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Darlegungspflicht des Patienten bei nicht verstandener ärztlicher Aufklärung vor einer Ohroperation

OLG Koblenz – Az.: 5 U 713/11 – Beschluss vom 01.08.2011

Gründe

Der Senat beabsichtigt nach vorläufiger Beratung, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 11.05.2011 Az. 10 O 326/08, durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Im Einzelnen ist zur Sach- und Rechtslage zu bemerken:

1. Die Klägerin wurde am 27.11.2002 im Krankenhaus der Beklagten zu 1) aufgenommen. Am nächsten Tag kam es dort rechtsseitig zu einer tympanoplastischen Operation, in deren Zuge der Amboss ersetzt wurde. Der Eingriff erfolgte in Vollnarkose unter der ärztlichen Überwachung des Beklagten zu 2).

Dieser hatte am Vortag eine Narkoseaufklärung durchgeführt; daneben war eine Aufklärung aus hals-nasen-ohren-ärztlicher Sicht vorgenommen worden. Nach der Darstellung der Beklagten standen dabei alternativ eine Lokalanästhesie und eine Vollnarkose im Raum, ohne dass man sich insoweit festgelegt hätte. Demgegenüber hat die Klägerin behauptet, es sei allein von einer örtlichen Betäubung die Rede gewesen.

Nach der Operation klarte die Klägerin nur verzögert und zudem lediglich unter Medikamenteneinfluss auf. Ihr Bewusstsein trübte sich dann alsbald wieder ein. Am 29.11.2002 wachte sie von Neuem auf; sie blieb jedoch zunächst somnolent.

Darlegungspflicht des Patienten bei nicht verstandener ärztlicher Aufklärung vor einer Ohroperation
Symbolfoto: Von O_Lypa/Shutterstock.com

Eine Weile später wurde sie in eine neurologische Klinik verlegt. Sie hatte Gang- und Gleichgewichtsstörungen. Zahlreiche Nachbehandlungen schlossen sich an. Am 04.05.2006 erfolgte eine tympanoplastische Revisionsoperation, bei der man eine Dislokation der implantierten Prothese vorfand, die nunmehr als zu kurz beschrieben wurde. Etwas mehr als zwei Jahre darauf fand ein erneuter Revisionseingriff statt, der ähnliche Narkosefolgeprobleme wie die Operation im Krankenhaus der Beklagten zu 1) nach sich zog.

Die Klägerin sieht sich durch diese Operation und die sie begleitende Anästhesie, über die sie im Vorfeld jeweils nicht hinlänglich aufgeklärt worden sei, geschädigt. Die Prothese sei fehlerhaft eingesetzt worden, so dass sie habe verrutschen können. Man habe falsche Narkotika verabreicht, und es habe Kreislaufprobleme und ein Sauerstoffdefizit gegeben. Das habe dazu geführt, dass sie dauerhaft unter Schwindel, Übelkeit, Ohren- und Kopfschmerzen, Depressivität und Konzentrationsschwäche leide und arbeitsunfähig geworden sei. Im Hinblick darauf hat sie die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines mit mindestens 125.000 € zu beziffernden Schmerzensgelds und zum Ausgleich materieller Verluste (Haushaltsführungsschaden von 21.790,66 € bis zum 30.11.2008, Verdienstausfall von 19.884,87 € bis zum 31.08.2008, Fahrtkosten von 875 €, Aufwendungen von 623,73 € für medizinische Leistungen und zusätzliche Anwaltskosten von 4.169,52 €) beantragt sowie die Feststellung einer weitergehenden Haftung begehrt.

Das Landgericht hat mehrere Zeugen und die Parteien zum Hergang der präoperativen Aufklärung der Klägerin gehört und zwei Sachverständige im Hinblick auf mögliche ärztliche Fehler und deren Folgen befragt. Sodann hat es die Klage abgewiesen. Es hat die Indikation der streitigen Tympanoplastik bejaht, Mängel in deren Durchführung verneint und auch keine Schadensursächlichkeit gesehen. Darüber hinaus hat es ebenso wenig irgendwelche Anästhesiefehler erkannt, die sich nachteilig ausgewirkt haben könnten. Die Aufklärung der Klägerin sei insgesamt regelgerecht gewesen.

Dagegen wendet sich die Klägerin in Erneuerung ihres Begehrens mit der Berufung; hilfsweise beantragt sie die Rückgabe des Rechtsstreits in die erste Instanz. Sie wiederholt ihre Aufklärungsrüge und führt dabei an, dass ihr die Risiken des Eingriffs vom 28.11.2002 nicht verständlich gemacht worden seien; verschiedene Aspekte hätten überhaupt keine Erwähnung gefunden. Ebenso wenig sei verdeutlicht worden, dass es zu einer Vollnarkose würde kommen können, nachdem anfänglich davon keine Rede gewesen sei. Darüber hinaus sei die Prothese schlecht implantiert worden, weil sie sich habe verschieben können; das habe zu Schwerhörigkeit und Schwindel geführt.

2. Damit vermag die Klägerin nicht durchzudringen. Die erstinstanzliche Entscheidung hat Bestand. Das Landgericht ist nach gründlichen tatsächlichen Ermittlungen zu einem zutreffenden rechtlichen Ergebnis gelangt.

a) Das gilt zunächst mit Blickrichtung auf die präoperative Aufklärung der Klägerin. Die insoweit von ihr unterschriebenen Informationsbögen verhalten sich eingehend über die Art und die Risiken sowohl der Tympanoplastik als auch der begleitenden Anästhesie. Dass der Inhalt der Bögen zudem mündlich erörtert wurde, hat das Landgericht auf der Grundlage der Zeugenaussage Dr. …[A] und der Anhörung des Beklagten zu 2) unter gleichzeitiger Würdigung der Angaben der Klägerin und der Bekundungen ihres Vaters festgestellt; diese Feststellung begegnet keinen rechtserheblichen Zweifeln (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Die Rüge der Klägerin, die der Operation innewohnenden Risiken nachfolgender Schwindelerscheinungen, Schwerhörigkeit und Cholesteatome seien unerwähnt geblieben, ist unbegründet. Aus den Angaben im HNO-Bogen (dort Seite 2 unten) erschließt sich das Gegenteil. Genau so steht außer Frage, dass die – aus der Situation am 28.11.2002 heraus indizierte – Vollnarkose als Alternative zu der ursprünglich am 05.11.2002 ins Auge gefassten örtlichen Betäubung hinlänglich zur Sprache kam. Dr. …[A] hat ausgesagt, diese Option sei offen geblieben, und der Beklagte zu 2) machte seiner Schilderung nach dazu deutliche Ausführungen. Das wird durch den handschriftlichen Eintrag „SED-ITN“ im Informationsbogen, dessen Authentizität auch die Klägerin nicht leugnet, belegt und erfährt im Übrigen dadurch eine Bestätigung, dass der Klägerin die Vorgabe erinnerlich war, am Vorabend der Operation ab 22.00 Uhr nichts mehr zu essen.

Das Vorbringen der Klägerin, die Aufklärung sei ihr nicht verständlich gewesen,  trägt nicht. Sie hat die Informationsbögen einsehen können und unterschrieben. Dass sie in diesem Zusammenhang nach den Erläuterungen durch Dr. …[A] und den Beklagten noch Erklärungsbedarf angemeldet oder auf Schwierigkeiten hingewiesen hätte, die erteilten Informationen zu begreifen oder zu verarbeiten, ist weder behauptet noch sonst ersichtlich. Im Hinblick darauf durfte man auf Seiten der Beklagten ohne Fahrlässigkeit von der ausreichenden Unterrichtung der Klägerin ausgehen. Daher kann die Behauptung, die Aufklärung sei objektiv unzulänglich gewesen und habe deshalb auch keine taugliche Einwilligung ermöglichen können, der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Die Inanspruchnahme der Beklagten würde unter der genannten Voraussetzung jedenfalls am mangelnden Verschulden scheitern (BGHZ 169, 364).

b) Eine Haftung lässt sich ebenso wenig aus Fehlern in der operativen Versorgung der Klägerin herleiten. Die Dislokation und die geringe Größe der Prothese, die bei dem Revisionseingriff vom 04.05.2006 festgestellt wurden, erlauben nicht den Rückschluss auf Schwächen der streitigen Tympanoplastik. Der Sachverständige Prof. Dr. …[B] hat dazu bemerkt, die Prothese habe sich von ihren Ausmaßen her noch im Normbereich bewegt. Der Situs, der 2006 vorgefunden worden sei, sei durch zwischenzeitliche Veränderungen der anatomischen Situation bedingt gewesen. Die Dislokation sei als schicksalhaft zu bezeichnen. Allerdings müsse dafür wahrscheinlich eine von vorneherein erkennbare unzulängliche Belüftung des Mittelohrs verantwortlich gemacht werden. Ihr therapeutisch durch einen regelmäßig praktizierten Druckausgleich (das sei die einzige Behandlungsmöglichkeit) entgegenzuwirken, werde jedoch keineswegs allgemein befürwortet und aus hals-nasen-ohren-ärztlicher Sicht durchaus nicht für sachgerecht und geboten gehalten. Mithin gibt es keinen greifbaren Anhalt für ein vorwerfbares Verhalten der Beklagten im Zusammenhang mit der prothetischen Versorgung der Klägerin.

c) Nach alledem kann unerörtert bleiben, ob einer Einstandspflicht des Beklagten zu 2), die nicht losgelöst von der der Beklagten zu 1) denkbar ist, nicht bereits die Vorschrift des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB entgegenstünde und ob der Verjährungseinwand der Beklagten greifen würde.

3. Die Klägerin sollte die Rücknahme ihres Rechtsmittels erwägen. Bis zum 25.08.2011 besteht Gelegenheit zur Stellungnahme.

 

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