Leitsatz
1. Zur ermessensfehlerfreien Auswahl eines Facharztes für Neurochirurgie als gerichtlicher Sachverständiger für die Begutachtung behaupteter Behandlungsfehler in Zusammenhang mit der konservativen Behandlung einer Densfraktur durch einen Facharzt für Orthopädie
2. Zur Schmerzensgeldbemessung bei einem groben Behandlungsfehler bei der Behandlung einer Densfraktur und hieraus resultierender Pseudoarthrose, Schmerzen und Bewegungseinschränkungen mit Auswirkungen auf die Lebensführung des Patienten (hier 25.000 €)
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 12. Juli 2022 – 2 O 273/15 – wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsrechtszugs.
III. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger macht mit der Klage Ansprüche unter dem Gesichtspunkt der Arzthaftung geltend.
Der am 13.04.1962 geborene Kläger, der von Beruf Arzt ist, hatte am 21.01.2012 einen Reitunfall, bei dem er sich Verletzungen an der Wirbelsäule zuzog. Er begab sich deshalb noch am Unfalltag in die Notfallambulanz der von der Beklagten zu 1 betriebenen Klinik. Dort wurde von der diensthabenden Oberärztin Dr. L. nach Untersuchung des Klägers und Anfertigung eines Röntgenbildes sowie einer Kernspintomographie der Halswirbelsäule eine „nicht dislozierte Densbasisfraktur (Anderson Typ 2) sowie eine „gering dislozierte Fraktur des unteren Gelenkfortsatzes C7 rechts“ diagnostiziert (vgl. Arztbrief vom 23.01.2012). Zunächst war eine operative Versorgung beider Wirbelverletzungen angedacht, weshalb der Kläger am 21.01.2012 stationär in der Klinik aufgenommen wurde. Gegen 11:00 Uhr am Vormittag des 23.01.2012 teilte der Oberarzt Dr. B. dem Kläger mit, dass nach Einschätzung des Beklagten zu 2, dem Chefarzt der Klinik für Wirbelsäulenchirurgie in der von der Beklagten zu 1 betriebenen Klinik, nur eine operative Versorgung der Fraktur C7 geboten sei, während die Fraktur an C2 konservativ behandelt werden könne. Anschließend fand unter Verwendung eines vom Kläger unterzeichneten Aufklärungsbogens zwischen ihm und Dr. B. ein Aufklärungsgespräch statt, dessen näherer Inhalt zwischen den Parteien streitig ist. Am Abend des 23.01.2012 suchte der Beklagte zu 2 den Kläger auf der Station auf und erläuterte ihm auf Nachfrage, dass es sich bei der Verletzung am Wirbel C2 um eine „Fissur“ handele, die mittels einer sog. Henßge-Krawatte einer konservativen Behandlung gut zugänglich sei. Am 24.01.2012 wurde dann der operative Eingriff am Wirbel C7 in Gestalt einer Bandscheibenentfernung (Diskektomie) und Wirbelsäulenversteifung (Spondylodese) durch den Beklagten zu 2 durchgeführt (vgl. OP-Bericht). Bezüglich des Bereichs C2 erfolgte im weiteren Verlauf zunächst eine Behandlung mittels Anlegung einer Henßge-Krawatte. Am 27.02.2012 wurde der Kläger aus der stationären Behandlung entlassen mit der Aufforderung, die Henßge-Krawatte weiterhin zu tragen (vgl. Entlassbericht).
Am 14.03.2012 stellte sich der Kläger ambulant zur Kontrolluntersuchung in der Sprechstunde des Beklagten zu 2 vor. In dem an diesem Tage erhobenen Radiologiebefund heißt es: „Im Vergleich zur Voruntersuchung vom 21.01.2012 jetzt knöcherne Arrosionen entlang der Frakturränder mit zunehmender Weite des Frakturspalts bei bekannter Densfraktur an der Densbasis Typ 2“ sowie „Zunehmende Weite des Frakturspalts entlang der Frakturränder mit Verdacht der Ausbildung einer Pseudoarthrose“ (vgl. Befundbericht der Radiologie vom 15.03.2012). Der Beklagte zu 2 diagnostizierte zum damaligen Zeitpunkt eine „Densfraktur Typ III nach Anderson/D‘Alonzo“ und verordnete dem Kläger das weitere Tragen der Henßge-Krawatte und Wiedervorstellung in 5 Wochen (vgl. Arztbrief des Beklagten zu 2 vom 19.03.2012). Eine weitere ambulante Vorstellung in der Sprechstunde des Beklagten zu 2) erfolgte am 02.05.2012. Der Beklagte zu 2 empfahl „aufgrund der entstandenen Pseudarthrose im Densbereich“ nunmehr eine „dorsale Instrumentation“ im Bereich C2 (vgl. Arztbrief vom 04.05.2012).
Der Kläger nahm daraufhin Kontakt zu dem ihm persönlich bekannten früheren Chefarzt der Beklagten zu 1, Prof. Dr. H., im E. H. auf und stellte sich dort vor. Prof. H. empfahl zunächst die Einholung eines bislang unterbliebenen Funktions-CT der Wirbelsäule und diagnostizierte nach Vorlage von zwei Funktions-CT im Abstand von 6 Wochen das Vorliegen einer „Wackelbewegung“, die zusammen mit Beschwerden des Klägers in Form von Nacken- und Kopfschmerzen insbesondere bei Rotationsbewegungen eine operative Versteifung der Wirbelsäule im Bereich C1/C2 indiziere. Die entsprechende Operation wurde von Prof. H. am 24.07.2012 durchgeführt (vgl. OP-Bericht vom 01.08.2012). Am 22.12.2012 wurde das im Juli zur Versteifung eingebrachte Metall durch eine erneute Operation von Prof. H. wieder entfernt. Eine knöcherne Durchbauung konnte in diesem Bereich der Halswirbelsäule allerdings nicht erreicht werden (vgl. Radiologiebericht vom 02.01.2014).
Der Kläger hat den Beklagten Behandlungs- und Aufklärungsfehler bezüglich der Behandlung der Verletzung im Bereich C2 vorgeworfen. Er forderte sie mit Anwaltsschreiben vom 05.03.2015 (Anlage K 13) unter Fristsetzung bis 27.03.2015 fruchtlos zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 25.000,00 EUR auf.
Der Kläger hat behauptet, es habe von Anfang an eine C2-Fraktur (Densfraktur) des Typs. II nach der Klassifizierung durch Anderson/D‘Alonzo vorgelegen. Dies hätte von dem Beklagten zu 2) erkannt werden können und müssen. Der Beklagte zu 2 habe stattdessen unzutreffend eine Fissur diagnostiziert. Die Befunderhebung sei unzureichend gewesen. Notwendige Untersuchungen der Densfraktur, insbesondere eine Funktionsuntersuchung zur Feststellung, ob es sich um eine stabile oder instabile Fraktur handle, seien unterlassen bzw. verspätet durchgeführt worden. Die Behandlung der Verletzung im Bereich C2 durch die Beklagten habe nicht dem geschuldeten medizinischen Standard entsprochen. Insbesondere hätte im Bereich C2 eine Operation zur Verschraubung der Wirbelkörper erfolgen müssen; eine konservative Therapie sei zur Behandlung der vorliegenden Verletzung im Bereich C2 hingegen nicht geeignet gewesen. Aber selbst wenn man annähme, dass eine konservative Behandlung der Verletzung im dortigen Bereich hätte erfolgen dürfen, wäre die vorliegend gewählte Form nicht lege artis gewesen. Die verordnete Henßge-Krawatte sei als Therapiemaßnahme für die vorliegende Verletzung nicht geeignet gewesen. Nach dem Stand der Wissenschaft habe eine Ruhigstellung mittels Halo-Fixateur bzw. mittels „Stiff-Neck/Philadelphia-Kragen“ erfolgen müssen. Schließlich sei die ihm verordnete Henßge-Krawatte mit nur 8 cm Breite auch zu gering bemessen gewesen.
Der Kläger behauptet einen weiteren Diagnosefehler des Beklagten zu 2 am 14.03.2012. Er hat wiederholt vorgetragen (vgl. Schriftsatz vom 27.10.2021), es sei grob fehlerhaft, dass der Beklagte zu 2 im Rahmen der ambulanten Vorstellung des Klägers am 14.03.2012 diagnostisch davon ausgegangen sei, es sei zu einer zunehmenden Durchbauung des Dens axis gekommen. Dies habe eindeutig der ihm bekannten, zutreffenden Befundung durch die Radiologen der Beklagten zu 1 widersprochen, die eindeutig eine zunehmende Auflösung von spongösen Strukturen ohne jeglichen Hinweis auf eine Konsolidierung des Kortikalis zeige. Spätestens zu diesem Zeitpunkt habe die Indikation zur operativen Therapie bestanden. Der Verzicht auf diese Therapiemodifikation und die lediglich erfolgte Aufforderung zur Wiedervorstellung nach weiteren 6 Wochen sei behandlungsfehlerhaft und nicht leitliniengerecht gewesen.
Hinsichtlich der erfolgten Aufklärung hat der Kläger gerügt, dass ihm bezüglich der Verletzung im Bereich C2 eine operative Versorgung mittels Verschraubung hätte empfohlen, zumindest aber als Behandlungsalternative hätte aufgezeigt werden müssen, was nicht der Fall gewesen sei. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach aktuellen Studien die Wahrscheinlichkeit einer Heilung durch Verschraubung bei einem solchen Verletzungsbild wesentlich höher liege als bei einer konservativen Behandlung. Auf das hohe bzw. deutlich höhere Risiko des Eintretens einer Pseudoarthrose bei konservativer Behandlung sei er nicht hingewiesen worden. Wäre er ordnungsgemäß aufgeklärt worden, hätte er sich für eine operative Behandlung der Densfraktur im Bereich. C2 entschieden, auf die er aufgrund der ursprünglich geplanten Vorgehensweise ja ohnehin bereits innerlich eingestellt gewesen sei. Die Risiken einer solchen Operation bis hin zu einer möglichen Querschnittslähmung hätte er in Kauf genommen. Eine konservative Behandlung mittels Halo-Fixateur oder Minerva-Gipsverband wäre für ihn nicht in Betracht gekommen, da er beruflich in seiner Gemeinschaftspraxis nicht für längere Zeit habe ausfallen wollen.
Ihm seien durch die fehlerhafte Diagnose und Behandlung seiner Wirbelverletzung im Bereich C2 in der Einrichtung der Beklagten zu 1 folgende dauerhafte Schäden entstanden: Pseudoarthrose des Dens, erhöhtes Verletzungsrisiko des 2. Halswirbels (ständige „Genickbruchmöglichkeit“), chronischer Dauerschmerz, rezidivierende migräneartige Schmerzattacken mit vegetativen Begleiterscheinungen, Minderung der körperlichen Belastbarkeit und der Erwerbsfähigkeit, Einschränkungen beim Drehen des Kopfes, psychische Angstzustände, da jedes Bagatelltrauma zu einem Genickbruch mit Todesfolge führen könne, Notwendigkeit der Beendigung von sportlichen Aktivitäten wie Reiten, Mountainbike-Fahren und Skifahren wegen Gefahr des Genickbruchs.
Der Kläger hat beantragt,
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner zu verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld aus der fehlerhaften rechtswidrigen ärztlichen Behandlung zwischen dem 21.01.2012 und dem 02.05.2012 zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 25.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2015, hilfsweise ab. Rechtshängigkeit.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche künftigen immateriellen Schäden sowie alle vergangenen und künftigen materiellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus der fehlerhaften und rechtswidrigen Behandlung zwischen dem 21.01.2012 und dem 02.05.2012 entstanden sind bzw. noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie haben behauptet, im Bereich C2 habe eine Densfraktur Typ III nach Anderson/D‘Alonzo vorgelegen. Die gebotenen Befunderhebungen seien umfassend erfolgt und korrekt interpretiert worden. Selbst wenn beim Kläger eine Densfraktur Typ II vorgelegen haben sollte, was nicht der Fall gewesen sei, würde eine damalige Deutung als Densfraktur Typ II durch den Beklagten zu 2 jedenfalls keinen fundamentalen Irrtum darstellen. Die konservative Behandlung der Verletzung im Bereich C2 sei auch hinsichtlich der im Streiffall konkret gewählten Form mittels Henßge-Krawatte lege artis gewesen. Eine operative Versorgung habe keine echte Behandlungsalternative zur konservativen Behandlung der vorliegenden C2-Verletzung dargestellt. Sie wäre mit wesentlich höheren Risiken verbunden gewesen.
Der Kläger sei auch ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Im Aufklärungsbogen über das Gespräch vom 23.01.2012 sei bezüglich der Verletzung im Bereich C2 auch eine Aufklärung über die Alternative einer operativen Versorgung sowie das Risiko einer Pseudoarthrose dokumentiert. Die vom Kläger geklagten gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien nicht auf ein fehlerhaftes Verhalten von Mitarbeitern der Beklagten zu 1, sondern allein auf den Reitunfall vom 21.01.2012 bzw. auf behandlungstypische Risiken zurückzuführen und insoweit schicksalhaft. Für den Fall einer unzulänglichen Aufklärung haben sich die Beklagten ergänzend auf den Einwand der hypothetischen Einwilligung berufen. Der Kläger hätte sich jedenfalls für eine konservative Behandlung von C2 entschieden, schon in Anbetracht der erheblich größeren Risiken eines operativen Eingriffs.
Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug sowie der getroffenen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 25.000,00 EUR verurteilt, dem Zinsanspruch teilweise stattgegeben und die beantragte Feststellung ausgesprochen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens ihren erstinstanzlichen Antrag auf Klageabweisung in vollem Umfang weiterverfolgen. Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt Zurückweisung der Berufung.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im zweiten Rechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, wegen der Antragstellung auf die Sitzungsniederschrift (fortan: SN) vom 12.10.2023.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. U. Hu. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 12.10.2023 verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
Dem Kläger stehen gegen die Beklagten als Gesamtschuldner gemäß §§ 611 Abs. 1, 280 Abs. 1, 823 Abs. 1, 253 Abs. 2, 31, 426 Abs. 1 S. 1 BGB in der bis zum 25.02.2013 geltenden Fassung die ausgeurteilten Ansprüche auf Zahlung eines Schmerzensgeldes und Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich nicht vorhersehbarer immaterieller Schäden und vergangener und künftiger materieller Schäden zu. Die Vorschriften der §§ 630a ff. BGB wurden erst eingefügt durch Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.02.2013 mit Wirkung vom 26.02.2013 (BGBl. 2013, Teil I, 277 ff., Nr. 9, ausgegeben zu Bonn am 25.02.2013)und sind im Hinblick auf den Zeitpunkt der streitigen Behandlung im Jahre 2012 hier entgegen der nicht näher begründeten Auffassung des Landgerichts noch nicht anwendbar.
1. Die von der Berufung vorgebrachten Einwände gegen die Auswahl des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. Hu. greifen nicht durch.
a) Anders, als die Berufung meint (Berufungsbegründung vom 19.10.2022, S. 6/7, II 27/28), hat das Landgericht nicht durch gem. § 404 ZPO ermessensfehlerhafte Auswahl des Sachverständigen Prof. Dr. Hu. gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs verstoßen. Mit diesem Einwand ist die Berufung entgegen der Auffassung des Klägers – anders als regelmäßig bei nicht erfolgter Ablehnung eines Sachverständigen aus den in § 406 Abs. 1 genannten Gründen – allerdings nicht präkludiert. Denn die Auswahl des richtigen Sachverständigen obliegt dem Gericht, § 404 Abs. 1 ZPO. Der Umstand, dass die nicht beweisbelastete Partei erstinstanzlich den Hinweis darauf unterlassen hat, dass eine streitige Frage nicht von einem Sachverständigen aus dem einschlägigen Fachgebiet beantwortet worden ist, nimmt ihr im Übrigen nicht das Recht, diesen Rechtsfehler in der Berufungsinstanz zu beanstanden (BGH, GesR 2015, 539 ff., Tz. 11, juris).
Das Landgericht hat jedoch nicht verfahrensfehlerhaft einen Sachverständigen einer falschen Fachrichtung beauftragt, weil der Beklagte zu 2 Facharzt für Orthopädie ist, der Sachverständige jedoch Facharzt für Neurochirurgie.
aa) Die Auswahl des Sachverständigen steht im Ermessen des Gerichts. Es liegt jedoch eine fehlerhafte Ermessensausübung vor, wenn das Gericht einen Sachverständigen aus einem falschen Sachgebiet ausgewählt hat, § 404 Abs. 1 S. 1 ZPO. Grundsätzlich ist bei der Auswahl auf die Sachkunde in dem medizinischen Fachgebiet abzustellen, in das der Eingriff fällt. Hierfür können die fachärztlichen Weiterbildungsordnungen herangezogen werden (BGH, VersR 2009, 257 ff., Tz. 18; OLG Hamm, NJW-RR 2022, 245 ff., juris Tz. 25 ff.; Senat, Urteil vom 17. Februar 2016 – 7 U 32/13 –, juris Tz. 8; OLG Naumburg, Urteil vom 13.03.2003 – 1 U 34/02 – zitiert nach juris, Tz. 45; OLG Hamm, ZMGR 2006, 110 f., juris Tz. 3; Ziegler/Hartwig, VersR 2011, 1113, 1114/1115 m.w.N.).
bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt hier keine fehlerhafte Ermessensentscheidung vor.
Der Sachverständige hat bereits in seiner Stellungnahme vom 18.06.2021, S. 2 (I 943) zu den Einwänden des Klägers hinsichtlich seiner fachlichen Kompetenz – u.a. auch hinsichtlich Bedenken bezüglich der Fachrichtung (vgl. I 909) – überzeugend ausgeführt, dass die Behandlung von Wirbelsäulenerkrankungen seit jeher eine wesentliche Domäne der Neurochirurgie sei. Die Behandlung von Wirbelsäulenerkrankungen erfolge durch Neurochirurgen, Orthopäden und Unfallchirurgen, häufig auch interdisziplinär. Eine Densfraktur verursache anders als im vorliegenden Fall in vielen Fällen eine Kompression des Rückenmarks und hierdurch neurologische Ausfälle. Daher seien hier Neurochirurgen häufig die erste Behandlungsdisziplin. Auch in seiner Klinik gehöre die Behandlung von Densfrakturen zu den typischen operativ und konservativ behandelten Krankheitsbildern. Insoweit sei – hinsichtlich des zunächst vom Kläger erhobenen Vorwurfs – nicht nachvollziehbar, dass hier die Erfahrung zur Beurteilung des Falles nicht vorliegen solle. Daran hat der Sachverständige bei seiner Anhörung vor dem Senat (SN vom 12.10.2023) überzeugend festgehalten und nochmals bekräftigt, dass er die konkrete Behandlungssituation aus seiner fachlichen Sicht beurteilen kann. Die vorgenommene Behandlung ist typisch für einen Neurochirurgen. Indikationsstellung und Durchführung des Eingriffs sowie auch eine konservative Behandlung können ebenso durch einen Neurochirurgen erfolgen wie durch einen Orthopäden. Die Fachgebiete unterscheiden sich insoweit nicht im Wesentlichen mit Ausnahme der hier nicht einschlägigen Jugendlichen-Skoliose. Auch nach den Weiterbildungsverordnungen sind für beide Fachrichtungen sowohl die Operationen als auch die konservative Behandlung Gegenstand. Hinsichtlich der Behandlung gelten die gleichen Anforderungen und damit der gleiche Standard für einen Neurochirurgen wie für einen Orthopäden.
Danach verfügt der Sachverständige hinsichtlich der Beurteilung der streitigen Fragen im Zusammenhang mit der Behandlung des Klägers über die erforderliche Sachkunde, um diese auch ausgehend vom Facharztstandard eines Orthopäden zu beurteilen.
Dem steht entgegen der Auffassung der Beklagten (Schriftsatz vom 10.11.2023, S. 2) auch nicht entgegen, dass der gerichtliche Sachverständige bei seiner Anhörung vor dem Senat (SN vom 12.10.2023) ausgeführt hat, dass die Therapie des Klägers mit einer nicht verstärkten Henßge-Krawatte (grob) fehlerhaft war. Ein entscheidungserheblicher Widerspruch zu den Ausführungen des privaten Sachverständigen des Dr. B. (Gutachten vom 11.07.2022) liegt insoweit nicht vor. Die Beklagten berücksichtigen nicht hinreichend, dass der Kläger unstreitig eine Henßge-Krawatte ohne Verstärkung bekommen hat. Er hat bei seiner Anhörung vor dem Senat (SN vom 12.10.2023) vorgetragen, er habe eine Henßge-Krawatte in weicher Ausführung bekommen und getragen, die auch noch verkürzt gewesen sei, nicht eine solche mit Verstärkung. Dies haben die Beklagten nicht bestritten und auch der private Sachverständige hat hinsichtlich der Art der beim Kläger verwendeten Krawatte lediglich dargelegt, dass sich aus den Krankenunterlagen nicht ergebe, ob es sich um eine weiche Krawatte oder eine solche mit Verstärkung gehandelt habe (Gutachten vom 11.07.2022, a.a.O., S. 5). Im Übrigen ist der Senat davon überzeugt, dass es sich um eine Krawatte wie vom Kläger vorgetragen gehandelt hat, § 286 ZPO. Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger ein unmittelbares Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat. Er hat jedoch glaubhaft angegeben, es sei ihm bekannt, dass es Henßge-Krawatten mit Verstärkung gebe. Der Senat hat keine Zweifel, dass der Kläger, der selbst Arzt ist, insoweit zwischen einer weichen und einer verstärkten Henßge-Krawatte zu unterscheiden vermag.
Ausgehend davon liegt ein entscheidungserheblicher Widerspruch in den gutachterlichen Darlegungen nicht vor. Dem privaten Gutachter war nicht näher bekannt, welchen Krawattentyp der Kläger erhalten hatte. Er hat ausgeführt, es sei auch im Jahre 2012 durchaus möglich gewesen, mit einer steifen oder semirigiden Orthese zu behandeln. Auch die aktuelle Leitlinie Unfallchirurgie aus dem Jahre 2018 sehe bei der konservativen Therapie unter Ziff. 7.3 „Häufigste Verfahren“ eine semirigide Zervikalstütze (zum Beispiel verstärkte Schanzkrawatte) vor. Der gerichtliche Sachverständige hat bestätigt, dass es unter Berücksichtigung der Leitlinien aus dem Jahr 2018 nicht fehlerhaft gewesen wäre, beim Beschwerdebild des Klägers eine verstärkte Henßge-Krawatte zu verwenden. Eine solche Krawatte hat der Kläger indes nicht erhalten. Die vom Kläger angeführte weiche Krawatte war vielmehr nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Hu. auch keine semirigide Zervikalstütze. Die Ausführungen des privaten Sachverständigen beziehen sich mithin auf einen anderen Krawattentyp als ihn der Kläger getragen hat.
b) Auch die von der Berufung vorgebrachten Einwände gegen die Fachkunde von Prof. Dr. Hu. hinsichtlich der Bewertung von konservativen Therapiemöglichkeiten (Berufungsbegründung vom 19.10.2022, S. 6/7) greifen nicht durch.
Es mag zwar in Einzelfällen Zweifel an der erforderlichen Sachkunde begründen, wenn der Sachverständige das zu begutachtende Operationsverfahren selbst noch nicht angewandt bzw. vor Jahren lediglich assistiert hat (vgl. KG Berlin, VersR 2014, 205, 206).
Allein der Umstand, dass sich nach der Berufung die auf PubMed nachgewiesenen wissenschaftlichen Arbeiten des Sachverständigen soweit ersichtlich ausschließlich mit operativen Behandlungsmethoden befassen, rechtfertigt jedoch derartige Zweifel hinsichtlich der Beurteilung konservativer Therapieoptionen nicht, denn der Sachverständige verfügt auch hinsichtlich dieser über hinreichende Kenntnisse. Bereits nach den Darlegungen des Sachverständigen im ersten Rechtszug (Stellungnahme vom 18.06.2021, S. 2) gehören in seiner Klinik Densfrakturen zu den typischen auch konservativ behandelten Krankheitsbildern. Der Sachverständige hat bei seiner Anhörung vor dem Senat nachvollziehbar begründet (SN vom 12.10.2023, S. 3), warum sich seine Publikationen auf die operative Behandlung beziehen, dies jedoch nichts daran ändert, dass er auch die konservative Therapieoption sachkundig beurteilen kann. Auch ergibt sich aus seinen Darlegungen (SN, a.a.O., S. 7/8), dass er in hinreichendem Umfang über Erfahrungen mit der Behandlung von Henßge-Krawatten verfügt, um eine sachverständige Beurteilung hinsichtlich der Frage eines Behandlungsfehlers bei einer Verwendung derartiger Krawatten vorzunehmen.
2. Das Landgericht hat zu Recht im Hinblick auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Hu. einen – groben – Behandlungsfehler des Beklagten zu 2, für den die Beklagte zu 1 gemäß § 31 BGB einzustehen hat, bejaht. Auch der Senat ist – allerdings erst nach der ergänzenden Anhörung des Sachverständigen – davon überzeugt, dass der Beklagte zu 2 den Kläger entgegen dem ärztlichen Standard grob fehlerhaft behandelt hat, indem er im Rahmen der konservativen Therapie der Densfraktur des Klägers eine Henßge-Krawatte in weicher Ausführung verordnet hat.
Die Behandlung war fehlerhaft, wenn sie dem zu ihrem Zeitpunkt bestehenden medizinischen Standard zuwiderlief. Der Standard gibt Auskunft darüber, welches Verhalten von einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt in der konkreten Behandlungssituation aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs im Zeitpunkt der Behandlung erwartet werden kann. Er repräsentiert den jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der ärztlichen Erfahrung, der zur Erreichung des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich ist und sich in der Erprobung bewährt hat (BGH, NJW-RR 2014, 1053 ff. Tz. 11 m.w.N., juris).
Die Berufung beanstandet zu Recht, dass das Landgericht bei der Frage, ob ein – grober – Behandlungsfehler vorliegt, Unklarheiten in den Ausführungen des Sachverständigen nicht hinreichend aufgeklärt hat. Der Tatrichter ist verpflichtet, den ihm zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt auszuschöpfen und sämtlichen Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen von Amts wegen nachzugehen (BGH, VersR 2015, 1293 ff., Tz. 6 m.w.N., juris; BGH, VersR 2009, 499 ff., Tz. 7, juris; BGH, NJW 2008, 1381 ff., Tz. 16, juris; Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl., vor §§ 402 ff., Rn. 14 m.w.N.).
a) Den Beklagten ist nicht nur ein Diagnosefehler unterlaufen. Die von ihnen verordnete, nicht dem medizinischen Standard entsprechende Therapie mit einer weichen Henßge-Krawatte beruhte nach der Überzeugung des Senats nicht lediglich auf einer unzutreffenden Diagnose.
Auch wenn die Berufung dies nicht ausdrücklich rügt, beachtet das Landgericht allerdings nicht hinreichend, dass der von ihm im Urteil angenommene grobe Behandlungsfehler in Gestalt einer Ruhigstellung durch die Henßge-Krawatte auch lediglich auf einem Diagnosefehler hätte beruhen können und dann u. U. nicht fehlerhaft, jedenfalls nicht grob fehlerhaft, gewesen wäre. Hinreichende Feststellungen dazu hat es nicht getroffen. Der Senat hat deshalb auch dazu den Sachverständigen ergänzend angehört. Im Hinblick auf die überzeugenden ergänzenden Darlegungen des Sachverständigen ist jedoch festzustellen, dass die Anwendung der dem ärztlichen Standard widersprechenden Therapie mit einer weichen Henßge-Krawatte nicht lediglich aufgrund einer unrichtigen Diagnose erfolgte.
aa) Grundsätzlich ist das Nichterkennen einer erkennbaren Erkrankung und der für sie kennzeichnenden Symptome als Behandlungsfehler zu werten. Irrtümer bei der Diagnosestellung, die in der Praxis nicht selten vorkommen, sind jedoch oft nicht Folge eines vorwerfbaren Versehens eines Arztes. Die Symptome einer Erkrankung sind nämlich nicht immer eindeutig, sondern können auf die verschiedensten Ursachen hinweisen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung vielfacher technischer Hilfsmittel, die zur Gewinnung von zutreffenden Untersuchungsergebnissen eingesetzt werden. Diagnoseirrtümer, die objektiv auf eine Fehlinterpretation der Befunde zurückzuführen sind, können deshalb nur mit Zurückhaltung als Behandlungsfehler gewertet werden. Die Wertung einer objektiv unrichtigen Diagnose als Behandlungsfehler setzt deshalb eine vorwerfbare Fehlinterpretation erhobener Befunde voraus. Ein Diagnoseirrtum liegt danach vor, wenn der Arzt erhobene oder sonst vorliegende Befunde falsch interpretiert und deshalb nicht die aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs gebotenen – therapeutischen oder diagnostischen – Maßnahmen ergreift. Bei einer objektiv fehlerhaften Diagnose sind somit drei Gruppen zu unterscheiden. Es kann sich um einen nicht vorwerfbaren Diagnoseirrtum handeln, der keinerlei Haftung begründet. Dieser liegt vor, wenn ein Arzt – gemessen an dem Facharztstandard seines Fachbereichs – die gebotenen Befunde erhoben und vertretbar gedeutet hat. Ist die Diagnose dagegen nicht bzw. nicht mehr vertretbar, liegt ein vorwerfbarer Diagnosefehler im Sinne eines einfachen Behandlungsfehlers vor. Ein grober Diagnosefehler ist gegeben, wenn die Diagnose nicht nur unvertretbar, sondern schlechterdings unverständlich ist (vgl.: BGH, NJW 2003, 2827 f. Tz. 9 ff., juris; OLG Rostock, Urteil vom 20.01.2023 – 5 U 182/19 –, juris 53 m.w.N.).
Unmaßgeblich ist demgegenüber, ob infolge des (vertretbaren) Diagnoseirrtums nicht die gebotenen – therapeutischen oder diagnostischen – Maßnahmen ergriffen wurden (Rehborn/Gescher in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, Vorbemerkung vor § 630h, Rn. 11).
bb) Der Sachverständige, auf dessen Darlegungen sich das angefochtene Urteil insoweit stützt, hat in seinem Gutachten vom 18.02.2021 (S. 10, I 865) ausgeführt, die Ruhigstellung im Rahmen einer konservativen Therapie hätte leitliniengerecht hier zumindest mit einer harten Zervikalstütze erfolgen müssen, wobei eine höhere Stabilität noch mit einem Halofixateur oder mit einem Minerva Gipsverband zu erreichen gewesen wäre. Die Verwendung einer weichen Halskrawatte sei der Behandlung von Distorsionen vorbehalten. Im Fall des Klägers sei die Stabilität nicht ausreichend gewesen. Bei seiner Anhörung hat er ergänzend dargelegt (SN vom 08.03.2022, S. 10, I 1179), die Henßge-Krawatte sei nicht die Behandlung der Wahl gewesen. Man hätte eine steife Halskrawatte vorsehen müssen. Dass der Kläger mit einer Henßge-Krawatte zur Ruhigstellung der Halswirbelsäule versorgt worden sei, sei grob fehlerhaft. Dies habe so nicht passieren dürfen, denn eine solche Krawatte sei zur Ruhigstellung nicht geeignet. Sie sei ungeeignet, um eine Fraktur ausheilen zu lassen. Eine Fraktur müsse schon nach der allgemeinen Frakturlehre ruhiggestellt werden, was man wissen müsse. Allenfalls im Rahmen eines individuellen Versuchs, aber dann auch mit den entsprechenden Belehrungen und Aufklärungen, hätte man einen Versuch starten können (a.a.O., S. 12).
Bei einer Fissur, wenn der Knochen nicht ganz durchgebrochen sei, könne er sich eher vorstellen, dass man den Patienten durch eine weiche Halskrawatte daran erinnere, dass er den Kopf möglichst wenig bewegen solle. Hier sei jedoch eine durchgehende Frakturlinie vorhanden, sodass eine Ruhigstellung erforderlich gewesen sei (SN vom 08.03.2022, S. 13). Man dürfe hier auch nicht von einer Fissur ausgehen im Sinne eines vertretbaren Diagnosefehlers. Der Radiologe habe im Befund „Fraktur“ geschrieben und die Fraktur sei auch im Röntgenbild erkennbar gewesen. Allenfalls an Hand des MRT habe man wegen des vorhandenen geringen Knochenödems an eine Fissur denken können. Über den Befund des Radiologen habe man sich aber nicht ohne gute Gründe hinwegsetzen dürfen (SN vom 08.03.2022, S. 13). In seinem Gutachten vom 18.02.2021 (S. 10) hatte der Sachverständige zuvor noch ausgeführt, die Fraktur entspreche nicht den typischen Bildern, angesichts der doch sehr schmalen Frakturlinie, die zweifelsfrei auch im Sinne einer Fissur interpretierbar sei.
Danach liegt der Beurteilung des Sachverständigen und ihm folgend derjenigen des Landgerichts im angefochtenen Urteil zu Grunde, dass die Anwendung der Henßge-Krawatte bei einer Fraktur grob fehlerhaft war. Feststellungen dazu, ob dies auch bei der Diagnose einer Fissur der Fall war, hat das Landgericht nicht getroffen.
Der Beklagte zu 2 war jedoch nach den streitigen Behauptungen des Klägers insoweit von einer Fissur ausgegangen. Der Kläger hat wiederholt vorgetragen, der Beklagte zu 2 habe erklärt und sei behandlungsfehlerhaft im Sinne eines Diagnosefehlers davon ausgegangen, es habe sich lediglich um eine Fissur [Anriss des Knochens] gehandelt. Dafür sprechen auch die Behandlungsunterlagen, worauf der Kläger im ersten Rechtszug zutreffend hingewiesen hat. So heißt es im OP-Bericht vom 01.02.2012 zur OP vom 24.01.2012 unter Diagnose „Densfissur ohne Dislokation“ und auch in dem Radiologiebefunden der bei der Beklagten zu 1 beschäftigten Dr. Pöckler-Schöninger vom 14. und 15.03.2012 heißt es unter der gestellten Verdachtsdiagnose „Densfissur ohne Dislokation“. Auch nach dem unstreitigen Tatbestand des angefochtenen Urteils (LGU 3) hat der Beklagte zu 2 dem Kläger am Abend des 23.01.12 vor der OP am 24.01.2012 erläutert, dass es sich bei der Verletzung am Wirbel C2 um eine „Fissur“ handele.
Dagegen haben die Beklagten behauptet, (vgl. I 47/49/171), der Beklagte zu 2 sei zu keinem Zeitpunkt vom Vorliegen einer bloßen Fissur ausgegangen. Die bei der Beklagten zu 1 beschäftigte Dr. L. habe zutreffend eine Fraktur C2 diagnostiziert (vgl. Arztbrief vom 23.01.20212 sowie handschriftliche Eintragung im Aufklärungsbogen vom 23.01.2012 „konservative Therapie der Densf.“). Sie haben weiter vorgetragen, der Beklagte zu 2 sei nach Befundauswertung von einer nicht dislozierten Densfraktur Typ III nach Anderson/D’Alonzo ausgegangen, auch wenn im OP-Bericht von Fissur die Rede sei. Auch der Sachverständige Prof. Dr. Hu. ist davon ausgegangen (Stellungnahme vom 18.02.2021), seitens der Beklagten sei die Verletzung offensichtlich als stabile, unverschobene Dens-Fraktur eingeschätzt worden.
Der Senat hat im Hinblick darauf den Sachverständigen ergänzend befragt. Er hat überzeugend ausgeführt (SN vom 12.10.2023), es sei für die weitere Behandlung nicht maßgebend, ob man von einer Fissur oder einer Fraktur ausgehe, denn entscheidend sei die Größe des Frakturspaltes sowohl hinsichtlich der Frage, ob man noch konservativ behandeln könne, als auch für die Frage der Auswahl des Krawattentyps im Rahmen einer konservativen Behandlung. Der Sachverständige hat ferner daran festgehalten, dass beim Kläger eine durchgehende Frakturlinie in der CT-Aufnahme sichtbar war. Es überzeugt auch den Senat, dass es hinsichtlich der Therapiewahl und der Entscheidung, welcher Krawattentyp bei einer konservativen Therapie Verwendung findet, entscheidend darauf ankommt, wie die Heilungschancen unter Berücksichtigung der Größe des Frakturspaltes sind. Ferner hat der Sachverständige im Hinblick darauf auf Vorhalt seiner allgemein gehaltenen Ausführungen vor dem Landgericht, dass er sich bei einer Fissur, wenn der Knochen nicht ganz durchgebrochen gewesen sei, eher vorstellen könne, eine weiche Halskrawatte zu verwenden (SN vom 08.03.2022), nicht mehr daran festgehalten. Dies ist überzeugend, zumal beim Kläger eine durchgehende Frakturlinie vorhanden war.
cc) Im Übrigen hat sich der Kläger die Ausführungen des Sachverständigen hinsichtlich eines groben Behandlungsfehlers durch Anwendung der Henßge-Krawatte bei Diagnose einer Densfraktur seitens der Beklagten zumindest hilfsweise zu eigen gemacht (vgl. auch: Schriftsatz vom 19.08.2021, S. 9; Berufungsbegründung vom 23.12.2022, S. 2/4/5/12).
Nach allgemeinem Grundsatz macht sich eine Partei die bei einer Beweisaufnahme zutage tretenden ihr günstigen Umstände regelmäßig zumindest hilfsweise zu eigen (BGH, NJW-RR 2016, 1360 ff., Tz. 12, juris; BGH, Beschluss vom 16.06.2015 – VI ZR 332/14, Tz. 6/11, juris; BGH, NJW-RR 2010, 495, Tz. 5). Eine Partei kann sich gegnerischen Vortrag auch dann hilfsweise zu eigen machen und ihre Klage darauf stützen, wenn dieser dem eigenen Vortrag widerspricht, solange das Verhältnis der Behauptungen zueinander klargestellt ist und nicht (objektiv) feststeht, dass die Hilfsdarstellung bewusst wahrheitswidrig abgegeben wurde. Dies gilt gleichermaßen, wenn sich die Partei ein ihr (vermeintlich) günstiges Ergebnis der Beweisaufnahme hilfsweise zu eigen macht (BGH, NJW 2015, 1678 ff., Tz. 11, juris; BGH, NJW-RR 2010, 495, juris Tz. 5; OLG Saarbrücken, NJOZ 2021, 1351 (1355), Tz. 36). Aber nur wenn der Kläger dies auch tut, darf das Vorbringen des Beklagten der Entscheidung zugrunde gelegt werden. Wenn der Kläger den Vortrag des Beklagten bestreitet oder ein ihm günstiges Beweisergebnis nicht gegen sich gelten lassen will, ist es nicht zulässig, ihm einen Erfolg aufzunötigen, den er mit dieser tatsächlichen Begründung nicht beansprucht (BGH, NJW 2018, 2412 ff., Tz. 39 m.w.N., juris).
Danach hat sich der Kläger die Ausführungen des Sachverständigen, dass – ausgehend von einer von den Beklagten diagnostizierten Densfraktur (vgl. Stellungnahme vom 18.06.2021, S. 9, I 957) – die Therapie mit einer weichen Henßge-Krawatte grob fehlerhaft war, jedenfalls hilfsweise zu eigen gemacht und damit auch das Vorbringen der Beklagten hinsichtlich einer von ihnen diagnostizierten Densfraktur. Der Sachverständige geht bei seinen Ausführungen ersichtlich vom Vortrag der Beklagten hinsichtlich einer von ihnen diagnostizierten Densfraktur aus. Anhaltspunkte für eine bewusste Wahrheitswidrigkeit des Hilfsvorbringens liegen nicht vor. Eine Widersprüchlichkeit des Parteivortrags steht nach dem oben Gesagten der Annahme eines zulässiger Weise in den Prozess eingeführten Hilfsvortrags nicht entgegen.
b) Auch der Senat ist davon überzeugt, dass die Therapie unter Verwendung der weichen Henßge-Krawatte grob fehlerhaft war.
aa) Als grober Behandlungsfehler ist ein ärztliches Fehlverhalten anzusehen, das nicht etwa aus subjektiven, in der Person des handelnden Arztes liegenden Gründen, sondern aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil ein solcher Fehler dem behandelnden Arzt aus dieser Sicht „schlechterdings“ nicht unterlaufen darf (BGH, NJW 2018, 3382 ff., Tz. 18, juris; BGH, NJW 1983, 2080; NJW 1992, 754 f.; NJW 1995, 778; NJW 1996, 2428). Es kommt also darauf an, ob das ärztliche Verhalten eindeutig gegen gesicherte und bewährte medizinische Erkenntnisse und Erfahrungen verstößt (vgl. BGH, NJW 1992, 754 f.). Dies ist typischerweise dann der Fall, wenn auf eindeutige Befunde nicht nach gefestigten Regeln der ärztlichen Kunst reagiert wird oder sonst eindeutig gebotene Maßnahmen zur Bekämpfung möglicher, bekannter Risiken unterlassen werden und besondere Umstände fehlen, die den Vorwurf des Behandlungsfehlers mildern können (vgl. BGH, NJW 1983, 2080 f.).
bb) Einen solchen groben Behandlungsfehler hat der Kläger auch zur Überzeugung des Senats bewiesen.
Der Sachverständige Prof. Dr. Hu. hat bereits im ersten Rechtszug die Versorgung der Densfraktur mit einer Hensge-Krawatte als grob fehlerhaft angesehen (vgl. Gutachten vom 18.02.2021, S. 10, I 865; Stellungnahme vom 18.06.2021, S. 11; SN vom 08.03.2022, S. 10; SN, a.a.O., S. 12; vgl. auch das insoweit als substantiierten Parteivortrag des Klägers zu wertende Gutachten Dr. W. vom 20.05.2018, S. 12-14; S. 20/21; vom 28.12.2018). Dabei ist er von der Verwendung einer weichen Krawatte ausgegangen (vgl. SN vom 08.03.2022, S. 12).
Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 18.02.2021 (S. 10) ausgeführt, die Ruhigstellung im Rahmen einer konservativen Therapie hätte leitliniengerecht hier zumindest mit einer harten Zervikalstütze erfolgen müssen, wobei eine höhere Stabilität noch mit einem Halofixateur oder mit einem Minerva Gipsverband zu erreichen gewesen wäre. Die Verwendung einer weichen Halskrawatte sei der Behandlung von Distorsionen vorbehalten. Im Fall des Klägers sei die Stabilität nicht ausreichend gewesen. Bei seiner Anhörung hat er ergänzend dargelegt (SN vom 08.03.2022, S. 10), die Henßge-Krawatte sei nicht die Behandlung der Wahl gewesen. Man hätte eine steife Halskrawatte vorsehen müssen. Dass der Kläger mit einer Henßge-Krawatte zur Ruhigstellung der Halswirbelsäule versorgt worden sei, sei grob fehlerhaft. Dies habe so nicht passieren dürfen, denn eine solche Krawatte sei zur Ruhigstellung nicht geeignet. Sie sei ungeeignet, um eine Fraktur ausheilen zu lassen. Eine Fraktur müsse schon nach der allgemeinen Frakturlehre ruhiggestellt werden, was man wissen müsse. Allenfalls im Rahmen eines individuellen Versuchs, aber dann auch mit den entsprechenden Belehrungen und Aufklärungen, hätte man einen Versuch starten können (a.a.O., S. 12).
Bei seiner Anhörung vor dem Senat hat er überzeugend daran festgehalten (SN vom 12.10.2023, S. 5 ff.), dass die Verwendung einer weichen Henßge-Krawatte wie beim Kläger grob fehlerhaft war.
Er hat zwar auf Vorhalt der Ausführungen des privaten Sachverständigen PD Dr. B. in dessen Gutachten vom 11.07.2022 eingeräumt, dass die Verwendung einer verstärkten Henßge-Krawatte unter Berücksichtigung der Leitlinien aus den Jahr 2018 nicht fehlerhaft war. Zu beachten ist insoweit auch, dass der Grundsatz, dass der Zeitpunkt der Behandlung hinsichtlich des medizinischen Standards maßgeblich ist, eine Ausnahme erfährt, wenn sich eine Behandlung ausnahmsweise aufgrund neuerer medizinischer Erkenntnisse erst im Nachhinein als ordnungsgemäß, weil fachlich begründbar darstellt (OLG Köln, MedR 2013, 47 ff., juris Tz. 29 m.w.N.; Staudinger/Gutmann (2021), BGB, § 630a, Rn. 152). Dies rechtfertigt hier jedoch keine andere Beurteilung, denn eine solche verstärkte Henßge-Krawatte wurde nach dem oben Gesagten beim Kläger nicht verwendet.
Daran, dass die Verwendung einer weichen Henßge-Krawatte grob fehlerhaft war, hat der Sachverständige bei seiner Anhörung vor dem Senat auch unter Berücksichtigung der Leitlinien aus dem Jahr 2018 festgehalten (SN vom 12.10.2023, S. 6 f.). Auch den Senat überzeugt, dass bei der konservativen Therapie insoweit zwischen einer verstärkten und einer weichen Krawatte im Hinblick auf die Gefährdung des Behandlungserfolgs ein derart großer Unterschied besteht, dass es gerechtfertigt ist, die Verwendung einer verstärkten Krawatte als nicht behandlungsfehlerhaft anzusehen, den Einsatz einer weichen Krawatte dagegen als groben Behandlungsfehler zu werten. Für den Sachverständigen war die Anordnung einer derartigen weichen Krawatte auch nicht ansatzweise nachvollziehbar. Der Sachverständige hat dies überzeugend damit begründet, dass man eine Fraktur ruhigstellen müsse und die sichere Ruhigstellung bei der konservativen Therapie der zentrale Fokus der Therapie sei und Grundlage dafür, dass die Fraktur aussichtsreich behandelt werden könne. Ziel der Behandlung sei es, dass sich in der Fraktur Knochenbälkchen herausbildeten und die Fraktur überbrückt werde. Es sei schädlich dafür, wenn eine Bewegung erfolge. Eine weiche Krawatte führe so gut wie gar nicht zu einer Einschränkung der Beweglichkeit des Kopfes und könne daher nicht zu einer Überbrückung des Frakturspalts und damit zu der mit der Ruhigstellung beabsichtigten Konsolidierung und Ausheilung der Fraktur führen. Dies gelte auch unter Berücksichtigung dessen, dass beim Kläger günstige Behandlungsaussichten in der Hinsicht vorlagen, dass der Frakturspalt gering war und die Frakturfläche relativ groß. Im Hinblick darauf habe man zwar eine konservative Therapie anwenden können, es ändere jedoch nichts an dem Gebot der Ruhigstellung. Eine weiche Krawatte sei keine Therapie. Deshalb sei es auch unabhängig vom individuellen Risikoprofil der Herausbildung einer Pseudo-Arthrose grob fehlerhaft, wenn zu keiner Krawatte oder einer weichen Krawatte gegriffen werde. Denn das bedinge überhaupt keine Ruhigstellung. Dies stimmt mit den insoweit als substantiierten Parteivortrag zu wertenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. W. überein (Gutachten vom 28.12.2018), wonach die Versorgung mit der Henßge-Krawatte beim Kläger funktionell einer orthesenfreien Behandlung entsprach.
Der Umstand, dass es sich um eine stabile Denfraktur gehandelt hat, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Die Beklagten konnten zunächst mangels Funktionsaufnahme nicht davon ausgehen, dass es sich um eine stabile Fraktur handelte. Wenn man nicht weiß, ob die Fraktur stabil ist, muss man nach den Ausführungen des Sachverständigen vielmehr umso mehr eine stabile Krawatte verschreiben (SN vom 12.10.2023, S. 7).
Auch der Umstand, dass der Sachverständige im ersten Rechtszug ausgeführt hat (SN vom 08.03.2022, S. 12), man hätte allenfalls im Rahmen eines individuellen Versuchs mit entsprechender Belehrung und Aufklärung einen Versuch mit einer weichen Halskrawatte starten können, rechtfertigt entgegen der Berufung keine andere Beurteilung hinsichtlich der Frage eines groben Behandlungsfehlers. Der Sachverständige hat bei seiner Anhörung vor dem Senat zutreffend darauf hingewiesen (SN vom 12.10.2023, S. 7), dass bei einem solchen individuellen Heilversuch bei entsprechender Aufklärung des Patienten grundsätzlich auch Abweichungen vom Standard möglich sein können. Die Voraussetzungen für einen derartigen Heilversuch lagen jedoch in keiner Weise vor. Zwar kann je nach Lage des medizinischen Sachverhalts auch die Anwendung einer Außenseiter-Methode oder die Anwendung eines erst in der Erprobung stehenden Heilversuchs nach besonderer Abwägung des Fehlschlagrisikos mit den Heilungsaussichten und einer umfassenden Aufklärung des Patienten über den Versuchscharakter vertretbar sein und nicht schon für sich einen Behandlungsfehler begründen. Die Indikation eines Heilversuchs setzt jedoch die Erschöpfung standardmäßiger Behandlungen, eine ex-ante vorzunehmende allgemein-abstrakte positive Nutzen-Risiko-Abwägung, die Beachtung der methodischen Standards der Durchführung von Heilversuchen und die Einwilligung des Patienten nach umfassender Aufklärung voraus. Der Arzt hat alle bekannten und medizinisch vertretbaren Sicherungsmaßnahmen anzuwenden, die eine erfolgreiche und komplikationsfreie Behandlung gewährleisten. Die bestehenden Möglichkeiten einer Behandlung sind auszuschöpfen. Genügt der Arzt den verstärkten Anforderungen an seine Sorgfaltspflicht nicht, kann ein grober Behandlungsfehler bei mangelnder Sorgfalt in Fällen eines Heilversuchs naheliegen, auch wenn es nicht um ein Humanexperiment geht (BGH, NJW-RR 2021, 886 f., Tz. 23, juris; BGH, NJW 2020, 1358 f., Tz. 15, juris; BGH, NJW 2007, 2767 ff., Tz. 18/26, juris; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 8. Aufl. 2022, B. Haftung aus Behandlungsfehlern, Rn. 37 m.w.N.). Diese Voraussetzungen waren hier ersichtlich nicht gegeben, insbesondere wurde der Kläger weder aufgeklärt noch waren die Möglichkeiten standardmäßiger Behandlungen erschöpft und eine Risiko-Nutzen-Abwägung fand nicht statt. Es fehlen danach Tatsachen, die den Vorwurf des Behandlungsfehlers mildern könnten. Wenn der Sachverständige unter diesen Umständen daran festhält, dass die Voraussetzungen für einen groben Behandlungsfehler vorliegen, überzeugt dies auch den Senat.
3. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der grobe Behandlungsfehler durch Verwendung einer weichen Henßge-Krawatte für die beim Kläger entwickelte Pseudoarthrose und die von ihm geklagten Schmerzen und Bewegungseinschränkungen ursächlich war.
a) Das Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers hat nach ständiger Rechtsprechung die Folge, dass sich die Beweislast für die Kausalität des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Schaden umkehrt, die sonst der Patient zu tragen hat (BGH, VersR 2005, 228, 229; 2004, 909; NJW 1983, 333, 334), wenn der grobe Behandlungsfehler generell geeignet war, den konkreten Schaden herbeizuführen. Nahelegen oder wahrscheinlich machen muss der Fehler den Schaden hingegen nicht (BGH, NJW 2008, 1304; VersR 2005, a.a.O.). Zwar gilt die Beweiserleichterung zunächst nur für den Primärschaden, das heißt für den Schaden in seiner konkreten Ausbildung, als sogenanntem ersten Verletzungserfolg (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2013, VI ZR 527/12, Tz. 32, juris; BGH, VersR 2005, 836, 837; BGH, VersR 1994, 52, 54). Die geltend gemachte Körperverletzung (Primärschaden) ist dabei in der durch den behaupteten Behandlungsfehler herbeigeführten gesundheitlichen Befindlichkeit in ihrer konkreten Ausprägung zu sehen (BGH, Beschluss vom 14.01.2014, VI ZR 340/13, Tz. 6 m.w.N., juris). Auf die haftungsausfüllende Kausalität, das heißt den Kausalzusammenhang zwischen gesundheitlichen Primärschädigungen und weiteren Gesundheitsschäden des Patienten wird die Beweislastumkehr nicht ausgedehnt, es sei denn der sekundäre Gesundheitsschaden wäre typischer Weise mit dem Primärschaden verbunden und die als grob zu bewertende Missachtung der ärztlichen Verhaltensregeln sollte gerade auch solcher Art Schädigung vorbeugen (BGH, VersR 2005, 228, 229; BGH, VersR 1994, a.a.O.; BGH, VersR 1989, 145; Senat, VersR 2008, 545, Tz. 16, juris; Senat, NJOZ 2006, 3042, 3043).
Eine Verlagerung der Beweislast auf die Behandlungsseite ist nach einem groben Behandlungsfehler dagegen ausgeschlossen, wenn jeglicher haftungsbegründende Ursachenzusammenhang äußerst unwahrscheinlich ist, was zur Beweislast der Behandlerseite steht (BGH, VersR 2012, 1176, 1177; NJW 2004, 2011, 2012; VersR 2004, 645, 647; NJW 1998, 1782, 1784; vgl. auch: BGH, NJW 2004, 2011, 2013; BGH, VersR 1995, 707, 708; BGH, NJW 1995, 778, 779).
Ferner kommt ein Ausschluss der Beweislastumkehr bei bloßer Mitursächlichkeit eines groben Behandlungsfehlers für den gesamten Zusammenhang nicht schon dann in Betracht, wenn die Alleinverursachung äußerst unwahrscheinlich ist, sondern nur dann, wenn jeglicher Ursachenbeitrag äußerst unwahrscheinlich ist. Anderes gilt lediglich im Fall der sogenannten Teilkausalität, wenn das ärztliche Versagen und ein weiterer, der Behandlungsseite nicht zurechenbarer Umstand abgrenzbar zu einem Schaden geführt haben. Die Beweislast des Arztes erstreckt sich bei Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers auch auf die Frage, ob bei dem Patienten Vorschädigungen vorgelegen haben, die einer erfolgreichen Behandlung in jedem Falle, also auch bei Vermeidung des groben Behandlungsfehlers, entgegengestanden hätten. Den Beklagten verbleibt die Beweislast danach auch hinsichtlich der Frage, ob bei dem Kläger Vorschädigungen vorgelegen haben, die bei einer Behandlung nach fachärztlichem Standard zu abgrenzbaren Schäden bei ihm geführt hätten (vgl. BGH, NJW 1997, 796, 797 m.w.N.; VersR 1970, 839, 841; OLG Celle, NJW-RR 2002, 1603 f., juris Tz. 23/24; OLG Koblenz, NJW-RR 2008, 541, 542). Nach allgemeinem Schadensrecht steht danach eine Mitursächlichkeit, und sei es auch nur im Sinne eines Auslösers neben erheblichen anderen Umständen, der Alleinursächlichkeit haftungsrechtlich in vollem Umfang gleich (vgl. etwa BGH, NJW-RR 2005, 897, 898). Das gilt auch für die Arzthaftung (vgl. BGH, NJW 2005, 2072, 2073; BGH, NJW-RR 2014, 1118 ff., Tz. 20, juris), und zwar selbst dann, wenn die andere Mitursache in der Krankheit besteht, deren Behandlung der haftungsbegründende Fehler betrifft (vgl. BGH, NJW 2000, 3423, 3424). Etwas anderes gilt nur dann, wenn nach dem Beweismaß des §286 ZPO feststeht, dass der Behandlungsfehler nur zu einem abgrenzbaren Teil des Schadens geführt hat, also eine sogenannte abgrenzbare Teilkausalität vorliegt (vgl. BGH, NJW-RR 2014, 1118 ff., Tz. 25, juris). Dafür ist es erforderlich, dass sich der Schadensbeitrag des Behandlungsfehlers einwandfrei von dem anderen Schadensbeitrag – etwa einer Vorschädigung des Patienten – abgrenzen und damit der Haftungsanteil des Arztes bestimmen lässt. Andernfalls verbleibt es bei der Einstandspflicht für den gesamten Schaden, auch wenn dieser durch andere, schicksalhafte Umstände wesentlich mitverursacht worden ist (BGH, a.a.O.).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das Landgericht zutreffend von einer Kausalität des groben Fehlers hinsichtlich der vom Kläger geklagten Schmerzen und Bewegungseinschränkungen ausgegangen.
aa) Zu Recht ist das Landgericht im Hinblick auf die Ausführungen des Sachverständigen, dass die Behandlung mit einer ungeeigneten Halskrawatte das Risiko einer Pseudoarthrosenbildung erhöht hat (vgl. Gutachten vom 18.02.2021, S. 12; SN vom 08.03.2022, S. 10/11), auch wenn man dies nicht näher quantifizieren kann, davon ausgegangen, dass der grobe Fehler generell geeignet war, die Primärverletzung in Gestalt der Pseudoarthrose zu verursachen.
bb) Im Hinblick auf den groben Fehler ist danach davon auszugehen, dass dieser die Pseudoarthrose verursacht hat. Dass es äußerst unwahrscheinlich ist, dass die Pseudoarthrose auf das grob fehlerhaft verordnete Tragen der weichen Henßge-Krawatte zurückzuführen ist, haben die Beklagten nicht bewiesen. Vielmehr hat dies nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen (SN vom 08.03.2022, S. 10/11; SN vom 12.10.2023, S. 10) das Risiko des Entstehens der Pseudoartrose erhöht.
cc) Es ist ferner davon auszugehen, dass auch die vom Kläger geklagten Schmerzen und Bewegungseinschränkungen durch den Behandlungsfehler verursacht wurden.
Allerdings hat die Pseudoarthrose nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Hu. im ersten Rechtszug (SN, a.a.O.) die Schmerzen des Klägers nicht verschlimmert. Die Bewegungseinschränkungen und die Schmerzen beruhten, wie der Sachverständige zunächst dargelegt hat, nicht auf der Pseudoarthrose. Die Einschränkung beim Drehen des Kopfes, die der Kläger schildere, komme – so der Sachverständige zunächst – von der dorsalen Instrumentierung, nicht von der Pseudoarthrose. Es sei eine typische operative Nebenwirkung, weil die Nackenmuskulatur im Rahmen der Operation abgelöst werden müsse. Der Sachverständige hat jedoch weiter dargelegt, er könne sich auch vorstellen, dass ein Anteil der Schmerzen des Klägers auch davon herrühren könne, dass sich infolge der Pseudoarthrose Knochenteile gegeneinander bewegen. Von außen könne man nicht klären, welcher Art die Beschwerden des Klägers seien und woher seine Schmerzen herrühren würden und welche gefühlten Beeinträchtigungen diese Schmerzen beim Patienten auslösen würden (SN, a.a.O., S. 11 unten/12 oben).
Die Berufung (II 29/30; vgl. Schriftsatz vom 26.04.2022, S. 2/3) weist im Zusammenhang mit der Frage der Kausalität ferner zutreffend darauf hin, dass der Sachverständige in seinem Gutachten vom 18.02.2021, S. 12/13) ausgeführt hat, dass die die Gesamtheit der in II 5. b) bis g) (vgl. Schriftsatz des Klägers vom 18.02.2021, S. 10/11) aufgeführten Beeinträchtigungen sich nicht direkt der Behandlung durch die Beklagten zuordnen lasse. Sie müssten tatsächlich zu einem Teil direkt auf den Reitunfall zurückgeführt werden, anderseits zählten sie zu den Risiken bzw. Folgen der weiteren Behandlung und seien insoweit partiell auch schicksalhaft.
Der Senat hat im Hinblick auf diesen Widerspruch in den Darlegungen des Sachverständigen sowie den Einwand der Berufung Veranlassung dazu gesehen, den Sachverständigen Prof. Dr. Hu. auch ergänzend zur Frage der Mitursächlichkeit und einer möglichen Abgrenzung von Teilbeiträgen zu befragen.
Danach gelingt den Beklagten nicht der ihnen im Hinblick auf den groben Behandlungsfehler obliegende Beweis, dass die Pseudoarthrose für die Schmerzen und Bewegungseinschränkungen des Klägers nicht mitursächlich war. Auch haben sie nicht bewiesen, dass unter Berücksichtigung des Unfallereignisses 21.01.2012 Vorschäden beim Kläger vorlagen, die bei einer Behandlung nach fachärztlichem Standard zu abgrenzbaren Schäden bei ihm geführt hätten.
Der Sachverständige hat vielmehr überzeugend ausgeführt (SN vom 12.10.2023, S. 8-10), dass eine schmerzfreie Ausheilung der Dens-Fraktur möglich gewesen wäre, nach der im Hinblick auf die aufgetretene Pseudoarthrose erfolgten dorsalen Instrumentierung dagegen nicht mehr. Eine mechanische Abgrenzung sei ihm hinsichtlich des gesamten Beschwerdebildes des Klägers nicht möglich. Weiter hat er dargelegt, eine Mitursächlichkeit der Pseudoarthrose könne man zwar nicht positiv feststellen, sie sei insoweit jedoch auch nicht auszuschließen, auch wenn die beiden Operationen der dorsalen Instrumentierung und der späteren Entfernung des Fixateurs mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu Schmerzen führen würden und die Wahrscheinlichkeit hinsichtlich der Pseudoarthrose deutlich geringer sei. Auch, wenn eine Pseudoarthrose selbst keine Bewegungseinschränkungen unmittelbar verursache, könnten die durch eine sie ausgelösten Schmerzen jedoch mittelbar auch zu Bewegungseinschränkungen wie beim Kläger führen, weil sie bei Bewegungen Schmerzen verursache und die Bewegungen deshalb nicht mehr so ausgeführt würden. Es lasse sich nicht abgrenzen, welche Bewegungseinschränkungen auf der Pseudoarthrose und welche auf den Folgen der dorsalen Instrumentierung beruhten. Dies steht im Übrigen in Übereinstimmung mit als substantiierten Parteivortrag zu wertenden Darlegungen des Sachverständigen Dr. W. (Gutachten vom 20.05.2018, S. 25/26; vgl. auch: Gutachten vom 28.12.2018), wonach die vom Kläger geschilderten Dauerschmerzen sowohl auf den Therapieverlauf als auch auf das Unfallereignis zurückgeführt werden könnten. Es sei nicht eindeutig zu klären, inwieweit die Minderung der Erwerbstätigkeit von 60 % auf die Verletzung und den Therapieverlauf zurückzuführen sei, da keine neurologischen Defekte aufgetreten seien.
Im Übrigen führt das Landgericht im angefochtenen Urteil zu Recht aus, dass die von Prof. Dr. H. im weiteren Verlauf durchgeführten Operationen in Gestalt einer Versteifung im Bereich C1/C2 durch dorsale Instrumentation und nachfolgend die Entfernung des bei der ersten Operation eingebrachten Metalls gerade im Hinblick auf die entwickelte Pseudoarthrose erfolgten und mithin kausal auf sie zurückzuführen waren. Der Sachverständige hat bei seiner Anhörung vor dem Senat (SN vom 12.10.2023, S. 9) überzeugend bestätigt, dass die Pseudoartrose der Grund war für die operative dorsale Instrumentierung. Damit waren auch die durch diese Operationen verursachten Folgen durch den Behandlungsfehler verursacht. Die Schmerzen sind nach den Ausführungen des Sachverständigen eine typische Folge einer aufgrund der Pseudoarthrose erfolgten Instrumentierung. Als typischer Weise mit dem Primärschaden verbunden, sind sie danach im Übrigen auch von der Beweislastumkehr aufgrund des groben Behandlungsfehlers umfasst.
Soweit der Sachverständige Prof. Dr. Hu. ausgeführt hat (Gutachten vom 18.02.2021, S. 11), es sei keineswegs eine Standardbehandlung, den Fixateur wieder zu entfernen, vermag dies nicht den Kausalzusammenhang zu unterbrechen. Denn ohne die dorsale Instrumentierung hätte der Operateur Prof. Dr. H. auch keine Veranlassung gesehen, dass eingebrachte Material wieder zu entfernen. Inwieweit die Dinge anders beurteilt werden müssten, wenn Prof. Dr. H. gegen alle ärztlichen Erfahrungen und Regeln verstoßen hätte (dazu: BGH, NJW 2012, 2024 ff., Tz. 15, juris; BGH, NJW 2003, 2311 ff., Tz. 18 m.w.N.; BGH NJW 1989, 768 f., Tz. 18 m.w.N., juris; OLG Hamm, RDG 2017, 142 ff., juris Tz. 38), kann auf sich beruhen. Für einen solchen Sachverhalt liegen nämlich keine hinreichenden Anhaltspunkte vor, denn nach den Darlegungen des Sachverständigen (a.a.O.) war es zumindest nachvollziehbar, dass dadurch dem Patienten die Rotationsbewegung im Atlantoaxialgelenk wiedergegeben werden konnte.
Anders als die Berufung meint, steht dem auch nicht entgegen, dass der Kläger geltend macht, er habe von vorneherein operiert werden müssen, was eine entsprechende Instrumentalisierung voraussetze. Es mag zwar sein, dass auch dann für den Kläger das Risiko entsprechender Beschwerden bestanden hätte. Ein solcher hypothetischer Kausalverlauf ist jedoch rechtlich unerheblich, denn es steht nicht fest, dass sich auch dann das schicksalhafte Risiko tatsächlich verwirklicht hätte.
Der Einholung eines psychosomatischen Zusatzgutachten zur Klärung der Ursache der chronischen Schmerzsituation bedurfte es insoweit nicht mehr. Zwar hielt der Sachverständige Dr. W. dies für sinnvoll (vgl. auch: Gutachten vom 20.05.2018, S. 25/26; Gutachten vom 28.12.2018). Der Sachverständige Prof. Dr. Hu. hat dazu überzeugend ausgeführt (SN vom 12.10.2023, S. 9), die Einholung eines psychosomatischen Gutachtens könne insoweit sinnvoll sein zur weiteren Differenzierung, ob die Beschwerden auf mechanische Belastungen oder auf der Verarbeitung der Situation beruhten. Es sei natürlich nachvollziehbar, dass im Hinblick auf die Leidensgeschichte des Klägers psychosomatische Komponenten eine Rolle spielen könnten. Die Beklagten haften jedoch auch für solche psychosomatischen Komponenten, die nachvollziehbar auf die durch die Ausbildung der Pseudoarthrose und die dadurch bedingten nachfolgenden Operationen zurückführen sind.
4. Auch der Senat hält ein Schmerzensgeld in Höhe von jedenfalls den ausgeurteilten 25.000,00 EUR für angemessen, § 253 Abs. 2 BGB.
a) Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist im Rahmen der Haftung für ärztliches Fehlverhalten in erster Linie dessen Ausgleichsfunktion zu beachten. Insoweit kommt es auf die Höhe und das Maß der Beeinträchtigung an. Maßgeblich sind Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen, wobei Leiden und Schmerzen wiederum durch die Art der Primärverletzung, die Zahl und Schwere etwaiger Operationen, die Dauer der stationären und der ambulanten Heilbehandlungen, den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit und die Höhe des Dauerschadens bestimmt werden. Dabei muss die Entschädigung zu Art und Dauer der erlittenen Schäden in eine angemessene Beziehung gesetzt werden (OLG Köln, MedR 2012, 798 f., juris Tz. 36; Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 253 Rn. 16 m.w.N.). Die Höhe des zuzubilligenden Schmerzensgeldes hängt entscheidend vom Maß der durch das haftungsbegründende Ereignis verursachten körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen des Geschädigten ab, soweit diese bei Schluss der mündlichen Verhandlung bereits eingetreten sind oder zu diesem Zeitpunkt mit ihnen als künftiger Verletzungsfolge ernstlich gerechnet werden muss. Die Schwere dieser Belastungen wird vor allem durch die Stärke, Heftigkeit und Dauer der erlittenen Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen bestimmt. Besonderes Gewicht kommt etwaigen Dauerfolgen der Verletzungen zu (OLG München, Urteil vom 21.03.2014 – 10 U 1750/13 -, juris Tz. 17 m.w.N.). Im Hinblick auf die Beweislastumkehr bei einem groben Behandlungsfehler ist davon auszugehen, dass der Kläger bei einer dem fachärztlichen Standard entsprechenden Behandlung keine derartigen Gesundheitsschäden davongetragen hätte.
b) Danach war zu berücksichtigen, dass sich beim Kläger infolge des Behandlungsfehlers eine Pseudoarthrose entwickelt hat und er sich deshalb am 24.07.2012 einer – wie dem ständig mit Arzthaftungssachen betrauten Senat bekannt – nach Art und Umfang mit nicht unerheblichen Risiken behafteten operativen Versteifung der Wirbelsäule im Bereich C1/C2 unter Auffüllung mittels Spongiosa (vgl. OP-Bericht, AH I, 55-59, K10; Arztbrief Prof. Dr. H. vom 30.07.2012, I Krankenunterlagen, lose) unterziehen musste mit anschließenden stationären Aufenthalt bis zum 27.07.2012 und einer weiteren Operation am 22.12.2012, bei der der zuvor eingebrachte Fixateur wieder entfernt wurde.
Ferner war insbesondere zu beachten, dass auch der Senat davon überzeugt ist, dass der Kläger aufgrund des Behandlungsfehlers dauerhaft unter medikamentös zu behandelnden Schmerzen leidet und seine früheren sportlichen Aktivitäten wie Reiten, Mountainbike- und Skifahren aufgrund des Behandlungsfehlers nicht mehr ausüben kann, er auch weiterhin in der Beweglichkeit insbesondere bei Dreh- und Kippbewegungen des Kopfes eingeschränkt ist und er auch bei täglichen Bewegungen unter Schmerzen leidet. Es liegt auf der Hand, dass diese Beeinträchtigungen den am 13.04.1962 geborenen und damit zum Zeitpunkt der Behandlung 49 Jahre alten Kläger in der Lebensentfaltung dauerhaft nicht unwesentlich behindern, von ihm als sehr belastend empfunden werden und zu einer Einschränkung seiner Lebensfreude geführt haben.
Das Landgericht hat die dahingehenden Angaben des Klägers bei seiner Anhörung und die Ausführungen des Sachverständigen (SN vom 08.03.2022, S. 3/11,) überzeugend gewürdigt. Der Kläger hat glaubhaft angegeben, dass er unter den oben genannten Bewegungseinschränkungen und Dauerschmerzen wie Belastungs- und Kopfschmerzen leidet. Es überzeugt auch, dass er sich im Hinblick darauf einer Schmerztherapie mit Analgetika unterzieht (vgl. auch Arztbrief des Orthopäden Dr. S. an das Landesamt für Soziales vom 05.05.2015, AH I, 63-67, K12). Der Kläger hat bei seiner Anhörung nicht nur für ihn prozessual günstige Angaben gemacht, sondern auch angegeben, dass seine psychische Belastung wieder besser geworden sei. Der Sachverständige hat auch bei seiner Anhörung vor dem Senat überzeugend daran festgehalten (SN vom 12.10.2023, S. 9/10), dass die vom Kläger geschilderten Schmerzen, Bewegungseinschränkungen sowie Einschränkungen bei seinen Freizeitaktivitäten sowie alltäglichen Verrichtungen plausibel sind. Die Pseudoarthrose kann in jeder Bewegungsrichtung Schmerzen verursachen und daher auch mittelbar zu den vom Kläger geschilderten Bewegungseinschränkungen führen. Patienten, bei denen eine dorsale Instrumentierung durchgeführt wurde, klagen regelmäßig über Schmerzen. Eine schmerzfreie Ausheilung war nach dieser OP nicht mehr möglich. Die operationsbedingte Vernarbung und Verfestigung des Gewebes führt auch zu den vom Kläger geklagten Bewegungseinschränkungen.
Zwar gibt es nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen (a.a.O., S. 10) keine objektiven Gründe für die vom Kläger vorgetragene Befürchtung, dass er sich bei leichteren Verletzungen gravierende Verletzungen der Halswirbelsäule infolge der bestehenden Densfraktur zuzieht. Ob die im Hinblick auf die behauptete, danach jedoch nicht bewiesene Verletzungsgefahr vorgetragenen psychischen Angstzustände den Beklagten zuzurechnen wären und, ob die vom Kläger vorgetragene Erwerbsunfähigkeit und Aufgabe seiner ärztlichen Berufsausübung, für die auch der Sachverständige Prof. Dr. Hu. keine in seinem Fachgebiet liegenden Gründe angeben konnte (SN vom 08.03.2022, S. 12), auf dem Behandlungsfehler beruhen, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn schon die o. g. Umstände rechtfertigen das vom Landgericht zuerkannte Schmerzensgeld in Höhe von 25.000,00 EUR (vgl. auch: KG Berlin, Urteil vom 26.03.2015 – 22 U 143/13 -, Hacks/Wellner, a.a.O., lfd.Nr. 1918, indexiert 30.843,00 EUR, allerdings dauerhafte MdE 20%, aber auch vorbestehende Schadensanfälligkeit, 28 jähriger Mann; OLG Frankfurt, SpuRt 2011, 31 f., juris Tz. 35 f., = Hacks/Wellner, a.a.O., lfd.Nr. 1908, indexiert 17.058,00 EUR, Densfraktur; vgl. auch: Thüringer OLG, Urteil vom 11.01.2006 – 4 U 872/00 -, juris Tz. 55). Der Senat verkennt nicht, dass diese Entscheidungen nicht in allen Aspekten mit dem Fall des Klägers vergleichbar sind und auch gerichtliche Entscheidungen vorliegen, die auch unter Berücksichtigung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit ein geringeres Schmerzensgeld für angemessen erachtet haben (vgl. LG Leipzig, Urteil vom 24.06.2020 – 5 O 2562/19 -, BeckRS 2020, 19898) oder der Verletzte zusätzlich noch anderweitige Verletzungen und Beeinträchtigungen davongetragen hatte (vgl. BGH, NJW 2003, 1116 f., juris = Hacks/Wellner, Schmerzensgeldbeträge, 39. Aufl., lfd.Nr. 1910; LG Verden, Urteil vom 08.11.1999 – 4 O 466/96 -, Hacks/Wellner, a.a.O., lfd.Nr. 1914). Der Senat hält jedoch unter Berücksichtigung der o.g. Umstände, insbesondere, dass der Kläger unter dauerhaften Schmerzen und fortwährenden Bewegungseinschränkungen leidet, sowie dem Umstand, dass sich in der Rechtsprechung gegenüber früheren Jahren eine gewisse Tendenz zu höheren Schmerzensgeldern abzeichnet, das ausgeurteilte Schmerzensgeld unabhängig von der Frage der verletzungsbedingten Folgen hinsichtlich der Berufsausübung des Klägers und seiner Erwerbsfähigkeit für noch angemessen. Der Einholung eines psychosomatischen Zusatzgutachtens dazu bedurfte es deshalb nicht.
5. Die begehrte Feststellung hat das Landgericht mit zutreffender Begründung zu Recht ausgeurteilt. Materielle Schäden in der Vergangenheit sowie zukünftige materielle und auch immaterielle Schäden sind unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen ohne weiteres denkbar.
6. Auf die Frage des Vorliegens weiterer Behandlungsfehler und einer unzureichenden Aufklärung kommt es danach nicht mehr an.
III.
Die Schriftsätze des Klägers vom 23.10.2023, 14.11.2023, 15.11.2023 und 17.11.2023 sowie der Beklagten vom 10.11.2023 und 13.11.2023 boten keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, §§ 156, 296a ZPO.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.