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Behandlung von Frakturen der Mittelhandknochen mittels Kirschner-Drähten –  Wundinfektion

OLG München – Az.: 1 U 1387/11 – Urteil vom 12.01.2012

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 02.03.2011, Az. 3 O 165/09, wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Traunstein sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagten vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegenüber den Beklagten Ansprüche im Zusammenhang mit einer Behandlung einer Unfallverletzung am linken Oberarm geltend.

Die Klägerin stürzte am 11. April 2007 mit ihrem Fahrrad und wurde am gleichen Tag in das Kreiskrankenhaus R. der Beklagten zu 2 eingeliefert. Die behandelnden Ärzte diagnostizierten eine Kettenfraktur am linken Oberarm, eine Ellenbogenluxation mit knöchernem Ausriss am Epicondylus ulnaris, eine komplette distale Unterarmschaftfraktur links und drittgradige offene Luxationsfrakturen der Mittelhandknochen III-V.

Die Frakturen der Klägerin wurde am Abend des Unfalltages durch den Beklagten zu 2 operativ versorgt. Die Stabilisierung der Mittelhandknochen erfolgte mittels Kirschner-Drähten.

Behandlung von Frakturen der Mittelhandknochen mittels Kirschner-Drähten -  Wundinfektion
Symbolfoto: Von Inna Reznik/Shutterstock.com

In der Folgezeit wurde die Klägerin weiter stationär behandelt. So wurde am 13.4.2007 für die linke Hand eine AV Pumpe verordnet und angelegt sowie eine Röntgenkontrolle des Ellenbogens durchgeführt. Des weiteren wurden in den Krankenunterlagen regelmäßige Verbandswechsel dokumentiert. Bei einer Röntgenuntersuchung des linken Armes am 23.4.2007 zeigten sich im Bereich der Mittelhand weiterhin die Trümmerzone mit Dislokation und im Bereich des Ellenbogens eine Dehiszens im Humeroradialgelenk.

Am 24.4.2007 wurden die Fäden am Unterarm entfernt, im Bereich der Hand wurden sie belassen. Die Hand war weiterhin trocken verbunden.

Aufgrund der problematischen Wundsituation an der linken Hand beschloss der behandelnde Arzt am 26. April 2007 eine Revisionsoperation an der linken Hand durchzuführen und die weitere operative Versorgung des Ellbogengelenks zurück zu stellen.

Der Eingriff erfolgte am 27.4.2007, wobei intraoperativ ein Abstrich entnommen wurde.

Die Laboruntersuchung des Abstrichs ergab, dass sich eine Infektion mit der Bakterienart Pseudomonas aeruginosa entwickelt hatte.

Die Klägerin wurde am 9.5.2007 aus der Klinik zur Weiterbehandlung durch ihren Hausarzt entlassen.

Ab dem 15.5.2007 begab sich die Klägerin in Behandlung des niedergelassenen Handchirurgen Dr. S. in T.

Die Klägerin trägt hat vorgetragen:

Der Beklagte zu 1 habe bei der Operation vom 11.4.2007 sowohl den Bruch an der linken Hand als auch den Bruch am Ellbogen fehlerhaft operativ versorgt. Der Beklagte zu 1 habe nicht über die erforderliche ärztliche Qualifikation für den Eingriff verfügt. Die Infektion der linken Hand sei Folge einer mangelhaften Einhaltung der Hygienevorschriften durch die Beklagten. Die schwere Handphlegmone sei durch die fehlerhafte nachoperative Behandlung des Bruchs begünstigt worden. Hätten die Beklagten beim ersten Anzeichen einer sich entwickelnden Wundinfektion richtig reagiert, wäre die Infektion nicht in dem erheblichen Ausmaß entstanden, wie sie sich dann entwickelt habe. Durch die fehlerhafte Behandlung habe sie eine dauerhafte und nicht mehr revisible Schädigung der linken Hand erlitten. Dementsprechend seien die Beklagten verpflichtet, der Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld und eine monatliche Nettoerwerbsschadensrente sowie eine monatliche Haushaltsführungsschadensrente für Vergangenheit und Zukunft zu bezahlen.

Die Klägerin hat beantragt,

I. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, welches in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch in Höhe von 40.000 €, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

II. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 27.910,91 € sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 3258,44 €, jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

III. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin einen monatlichen Nettoerwerbsschaden zu zahlen in Höhe von 380 € zahlbar zum 1. eines jeden Monat, beginnend am 1.2.2009 bis letztmalig am 1.6.2025.

IV. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin eine monatliche Haushaltsführungsschadensrente in Höhe von 784,33 € zu zahlen, zahlbar beginnend am 1.2.2009 bis letztmalig zum 1.6.2025

V. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche weiteren zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, welche dieser aus der fehlerhaften Behandlung am 11.4.2007 im Kreiskrankenhaus R. entstanden sind und noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben vorgetragen: Die Klägerin sei fachgerecht behandelt worden. Der Beklagte zu 1 sei aufgrund seiner Qualifikation zur Behandlung der Verletzung der Klägerin hinreichend qualifiziert gewesen. Die Schadenshöhe werde bestritten.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Hinzuziehung des Sachverständigen Prof. Dr. W. sowie der Einvernahme von Herrn R. und Frau J. als Zeugen.

Das Landgericht wies die Klage mit Endurteil vom 2. März 2011 ab. Zur Begründung führte das Landgericht aus, dass die Klägerin den ihr obliegenden Beweis eines schadensursächlichen von den Beklagten zu verantwortenden Behandlungsfehlers nicht erbracht habe. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei die operative Versorgung der Klägerin nicht zu beanstanden, der Beklagte zu 1 sei sowohl bei der Versorgung des Ellenbogens als auch der Hand fachgerecht vorgegangen. Insbesondere habe der Sachverständige dargelegt, dass es keinen Fehler darstelle, die Frakturen zunächst durch K- Drähte zu stabilisieren, um eine Konsolidierung der Wundverhältnisse zu erreichen und später eine Versteifungsoperation vorzunehmen. Die Wundrevision am 27. April 2007 sei zeitgerecht erfolgt, vor diesem Zeitpunkt habe kein ausreichender Grund bestanden, die Revision durchzuführen. Die gewählte Versorgungsform sei ausreichend gewesen, um eine möglichst gute Wiederherstellung der Hand zu erreichen. Aufgrund der vorgefundenen Verletzungen sei eine Reposition anatomisch nicht mehr zu erreichen gewesen. Der Beklagte zu 1 sei als Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie, Traumatologie und Orthopädie hinreichend qualifiziert gewesen, eine fachgerechte operative Versorgung der Verletzungen der Klägerin zu gewährleisten. Die aufgetretene Infektion könne nicht dem Behandler angelastet werden. Prädisponierend für die Infektion seien die offene Verletzung und deren Verschmutzung sowie die komplexen knöchernen Verletzungen gewesen. In den Behandlungsunterlagen seien regelmäßige Verbandswechsel dokumentiert. Des weiteren habe die als Zeugin vernommene Stationsärztin J. bestätigt, dass die am 19. und 23. April erhobenen Laborwerte keine erhöhten Entzündungswerte aufgewiesen hätten und bis zum 23. April 2007 rückläufig gewesen wären. Der Ehemann der Klägerin habe lediglich bekunden können, dass bei seinen Besuchen der Verband rötlich durchnässt und die Schlinge dreckig und verschmutzt gewesen sei. Daraus könne nicht geschlossen werden, dass der Verband nicht regelmäßig gewechselt worden sei oder sonstige hygienische Mängel bestanden hätten.

Die Klägerin legte mit Schriftsatz vom 1.4.2011 gegen das ihr am 8.3.2011 zugestellte Urteil Berufung ein und begründete diese mit Schriftsatz vom 9.5.2011.

Die Klägerin trägt vor: Das Landgericht sei zu Unrecht den Ausführungen des Sachverständigen gefolgt, dass die erfolgte operative Versorgung der linken Hand keinen Behandlungsfehler darstelle. Die Aussage des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung, dass die Lage der Drähte nicht optimal gewesen sei, es der Beklagte zu 1 aber versucht habe, diese optimal zu platzieren, lege einen Behandlungsfehler nahe. Hätte der Beklagte zu 1 eine ausreichende Fixierung der gebrochenen Mittelhandknochen gewährleistet, wäre es nicht zu der Folge der Versteifung gekommen. Eine entsprechende Fixierung hätte durch eine sorgfältige Kontrolle der Lage der Drähte erreicht werden können. Es werde insoweit auf das vorgelegte Gutachten des Privatsachverständigen Dr. E. verwiesen, der ausgeführt habe, dass eine ausreichende Fixierung nur dann zu erreichen sei, wenn der Draht nicht in einem frakturierten Knochen verankert werde. Gegen diesen medizinischen Standard habe der Beklagte zu 1 jedoch verstoßen, da der dritte Mittelhandknochen von den Drähten gerade nicht erfasst worden sei und die längsverlaufenden Drähte teilweise außerhalb des Knochen in das Weichteilgewebe hinein geragt hätten und der fünfte Mittelhandknochen überhaupt nicht erfasst worden sei. Dies hätte im Rahmen entsprechender intraoperativer Kontrollen auffallen und entsprechend korrigiert werden müssen. Angesichts der gegenteiligen Auffassung des Privatgutachters Dr. E., könne den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen, dass die Abweichungen tolerabel seien, nicht gefolgt werden. Zumindest hätte ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen, um die Widersprüche aufzuklären.

Die Aussage des gerichtlichen Sachverständigen, dass nicht vorstellbar sei, dass ein durchnässter Verband eine Infektion hervorrufen könne, sei schlichtweg nicht nachvollziehbar. Es werde insoweit auf das Gutachten von Dr. E. verwiesen, der vorgetragen habe, dass bei einem durchfeuchteten Verband eine Durchwanderung der Bakterien von außen möglich sei. Des weiteren habe der Sachverständige die Zeugenaussage von Herrn R. außer acht gelassen, der ausgesagt habe, dass der Verband immer verfärbt und auch durchnässt gewesen sei. Aufgrund dieser Aussage sei ein Verstoß gegen die Hygieneleitlinien festzustellen, da ein durchnässter Verband leitliniengerecht stets ausgewechselt werden müsse. Das Landgericht verkenne, dass für den Fall des Vorliegens eines Behandlungsfehlers nunmehr die Beklagten hinsichtlich des Umstandes, dass die durchfeuchteten Verbände nicht kausal für die eingetretene Infektion gewesen seien, beweisbelastet seien. Diese Vermutung hätten die Beklagten durch den gerichtlichen Sachverständigen nicht widerlegt

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des am 2.3.2011 verkündeten Urteils des Landgerichts Traunstein, Aktenzeichen: 3 O 165/09 die Beklagten zu verurteilen:

I. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, welches in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch in Höhe von 40.000 €, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

II. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 27.910,91 € sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 3258,44 €, jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

III. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin einen monatlichen Nettoerwerbsschaden zu zahlen in Höhe von 380 € zahlbar zum 1. eines jeden Monats, beginnend am 1.2.2009 bis letztmalig am 1.6.2025.

IV. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin eine monatliche Haushaltsführungsschadensrente in Höhe von 784,33 € zu zahlen, zahlbar beginnend am 1.2.2009 bis letztmalig zum 1.6.2025

V. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, die Klägerin sämtliche weiteren zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, welche dieser aus der fehlerhaften Behandlung am 11.4.2007 im Kreiskrankenhaus R. entstanden sind und noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Die Beklagten beantragen, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgericht Traunstein, Aktenzeichen 3 O 165/09 kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagten tragen vor: Das Landgericht habe die Klage zu Recht abgewiesen.

Das Landgericht habe keinen Anlass gehabt ein weiteres Gutachten einzuholen, da der Sachverständige Dr. W. überzeugend dargelegt habe, dass die Drähte ordnungsgemäß liegen würden und Abweichungen tolerabel seien. Der Gutachter Dr. E. übersehe die Schwere der Verletzung. Eine hinreichende Auseinandersetzung mit den unzutreffenden Einwendungen des Privatsachverständigen sei erfolgt.

Ein etwaiger Verstoß gegen Hygienevorschriften läge nicht vor. Die Verbände seien regelmäßig unter Einhaltung der einschlägigen Standards gewechselt worden. Das Landgericht sei zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass kein Verstoß gegen Hygienerichtlinien und keine Kausalität für das Entstehen der Infektion vorliege. Das Landgericht sei hierbei den nachvollziehbaren Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen gefolgt. Der Sachverständige habe die Einwendung der Klägerin, dass nicht täglich erfolgte Verbandswechsel, Ursache für die Infektion gewesen sein können, nachvollziehbar entkräftet. Auch habe der gerichtliche Sachverständige überzeugend dargelegt, dass vor dem 27.4.2007 kein Anlass bestanden habe, einen Abstrich zu entnehmen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Hinzuziehung des Sachverständigen Prof. Dr. W. Weiter hat der Senat die Klägerin und den Beklagten zu 1 angehört.

Hinsicht des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren nimmt der Senat Bezug auf die zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung erwies sich als unbegründet.

A. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Es kann zunächst voll umfänglich auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen werden.

Der Klägerin ist es auch in der Berufungsinstanz nicht gelungen, den Beklagten einen intra – oder postoperativen Behandlungsfehler nachzuweisen.

I. Die Klägerin konnte nicht belegen, dass die operative Versorgung der linken Hand nicht fachgerecht erfolgt ist.

1. Der Sachverständige Dr. W. hat in der Anhörung vor dem Senat überzeugend erläutert, dass die Behandlung der Frakturen den Regeln der Unfallchirurgie entsprochen hat. Er erklärte, dass der vierte und fünfte Finger gelenknah zertrümmert und die Gelenke zerstört waren, während beim dritten Strahl nur die Basis gebrochen war. Daher mussten – so der Sachverständige weiter – die Brüche zum einen längs stabilisiert werden und zum anderen wegen der Trümmerzone auch eine Stabilisierung durch Querdrähte erfolgen. In seinem schriftlichen Gutachten wies der Sachverständige bereits darauf hin, dass aufgrund der erheblichen Trümmerzone insbesondere im Bereich des vierten und fünften Strahls die Platzierung der Drähte erschwert war. Mit der Operation sollte eine Stabilisierung der Frakturen erreicht werden, um eine Konsolidierung der Wundverhältnisse zu ermöglichen. Dieses Operationsziel wurde erreicht, nach den Erläuterungen des Sachverständigen führte die von dem Beklagten zu 1 vorgenommene Konstruktion zu einer achsengerechten Stabilisierung der drei Finger. Diese Feststellung des Sachverständige beruht auf der Auswertung der prä- und postoperativen Bildaufnahmen. Der Sachverständige konnte auch keine Überlänge der Querdrähte erkennen.

Der Sachverständige hat nachvollziehbar dargelegt, dass die Verkürzung des vierten und fünften Strahls nicht vermeidbar war, da die Gelenke zerstört und nicht wieder herstellbar gewesen sind. Weiter erläuterte er, dass die Drähte im vierten und insbesondere im fünften Strahl die Schaftfrakturen nur teilweise erfasst haben. Nach den Ausführungen des Sachverständigen wurde dennoch ein stabiles Heilungsergebnis erreicht, wobei es allerdings zu einer Verkürzung des vierten und fünften Strahls kam. Die aufgetretenen Verkürzungen des vierten und fünften Strahls waren aber nach den Darlegungen des Sachverständigen unvermeidbar und stehen in keinem Zusammenhang mit der vorgenommen Stabilisierung mittels Kirschner-Drähten, sondern beruhen auf der Primärverletzung.

2. Die von der Klägerin vorgelegte gutachterliche Stellungnahme von Dr. E. vermögen die Aussagen des gerichtlichen Sachverständigen nicht in Zweifel zu ziehen.

Der Privatgutachter ist im Gegensatz zu dem gerichtlichen Sachverständigen der Auffassung, dass das Operationsziel nicht erreicht wurde und die nachfolgenden Komplikationen wie die Infektion, die CRPS und die Verkürzung der beiden äußeren Finger der linken Hand auf eine unzureichende Primärversorgung zurückzuführen sind. Der Privatgutachter scheint davon auszugehen, dass eine weitgehende Wiederherstellung der Hand trotz der schweren Primärverletzungen möglich gewesen wäre und schließt aufgrund der eingetretenen Verkürzung auf eine unzureichende Stabilisierung der Frakturen. In der gutachterlichen Stellungnahme von Dr. E. fehlt es jedoch an einer Auseinandersetzung mit dem Problem inwieweit eine völlige Wiederherstellung aufgrund der schweren Ausgangsverletzungen überhaupt möglich gewesen wäre und welche alternativen Möglichkeiten zu einer Stabilisierung angesichts der zertrümmerten Gelenke des Strahls vier und fünf dem Operateur überhaupt zur Verfügung gestanden haben. Der gerichtliche Sachverständige hat sich im Gegensatz zu dem Privatgutachter mit der Frage befasst, welche operativen Möglichkeiten einer Stabilisierung angesichts der Ausgangsverletzung bestanden haben und was in Anbetracht der schweren Verletzung überhaupt operativ machbar war. Er hat dargelegt, dass die ausgedehnte Trümmerzone, insbesondere im vierten und fünften Strahl, eine Rekonstruktion der entsprechenden Gelenke unmöglich gemacht und angesichts der Verletzungen nur die Möglichkeit bestanden hat, eine temporäre Stabilisierung durch Kirschner-Drähte als Vorbereitung auf eine spätere operative Versteifung herzustellen.

II. Den Beklagten können auch keine postoperativen Fehler vorgeworfen werden.

1. Die Beweisaufnahme hat keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Beklagten durch mangelnde Hygienemaßnahmen oder unterlassene Verbandswechsel den Ausbruch der Infektion verursacht oder begünstigt haben.

Aus der vorgelegten Krankendokumentation ergibt sich, dass der Verband regelmäßig aber nicht täglich gewechselt worden ist. Der Sachverständige konnte hinsichtlich der Häufigkeit der Verbandswechsel keinerlei Fehler feststellen. Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Aussage des Ehemanns der Klägerin, dass der Verband immer durchnässt gewesen sei, nicht ausreicht, um zu belegen, dass eine unsachgemäße Wundpflege erfolgt ist.

Die Angabe der Klägerin in der mündlichen Anhörung vor dem Senat, dass der Verband nicht täglich gewechselt worden ist, steht mit der Dokumentation in Übereinstimmung.

Konkrete Anhaltspunkte, dass bei den Verbandswechseln und der Wundbehandlung Hygienevorschriften missachtet worden sind, liegen nicht vor. Insbesondere bietet die aufgetretene Infektion keinen Hinweis auf etwaige Hygienemängel. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass das Auftreten der Infektion keine mangelhafte Einhaltung der Hygienevorschriften indiziere oder belege. Er erläuterte, dass die Ausgangsverletzung im Bereich der linken Hand die naheliegende Ursache für die Infektion darstellt und auch die Tatsache, dass der erste Abstrich am Unfalltag keimfrei geblieben ist, kein Hinweis dafür beinhaltet, dass die Behandler die Hygienevorschriften mangelhaft eingehalten haben. Zusammenfassend kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass es wesentlich wahrscheinlicher sei, dass die Infektion durch die Verletzung an sich und nicht durch die Behandlung entstanden ist. Diese Erläuterungen sind vor dem Hintergrund, dass die Wunde stark verschmutzt war, gut nachvollziehbar.

2. Der Sachverständige konnte entgegen der Auffassung des Privatgutachters keine verzögerte Behandlung der Infektion feststellen. In seinem schriftlichen Gutachten führte er aus, dass die regelmäßige Kontrolle der Laborwerte zunächst keine akute Infektion angezeigt haben. Auch habe die Klägerin nicht gefiebert. Die am 11.4.2007, 16.4.2007 und 23.4.2007 erhobenen Werte hätten dem postoperativen Zustand entsprochen. Erst der nach der Revisionsoperation am 29. April 2007 erhobene CRP Wert sei mit einer Infektion vereinbar gewesen. Nachdem am 26.4.2007 eine auffällige Sekretion der Wunde festgestellt wurde, ist nach Bewertung des Sachverständigen fachgerecht reagiert worden. Ein Hinweis für das rechtzeitige Erkennen der Infektion ist nach den Ausführungen des Sachverständigen auch, dass die Infektion mit einem operativen Eingriff beherrscht werden konnte.

Der Beklagte zu 1 hat bei seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat erklärt, dass vor dem 26.4.2007 es weder vom Lokalbefund noch vom Labor her einen Anhaltspunkt für eine Infektion gegeben hat. Der gerichtliche Sachverständige hat diese Bewertung des Beklagten zu 1 bestätigt. Die Klägerin konnte in der mündlichen Anhörung vor dem Landgericht nicht angeben, zu welchem Zeitpunkt sie welche Farben oder Sekrete an dem Verband festgestellt hat. Es ergeben sich daher weder aus den Darstellungen der Parteien noch aus dem Verlauf der Infektion noch aus den Laborwerten hinreichende Anhaltspunkte, dass die Beklagten zu spät auf die Infektion reagiert haben. Dabei war insbesondere zu berücksichtigen, dass der Sachverständige ausgeführt hat, dass die Infektion mit einem operativen Eingriff beherrscht werden konnte und dies einen Hinweis auf ein rechtzeitiges Erkennen der Infektion darstellt.

B. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

C. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

D. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.

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