OLG Karlsruhe – Az.: 7 U 90/15 – Urteil vom 13.12.2017
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 22.04.2015 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
a) Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 500 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.01.2014 zu zahlen.
b) Die Beklagten werden verurteilt, die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 43,38 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.01.2014 freizustellen.
c) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt vorbehalten, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin macht gegen die Beklagten Arzthaftungsansprüche im Zusammenhang mit der Entfernung von Osteosynthesematerial geltend.
Zur Behandlung einer distalen Radiusfraktur des rechten Handgelenks wurde der Klägerin in der Klinik E. unter Verwendung von sechs Schrauben eine winkelstabile Radiuspatte eingesetzt. Bei einer ambulanten Operation am 09.05.2012 bei der Beklagten Ziff. 1 sollte der Beklagte Ziff. 2 das Osteosynthesematerial entfernen. Dabei ließ sich eine Schraube nicht lösen. Zur Entfernung dieser Schraube sowie der Radiusplatte ist die Klägerin am 16.05.2012 in der …-Klinik in E. erneut operiert worden. Infolge der Operation vom 09.05.2012 hat die Klägerin an sich im Verlauf zurückbildenden Nervenbeeinträchtigungen in ihrer rechten Hand gelitten. Sie macht Behandlungs- und Aufklärungsfehler geltend. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Feststellungen des Landgerichts Heidelberg im Urteil vom 22.04.2015 verwiesen (I 277 ff.).
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt (I 5):
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Festsetzung der Höhe nach in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit nach §§ 288 Abs. 1, 291 Satz 1, 1. HS BGB.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche aus der fehlerhaften Behandlung resultierenden weiteren materiellen Schäden für Vergangenheit und Zukunft sowie die nicht vorhersehbaren immateriellen Zukunftsschäden zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen und übergegangen sind.
3. Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, der Klägerin gegenüber die nach dem RVG nicht konsumierten außergerichtlichen Kosten der Klägerin bei den Prozessbevollmächtigten in Höhe von 2.037,88 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit nach §§ 288 Abs. 1, 291 Satz 1, 1. HS BGB im Wege der Nebenforderung freizustellen.
Die Beklagten haben beantragt (II 45), die Klage abzuweisen.
Nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Facharztes für Orthopädie und Traumatologie sowie spezielle orthopädische Chirurgie Prof. Dr. F. (I 105, 137) sowie dessen mündlicher Erläuterung (I 259) und Anhörung der Klägerin und des Beklagten Ziff. 2 (I 245, 251) hat das Landgericht Heidelberg die Beklagten unter Klagabweisung im Übrigen verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 € zu zahlen und sie von ihren vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.108,72 € freizustellen. Außerdem wurde dem Feststellungsantrag stattgegeben (I 277). Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, ein Behandlungsfehler liege nicht vor. Es sei naheliegend, dass sich die bei der Operation im Handgelenk verbliebene Schraube mit der Platte verbunden habe. Die Beklagten hätten für solche Fälle keine besonderen Werkzeuge vorrätig halten müssen. Insbesondere seien Werkzeuge mit Linksgewinde, mit denen in Fällen wie dem vorliegenden Schrauben gelöst werden könnten, nicht in allen Krankenhäusern vorhanden (I 293). Soweit die Klägerin über eine Nervenbeeinträchtigung klage, sei davon auszugehen, dass der Nerv lediglich geringfügig kompromittiert worden sei, was sich bei Operationen der vorgenommenen Art nicht immer vermeiden lasse (I 295). Die Klägerin sei indes – bei ansonsten nicht zu beanstandender Aufklärung (I 297 ff.) – nicht vollständig auf das (seltene) Risiko hingewiesen worden, dass zwingend zu entfernendes Material erst in einer weiteren Operation herausgenommen werden könne (I 303). Zu dem beklagtenseits erhobenen Einwand der hypothetischen Einwilligung habe die Klägerin plausibel angegeben, dass sie den Eingriff in Kenntnis des Risikos in einer Klinik hätte durchführen lassen, die auch für solche Komplikationen ausgestattet sei (I 305). Ausgehend von der so angenommenen Rechtswidrigkeit der Operation am 09.05.2012 hat das Landgericht bei der Bemessung des Schmerzensgeldes den Eingriff als solchen sowie die damit in Zusammenhang stehenden Nervenbeeinträchtigungen berücksichtigt (I 307 f.). Für weitere Einzelheiten wird auf das Urteil vom 22.04.2015 verwiesen.
Gegen diese ihnen am 27.04.2015 zugestellte (I 317) Entscheidung wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung vom 26.05.2015, eingegangen beim Oberlandesgericht am gleichen Tag (II 1), die sie innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist (II 15) mit am 27.07.2015 eingegangenem Schriftsatz begründet haben (II 25). Sie verfolgen ihr erstinstanzliches Begehren der Klagabweisung weiter.
Die Beklagten meinen im Wesentlichen, der Eingriff am 09.05.2012 sei rechtmäßig erfolgt (II 29). Sie hätten auf das Risiko, dass sich eine der Schrauben möglicherweise nicht lösen lasse, nicht hinweisen müssen, da es sich um kein typisches Risiko gehandelt habe. Insofern habe der Sachverständige ausgeführt, er habe es in seiner Praxis noch nicht erlebt, dass eine Schraube nicht zu entfernen sei, in der Literatur gebe es keine Angaben zur Häufigkeit und das Problem werde üblicherweise nicht erwähnt. Im Übrigen habe er sich „schwer damit getan“, die Schwierigkeiten beim Herausdrehen der Schraube überhaupt als Komplikation zu bezeichnen (II 31 ff.). Abgesehen davon sei nicht davon auszugehen, dass die Klägerin den Eingriff bei der vom Landgericht geforderten Aufklärung andernorts hätte vornehmen lassen. So habe sie sich trotz Hinweises auf alle dem Eingriff typischerweise anhaftenden Risiken zu einer Operation bei ihnen entschieden und nicht angegeben, in welcher Klinik sie sich alternativ hätte operieren lassen (II 35 f.). Schließlich würden die Behauptungen der Klägerin zu den postoperativen Beeinträchtigungen nicht die Annahme begründen, dass in Zukunft noch mit Schäden zu rechnen sei. Dies sei bei dem Feststellungsantrag zu Unrecht nicht berücksichtigt worden (II 39 f.). Wenn der Sachverständige in zweiter Instanz nun erstmals meine, sie hätten Spezialwerkzeuge bereit halten müssen, sei daran zu erinnern, dass er sich auf eine Veröffentlichung stütze, bei der noch nicht einmal klar sei, ob sie am 09.05.2012 bereits vorgelegen habe oder aber so rechtzeitig vor der Operation erschienen sei, dass sie darauf hätten reagieren können. Außerdem würde die Publikation nicht zwischen den verschiedenen Krankenhäusern und niedergelassen Ärzten differenzieren und eine einzige Arbeit lege allein noch nicht den Standard fest (II 197 ff.). Jedenfalls sei in diesem Zusammenhang zu sehen, dass die Nervenläsion nicht auf ein Fehlen von Werkzeugen zurückgeführt werden könne, da sie bereits bei dem Ersteingriff entstanden sei (II 201).
Die Beklagten beantragen (II 5), das Urteil des Landgerichts Heidelberg, Az. 4 O 221/13 – soweit die Beklagten darin verurteilt worden sind – aufzuheben und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
Die Klägerin beantragt (II 63), die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil (II 65 ff.). Über die dortigen Gründe hinaus sei eine Haftung auch unter dem Aspekt des Übernahmeverschuldens gegeben. Die Beklagten hätten für Komplikationen und bestimmte Risiken ausgestattet sein müssen, wenn sie sich wie geschehen verpflichteten, modernes Ostheosynthesematerial zu entfernen (II 73). Dies gelte insbesondere für das vorliegend aufgetretene Phänomen der sog. Kaltverschweißung zwischen Platte und Schraube (II 73). Insofern habe die Klägerin nicht nur über das Misserfolgsrisiko, sondern auch über die fehlende Ausstattung aufgeklärt werden müssen (II 77).
Der Senat hat mit Beschluss vom 14.12.2016 ergänzend Beweis erhoben durch die Einholung einer ergänzenden schriftlichen Stellungnahme des Sachverständigen (II 105), die dieser im Termin vom 22.11.2017 mündlich erläutert hat. Insofern wird auf seine schriftlichen Ausführungen vom 10.04.2017 sowie auf das Protokoll vom 22.11.2017 Bezug genommen (II 131, 227).
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze sowie die beigezogenen Behandlungsunterlagen verwiesen.
II.
Die nach §§ 511 ff. ZPO zulässige Berufung ist überwiegend begründet. Die Beklagten haben der Klägerin neben Zinsen ein Schmerzensgeld in Höhe von 500 € zu zahlen und sie von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 43,38 € freizustellen. Im Übrigen ist das landgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
1. Der Anspruch auf Schmerzensgeld und Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich aus § 280 BGB i.V.m. dem abgeschlossenen Behandlungsvertrag. Es ist das bis zum 25.02.2013 geltende Recht anzuwenden, da der Behandlungsvertrag bereits im Jahr 2012 abgeschlossen wurde und eine Überleitungsvorschrift, die die rückwirkende Anwendung anordnet, nicht existiert (i.E. ebenso Erman/Rehborn/Gescher, BGB, 15. Auflage 2017, Vorbemerkung vor § 630a Rn. 1 m.w.N.).
a) Die Beklagten haben ihre Pflichten aus dem Behandlungsvertrag verletzt, weil sie die Operation vorgenommen haben, obwohl dem Beklagten Ziff. 2 – so seine eigenen Angaben (I 259) – zwar das übliche Instrumentarium zur Entfernung der Schrauben zur Verfügung gestanden hat, nicht aber ein spezieller Gewindeschneider.
aa) Der Arzt schuldet dem Patienten aus dem sie verbindenden Dienstvertrag, ihn nach dem anerkannten und gesicherten Standard der medizinischen Wissenschaft zu behandeln. Als Behandlungsfehler ist dabei jeder Verstoß gegen die Regeln und den Standard der ärztlichen Wissenschaft zu verstehen (BGH VersR 1997, 770; vgl. auch Senat vom 12.10.2005 – 7 U 132/04, juris Rn. 6). Danach ist der Arzt gehalten, den Patienten an ein spezialisiertes Krankenhaus zu verweisen, wenn ein Eingriff nur dort ohne bzw. mit erheblich vermindertem Komplikationsrisiko vorgenommen werden kann. Das Unterlassen dieser Maßnahme ist ein Behandlungsfehler, wenn ein sorgfältiger und gewissenhafter Arzt die Behandlung hätte ablehnen müssen. Letzteres ist anzunehmen, wenn seine Ausstattung sich in der unteren Bandbreite des ärztlichen Behandlungsstandards bewegt (vgl. BGH vom 15.04.2014 – VI ZR 382/12, juris Rn. 11; BGH vom 30.05.1989 – VI ZR 200/88, juris Rn. 9; OLG Köln vom 13.08.2014 – 5 U 104/13, juris Rn. 30).
bb) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme entsprach es im Operationszeitpunkt dem ärztlichen Standard, in einer nicht nur unterdurchschnittlich ausgestatteten Praxis spezielle Geräte für die Fälle vorzuhalten, in denen sich die Schrauben von einer winkelstabilen Platte schwer lösen.
(1) Der ärztliche Standard gibt Auskunft darüber, welches Verhalten von einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt in der konkreten Behandlungssituation aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs im Zeitpunkt der Behandlung vorausgesetzt und erwartet werden kann. Er repräsentiert den jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der ärztlichen Erfahrung, der zur Erreichung des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich ist und sich in der Erprobung bewährt hat (BGH vom 24.02.2015 – VI ZR 106/13, juris Rn. 7).
(2) Nach diesen Maßstäben waren die Beklagten nicht ausreichend ausgestattet, um den streitgegenständlichen Eingriff vornehmen zu können.
(a) Bei der Schwierigkeit, Schrauben wegen des Verbunds mit der Winkelplatte nicht lösen zu können, handelte es sich um ein im Operationszeitpunkt bekanntes Problem. So erläuterte der Sachverständige, dass die am ehesten anzunehmende Kaltverschweißung zwar extrem selten auftrete, aber durchaus ein bekanntes Phänomen sei (I 185, 261). Nach einer intensiven Befassung mit der hierzu veröffentlichen Literatur (II 147) führte er ergänzend aus, dass dieses im Operationszeitpunkt auch einem niedergelassenen Arzt dem Grunde nach bekannt gewesen sein musste (II 153). Es sei – wenn auch seltener – bereits bei den zuvor verwandten Platten aufgetreten (I 185; II 229). In einer Veröffentlichung von Breyer aus dem Jahr 2008 zum Thema „Indikation zur Entfernung winkelstabiler Radiusplatten“, erschienen in Trauma und Berufskrankheit 2008, 256 ff., sei bereits beschrieben worden, dass es auch bei winkelstabilen Platten dazu kommen könne, dass sich Schrauben schwer lösen (II 147). Die Beklagten hätten den Aufsatz auch zur Kenntnis nehmen müssen, da es sich bei der Zeitschrift um ein gängiges Publikationsorgan auf dem Gebiet der Unfallchirurgie handele, bei dem vorauszusetzen sei, dass sich auch ein niedergelassener Chirurg mit den dortigen Veröffentlichungen befasse (II 229). Diese nachvollziehbaren Ausführungen macht sich der Senat nach kritischer Prüfung zu eigen. Der Sachverständige hat sich bei seiner Beurteilung ausdrücklich auf langjährige eigene praktische Erfahrungen mit winkelstabilen Platten berufen (I 185). Außerdem hat er die Veröffentlichung von Breyer in Auszügen zitiert (II 147), so dass der Senat deren maßgeblichen Inhalt selber zur Kenntnis nehmen konnte. Der Überzeugung von der Richtigkeit steht nicht die anfängliche Einschätzung des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 03.11.2014 entgegen, am 09.05.2012 sei nicht fehlerhaft gearbeitet worden (I 185). Denn er hat dabei allein die gegebene Situation bewertet, nämlich dass dem Beklagten Ziff. 2 kein anderes Werkzeug als der Schraubendreher zur Verfügung gestanden hat. Dass die Probleme aber bekannt waren, hat er wie ausgeführt bereits von Anfang an seinen Ausführungen zugrunde gelegt.
(b) Auf die Erkenntnis, dass sich die Schrauben mit den üblichen Werkzeugen nicht lösen lassen, mussten die Beklagten im streitgegenständlichen Zeitpunkt zur Erfüllung des Facharztstandards bereits in der Weise reagiert haben, dass ihnen zumindest ein linksdrehender Schraubendreher zur Verfügung stand. Hierzu führte der Sachverständige aufgrund seines Fachwissens und seiner eigenen Berufserfahrung überzeugend aus, dass in Praxen auch für die früher verwandten Platten bereits linksdrehende Extraktionsschrauben vorhanden waren für den Fall, dass sich Schrauben schwer lösen lassen (II 229). Insofern mussten niedergelassene Ärzte wie die Beklagten nach Bekanntwerden entsprechender Schwierigkeiten bei den neuen winkelstabilen Platten in vergleichbarer Weise Vorsorge treffen. Hierzu verwies der Sachverständige unterstützend auf Anfang 2012 und damit vor Durchführung der streitgegenständlichen Operation veröffentlichte Aufsätze von Höntzsch u.a., die in den Fachzeitschriften „OP-Journal“ und „Unfallchirurg“ erschienen sind und in denen explizit angesprochen wurde, dass linksdrehende Extraktionsschrauben zu verwenden seien, wenn sich Schrauben in winkelstabilen Platten nicht lösen lassen würden; es solle ein sog. „Screw-Removal-Set“ mit verschiedenen Extraktionsbolzen vorhanden sein (II 153 ff.). Jedenfalls bei der Zeitschrift „OP-Journal“ handele es sich um ein gängiges Organ (II 229). Der Hinweis der Beklagten, sie hätten nach Erscheinen der Artikel im Jahr 2012 nicht genügend Zeit gehabt, sich auf die dortigen Hinweise einzustellen, geht dabei fehl. Denn die Problematik war wie ausgeführt spätestens seit 2008 und damit lange vor der streitgegenständlichen Operation vom 09.05.2012 bekannt.
b) Durch den Behandlungsfehler, nämlich das Fehlen des notwendigen Werkzeugs bei der ersten Operation, wurde die zweite Operation erforderlich. Weitere Gesundheitsbeeinträchtigungen stehen dagegen nicht in einem Kausalzusammenhang mit dem Behandlungsfehler. Dies gilt insbesondere für die bei dem Eingriff am 09.05.2012 erlittenen Nervenläsionen. Insofern führte der Sachverständige im Senatstermin aus, dass die Beeinträchtigung mit der Entfernung der Platte als solcher, nicht aber mit der festsitzenden Schraube im Zusammenhang steht, da der nervus medianus sich in der Nähe der Platte befindet und bei deren Entfernung beiseitegeschoben werden musste. Hierbei könne es in seltenen Fällen zu einer Beeinträchtigung des Nervs kommen (II 231). Diese schlüssigen und nachvollziehbaren Einschätzungen legt der Senat seiner Entscheidung als eigene zugrunde. Zweifel an der Richtigkeit bestehen angesichts der geschilderten anatomischen Verhältnisse nicht.
c) Wegen der durch die notwendig gewordene zweite Operation erlittenen Beeinträchtigungen hält der Senat unter Einbeziehung aller erkennbarer Umstände ein Schmerzensgeld in Höhe von 500 € auch unter dem Aspekt der Genugtuung für ausreichend, aber auch erforderlich, um die durch den Behandlungsfehler erlittenen Folgen auszugleichen. Dabei wird insbesondere berücksichtigt, dass es einerseits eine Belastung darstellt, sich einem weiteren Eingriff unterziehen zu müssen, dieser andererseits aber auch zeitnah, ambulant und in Lokalanästhesie durchgeführt werden konnte sowie komplikationslos verlief.
Darüber hinaus haben die Beklagten die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 43,38 € freizustellen. Zugrunde zu legen ist ein Streitwert von 500 €; nach dem Ausgeführten haften die Beklagten der Klägerin lediglich auf ein Schmerzensgeld in dieser Höhe. Geltend gemacht hat die Klägerin Anwaltsgebühren nach Abzug einer 0,75-fachen Gebühr (I 27). Nicht angefochten wurde der vom Landgericht angenommene Ansatz einer 1,3-fachen Gebühr, weshalb dieser der Entscheidung zugrunde zu legen ist. Es errechnen sich so Kosten in Höhe von 1,3 x 45 € (Nr. 2300 VV-RVG) abzüglich 0,75 x 45 € zuzüglich einer Postpauschale in Höhe von 20 % aus 1,3 x 45 € (Nr. 7002 VV-RVG) zuzüglich Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV-RVG), mithin in Höhe von insgesamt 43,38 €.
2. Eine weitergehende Haftung kommt nicht unter dem Aspekt in Betracht, dass die erste Operation mangels wirksamer Einwilligung rechtswidrig war. Ein Aufklärungsfehler ist nicht festzustellen.
a) Über die Tatsache, dass die Beklagten kein Werkzeug zur Verfügung hatten, mit denen sich schwer lösbare Schrauben entfernen lassen, war nicht aufzuklären. Wie ausgeführt handelte es sich insofern um einen Behandlungsfehler und über einen solchen ist nicht aufzuklären. Aufzuklären ist nur über Risiken, die sich auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt oder bei fehlerfreier Durchführung des Eingriffs nicht mit Gewissheit ausschließen lassen (vgl. hierzu OLG Koblenz vom 29.11.2001 – 5 U 1382/00, juris Rn. 95).
b) Über das Risiko, dass es beim Lösen der Schrauben zu Schwierigkeiten kommen kann, war ebenfalls nicht aufzuklären.
aa) Eine wirksame Einwilligung des Patienten setzt dessen ordnungsgemäße Aufklärung voraus. Dabei ist ein Patient über schwerwiegende Risiken, die mit einer Operation verbunden sind, grundsätzlich auch dann aufzuklären, wenn sie sich nur selten verwirklichen. Risikostatistiken sind für das Maß der Aufklärung von nur geringem Wert. Entscheidend für die ärztliche Hinweispflicht ist nicht ein bestimmter Grad der Risikodichte, insbesondere nicht eine bestimmte Statistik. Maßgebend ist vielmehr, ob das betreffende Risiko dem Eingriff spezifisch anhaftet und es bei seiner Verwirklichung die Lebensführung des Patienten besonders belastet (BGH vom 30.09.2014 – VI ZR 443/13, juris Rn. 6).
bb) Nach diesen Maßstäben war über den Umstand, dass sich eine Schraube möglicherweise nicht oder nur schwer lösen lässt, nicht aufzuklären. Es handelt sich um ein seltenes Risiko im Sinne der genannten Rechtsprechung. Dabei kann dahinstehen, ob die vom Sachverständigen angegebene Häufigkeit zutrifft. Denn jedenfalls geht aus seinen Angaben hervor, dass das Problem nur in einer ganz geringen Anzahl von Fällen vorkommt (I 261, 267). Über dieses Risiko war wegen seiner Seltenheit nicht aufzuklären. Zwar ist es als spezifisches Risiko einzuordnen. Hierzu erläuterte der Sachverständige nachvollziehbar, dass und warum es zu der Verbindung zwischen einer Schraube und einer Platte kommen kann (I 183, 261). Die Verwirklichung des Risikos wirkt sich für den Patienten aber nicht als besonders belastend im eingangs genannten Sinne aus, weil gegebenenfalls eine weitere – lediglich ambulant und ohne Vollnarkose mögliche – Operation durchzuführen ist.
3. Soweit sich die Berufung gegen die Feststellung der Ersatzpflicht weiterer Schäden wendet, hat sie vollumfänglich Erfolg. Ein zulässiger Feststellungsantrag ist nur begründet, wenn der haftungsrechtlich relevante Eingriff zu möglichen künftigen Schäden führen kann (vgl. BGH vom 09.01.2007 – VI ZR 133/06, Rn. 6.; BGH vom 16.01.2001 – VI ZR 381/99, juris Rn. 8). Hieran fehlt es vorliegend. Der Sachverständige verneinte dies in konsequenter Fortführung der – wie dargelegt zutreffenden – Annahme, Folge des Behandlungsfehlers sei ausschließlich die zweite, komplikationslos verlaufene Operation gewesen. Danach kann, was er auch ausdrücklich bestätigte (II 231) ausgeschlossen werden, dass noch Schäden entstanden sind oder entstehen werden, die bei Klageeinreichung noch nicht bezifferbar waren.
4. Die Zinsentscheidungen beruhen auf §§ 286, 288 BGB. Insofern kann auf die zutreffenden Feststellungen des Landgerichts verwiesen werden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Beklagten unterliegen in beiden Instanzen nur geringfügig und ihre Zuvielforderung hat keine bzw. nur geringfügig höhere Kosten verursacht.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 8, 710 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.