zahnärztin Dr. B. Laut Behandlungsdokumentationen stellte Frau Dr. B ebenfalls eine fehlende Okklusion im Bereich des ersten und vierten Quadranten fest. Nach Durchführung einer Funktionsanalyse wurde eine neue Aufbissschiene angefertigt. Diese wurde der Klägerin am 31.05.2012 eingesetzt.
Im Auftrag ihrer Krankenkasse erstellte zunächst Frau Dr. C unter dem 30.10.2012 ein Kurzgutachten, in dem sie Beschwerden der Klägerin linksseitig feststellte, allerdings ohne Zusammenhang mit der Versorgung unten rechts, die sie für ordnungsgemäß ansah (Bl. 43 f. d.A.). Der als weiterer Kassengutachter eingeschaltete Dr. D kam in seinem Gutachten vom 30.01.2013 zu dem Ergebnis, dass der Zahnersatz wegen Frühkontakten der Seitenzähne in zentrischer Relation nicht funktionstüchtig sei; es liege ein Behandlungsfehler vor. Wegen der Einzelheiten wird auf sein Gutachten (Bl. 15 ff. d. A.) Bezug genommen.
Durch Dr. E erfolgte im Februar 2013 eine Wurzelspitzenresektion an Zahn 37. Ab Mai 2013 wurden der Klägerin durch Frau Dr. B neue Brücken und Kronen in Ober- und Unterkiefer eingegliedert. Im Bereich unten rechts erfolgte im Zeitraum 2015/2016 eine Neuversorgung unter Eingliederung dreier Implantate.
Die Klägerin hat der Beklagten Behandlungsfehler vorgeworfen. Vor der Erneuerung der Prothetik sei eine notwendige Vermessung der Kiefer unterlassen worden. Die eingegliederten Brücken und Kronen hätten zu einer fehlenden Okklusion des Ober- und Unterkiefers bzw. zu Frühkontakten und damit zu einem schiefen Biss geführt. In der Folge habe sie eine erhebliche akute cranio-mandibuläre Dysfunktionen (CMD) entwickelt. Sie habe bereits während der Behandlung im Sommer 2010 erste Beschwerden in Form von Schwindel, Übelkeit, Benommenheit sowie Gesichts-, Nacken-, Rücken-, Gelenk- und Kopfschmerzen entwickelt. Sie sei im Herbst/Winter 2010/2011 wegen orthopädischer Probleme im Bereich der Nackenwirbelsäule in Behandlung bei dem Orthopäden Dr. F gewesen – was als solches nicht streitig ist -, der allerdings auch einen Zusammenhang mit der Kiefersituation gesehen und entsprechende Befunde erhoben habe. Die Klägerin hat behauptet, sie habe die Beklagte auf den verschlechterten Gesundheitszustand angesprochen und zwar schon vor der Eingliederung der Versorgung unten rechts, auf jeden Fall aber anlässlich eines weiteren Besuches im Anschluss an die letzte Behandlung. Die Beklagte habe ihr daraufhin nur erklärt, dass sie sich erst einmal an die neuen Zähne gewöhnen müsse. Die Klägerin hat der Beklagten darüber hinaus eine mangelhafte Wurzelkanalreinigung vorgeworfen. Insoweit sei der Beklagten auch die notwendige Wurzelspitzenresektion vorzuwerfen. Die Klägerin hat schließlich die Aufklärungsrüge erhoben. Sie ist der Auffassung gewesen, die Beklagte hätte sie vor der Behandlung darüber aufklären müssen, dass sie durch die Behandlung eine CMD-Erkrankung erleiden könne. Durch die CMD-Erkrankung habe sie jahrelang und bis zuletzt unter erheblichen Muskelverspannungen gelitten. Sie sei ständig schmerzbehaftet (Kopf, Ohren, Nacken, Rücken, Kiefergelenke, Gesicht), bewältige ihren Beruf nur unter großen Schwierigkeiten, sei in ihrer Freizeit und in ihrem privaten wie insbesondere familiären Leben stark beeinträchtigt. Sie habe zunächst unter starken Schwindelattacken und Übelkeit gelitten. Sie hat insgesamt ein Schmerzensgeld von mindestens 15.000,00 für angemessen gehalten.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld wegen fehlerhafter zahnärztlicher Behandlung zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, das aber mindestens 15.000 EUR betragen soll nebst 8 % Zinsen seit dem 21.07.2013;
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche materiellen Schäden und sämtliche weiteren zukünftigen, derzeit noch nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden, die ihr aus der dortigen fehlerhaften Behandlung entstanden sind, derzeit entstehen und in Zukunft entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat jegliches fehlerhaftes Vorgehen bestritten. Zu keinem Zeitpunkt habe die Klägerin über irgendwelche Beschwerden wie etwa Schwindel, Übelkeit oder Schmerzen geklagt. Die Versorgung sei ordnungsgemäß und fehlerfrei erfolgt, die Patientin sei mit der Behandlung zufrieden gewesen. Sie habe sich entgegen ihrer Darstellung auch nach dem 11.3.2011 nicht wieder in der Praxis vorgestellt. Wenn durch Nachbehandler oder Gutachter Mängel bei der Okklusion festgestellt worden seien, so beruhten diese jedenfalls nicht auf der Behandlung durch die Beklagte, sondern allenfalls auf der Therapie von Nachbehandlern. Sollten dennoch Okklusionsmängel bestanden haben, sei ihr jedenfalls keine Möglichkeit gegeben worden, diese durch Nachbesserung zu beseitigen. Jeglicher Zusammenhang der CMD mit ihrer Behandlung werde bestritten.
Wegen der Einzelheiten des streitigen Vorbringens der Parteien und der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil (Bl. 161 ff. d.A.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von Dr. G vom 15.08.2015 (Bl. 90 ff. d.A.), welches der Sachverständige mündlich erläutert hat (Sitzungsprotokoll vom 12.04.2016, Bl. 157 ff. d.A.). Anschließend hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beweisaufnahme relevante Behandlungsfehler nicht ergeben habe. Der Sachverständige Dr. G habe festgestellt, dass die Beklagte eine Wurzelbehandlung und damit eine Wurzelkanalreinigung nicht durchgeführt habe. Eine Vermessung der Kiefer sei nicht notwendig gewesen. Eine durch die eingesetzte Prothetik hervorgerufene zu tiefe Bisslage habe der Sachverständige schon im Hinblick auf die späteren Veränderungen nicht feststellen können. Eine Aufklärungspflicht hinsichtlich der Möglichkeit einer CMD habe nicht bestanden, da die Beklagte über orthopädische Probleme der Klägerin nicht informiert gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Mit der Berufung hat die Klägerin zunächst ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgt. Mit Schriftsatz vom 7.11.2016 hat sie die Klage erweitert um einen Zahlungsantrag, mit dem sie Schadensersatz für Nachbehandlungskosten in Höhe von 34.117,44 EUR geltend macht. Wegen dessen Berechnung und den hierzu vorgelegten Belegen wird auf Blatt 224-273 Bezug genommen.
Sie ist der Auffassung, das Landgericht sei zu unkritisch den Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. G gefolgt und habe sich insbesondere nicht mit den Ausführungen des Sachverständigen Dr. D auseinandergesetzt, den es ebenso wie Dr. E als sachverständige Zeugen habe anhören müssen wie von ihr beantragt. Der Sachverständige habe auch ansonsten nicht die Erkenntnisquellen ausgenutzt, die zur Verfügung gestanden hätten, insbesondere nicht eine Überprüfung anhand der vorhandenen Modelle. Schließlich habe sich das Landgericht hinsichtlich der von ihr erhobenen Aufklärungsrüge zu Unrecht auf den Standpunkt gestellt, dass der Zahnarzt über das Risiko einer CMD nur dann aufklären müsse, wenn er über das Bestehen orthopädischer Probleme des Patienten informiert sei. Sie behauptet weiterhin, die Beklagte im Hinblick auf die Beschwerden im Anschluss an die Behandlung um Hilfe bittend aufgesucht zu haben, sie sei allerdings von der Beklagten abgewiesen worden, ohne dass es noch einmal zu einer Untersuchung gekommen sei. Sämtliche geltend gemachten Folgekosten seien auf die fehlerhafte Behandlung durch die Beklagte zurückzuführen.
Die Klägerin beantragt,
1.
die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld wegen fehlerhafter zahnärztlicher Behandlung zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, das aber mindestens 15.000 EUR betragen soll nebst 8 % Zinsen seit dem 21.07.2013;
2.
die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 34.117,44 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszins ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
3.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche materiellen Schäden und sämtliche weiteren zukünftigen, derzeit noch nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden, die ihr aus der dortigen fehlerhaften Behandlung entstanden sind, derzeit entstehen und in Zukunft entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und tritt dem Berufungsvorbringen im Einzelnen entgegen. Sie behauptet weiterhin, in jeder Hinsicht eine fachgerechte, auch okklusal einwandfreie Versorgung erbracht zu haben. Es habe keinerlei Anzeichen für eine CMD-Problematik gegeben, insbesondere keine Muskelverspannungen. Auch habe die Klägerin keine diesbezüglichen Beschwerden vorgebracht. Sie bleibt ferner bei ihrem Vortrag, dass es nach dem 11.3.2011 zu keinem weiteren Kontakt mit der Klägerin gekommen sei, nicht einmal zu einem von ihr gewünschten Kontrolltermin. Sofern in ihrer im Februar 2017 im Original erstmals vorgelegten Karteikarte die Ausstellung eines Rezeptes gegen CMD vermerkt sei, könne sie sich diese Eintragung nur so erklären, dass es sich um einen Racheakt einer gekündigten früheren Mitarbeiterin handeln müsse, die Jahre später diese Eintragung mit Hilfe eines zurückbehaltenen Schlüssels zur Praxis heimlich vorgenommen habe. Hinsichtlich der seitens der Klägerin geltend gemachten Nachbehandlungskosten bestreitet die Beklagte jeglichen Zusammenhang mit der von ihr vorgenommenen Behandlung. Sie bestreitet auch die Notwendigkeit und Angemessenheit dieser Kosten. Sie vertritt die Auffassung, für die von der Klägerin begehrte Feststellung bestehe kein Feststellungsinteresse.
Wegen aller Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung zweier schriftlicher Gutachten des Sachverständigen Dr. H, die jeweils im Rahmen von mündlichen Verhandlungen erläutert wurden. Wegen des Inhalts wird auf die Gutachten vom 31.7.2018 (Bl. 431 ff. d.A.) und vom 1.10.2019 (Bl. 692 ff. d.A.) sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 27.2.2019 (Bl. 597 ff. d.A.) und vom 9.3.2020 (Bl. 731 ff. d.A.) verwiesen. Er hat ferner Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin I (Protokoll vom 27.2.2019, Bl. 597 ff.) und beide Parteien persönlich angehört.
II.
Die zulässige Berufung ist überwiegend begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten wegen fehlerhafter Behandlung ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,00 EUR sowie materiellen Schadensersatz in Höhe von 24.806,81 EUR verlangen (§§ 611, 280, 249, 253, 823 BGB). Nach dem Ergebnis der zweitinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme steht fest, dass die Beklagte durch ein (in mehrfacher Hinsicht) behandlungsfehlerhaftes Vorgehen die Klägerin an ihrer Gesundheit geschädigt hat, insbesondere eine akute und schwerwiegende CMD bei der Klägerin verursacht hat. Dafür schuldet sie der Klägerin Ersatz der für die Beseitigung der Beschwerden erforderlichen Kosten und ein Schmerzensgeld.
Im einzelnen gilt folgendes:
1.
a)
Die Beklagte hat im Zusammenhang mit der Behandlung der Klägerin zunächst insoweit gegen fachzahnärztlichen Behandlungsstandard verstoßen, als sie im Februar/März 2011 die endgültige Eingliederung der Versorgung im Bereich der Zähne 43 bis 48 vorgenommen hat, ohne die Klägerin zuvor auf Anzeichen einer beginnenden CMD zu untersuchen, obwohl solche Anzeichen vorhanden waren und eine derartige Untersuchung mindestens in Form eines CMD-Schnelltestes zwingend geboten gewesen wäre.
Der Senat folgt insoweit den Ausführungen des dem Senat als sehr erfahrenen Gutachter bekannten Sachverständigen Dr. H, der sich überaus eingehend mit der Problematik auseinander gesetzt hat und dessen Beurteilung den Senat uneingeschränkt überzeugt. Der Sachverständige hat darauf verwiesen, dass die Klägerin eine schwerwiegende akute CMD im zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung entwickelt habe, die von den Nachbehandlern, insbesondere Dr. A und Dr. B, eindeutig und zweifelsfrei diagnostiziert worden sei. Es sei mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass bei der Klägerin spätestens nach Abschluss der streitigen Therapie ein funktionelles Problem vorgelegen habe, aus dem sich eine akute CMD entwickelt habe, was aus den Aufzeichnungen, der Modellanalyse und den nachfolgenden Therapien auch eindeutig zu erkennen sei. Er hat plausibel erläutert, dass es von vornherein schon durch die Planung der Gesamtversorgung zu einer zu niedrigen Einstellung des Bisses gekommen sei und zu einer dadurch zumindest mitverursachten Überlastung der Muskulatur der wahrscheinlich entsprechend disponierten Klägerin. Durch die Eingliederung der Versorgung rechts unten im Februar/März 2011 sei es zudem zu einer gänzlich unzureichenden bzw. fehlenden Abstützung des Bisses gekommen, die buchstäblich „das Fass zum Überlaufen“ gebracht habe, ferner zu einem Abrutschen der Zähne, was in Verbindung mit starkem Bruxismus das Entstehen einer akuten CMD als typischer Folge zwanglos erkläre. Er hat weiter plausibel erläutert, dass die Problematik spätestens zum Zeitpunkt der beabsichtigten Eingliederung der Versorgung unten rechts hätte erkannt werden müssen. Die Überlastung der Muskulatur habe zu Verspannungen geführt, die die Klägerin auch glaubhaft und nachvollziehbar geschildert habe. Diese seien als solche ohne weiteres zu erkennen gewesen (wörtlich: „Wenn man so etwas sehen will, dann sieht man es auch“). Bei diesem Ausgangsbefund habe die zwingende Notwendigkeit bestanden, sich durch weitere Untersuchungen, etwa gezielte Funktionsuntersuchungen, mindestens aber durch einen CMD-Schnelltest sich über die drohende CMD-Gefahr weiter zu vergewissern und in jedem Falle zunächst die endgültige Eingliederung der Versorgung zu unterlassen. Vielmehr wäre die Beklagte gehalten gewesen, dann eine Funktionstherapie mit Langzeitprovisorien zu ergreifen (bzw. die Klägerin einer solchen Therapie durch einen anderen Behandler zuzuführen) und so der drohenden Entwicklung einer akuten CMD bestmöglich entgegenzuwirken. Diese Pflicht habe insbesondere auch bereits im Jahr 2010 bzw. 2011 bestanden. Der Quicktest sei schon lange vor 2010 etabliert gewesen und die Problematik zu dieser Zeit Bestandteil des Staatsexamens und damit allgemeiner Standard gewesen.
Der Senat hat keinen Anlass, diese fachkundige Beurteilung des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen. Vielmehr folgt der Senat dem Sachverständigen. Seine Annahme von der fehlenden Abstützung des Bisses und dem Abrutschen der Zähne hat er anschaulich und nachvollziehbar anhand des Artikulators der Nachbehandlerin Dr. B und der vorhandenen Modelle demonstrieren können. Bestätigt wird seine Beurteilung, dass es auffällige muskuläre Verspannungen gegeben habe, die der Beklagten auch hätten auffallen müssen, durch die Befunde des Dr. F, der als Fachfremder (Orthopäde) und jemand, der mit einer prinzipiell anderen Problematik befasst war (Probleme der Schulter und der Hals- und Brustwirbelsäule), gleichwohl seinerseits bereits Auffälligkeiten im Kieferbereich feststellte, nämlich eine gesicherte Verstauchung und Zerrung des Kiefers am 10.1.2011 und einen Kieferschiefbiss mit Teilsteife nach links am 28.3.2011 sowie bereits am 16.12.2010 eine Notwendigkeit, den Kiefer mit in die Therapie der orthopädischen Probleme mit einzubeziehen (vgl. die entsprechenden Arztbriefe Bl. 21 ff. der Beiakten). Entgegen dem Bestreiten der Beklagten wird die Feststellung des Sachverständigen Dr. H, wonach jedenfalls im Januar 2011 tatsächlich Auffälligkeiten der Kiefermuskulatur vorgelegen haben müssen, die nicht hätten übersehen werden können, durch Dr. F dadurch in vollem Umfang bestätigt.
Auch die Feststellungen des Sachverständigen Dr. D, der für die Krankenkasse der Klägerin ein Gutachten erstellte, stützen im Kern die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen. Er stellte eine Vielzahl von Frühkontakten fest, gab an, dass der Zahnersatz nicht funktionstüchtig und mängelbehaftet gewesen sei und ging von einem Behandlungsfehler aus. Dass er sich nicht konkret sondern nur indirekt mit der Frage der CMD und ihres Zusammenhanges mit der Arbeit der Beklagten befasste, was offensichtlich auch nicht zu seinem Begutachtungsauftrag gehörte, ändert nichts daran, dass der von ihm erhobene Befund mit den Annahmen von Dr. H zusammenpasst. Dagegen wiederum spricht nicht das kurze Gutachten von Frau Dr. C, die sich offenbar isoliert mit der Funktionstüchtigkeit der Versorgung im 4. Quadranten befasste und hier keine Ursache für die Beschwerden der Klägerin sah. Dieses Gutachten ist für die Beurteilung ohne Bedeutung, schon, weil es der sofortigen Überprüfung durch Dr. D nicht standhielt, auch nicht ansatzweise die hier notwendige Gesamtbetrachtung leistet, wie der Sachverständige Dr. H im Einzelnen aufgezeigt hat (GA S. 24, Bl. 454 d.A.), allerdings und immerhin die Beschwerden selbst (wenn auch vor allem im Bereich der linken Seite) feststellte.
Auch das erstinstanzlich eingeholte Sachverständigengutachten durch Dr. G steht den auf der Basis des Gutachtens Dr. H getroffenen Feststellungen nicht entgegen. Dieses Gutachten überzeugt den Senat insgesamt nicht. Dr. G stellt im Kern darauf ab, dass im Hinblick auf die spätere CMD-Problematik kein Anlass zum Handeln bestanden habe und die Problematik ausweislich der Dokumentation nicht erkennbar gewesen sei. Da die Versorgung sich nicht mehr in situ befunden habe, könne die Arbeit der Beklagten nicht mehr hinreichend untersucht werden und die Klägerin den Nachweis fehlerhafter Behandlung nicht führen. Insoweit verkennt er allerdings schon die offensichtlichen Lücken und Ungenauigkeiten der Dokumentation. Wenn er meint, die Patientin sei offensichtlich über ein Jahr nach der letzten Eingliederung mit der Versorgung zufrieden gewesen, übersieht er den Umstand, dass die Klägerin schon im Juni bei Dr. A wegen massiver CMD-Probleme vorstellig wurde. Vor allem aber setzt sich Dr. G nicht ansatzweise mit den pathophysiologischen Zusammenhängen auseinander, die Dr. H im Einzelnen aufzeigt und die die zweifelsfrei aufgetretenen Beschwerden der Klägerin in ihrer Entstehung überzeugend erklären. Auf den tiefen Biss, die offensichtliche Störung der Kaufunktion, die übersehenen Muskelverspannungen (auch die Erkenntnisse des behandelnden Orthopäden), geht Dr. G nicht oder nur in zu oberflächlicher Weise ein. Ob überhaupt eine Modellanalyse erfolgt ist, die etwa den deutlich abgesunkenen Biss bestätigt hätte, bleibt unklar, jedenfalls findet eine solche im Gutachten keine Erwähnung. Insgesamt ist das Gutachten Dr. H als eindeutig überlegen, gründlicher und überzeugender einzustufen.
b)
Der seitens der Beklagten erhobene Einwand, ihr sei – falls es tatsächlich zu den von ihr bestrittenen – Problemen gekommen wäre, keine Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben worden, weshalb eine Behandlungsfehlerhaftigkeit nicht gegeben und die gesundheitliche Entwicklung der Klägerin ihr nicht anzulasten sei, geht ins Leere. Es fehlt vorliegend schon an der Voraussetzung einer nachbesserungsfähigen Leistung. Der Vorwurf gegen die Beklagte geht nicht dahin, dass die Versorgung hinsichtlich der exakten Okklusion unzureichend gewesen sei, was durch Nachbesserungsmaßnahmen (etwa Beschleifen) möglicherweise zu beheben gewesen wäre. Die Pflichtverletzung durch Unterlassen einer gebotenen Untersuchung und nachfolgend der verfehlten Eingliederung der Versorgung und dem Unterlassen gebotener Schutzmaßnahmen ist nicht nachholbar gewesen. Es gab sehr rasch, wie der Sachverständige Dr. H anschaulich dargelegt hat, einen Punkt, von dem ab der weitere Verlauf nicht mehr umzukehren war, insbesondere nicht durch Entfernen der Versorgung. Dieser Punkt war überschritten, als sich die Beschwerden der Klägerin entwickelten.
Im Übrigen – ohne dass es darauf noch entscheidend ankommt – geht der Senat sehr wohl davon aus, dass die Klägerin sich in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Eingliederung der Versorgung unten rechts hilfesuchend an die Beklagte gewandt, jedoch keine Hilfe erfahren hat. Er folgt der Darstellung der Klägerin, die auf den Senat stets einen sehr abwägenden und wahrhaftigen Eindruck machte. Ihre detaillierte Darstellung ihrer Vorstellung in der Praxis der Beklagten wird bestätigt durch die nachträglich (Jahre später) erfolgte Eintragung „Rezept CMD“ auf der Karteikarte der Beklagten, die auf den 9.5.2011 datiert ist und die ein klares Indiz dafür darstellt, dass der Beklagten die CMD-Problematik der Klägerin sehr wohl zeitnah bekannt war. Dass der Senat die hierfür gegebene Erklärung seitens der Beklagten, die Eintragung könne man sich nur als Racheakt einer entlassenen Mitarbeiterin erklären, die heimlich in die Praxis eingedrungen sei und die Eintragung bewusst falsch und in Schädigungsabsicht vorgenommen habe, als ganz und gar unglaubwürdig angesehen hat, ist bereits im Rahmen der mündlichen Verhandlungen hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht worden.
c)
Dieser Verstoß gegen den fachzahnärztlichen Standard stellt sich dar als (zumindest einfacher) Befunderhebungsfehler, auf dem die weitere negative gesundheitliche Entwicklung der Klägerin auch beruht. Eine auf die drohende CMD-Problematik ausgerichtete Untersuchung der Klägerin vor der Eingliederung der Versorgung unten rechts durch eine Funktionsanalyse, mindestens aber durch einen CMD-Schnelltest, hätte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (mehr als 50%) zu einem reaktionspflichtigen Befund geführt, nämlich einer Bestätigung und Absicherung der zu stellenden Diagnose einer bevorstehenden CMD, was wiederum als zwingende Reaktion das Unterlassen der Eingliederung der Versorgung und die Einleitung einer Funktionstherapie zur Folge gehabt hätte.
Etwaige Zweifel hinsichtlich des haftungsbegründenden Kausalverlaufs gehen zu Lasten der Beklagten. Dies gilt namentlich für die letztlich nicht sicher zu beantwortende Frage, ob ein rechtzeitiges Erkennen der sich anbahnenden CMD-Problematik und ein sofortiges Gegensteuern (durch Unterlassen der Eingliederung der die Bisssituation verschärfenden Problematik und Initiierung einer Schienentherapie) auch tatsächlich zum Erfolg geführt und die sodann einsetzende Entwicklung sicher verhindert hätte. Da das Versäumnis der Beklagten als Befunderhebungsmangel anzusehen ist, gelten die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätze, die im Ergebnis zu einer Beweislastumkehr hinsichtlich des Kausalverlaufs führen. Wie dargelegt hätte die gebotene Untersuchung der Klägerin mit überwiegender Wahrscheinlichkeit dazu geführt, dass die CMD-Problematik erkannt worden wäre. Diese schlicht zu ignorieren, keine den Verlauf zu einer akuten CMD verhindernden Maßnahmen zu ergreifen, sondern die Versorgung wie geplant einzugliedern, würde indes ein Verhalten darstellen, das eindeutig gegen bewährte zahnmedizinische Grundsätze verstoßen würde und das einen Fehler darstellen würde, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich wäre, weil er einem Zahnarzt schlechterdings nicht unterlaufen darf, also um einen groben Behandlungsfehler. Diese Wertung wird von den Feststellungen des Sachverständigen Dr. H getragen, der ausdrücklich formuliert hat, dass bei Vornahme der notwendigen Tests die Versorgung habe „zwingend“ herunter genommen werden müssen, eine systematische Funktionstherapie mit Schienen vorgenommen werden müssen und „unter gar keinen Umständen“ eine endgültige Versorgung habe erfolgen dürfen.
Den Beweis, dass die Klägerin auch bei fachgerechtem Vorgehen der Beklagten den gleichen Krankheitsverlauf erlitten hätte oder dass jedenfalls ein genau abgrenzbarer Umfang an CMD-Erkrankung in jedem Fall eingetreten wäre, kann die Beklagte nicht führen. Sie kann auch nicht mit Erfolg darauf verweisen, dass die Klägerin möglicherweise eine ausgeprägte Neigung bzw. Veranlagung zu einer CMD-Erkrankung aufgewiesen habe. Es geht grundsätzlich zu Lasten eines Schädigers, wenn sich sein pflichtwidriges Handeln nur deshalb schädlich auswirkt, weil der Geschädigte eine entsprechende Schadensdisposition aufweist.
2.
Mit dem Sachverständigen Dr. H ist ferner davon auszugehen, dass die Beklagte eine präprothetische Röntgenuntersuchung unterlassen, deshalb beherdete Zähne nicht entsprechend vorbehandelt und sie in diesem Zustand in die Versorgung einbezogen hat. Der Sachverständige hat darin, den Senat unmittelbar überzeugend, einen groben Fehler gesehen. Schon aus den Röntgenaufnahmen des Jahres 2008 sei eindeutig zu erkennen gewesen, dass mehrere Zähne beherdet gewesen seien. Dies gelte vor allem für den Zahn 37, der später Gegenstand einer Wurzelspitzenresektion war, und bei dem bereits 2008 ein osteolytischer Prozess zu erkennen gewesen sei. Das Bild lasse entgegen der Auffassung der Beklagten keinesfalls bloße Vernarbungen erkennen, sondern apikale Aufhellungen bzw. beginnende Granulome. Ein derartiger Zustand dürfe unter keinen Umständen so bleiben, sondern müsse vor einer Neuversorgung zwingend beseitigt werden, da er anderenfalls zur Notwendigkeit recht traumatischer Maßnahmen wie einer Wurzelspitzenresektion mit entsprechendem Knochenverlust führe. Im schriftlichen Gutachten hat der Sachverständige als schon im Jahr 2008 beherdeten Zahn weiter den Zahn 15 bezeichnet. Soweit sich im Bereich des Zahns 48 später (nämlich bei der OPG-Aufnahme von Dr. E aus Januar 2013) ebenfalls eine erhebliche apikale Auffälligkeit gezeigt habe, erkennt der Sachverständige allerdings kein Versäumnis der Beklagten, da diese auf einer Röntgenaufnahme der Beklagten noch nicht zu erkennen sei.
Dass die später durch Dr. E durchgeführte Wurzelspitzenresektion bei Zahn 37 auf diese fehlerhafte Vorgehensweise zurückzuführen ist, erscheint dem Senat danach kaum noch als zweifelhaft. Allerdings gingen auch etwaige verbleibende Zweifel zu Lasten der Beklagten, da sich der Fehler als grober Behandlungsfehler darstellt mit der daran geknüpften Umkehr der Beweislast.
3.
Keine eigenständige Bedeutung kommt der Frage einer unzureichenden Okklusion zu, die im Rahmen der ersten Instanz, in den vorprozessual eingeholten Gutachten und zunächst auch im Rahmen der Beweisaufnahme durch den Senat im Vordergrund stand. Der Sachverständige Dr. H hat hierzu im Rahmen des schriftlichen Gutachtens auf der Grundlage seiner sorgfältigen Modellanalyse ausgeführt, dass nach der Eingliederung der Versorgung unten rechts von einer erheblichen Okklusionsstörung auszugehen sei, dass es offensichtlich Frühkontakte im Bereich 33 gegeben habe und eine ganz unzureichende Abstützung des Bisses rechts vorgelegen habe. Auch hat er noch zu Beginn seiner mündlichen Anhörung bestätigt, dass er in der unzureichenden Okklusion den wohl hauptsächlichen Fehler gesehen habe. Allerdings war dies, wie die weitere Anhörung und seine Ausführungen im Zusammenhang deutlich gemacht haben, letztlich nicht dahin zu verstehen, dass hierin der in rechtlicher Hinsicht wesentliche Vorwurf an die Beklagte zu sehen sei, auch wenn der Sachverständige keinen Zweifel gelassen hat, dass die Okklusion „mit sehr großer Wahrscheinlichkeit“ mangelhaft im Sinne eines Verstoßes gegen fachzahnärztlichen Standard zu werten sei. Die unzureichende Okklusion war vor allem der mutmaßliche Auslöser dafür, dass die sich ohnehin anbahnende Gesundheitsschädigung in Form der akuten CMD-Erkrankung sich verwirklichte. Ob bei einer optimalen Okklusion als Ergebnis der Einbringung der Versorgung der CMD-Ausbruch zu verhindern gewesen wäre, ist ungewiss. Ebenso ungewiss ist, ob eine insoweit der Beklagten tatsächlich grundsätzlich zuzubilligende Nachbesserung noch so rechtzeitig hätte erfolgen können, dass sie Einfluss auf die weitere Entwicklung hätte nehmen können. Insoweit wäre zu berücksichtigen, dass auch nach dem Vorbringen der Klägerin es nicht zu klären ist, wann sie sich bei der Beklagten vorgestellt haben will, und es ist zu berücksichtigen, dass sie zu diesem Zeitpunkt bereits erhebliche Beschwerden hatte. Es ist zumindest möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich, dass der Punkt, von dem ab die akute CMD-Erkrankung nicht mehr zu verhindern war, da bereits überschritten war. Ungeachtet dieser Erwägungen käme der unzureichenden Okklusion aber auch für den Schadensumfang keine eigenständige Bedeutung zu, denn der umfassende Schaden ist der Beklagten aufgrund der unter 1. dargestellten Verletzung des fachzahnärztlichen Standards anzulasten.
4.
Auf etwaige Aufklärungsversäumnisse der Beklagten kann deren Haftung hingegen nicht gestützt werden. Die Verkennung (und insoweit das Versäumnis entsprechender Befunderhebung) der der Klägerin durch CMD drohenden Gefahren stellen sich als behandlungsfehlerhaft dar. Darüber ist nicht aufzuklären. Im Übrigen würde eine Haftung aus Aufklärungsmängeln auch am fehlenden Nachweis der Kausalität scheitern. Im Bereich der Aufklärungsversäumnisse gibt es keine Beweiserleichterungen für die Klägerin.
5.
Die erlittenen und der Beklagten anzulastenden Gesundheitsbeeinträchtigungen, Leiden, Beschwerden und Schmerzen der Klägerin rechtfertigen ein Schmerzensgeld von insgesamt 10.000.- EUR. Nach den Schilderungen der Klägerin, den Unterlagen der nachbehandelnden Ärzte und Zahnärzte und dem Gutachten des Sachverständigen Dr. H ist davon auszugehen, dass die Klägerin infolge der CMD-Erkrankung über einen Zeitraum von ungefähr fünf Jahren unter Kopf-, Zahn- Kiefergelenks-, Nacken-, Rücken- und Muskelbeschwerden litt. Diese hat die Klägerin glaubhaft vorgetragen und diese werden bestätigt durch die Unterlagen der Behandler A, B und E sowie die zahlreichen Besuche bei Ärzten und Physiotherapeuten. Zu den Schmerzen kommen weitere Beschwerden wie eine eingeschränkte Mundöffnung, Taubheitsgefühle im Gesichtsbereich, Beschwerden beim Kauen, das Tragen der Aufbissschienen u.ä.. Der lange Zeitraum ergibt sich dabei aus dem Zeitraum der Behandlung, der insbesondere bei Frau Dr. B als derjenigen, die gezielt die CMD therapierte, bis in das Jahr 2016 andauerte. Der Senat geht dabei davon aus, dass die Schmerzen und sonstigen Beschwerden keineswegs über den gesamten Zeitraum in gleicher Weise vorlagen, sondern sicherlich zu Beginn deutlich heftiger waren als im späteren Verlauf der Behandlung. Der Senat geht ferner davon aus, dass besonders belastende bzw. eingreifende zahnärztliche Maßnahmen wie die Wurzelspitzenresektion bei Dr. E und zuletzt die Einbringung der Implantate unten rechts erforderlich wurden, die schmerzensgelderhöhend zu berücksichtigen sind (insbesondere die Wurzelspitzenresektion hätte für sich betrachtet bereits ein durchaus nennenswertes separates Schmerzensgeld gerechtfertigt). Vor allem aber ist die enorme Zahl an Zahnbehandlungen, die über diesen Zeitraum anfielen, zu berücksichtigen, die in ihrer Summe eine beträchtliche Einschränkung der Lebensqualität mit sich brachten. Für nachvollziehbar und glaubhaft erachtet der Senat auch die psychischen Auswirkungen der CMD-Erkrankung auf die Klägerin und die darauf beruhenden Einschränkungen des beruflichen wie privaten Lebens.
Nicht zu berücksichtigen waren die Beschwerden in Form von Schwindel oder Übelkeit, die die Klägerin ihrer Darstellung nach sehr belasteten und die sie ebenfalls der CMD-Erkrankung zuschreibt, die der Sachverständige indes nicht hinreichend sicher in Zusammenhang mit CMD bringen konnte, vielmehr hier ebenso wahrscheinlich die Ursache in einer Menière-Erkrankung sah, für die die Behandlungsunterlagen Anhaltspunkte geben.
In der Gesamtbetrachtung und unter Abwägung aller Umstände, auch im Abgleich mit vergleichbaren Gerichtsentscheidungen, erscheint ein Schmerzensgeld von insgesamt 10.000.- EUR als angemessen, andererseits aber auch als ausreichend.
6.
Die Klägerin kann ferner als Schadensersatz die Erstattung aller Aufwendungen verlangen, die ihr durch Nachbehandler entstanden sind, soweit diese der Beseitigung der eingetretenen Schäden dienten und von ihr vernünftigerweise für erforderlich gehalten werden durften. Hierbei war von dem herabgesetzten Beweismaß des § 287 ZPO auszugehen, da es sich um Fragen der haftungsausfüllenden Kausalität handelt. Nicht hingegen war, wie die Beklagte meint, die völlige Überzeugung des Gerichtes nach § 286 ZPO erforderlich. Nicht gefolgt werden kann der Beklagten auch hinsichtlich der Auffassung, dass im Hinblick auf die Behandlungen der nachbehandelnden Ärzte und Zahnärzte jede einzelne Position darauf zu überprüfen sei, ob sie ausschließlich Folge des Fehlers der Beklagten sei. Ausreichend ist vielmehr eine Mitursächlichkeit des Fehlers. Soweit eine klare Abgrenzung und Zuordnung zu anderen Ursachen nicht möglich ist, haftet die Beklagte daher für den gesamten Schaden (BGHZ 144, 296 ff.).
Auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen Dr. H im Rahmen seines schriftlichen Ergänzungsgutachtens sowie seiner mündlichen Anhörung ergibt sich danach folgendes:
a)
Erstattungsfähig ist zunächst von den Rechnungen des Orthopäden Dr. F diejenige vom 28.3.2011 über 139,90 EUR (Bl. 230 d.A.). Es geht um osteopathische bzw. chiropraktische Behandlungen, die zumindest auch auf die prothetische Therapie durch die Beklagte zurückzuführen sind, wie der Sachverständige nachvollziehbar erläutert hat. Er hat die Probleme der Klägerin, die sich insbesondere auf die Wirbelsäule erstreckten, zumindest teilweise als Folgeerscheinung des Fehlbisses angesehen (der Sachverständige wörtlich: „Hier hängt buchstäblich alles mit allem zusammen“). Da Mitursächlichkeit für die Haftung der Beklagten ausreicht und eine genauere Abgrenzung unterschiedlicher Ursachen dem Sachverständigen nicht möglich war, hat die Beklagte für die gesamte Behandlung einzustehen (BGH aaO, 307).
Nicht einzustehen hat sie für die Rechnung des Dr. F vom 10.1.2011 über 123,81 EUR. Ungeachtet der Tatsache, dass auch diese Behandlung sich unter anderem auf kieferorthopädische Probleme der Klägerin bezieht und damit ein Zusammenhang zur Zahnbehandlung durch die Beklagte und der CMD-Problematik gegeben sein dürfte, liegt diese chiropraktische Behandlung zeitlich vor der Eingliederung der Versorgung unten rechts und damit vor dem Zeitpunkt, ab dem das schadensursächliche Unterlassen einer angemessenen Befunderhebung der Beklagten vorzuwerfen ist.
b)
Erstattungsfähig sind weiter die Rechnungen des Dr. L vom 7.1.2013 über 149,62 EUR für osteopathische Behandlung (Bl. 237), vom 7.1.2013 über 150,00 EUR für eine 4D-Lichtvermessung (Bl. 238) und vom 14.2.2013 über 97,50 EUR für osteopathische Behandlung (Bl. 240 d.A.). Hier gilt das zu a) Gesagte entsprechend. Insbesondere hinsichtlich der 4D-Lichtvermessung ist nach Aussage des Sachverständigen von einer Behandlung der Wirbelsäule und damit von einem Zusammenhang mit der CMD-Behandlung auszugehen.
c)
Erstattungsfähig sind ferner die Rechnungen der Physiotherapeuten J und K. Es handelt sich, wie der Sachverständige festgestellt hat, wiederum um Behandlungen, die in Zusammenhang mit der CMD-Erkrankung stehen. Die Behandlung durch Herrn J erfolgte im Übrigen auf Verschreibung des Dr. A, was sich aus dessen Behandlungsunterlagen ergibt, und war damit unmittelbar und ausschließlich zur Therapie der CMD bestimmt. Die Addition von 7 Rechnungen des Herrn J und zwei Rechnungen von Herrn K (insoweit wird auf Blatt 231 bis 241 d.A. und auf das Ergänzungsgutachten von Dr. H verwiesen) ergibt einen Gesamtbetrag von 367,56 EUR. Gegenüber der Berechnung der Klägerin im Schriftsatz vom 7.11.2016 und dem Gutachten des Sachverständigen Dr. H war dabei hinsichtlich der Rechnung J vom 19.3.2012 (Bl. 233 d.A.) nur ein Betrag von 60,00 EUR (anstelle 64,20 EUR) zugrunde zu legen, da hier offensichtlich die Umsatzsteuer nicht in Rechnung gestellt wurde.
d)
Erstattungsfähig ist ferner die Honorarrechnung von Dr. A vom 1.7.2011 über 165,56 EUR, die sich ausschließlich über die CMD-Behandlung verhält und die der Sachverständige als objektiv erforderlich angesehen hat. Dass sowohl er als auch die nachbehandelnde Frau Dr. B Schienen verordnet bzw. angefertigt haben, ändert daran nichts. Unmittelbar einleuchtend hat der Sachverständige erläutert, dass keine der eingesetzten Schienen überflüssig gewesen sei, diese vielmehr unterschiedlichen Zwecken gedient hätten. Man müsse schrittweise versuchen, die unterschiedlichen Ebenen (seitwärts bzw. vorwärts/rückwärts) zu korrigieren, weshalb regelmäßig mehrere Schienen notwendig seien. Zudem könne es durchaus vorkommen, dass ein Patient mit der ein oder anderen Schiene schlicht nicht zurecht komme. Diese Argumentation, die dem Senat auch aus vergleichbaren CMD-Fällen geläufig ist, ist nachvollziehbar und überzeugend.
e)
Erstattungsfähig ist schließlich der überwiegende Teil der Rechnungen der Nachbehandlerin Dr. B, die über mehrere Jahre hinweg die Behandlung der CMD vorgenommen hat. Diese umfangreiche Behandlung, die eine Funktionstherapie mittels Schienen, endodontische Behandlungen, Implantatinsertionen und letztlich eine nahezu vollständige Neuversorgung der Klägerin einschloss, hat der Sachverständige als sachgerecht und erforderlich erachtet. Dies gilt im einzelnen für die Rechnung 13.7.2012 über 717,91 EUR (die im Wesentlichen der Herstellung einer Aufbissschiene diente), für die Rechnung vom 28.6.2013 über 4.545,26 EUR (Therapie der Unterkieferseitenzahnbereiche rechts und links), für die Rechnung vom 15.7.2013 über 6.822,61 EUR (Therapie der Oberkieferseitenzahnbereiche rechts und links), für die Rechnung vom 23.7.2013 über 261,91 EUR (Maßnahmen an 14, funktionstherapeutische Maßnahmen) und für die Rechnung vom 1.7.2015 über 4.237,44 EUR (im wesentlichen Versorgung des Frontzahnbereiches Unterkiefer). Alle Leistungen, die Gegenstand dieser Rechnungen sind, hat der Sachverständige für objektiv erforderlich und als durch die fehlerhafte Behandlung der Beklagten verursacht angesehen. Dies ist für den Senat uneingeschränkt überzeugend, insbesondere nachdem in der mündlichen Verhandlung vom 9.3.2020 weitergehende und ausführliche Erläuterungen der Maßnahmen und ihres Zusammenhangs mit der CMD-Behandlung gegeben wurden. Der Einwand der Beklagten, hierbei handele es sich um deutlich weitergehende Maßnahmen als diejenigen, die von ihr durchgeführt worden seien, so dass insbesondere hinsichtlich der umfangreichen Einbeziehung auch der Frontzähne jedenfalls von Ohnehin-Kosten auszugehen sei, trifft nicht zu. Vielmehr gehörte die Angleichung des Bisses und hier vor allem seine vollständige Anhebung zur Therapie der CMD, wie der Sachverständige erläutert hat. Es sei hier auch um den Kontakt zu den Oberkieferzähnen gegangen. Es sei nichts gewesen, was die Beklagte bei der von ihr geplanten Behandlung eigentlich von vornherein hätte miterledigen sollen, sondern Folge des – von der Beklagten verursachten – Abrutschen des Bisses und der daraus resultierenden Veränderung im Kiefergelenk (vgl. Protokoll S. 4, Bl. 734 d.A.). Insofern sei auch der Zahn 14 zwingend in die Aufbauarbeit mit einzubeziehen gewesen.
Die mit der dreifachen Implantatinsertion (44, 45 und 47) und der anschließenden Versorgung unten rechts im Zusammenhang stehenden Rechnungen vom 2.7.2015 über 4.258,77 EUR, vom 28.1.2016 über 1.788,73 EUR und vom 28.1.2016 über 4.679,80 EUR waren jeweils um ein Drittel zu kürzen. Der Sachverständige hat zwar die Notwendigkeit einer Implantatlösung bejaht, nachdem der zunächst eingeschlagene Weg einer Behandlung mittels eines Langzeitprovisoriums nicht zum Erfolg geführt habe, was wiederum der Nachbehandlerin nicht anzulasten sei. Auch sei nicht davon auszugehen, dass die Beklagte bei ihrer Konzeption der Neuversorgung von vornherein auf eine Implantatlösung hätte setzen müssen, so dass diese Kosten sowieso angefallen wären. Allerdings hat er das Setzen von drei Implantaten nebeneinander als unnötig aufwändig angesehen. Medizinisch erforderlich seien nur zwei Implantate gewesen. Auch hier folgt der Senat dem Sachverständigen. Gründe, warum dieser objektiv nicht gebotene Umfang der Maßnahmen aus Sicht der Klägerin als zwingend erforderlich (und nicht etwa nur einem erhöhten Sicherheitsbedürfnis geschuldet) angesehen worden sei, hat die Klägerin nicht vorgebracht. Damit sind diese drei Rechnungen nur im Umfang von 7.151,54 EUR berücksichtigungsfähig.
Nicht berücksichtigungsfähig ist insgesamt die Rechnung vom 13.7.2013 über 4.545,26 EUR, bei der es sich, wie inzwischen unstreitig ist, um eine inhaltsgleiche Rechnung wie diejenige vom 28.2.2013 über den gleichen Betrag handelt, und die wohl irrtümlich geltend gemacht wurde.
Nicht berücksichtigungsfähig ist ferner die Rechnung vom 1.7.2015 über 1.331,11 EUR. Diese Rechnung war zwar in der tabellarischen Aufstellung zum Schriftsatz vom 7.11.2016 (Bl. 244 d.A.) erwähnt, war aber im Gegensatz zu den anderen Rechnungen nicht vorgelegt worden, fand sich auch nicht in den Behandlungsunterlagen der Frau Dr. B und lag dem Sachverständigen nicht zur Überprüfung vor. Die Rechnung war folglich auch nicht Gegenstand der Begutachtung, die Notwendigkeit der abgerechneten Therapien und deren Bezug zu dem Behandlungsfehlervorwurf konnten nicht geklärt und festgestellt werden. Soweit die Klägerin nach Schluss der letzten Verhandlung diese Rechnung nunmehr nachgereicht hat, ist sie als verspätet zurückzuweisen. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung deswegen und eine erneute Beauftragung des Sachverständigen Dr. H (die Beklagte bestreitet die medizinische Notwendigkeit) ist nicht veranlasst. Die Rechnung hätte bei gehöriger Sorgfalt längst vorliegen können.
f)
Der Schadensersatzanspruch der Klägerin setzt sich danach wie folgt zusammen:
………………..
– Gesamt: 24.806,81 EUR
7.
Der Feststellungsantrag ist ungeachtet der Bezifferung der Ansprüche in zweiter Instanz zulässig und begründet. Es ist konkret möglich, dass sich aus der Behandlung durch die Beklagte, insbesondere aus der durchlittenen CMD-Erkrankung, noch weitere materielle oder immaterielle Ansprüche ergeben.
8.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288, 291 BGB. Für den geltend gemachten höheren Zinssatz (8 %) liegen die Voraussetzungen des § 288 Abs.2 BGB nicht vor.
9.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 92, 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO). Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die entscheidungserheblichen Fragen sind ausschließlich solche des Einzelfalls.
Berufungsstreitwert: 51.117,44 EUR (Schmerzensgeldantrag: 15.000.- EUR; Zahlungsantrag: 34.117,44 EUR; Feststellungsantrag: 2.000.- EUR. Hinsichtlich des Feststellungsantrags war ein deutlich geringerer Betrag als in erster Instanz anzusetzen, da der hauptsächliche Zweck durch die Bezifferung der Ansprüche in zweiter Instanz entfallen ist).