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Behandlung eines Dammschnittes nach der Geburt – Verletzung des Darmes und des Schließmuskels

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 12 U 115/16 – Beschluss vom 30.10.2018

Die Berufung der Klägerin gegen das am 20.04.2016 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam, Az. 11 O 216/13, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld sowie auf Feststellung einer Verpflichtung der Beklagten in Anspruch, ihr sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihr aufgrund von Behandlungsfehlern während ihres Krankenhausaufenthaltes vom … bis zum …10.2008 im Hause der Beklagten zu 2. entstanden sind oder zukünftig noch entstehen werden. Die Klägerin wurde am …10.2008 in der 34. + 2. Schwangerschaftswoche wegen Kontraktionen und Schmierblutungen stationär im Krankenhaus der Beklagten zu 2. aufgenommen. Das Kind der Klägerin wurde am …10.2008 mit Hilfe einer Saugglocke zur Welt gebracht, nachdem zuvor bei der Klägerin ein Dammschnitt (Episiotomie) vorgenommen worden war. Nach der Geburt wurde der Dammschnitt genäht und eine Rektaluntersuchung der Klägerin durchgeführt, die als „ohne Befund“ beschrieben wurde. Die Klägerin wurde am …10.2008 aus dem Krankenhaus entlassen, nachdem zuvor eine Untersuchung durchgeführt wurde, deren Umfang zwischen den Parteien ebenfalls streitig ist. Am …10.2008 wurde die Klägerin nach Einweisung durch den Gynäkologen zur „Nahtrevision bei Episiotomie-Nahtdehiszens“ erneut im Hause der Beklagten zu 2. aufgenommen. Am …10.2008 stellte der untersuchende Arzt Dr. D… eine klaffende Wunde mit etwa 2 cm tiefer Tasche, aus der Wundsekret austrat, fest. Am Folgetag wurde bei der Klägerin im Rahmen einer in Narkose durchgeführten Rektaluntersuchung ein 3 cm großer Defekt in der Darmwand festgestellt. Deshalb wurde am …10.2008 von der chirurgischen Fachrichtung der Beklagten zu 2. ein operativer Eingriff vorgenommen, bei dem ein Wunddebridement, eine Separation von Scheide und Anus sowie eine direkte Naht an der Scheidenrückwand, eine direkte Naht an der Rektumvorderwand und eine Doppelung des Sphinkters (Schließmuskel), eine Sulmycin-Implantation und eine Dränage sowie eine Rekonstruktion der perinealen Region vorgenommen wurde. Außerdem wurde ein künstlicher Darmausgang geschaffen. In der Folge kam es zu verschiedenen Komplikationen im Heilungsverlauf. Die Parteien streiten in erster Linie darüber, ob den Beklagten schon deshalb ein Behandlungsfehler vorzuwerfen ist, weil sie im Rahmen der Behandlung des Dammschnittes nach der Geburt die schon bestehende Verletzung des Darmes nicht festgestellt haben sowie auch im Folgenden die Nachsorge nicht fachgerecht durchgeführt haben. Zudem streiten die Parteien über eine Verjährung der Ansprüche der Klägerin. In der Berufungsinstanz greift die Klägerin hingegen weder den Vorwurf eines Aufklärungsfehlers auf noch rügt sie weiterhin eine fehlende Indikation des Dammschnitts. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrages wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit am 20.04.2016 verkündetem Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Klägerin stehe weder ein Anspruch auf Schmerzensgeld noch auf Feststellung einer Ersatzpflicht für künftige Schäden gegen die Beklagten aus §§ 280, 253 BGB in Verbindung mit dem zwischen Parteien geschlossenen Behandlungsvertrag oder aus §§ 823 Abs. 1, 253 BGB zu. Allerdings sei die Forderung der Klägerin nicht verjährt. Im Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme sei ein Behandlungsfehler der Beklagten nicht nachgewiesen. Der gerichtlich bestellte Sachverständige habe überzeugend dargelegt, dass die durchgeführte Behandlung der Klägerin lege artis erfolgt sei. Nach seinen Feststellungen sei die Entscheidung zur Geburtsbeendigung durch Vakuumextraktion zutreffend erfolgt. Auch habe es jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt nicht gegen den ärztlichen Standard verstoßen, einen Dammschnitt in Zusammenhang mit der Vakuumextraktion vorzunehmen. Der Sachverständige habe ausgeführt, dass eine Durchtrennung des Schließmuskel bei der Klägerin während des Dammschnitts kaum möglich sei, wahrscheinlicher sei, dass der Damm unter der Geburt weiter gerissen und es hierdurch zu Verletzung des Schließmuskels und des Darms gekommen sei. Nicht zu beanstanden sei auch die Versorgung der Klägerin nach der Geburt. Es sei nicht als vorwerfbarer Behandlungsfehler einzuordnen, dass bei der Rektaluntersuchung die Verletzung des Schließmuskels und des Darmes nicht festgestellt worden sei. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Beurteilung der Verhältnisse im Bereich der Scheide insbesondere aufgrund der ausgeprägten Adipositas der Klägerin und der Schmerzempfindlichkeit des Patienten nach der Geburt erschwert gewesen sei. Nicht zu beanstanden sei ferner der Einsatz der noch in Ausbildung stehenden Beklagten zu 1. Diese habe sich bereits im vierten fachärztlichen Ausbildungsjahr befunden und mehrere hundert Geburten durchgeführt gehabt. Auch hinsichtlich der Entlassungsuntersuchung vom …10.2008 sei ein Behandlungsfehler nicht festzustellen. Leitlinien zur Durchführung einer Abschlussuntersuchung im Wochenbett gebe es nicht. Ohne entsprechende Anhaltspunkte sei eine nochmalige Kontrolle des Sphinkters nicht üblich. Symptome, die eine solche Kontrolle erforderlich machen könnten, etwa unkontrollierter Stuhl- oder Flatulenzabgang, sei hier nicht ersichtlich. Schmerzen im Bereich der Riss- oder Schnittverletzung seien in den ersten Tagen üblich und erforderten erst dann eine intensive Untersuchung vor der Entlassung, wenn über einen längeren Zeitraum über Schmerzen geklagt würde. Auch dies sei weder dokumentiert noch substantiiert dargelegt worden. Hinsichtlich der weiteren Behandlung der Klägerin im Hause der Beklagten zu 2. ab dem …10.2008 seien Behandlungsfehler ebenfalls nicht festzustellen. Nicht erforderlich gewesen sei die Einholung eines chirurgischen Gutachtens, insbesondere habe es eines Gutachtens betreffend die Kausalität der erst am …10.2008 durchgeführten Versorgung der Darmläsion für die weiteren Operationen der Klägerin und der von dieser vorgetragenen Gesundheitsfolgen mangels eines den Beklagten insoweit vorzuwerfenden Behandlungsfehlers nicht bedurft. Ferner habe keine Veranlassung bestanden, ein Obergutachten einzuholen. Schließlich sei auch ein Aufklärungsfehler nicht gegeben. Insoweit greife jedenfalls der Einwand der hypothetischen Einwilligung durch.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 27.04.2016 zugestellte Urteil mit am 26.05.2017 beim Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und das Rechtsmittel nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 12.09.2016 mit am 09.09.2016 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Klägerin bezieht sich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag nebst Beweisangeboten. Zwar habe das Landgericht zutreffend festgestellt, dass die von ihr geltend gemachten Ansprüche nicht verjährt seien, zu Unrecht habe es jedoch Behandlungsfehler der Beklagten verneint. Den Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen sei nicht zu folgen. Diese seien widersprüchlich und nicht hinreichend. Insbesondere die Frage, ob die Rektaluntersuchung am …10.2008 entsprechend dem medizinischen Standard durchgeführt worden sei, sei nicht aufgeklärt. So habe der gerichtlich bestellte Sachverständige in seinem Gutachten vom 01.05.2015 in diesem Zusammenhang einen einfachen Behandlungsfehler angenommen und sich in der Bewertung dem für die Beklagten tätig gewordenen Privatgutachter K… insoweit angeschlossen, der ebenfalls ausgeführt habe, dass die Untersuchung schuldhaft nicht dem medizinischen Standard entsprochen habe. Im Rahmen seiner Anhörung am 20.01.2016 habe der gerichtlich bestellte Sachverständige zudem angegeben, dass die Läsion je sicherer erkannt werden können, desto größer sie sei. Gleichwohl habe der Sachverständige bei der vorliegenden sehr großen und schweren Läsion einen Behandlungsfehler nicht angenommen und ausgeführt, eine Läsion könne trotz sorgfältiger Untersuchung übersehen werden. Eine Begründung hierzu sei nicht erfolgt. Insoweit liege ein Widerspruch zu den vorangegangenen Bewertungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen vor. Die Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen seien auch nicht in Einklang zu bringen mit seiner Bezugnahme auf die Ausführungen des Privatgutachters K… . Zu Unrecht habe das Landgericht ferner die Stellungnahmen und Gutachten der für sie – die Klägerin – tätig gewordenen Privatsachverständigen Dr. med. B… und Dr. S… nicht berücksichtigt. Beide Sachverständige hätten ausgeführt, dass die Läsion bei fehlerfreier Durchführung der Untersuchung vom …10.2008 hätte festgestellt werden müssen. Der Privatgutachter Dr. S… habe zudem ausgeführt, dass es sich um einen Dammriss IV. Grades mit einer ungewöhnlichen Schwere gehandelt habe, der auch bei einer adipösen Patientin habe erkannt werden müssen. Die Schwere der Verletzung habe der gerichtlich bestellte Sachverständige unzulässig relativiert. Ebenso sei es unzulässig aus der fehlenden Feststellung der nachbehandelnden Ärzte abzuleiten, dass auch seitens der Beklagten die Verletzung bei genügender Sorgfalt habe übersehen werden können. Nicht berücksichtigt habe das Landgericht auch ihre weiteren Einwände aus dem Schriftsatz vom 21.03.2016. Die Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen stünden im Widerspruch zu den Feststellungen der anderen medizinischen Stellungnahmen. Schon deshalb habe ein Obergutachten eingeholt werden müssen. Zu bestreiten seien auch die Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen, dass bei einer Rektaluntersuchung immer die darüber liegenden Nähte in Kontur zu ertasten seien. Im Regelfall gingen vom Fadenmaterial rektal keine Konturen aus, die getastet werden könnten. Das Landgericht habe auch nicht berücksichtigt, dass in den Behandlungsunterlagen nicht dokumentiert worden sei, dass etwa aufgrund der Adipositas der Klägerin eine unübersichtliche Situation vorgelegen habe. Wäre dies so gewesen, hätte es dem medizinischen Standard entsprochen, unter Hinzuziehung einer Assistenz mittels Spekular eine übersichtliche und eindeutige Beurteilung der Wundverhältnisse durchzuführen oder gegebenenfalls eine solche nach Sedierung der Klägerin vorzunehmen. Fehlerhaft habe sich das Landgericht nicht weiter damit auseinandergesetzt, dass die Entlassungsuntersuchung der Klägerin am …10.2008 ebenfalls in nicht nachvollziehbarer Weise unter Verstoß gegen den medizinischen Standard durchgeführt worden sei. Tatsächlich habe der nicht namentlich bekannte Arzt ebenso wie die Hebamme keine eingehende Untersuchung durchgeführt. Dies wäre indes gerade wegen der deutlichen Inkontinenzbeschwerden der Klägerin dringend geboten gewesen. Hierin liege ein grober Befunderhebungsfehler, mit dem sich das Landgericht nicht näher beschäftigt habe. Den entsprechenden Vortrag hätten die Beklagten nicht substantiiert bestritten. Wären die schweren Verletzungen der Klägerin bereits am … oder …10.2008 diagnostiziert und adäquat behandelt worden, wären ihr die Komplikationen in Form einer retrovaginalen Fistel und die daraus resultierenden Inkontinenzbeschwerden erspart geblieben. Da von Behandlungsfehlern bei der rektalen Untersuchung auszugehen sei, sei auch die Einholung eines chirurgischen Zusatzgutachtens erforderlich gewesen.

Die Klägerin hat den Antrag angekündigt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 20.04.2016, ihr zugestellt am 27.04.2016, wird wie folgt erkannt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.12.2010 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihr aufgrund von Behandlungsfehlern während des Krankenhausaufenthaltes zwischen dem …10. und dem …10.2008 im städtischen Klinikum Brandenburg entstanden sind und zukünftig noch entstehen werden.

Hilfsweise hat die Klägerin den Antrag angekündigt, das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 20.04.2016 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Potsdam zurückzuverweisen.

Die Beklagten haben den Antrag angekündigt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten beziehen sich ebenfalls auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigen das landgerichtliche Urteil, soweit es ihnen günstig ist. Sie sind allerdings weiterhin der Auffassung, die Forderung der Klägerin sei verjährt. Zu Unrecht habe das Landgericht den Beginn der Verjährungsfrist nicht mit dem 01.01.2010 angenommenen und nicht auf die Kenntnis der Klägerin vom MDK-Gutachten vom 16.10.2009 abgestellt. Das Landrecht habe insoweit verkannt, dass die rechtliche Einordnung für die Frage des Verjährungsbeginns nicht von Bedeutung sei und es nur auf die Kenntnis der wesentlichen Umstände von Schaden und Schädiger ankomme. Zutreffend habe das Landgericht das Vorliegen eines Behandlungsfehlers verneint. Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten in den gutachterlichen Feststellungen des gerichtlich beauftragten Sachverständigen hinsichtlich der allein in der Berufungsinstanz noch problematisierten Nachsorge nach der Episiotomie seien nicht gegeben. Besondere Schwierigkeiten hinsichtlich des Erkennens der Läsion hätten vorliegend wegen der Adipositas der Klägerin und wegen der Auswirkung der Geburt auf die Gewebestrukturen bestanden. Der gerichtlich bestellte Sachverständige habe zwar festgestellt, dass die Läsion umso leichter zu erkennen sei, je größer sie sei. Er sei indes zu dem Ergebnis gekommen, dass die Läsion bei der Nachuntersuchung noch kleiner gewesen sei als im Zeitpunkt der Operation. Im Rahmen der Beweisaufnahme hätten sich Zweifel an der Einhaltung des Facharztstandards durch Beteiligung der Beklagten zu 1. ebenfalls nicht bestätigt. Zutreffend habe der Sachverständige bei der Verneinung eines Behandlungsfehlers auch darauf abgestellt, dass sich die Schwierigkeit des Erkennens der Läsion auch daraus ergebe, dass diese bei mehreren Untersuchungen im Hause der Beklagten zu 2. nicht erkannt worden sei. Der gerichtlich bestellte Sachverständige habe ferner dargetan, dass bei fehlender Übersicht bei der Untersuchung zunächst abzuwarten sei und weitere Untersuchungen erst dann durchzuführen seien, wenn die konkrete Möglichkeit einer weiteren übersehenen Verletzung bestehe. Der Sachverständige habe hierbei betont, dass die eigentliche Verletzung erst im Rahmen einer Untersuchung in Narkose habe erkannt werden können. Vor diesem Hintergrund habe er seine ursprüngliche Annahme eines einfachen Behandlungsfehlers korrigiert. Der Sachverständige habe auch eine Kausalität eines solchen Behandlungsfehlers für die weiteren Beeinträchtigungen der Klägerin verneint. Er habe festgestellt, die Versorgung der Läsion wäre auch bei deren frühzeitigeren Entdeckung aufwändig gewesen, so dass der weitere Krankheitsverlauf der Klägerin nicht mit hinreichender Sicherheit hätte erspart werden können.

Die Klägerin ist durch Schreiben des Vorsitzenden des Senats vom 30.11.2017 auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO hingewiesen worden. Sie hat sich gegen die Hinweise des Senats mit Schriftsatz vom 16.01.2018 gewandt.

Der Senat hat die Akten des Landgerichts Potsdam zum Az. 11 O 378/11 beigezogen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

Das Rechtsmittel ist offensichtlich unbegründet. Wegen der Begründung wird auf den Hinweis des Senats vom 30.11.2017 verwiesen. Die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 16.01.2018 rechtfertigen eine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage nicht. Soweit die Klägerin aus dem Umfang der Begründung des Hinweises des Senats ableiten will, dass die Erfolgsaussichten ihres Rechtsmittels nicht offensichtlich fehlen, ist ihr nicht zu folgen. Offensichtlich mangelnde Erfolgsaussicht ist dann gegeben, wenn sich das Gericht zweifelsfrei darüber klar ist, dass die Berufung erfolglos bleibt und eine mündliche Verhandlung zu keinem höheren Erkenntnisgrad führen kann (vgl. hierzu Heßler in Zöller, ZPO, Kommentar, 32. Aufl., § 522, Rn. 36). So liegt der Fall nach den Ausführungen im Hinweis und den nachfolgenden Überlegungen aber hier. Der Umfang der Ausführungen des Senats ist dem Bemühen geschuldet, sich mit dem Berufungsvorbringen der Klägerin umfassend auseinanderzusetzen. Eine verkürzte oder gar nur summarische Prüfung der Erfolgsaussichten ist dem Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO fremd und würde dem Anspruch der Klägerin auf ein ordnungsgemäßes rechtsstaatliches Verfahren zuwiderlaufen.

Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 2. weder aus §§ 280 Abs. 1, 253, 611 BGB in Verbindung mit den zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2. am 17.10. und am 27.10.2008 geschlossenen Behandlungsverträgen noch aus §§ 831 Abs. 1, 823 Abs. 1, Abs. 2, 253 BGB, § 229 StGB besteht. Auch eine Haftung der Beklagten zu 1. aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 253 BGB, § 229 StGB ist nicht gegeben.

Wie ausgeführt, ist ein für die Schäden und Beeinträchtigungen der Klägerin kausaler Behandlungsfehler der Beklagten nicht bewiesen. Auch eine weitere Sachaufklärung in Form der Einholung eines Obergutachtens oder der nochmaligen Anhörung des gerichtlich bestellten Sachverständigen ist nicht veranlasst (vgl. zu den Anforderungen an eine Auseinandersetzung mit qualifiziertem Sachvortrag einer Partei in Form von Privatgutachten etwa BGH VersR 2011, S. 1158; VersR 2009, Seite 499; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl., Teil E, Rn. 17). Der Senat hat im Hinweis im Einzelnen ausgeführt, weshalb er im Anschluss an die Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. med. M… A… einen Behandlungsfehler nicht darin sieht, dass die Beklagte zu 1. bei der nach Ende der Geburt vorgenommenen rektalen Untersuchung der Klägerin eine Verletzung des Schließmuskels und des Darmes nicht festgestellt hat. Der Senat hat sich dabei auch mit den verschiedenen von den Parteien vorgelegten Privatgutachten auseinandergesetzt, die mit Ausnahme der gutachterlichen Stellungnahme des Sachverständigen Dr. med. W… S… vom 06.02.2016 auch dem gerichtlich bestellten Sachverständigen vorlagen und von ihm in seine Feststellungen einbezogen wurden. Der Senat folgt weiterhin den Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen, dass nicht auszuschließen ist, dass es zu einer Erweiterung der Läsion insbesondere durch die nachfolgenden Untersuchungen im Hause der Beklagten zu 2. ab dem …10.2008 gekommen ist, mithin eine vom Umfang deutlich geringere Läsion am …10.2008 vorgelegen hat, die bei den nach Ansicht sämtlicher Sachverständiger erschwerten Untersuchungsbedingungen nicht festgestellt wurde, ohne dass den Beklagten insoweit ein haftungsbegründendes Fehlverhalten im Gegensatz zu einem bloßen Diagnoseirrtum vorzuwerfen ist. Diese Möglichkeit ist in den von den Parteien eingereichten Privatgutachten nicht berücksichtigt worden. Auch in der gutachterlichen Stellungnahme des Dr. med. S… vom 06.02.2016 findet sich eine inhaltliche Stellungnahme zu diesen Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht. Wie ausgeführt, lässt sich aus der Angabe des Privatsachverständigen Dr. med. S…, die Annahme einer Vergrößerung der Läsion sei hochspekulativ, nicht ableiten, dass diese vom gerichtlich bestellten Sachverständigen aufgezeigte Möglichkeit generell auszuschließen ist. Eine Begründung enthält die gutachterliche Stellungnahme insoweit nicht.

Der Senat bleibt ferner bei seiner Ansicht, dass als Indiz für die erschwerte Feststellbarkeit der Verletzung der Klägerin durchaus berücksichtigt werden kann, dass eine solche Verletzung weder bei der Entlassungsuntersuchung der Klägerin noch bei Aufnahmeuntersuchung am …10.2008 festgestellt worden ist. Der Senat hat dabei durchaus – wie im Hinweis ausdrücklich festgehalten – in Rechnung gestellt, dass nicht auszuschließen ist, dass auch diese Untersuchungen nicht mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt worden sind, und diese Untersuchungen nicht den Umfang der rektalen Untersuchung am …10.2008 hatten. Gleichwohl deutet die fehlende Feststellung der Läsion trotz der gerade im Hinblick auf die anhaltenden Beschwerden der Klägerin in diesem Bereich erfolgten erneuten stationären Aufnahme bei der Aufnahmeuntersuchung am …10.2008 darauf hin, dass die Läsion jedenfalls nicht ohne weiteres festzustellen war. Zugleich ist auch dies ein Hinweis dafür, dass die Läsion zu diesem Zeitpunkt einen geringeren Umfang aufwies, als schließlich bei der Operation am …10.2008 festgestellt.

Der Senat folgt auch weiterhin den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen, soweit dieser eine weitergehende Untersuchung der Klägerin nach der Geburt zur Feststellung etwa vorliegender Verletzungen durch Hinzuziehung eines erfahrenen Geburtshelfers oder einer Assistenz, um mittels Spekular – notfalls nach Sedierung der Klägerin – eine übersichtliche und eindeutige Beurteilung der Wundverhältnisse durchzuführen zu können, nicht für erforderlich gehalten hat. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat ausgeführt, dass es nicht dem ärztlichen Standard entspreche, eine für die Patientin schmerzhafte weitergehende Untersuchung – gegebenenfalls in Vollnarkose – durchzuführen, wenn kein Verdacht auf eine Verletzung vorliege. Eine solche Situation war hier nicht gegeben, da sich bei der durchgeführten Rektaluntersuchung ein Verdacht auf dennoch bestehe Läsionen nicht ergeben hatte. Auch insoweit ist eine weitergehende Sachaufklärung nicht veranlasst. Soweit der Privatgutachter Dr. med. S… ein solches Vorgehen in seinen Gutachten vom 19.07.2015 und 06.02.2016 fordert, setzt er das Vorliegen einer unübersichtlichen Situation voraus, die indes – wie ausgeführt – gerade nicht festgestellt ist. Die Beklagte zu 1. hat in ihrer persönlichen Anhörung durch das Landgericht im Termin am 20.01.2016 vielmehr lediglich angegeben, die Versorgung des Dammschnitts mit einer Naht sei schwierig gewesen, Schwierigkeiten bei Durchführung der Rektaluntersuchung hat sie hingegen nicht geschildert. Vor diesem Hintergrund ist den Beklagten nach allem ein Befunderhebungsfehler ebenfalls nicht anzulasten.

Schließlich sieht der Senat im Anschluss an die Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen weiterhin einen Behandlungsfehler nicht im Zusammenhang mit der Entlassungsuntersuchung der Klägerin. Entgegen dem erneut erhobenen Vorwurf der Klägerin hat sich das Landgericht mit ihrem Vorbringen hierzu durchaus auseinandergesetzt. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat festgestellt, dass es eine Leitlinie zum Umfang der Untersuchung im Wochenbett vor Entlassung der Patientin nicht gibt und eine allgemeine Untersuchung deshalb an den vorliegenden Symptomen zu orientieren sei, wobei die nochmalige Kontrolle des Sphinkters nicht üblich sei, soweit hierfür eine spezielle Symptomatik nicht vorliege. Anlass für eine solche Untersuchung sei etwa unkontrollierter Stuhl- oder Flatulenzabgang. Wie ausgeführt, ist eine Stuhlinkontinenz der Klägerin in der Behandlungs- bzw. Pflegedokumentation der Beklagten zu 2. betreffend den ersten stationären Aufenthalt der Klägerin nicht festgehalten, vielmehr ist verschiedentlich normaler Stuhlgang der Klägerin dokumentiert. Die Klägerin hat im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung im Termin am 20.01.2016 auch angegeben, sie habe den Ärzten gegenüber jedenfalls nicht erwähnt, dass ein Stuhlabgang über die Scheide erfolge, sie könne auch nicht sagen, dass dies zu dieser Zeit schon so gewesen sei. Es kann von daher nicht unterstellt werden, dass eine Stuhlinkontinenz der Klägerin bei der Entlassungsuntersuchung für die Mitarbeiter der Beklagten zu 2. erkennbar gewesen ist. Unter diesen Voraussetzungen hat der gerichtlich bestellte Sachverständige eine weitergehende Untersuchung, bei der die Läsionen im Darmbereich der Klägerin und die Verletzung des Sphinkters hätten entdeckt werden müssen, nachvollziehbar nicht für erforderlich gehalten. Auch insoweit folgt der Senat weiterhin den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen und hält die gegenteiligen Ausführungen der Privatsachverständigen Dr. med. B…, bei der Entlassungsuntersuchung sei eine Untersuchung des Sphinkters obligat, aus den im Hinweis genannten Gründen nicht für überzeugend.

Die Sache hat schließlich weder grundsätzliche Bedeutung noch ist zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senates durch Urteil erforderlich. Ebenso ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus anderen Gründen nicht geboten.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 Satz 2, 711 S. 1, 2 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 70.000,00 € festgesetzt, §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO (Schmerzensgeldforderung: 60.000,00 €; Feststellungsantrag: 10.000,00 €).

 

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