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Einsatz eines Medizinstudenten als alleinige postoperative Nachtwache für einen Patienten

LG Mainz, Az.: 2 O 266/11, Urteil vom 09.04.2014

1. Die Klageanträge zu 1 bis 5 werden hinsichtlich der Beklagten zu 1, 2 und 4 dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1, 2 und 4 gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche weiteren Schäden, die aus der fehlerhaften Behandlung entstanden sind oder noch entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese nicht mit den Klageanträgen zu 1 bis 5 abgegolten sind oder die Forderungen auf Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

3. Hinsichtlich des Beklagten zu 3 wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Hiervon ausgenommen sind die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 3; diese hat die Klägerin zu tragen.

5. Das Urteil ist für den Beklagten zu 3 gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Einsatz eines Medizinstudenten als alleinige postoperative Nachtwache für einen Patienten
Symbolfoto: Von Thaiview /Shutterstock.com

Die Klägerin, die in H. wohnt, begab sich am 20.6.2011 in die von der Beklagten zu 1 betriebene F.-Klinik in M. F., um einen plastischen Eingriff an ihrem Gesicht (Oberlidstraffung, Unterlidstraffung, Halsstraffung, Facelift) in Vollnarkose durchführen zu lassen. Nach dem Eingriff sollte die Klägerin noch ein bis zwei Tage in der Privatklinik, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 ist, bleiben. Zu diesem Zweck hält die Klinik zwei Patientenzimmer vor. Die gesamten Behandlungskosten in Höhe von 11.800,– € bezahlte die Klägerin im Voraus.

Die Operation erfolgte am 20.6.2011 zwischen etwa 10.00 Uhr und 18.30 Uhr. Operateur war der Beklagte zu 2, die Anästhesie wurde durch den Beklagten zu 3 durchgeführt.

Im Anschluss an die Operation erhielt die Klägerin von dem Beklagten zu 3 eine Infusion mit Kochsalzlösung. Die Klägerin war wach und orientiert und konnte sich selbst vom OP-Tisch auf die bereitstehende Liege bewegen. Sie wurde sodann gegen 18.45 Uhr in das Patientenzimmer verbracht. Gegen 19.00 Uhr erschien die Beklagte zu 4, zum damaligen Zeitpunkt eine Medizinstudentin im 10. Semester, die als einzige Nachtwache vorgesehen war.

Der Beklagte zu 2 führte eine Übergabe aus chirurgischer Sicht durch und erläuterte der Beklagten zu 4 insbesondere, was die Klägerin essen könne. Die Übergabe des Beklagten zu 3 an die Beklagte zu 4 ist hinsichtlich der Einzelheiten streitig. Jedenfalls aber wurde der Klägerin, die unter Diabetes leidet, Insulin verabreicht und ein Schmerzmittel gespritzt, nämlich Dipidolor. Unstreitig schrieb der Beklagte zu 3 auch eine Medikamentenliste, überwiegend mit Bedarfsmedikation. Außerdem findet sich in der Liste folgender Eintrag:

„Infusionsrest aus Op iv“.

Bis 20.00 Uhr hatten sowohl der Beklagte zu 3 als auch, etwas später, der Beklagte zu 2 die Klinik verlassen. Als einziges medizinisches Personal stand noch die Beklagte zu 4 zur Verfügung. Außerdem war zeitweise eine Putzfrau anwesend.

Aufgabe der Beklagten zu 4 war außer der Betreuung der Klägerin auch, den OP aufzuräumen, eine Medikamentenliste zu erstellen und – falls möglich – ein Ikea-Regal zusammenzubauen.

Gegen 20.15 Uhr meldete sich die Klägerin und teilte der Beklagten zu 4 mit, dass ihr nicht gut sei. Sie meinte, sie müsse etwas essen. Die Beklagte zu 4 gab ihr einen Joghurt. Außerdem maß sie Blutdruck und Puls sowie den Blutzucker, der mit 219 erhöht war. Daraufhin gab sie der Klägerin auf deren Wunsch zwei Einheiten Insulin. Die Klägerin wies die Beklagte zu 4 darauf hin, dass in etwa einer Stunde erneut der Blutzucker kontrolliert werden müsse.

Zuvor bereits hatte die Beklagte zu 4 im Hinblick auf die vermeintliche Anweisung des Beklagten zu 3 die noch am Tropf im OP hängende Infusionsflasche geholt und ins Patientenzimmer verbracht, um sie ggf. der Klägerin infundieren zu können. Die Flasche war mit „NaCl“ beschriftet, enthielt aber außer Kochsalzlösung auch Propofol, mit dem der Beklagte zu 3 die Narkose durchgeführt hatte. Der Inhalt der Flasche war milchig.

Gegen 21.15 Uhr schaute die Beklagte zu 4 erneut nach der Klägerin. Die Beklagte zu 4 gab der Klägerin Orangensaftschorle zu trinken, worauf sich die Klägerin mehrfach übergeben musste. Die Beklagte zu 4 schätzte anhand des anhängenden Urinbeutels, dass die Klägerin auf diese Weise ungefähr 500 ml Flüssigkeit verloren habe. Da sie sich zudem mehrfach übergeben hatte, entschloss sich die Beklagte zu 4, der Klägerin Flüssigkeit zuzuführen, indem sie ihr den Inhalt des aus dem OP mitgebrachten Tropfs infundierte. Nach einem kurzen Gespräch über die nächste Blutzuckermessung antwortete die Klägerin der Beklagten zu 4 nicht mehr. Die Beklagte zu 4 hörte lediglich noch ein brodelndes Geräusch. Die Klägerin erlitt einen Atem- und Kreislaufstillstand. Die Beklagte zu 4 benachrichtigte um 21.29 Uhr über den polizeilichen Notruf den Notarzt, der um 21.37 Uhr in der F.-Klinik eintraf. Zwischenzeitliche Notfallmaßnahmen der Beklagten zu 4 blieben erfolglos. Nachdem es zunächst Schwierigkeiten bei der Intubation gegeben hatte, gelang es dem Notarzt um 21.42 Uhr, die Klägerin zu intubieren und zu reanimieren. Um 22.34 Uhr wurde sie in das katholische Klinikum verlegt.

Die Klägerin befindet sich seitdem im Wachkoma. Ihr Gehirn ist durch die über längere Zeit unterbliebene Versorgung mit Sauerstoff irreparabel geschädigt.

Die Klägerin trägt vor: Sämtliche Beklagten hafteten für die bei ihr eingetretenen Schäden. Die Beklagten zu 1 und 2 hafteten schon deshalb, weil sie mit der Beklagten zu 4 ungeeignetes Personal als alleinige Nachtwache eingesetzt hätten. Der Beklagte zu 3 habe es versäumt, die falsch beschriftete Infusionsflasche aus dem OP zu entsorgen. Zudem habe er der Beklagten zu 4 mit der Formulierung „Infusionsrest aus Op“ eine unklare Anweisung gegeben. Die Beklagte zu 4 wiederum hätte die unklare Anordnung durch den Beklagten zu 3 hinterfragen müssen. Zudem hätte sie spätestens im Zeitpunkt der Übelkeit der Klägerin einen der beiden Ärzte anrufen müssen. Ihr hätten spätestens im OP Zweifel hinsichtlich des Verständnisses der Anordnung des Beklagten zu 2) kommen müssen, da sie eine angebrochene, offensichtlich gebrauchte Infusionsflasche mit milchig-weißem Inhalt, den sie nicht habe einordnen können, vorgefunden habe.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch einen Betrag in Höhe von 431.909,– €  nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie künftig eine der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellte monatliche Schmerzensgeldrente, mindestens jedoch 250,– €, beginnend am 1.12.2011, zahlbar im Voraus bis zum 3. eines jeden Kalendermonats, zu zahlen,

3. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie einen weiteren Betrag in Höhe von 47.120,59 €  nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

4. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie eine monatliche Mehrbedarfsrente in Höhe von 5.329,47 €, beginnend zum 1.12.2011, zahlbar im Voraus bis zum 3. eines jeden Kalendermonats, zu zahlen,

5. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie einen weiteren Betrag in Höhe von 7.154,28 €  nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

6. Festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihr sämtliche weiteren Schäden, die aus der fehlerhaften Behandlung entstanden sind oder noch entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese nicht mit den Klageanträgen zu 1 bis 5 abgegolten sind oder die Forderungen auf Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten zu 1 und 2 tragen vor: Die Beklagte zu 4 sei zwar bei der Beklagten zu 1 angestellt gewesen, sie habe jedoch auf Anweisung des Beklagten zu 3 gehandelt, sodass die Beklagten zu 1 und 2 für ein eventuelles Fehlverhalten der Beklagten zu 4 nicht hafteten. Im Übrigen habe der Beklagte zu 3 dadurch, dass er eine unklare Anweisung gegeben habe und im Übrigen auch noch die falsch beschriftete Infusionsflasche mit dem Propofol im OP habe hängen lassen, die Ursache für das tragische Geschehen gesetzt, sodass er auch dafür verantwortlich sei.

Die Beklagte zu 4 sei für den Einsatz als Nachtwache geeignet gewesen. Als Medizinstudentin im 10. Semester habe sie kurz vor ihrem praktischen Jahr gestanden und daher großes Wissen gehabt.

Der Beklagte zu 3 trägt vor: Ihm sei nicht bekannt gewesen, dass die Beklagte zu 4 keine examinierte Krankenschwester gewesen sei. Mit einem derartigen Fehlverhalten, wie es der Beklagten zu 4 zur Last falle, habe er bei einer examinierten Krankenschwester nicht rechnen müssen. Die von ihm aufgeschriebene Anordnung „Infusionsrest aus OP“ sei eindeutig und meine, dass die Infusion, die der Klägerin angehängt gewesen sei, als sie aus dem Operationssaal in ihr Zimmer verbracht worden sei, noch durchlaufen solle. Dass die angebrochene Infusion aus dem OP von der Beklagten zu 4 angehängt worden sei, sei völlig unverständlich.

Die Beklagte zu 4 trägt vor: Sie habe lediglich auf Anweisung des Beklagten zu 3 gehandelt. Die Anweisung sei eindeutig gewesen. Sie habe danach der Klägerin die Infusion aus dem Operationssaal anhängen sollen. Dies habe sie entsprechend der Anweisung getan. Sie habe die Anweisung des Beklagten zu 3 nicht zu hinterfragen brauchen. Sie habe sich zwar gewundert, dass die Infusionslösung milchig-weiß gewesen sei, sie habe jedoch gedacht, dass etwas für den Diabetes der Klägerin in der Lösung gewesen sei.

Alle Beklagten bestreiten die Ursächlichkeit der Infundierung der mit Propofol versetzten Kochsalzlösung für den Atem- und Herz-Kreislauf-Stillstand der Klägerin.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin B. und hat die Beklagten zu 2 bis 4 persönlich in der mündlichen Verhandlung vom 14.8.2012 angehört. Hinsichtlich der Einzelheiten ihrer Angaben wird auf das Protokoll (Bl. 343 bis 366 GA) verwiesen. Das Gericht hat ferner Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen fachmedizinischen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. Z.. Das Gericht hat den Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 11.3.2014 zudem angehört. Auch insoweit wird auf das Protokoll (Bl. 1183 bis 1192 GA) verwiesen. Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands erfolgt Bezugnahme auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Akteninhalt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist gegenüber den Beklagten zu 1, 2 und 4 dem Grunde nach gerechtfertigt. Gegenüber dem Beklagten zu 3 ist sie unbegründet.

Die Beklagte zu 1 haftet aus Verletzung des Behandlungsvertrages nach den  §§  280Abs. 1, 278 Abs. 1,249,253 Abs. 2 BGB der Klägerin auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Die Haftung der Beklagten zu 2 und 4 beruht auf den  §§  823Abs. 1, 249,253 Abs. 2 BGB bzw. auf den §§ 823 Abs. 2 BGB, 229 StGB.

I.

Die Beklagte zu 1 hat ihre vertraglichen Pflichten aus dem Behandlungsvertrag verletzt, indem sie mit der Beklagten zu 4 völlig ungeeignetes Personal als alleinige postoperative Nachtwache für die Klägerin beschäftigt hat. Sie hat damit gegen ihre Verpflichtung verstoßen, wonach die Behandlung nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen hat.

Die Beklagte zu 4 war für die alleinige postoperative Überwachung der Klägerin medizinisch nicht geeignet. Dies steht nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. Z. fest. Zu Recht hat der Sachverständige festgestellt, dass ein Medizinstudent im 10. Semester ganz überwiegend theoretische Kenntnisse erworben hat, dass es ihm aber regelmäßig an der praktischen Ausbildung für den Dienst am Patienten fehlt. Soweit die Beklagten zu 1 und 2 darauf hinweisen, jedenfalls im konkreten Fall sei die Beklagte zu 4 besonders gut geeignet gewesen, um diese Tätigkeit im Nachtdienst alleine auszuüben, spricht allein der Behandlungsablauf am Abend des 20.6.2011 eine völlig andere Sprache. Zu Recht hat der Sachverständige Prof. Dr. Z. darauf hingewiesen, dass die eingetretene Komplikation eigentlich ein nur sehr kleiner Zwischenfall gewesen sei. Der Klägerin war nach der Operation schlecht geworden. Dies ist ein Risiko, das viele Patienten, besonders Frauen, nach einer langen Operation treffen kann. Die Klägerin hatte nach den Darlegungen des Sachverständigen insoweit ein Risiko von 40 bis 60%. Bereits mit diesem kleinen Zwischenfall war die Beklagte zu 4 hoffnungslos überfordert. Statt nämlich einfach der Klägerin die von dem Beklagten zu 3 aufgeschriebene Medikation gegen Übelkeit zu verabreichen, infundierte sie der Patientin die aus dem OP geholte Lösung (hierzu später). Dabei spielt es letztlich keine Rolle, ob der Beklagte zu 3 der Beklagten zu 4 tatsächlich die von ihm in die Liste aufgenommenen Medikamente, darunter auch Medikamente gegen Übelkeit, erläutert hat, so wie er das in der mündlichen Verhandlung vom 14.8.2012 dargestellt hat (Bl. 352 GA) oder ob er das nicht getan hat. Denn entweder wusste die Beklagte zu 4 aufgrund der Erläuterungen des Beklagten zu 3, dass ihr Antiemetika zur Verfügung standen, die sie der Klägerin hätte geben können, oder aber sie wusste überhaupt nicht, um welche Medikamente es sich in der Liste handelte, wobei insoweit wiederum dahingestellt bleiben kann, ob dies darauf beruhte, dass der Beklagte zu 3 sie nicht ordnungsgemäß informiert hatte oder ob sie einfach nicht zugehört hatte. Denn in diesem Fall wäre es erforderlich gewesen, dass sie beim Beklagten zu 3 entweder sofort oder aber später telefonisch erfragte, aus welchem Anlass die in der Liste aufgeführten Medikamente zu geben seien bzw. um was für eine Art Medikament es sich überhaupt handelte, anstatt selbständig Indikationen für Infusionsgaben zu stellen.

Insoweit hat der Sachverständige Prof. Dr. Z. in seiner mündlichen Anhörung am 11.3.2014 angegeben, er erwarte von einer medizinischen Hilfskraft, dass sie, bevor sie eingesetzt werde, über medizinische Folgen ihres Handelns Bescheid wissen müsse, sie müsse ihre Kompetenzen kennen, aber vor allen Dingen müsse sie wissen, was im Notfall zu machen sei (Bl. 1188 GA). Genau diese Qualifikation besaß die Beklagte zu 4 offensichtlich nicht. Dies zeigt sich nicht nur in ihrem Umgang mit der Übelkeit der Klägerin, sondern insbesondere auch in ihrem Verständnis der schriftlichen Anordnung des Beklagten zu 3 „Infusionsrest aus OP“. Die Anordnung kann sprachlich zweifellos mehrdeutig verstanden werden, entweder als „Infusionsrest aus der OP“ oder als „Infusionsrest aus dem OP“. Der Sachverständige Prof. Dr. Z. hat jedoch, für die Kammer uneingeschränkt und gut nachvollziehbar dargelegt, dass im konkreten Kontext die Anordnung aus medizinischer Sicht völlig eindeutig war. Er hat dies damit begründet, dass die Infusionsflasche, die sich noch im OP befand, als der Beklagte zu 3 die Klinik verließ, bereits angebrochen war. Sie war schließlich am Ende der Operation noch zur Narkose verwendet worden. Eine zum Zeitpunkt der Infundierung bereits seit mehr als zweieinhalb Stunden offen herumhängende, angebrochene Infusion noch mal einem Patienten anzuhängen, widerspricht nach den Angaben des Sachverständigen sowohl in seinem schriftlichen Gutachten als auch in seiner mündlichen Erläuterung aber jeglichen hygienischen Vorschriften und wäre medizinisch qualifiziertem Personal nicht passiert. Dies gilt umso mehr, als die Infusionslösung milchig-weiß und nicht klar war, woraus sich für jeden Mediziner ergab, dass es sich nicht um Kochsalzlösung handeln konnte, auch wenn die Flasche so beschriftet war. Tatsächlich bemerkte auch die Beklagte zu 4, dass es sich jedenfalls nicht um reine Kochsalzlösung handeln konnte. Sie zog aber ihre eigenen – falschen – Schlüsse und beruhigte sich damit, es müsse wohl etwas für den Diabetes der Patientin darin sein. Damit beging sie einen weiteren schwerwiegenden Fehler, der medizinischem Fachpersonal nicht passiert wäre, indem sie nämlich der Klägerin ein Mittel infundierte, von dem sie überhaupt nicht wusste, worum es sich handelte.

Als sie begonnen hatte, der Klägerin die mit Propofol versetzte Infusion zu verabreichen, die Klägerin das Bewusstsein verloren hatte und die Beklagte zu 4 brodelnde Geräusche vernahm, kam sie nicht auf den Gedanken, dass dies davon herrühren könnte, dass die Zunge zurückgefallen war und die Atemwege verlegt hatte, so dass es angezeigt gewesen wäre, der Klägerin den Rachen freizumachen. Erst auf die Aufforderung des Rettungsdienstes versuchte sie, durch Drehen der Patientin zu erreichen, dass etwas herausgelaufen kam, falls diese erbrochen haben sollte. Letztlich war sie auch nicht in der Lage, eine Reanimation durchzuführen, was sich aus dem Protokoll des Notrufs hinreichend deutlich ergibt.

Der Sachverständige Prof. Dr. Z. hat bereits in seinem schriftlichen Gutachten vom 19.8.2013 dargelegt, dass die Betreuung eines frisch operierten Patienten eine hoch anspruchsvolle Aufgabe sei. Insbesondere unmittelbar postoperativ in den ersten 12 bis 24 Stunden könnten Komplikationen auftreten. Typische operationsbedingte Komplikationen nach Facelift seien Nachblutungen, Gesichtsschwellungen, Störungen des Lymphabflusses sowie postoperative Schmerzen. In 10 bis 15 % aller Fälle könne eine chirurgische Intervention nötig werden (Bl. 993 GA). Diese Komplikationen könnten hervorgerufen werden durch Unruhe, Schmerz, Übelkeit, Erbrechen oder unkontrollierte Blutdruckanstiege. Es werde daher empfohlen, einen Patienten in den ersten 8 Stunden engmaschig zu beobachten und unter Monitoring zu stellen, da fast alle ausgedehnten Blutergüsse in dieser Zeit aufträten. Anästhesiologisch träten in 20 bis 30 % aller Fälle postoperativ Übelkeit und Erbrechen auf. Nach dem sogenannten Apfel-Score habe das Risiko der Klägerin bei mindestens 40 bis 60 % gelegen (Bl. 994 GA). Bei der Klägerin seien zusätzlich Risiken durch die bei ihr vorliegende Diabeteserkrankung gegeben gewesen. Daher sei eine engmaschige Kontrolle des Blutzuckers erforderlich gewesen, gegebenenfalls habe intravenös Glukose gegeben werden müssen oder Insulin. Es habe sich folglich im Fall der Klägerin um eine komplexe postoperative Betreuung und Überwachung gehandelt bei einem deutlich erhöhten postoperativen Risikoprofil. Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, dass 10 Semester Medizinstudium nicht als Nachweis dafür genügten, dass ausreichende praktische Erfahrung bestanden habe. Regelmäßig werde in den ersten 10 Semestern primär theoretisches Wissen vermittelt, erste systematische Kontakte zur klinischen Praxis erfolgten erst im praktischen Jahr (Bl. 995 GA). Aus diesem Grund sei der Ausbildungsstand der Beklagten zu 4 nicht mit demjenigen einer Gesundheits- oder Krankenpflegerin vergleichbar gewesen, sondern lediglich mit dem einer pflegerischen Hilfskraft. Daraus hat der Sachverständige den Schluss gezogen, dass die Beklagte zu 4 weder formell noch materiell geeignet gewesen sei, die postoperative Betreuung der Klägerin als alleinige Nachtwache zu übernehmen. Hieran hat der Sachverständige auch in seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 11.3.2014 festgehalten. Er hat eingeräumt, dass eine Medizinstudentin im 10. Semester theoretisch sicher viel mehr als eine Pflegehilfskraft wisse. Allerdings habe sie in aller Regel nur ganz minimalen Patientenkontakt bis zu diesem Zeitpunkt. Es hänge jedenfalls sehr von der Eigenmotivation ab, sich diese praktischen Tätigkeiten selbst im Wege von Famulaturen etc. anzueignen. Es sei immer noch die Praxis, dass die praktische Tätigkeit sich in die Zeit des praktischen Jahres verschiebe und nicht unbedingt während des Studiums stattfinde.

Diese Ausführungen des Sachverständigen sind für die Kammer in jeder Hinsicht überzeugend. Wie bereits dargelegt, handelte es sich im Fall der Klägerin um eine komplexe Betreuungssituation nach einer umfangreichen, mehr als 8-stündigen Operation. Dass die im Wesentlichen theoretisch geschulte Beklagte zu 4 zur Bewältigung auftretender Komplikationen alleine nicht in der Lage sein würde, lag auf der Hand. Der Verlauf des Abends des 20.6.2011 belegt dies mehr als deutlich. Die Beklagte zu 4 war nicht einmal in der Lage, mit der eigentlich geringfügigen Komplikation einer Übelkeit der Klägerin fertig zu werden. Statt die von dem Beklagten zu 3 aufgeschriebenen Medikamente gegen Übelkeit zu verabreichen, traf sie gravierende Fehlentscheidungen.

Auch die Anhörung des Beklagten zu 2 ergab keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte zu 4 ausnahmsweise doch besonders geeignet gewesen wäre, die ihr übertragene Tätigkeit auszuüben. Der Beklagte zu 2 erklärte, dass die Beklagte zu 4 besonders sorgfältig gewesen sei und auch besonders geeignet für die Praxis der Nachtwachen. Dies habe er daraus entnehmen können, dass sie zuvor auch schon im Tagdienst eingesetzt gewesen sei. Dabei habe er festgestellt, dass sie ein besonders gutes Wissen im Bereich der Medizin gehabt habe. Außerdem habe sie sich auch dort als sorgfältig erwiesen. Allerdings vermochte der Beklagte zu 2 dies nicht weiter zu präzisieren. Er erklärte weiter, die Beklagte zu 4 habe auch ein gutes Verständnis hinsichtlich der Blutzuckerkontrolle und der Insulingabe gehabt. Auf die Frage des Gerichts, ob die Beklagte zu 4 zuvor schon Insulin in der F.-Klinik gegeben habe, musste er passen. Sie habe aber die Medikamentenschränke sortiert. Das sei zwar kein Dienst am Patienten, man habe ihre Fähigkeiten aber auch an den Diskussionen erkannt, die sie im medizinischen Bereich gehabt hätten. Daran sei festzustellen gewesen, dass die Beklagte zu 4 ein großes Wissen gehabt habe. Man habe das auch daran gesehen, wie sie bestimmte Dinge durchgeführt habe, z. B. einen Verband gewechselt habe. Da sehe man schon, dass jemand besonders sorgfältig sei. Es seien von ihr auch Rückfragen gestellt worden und es sei auch so gewesen, dass die Beklagte zu 4 mal während einer Nachtwache bei ihm zu Hause angerufen habe, um sich rückzuversichern.

Aus diesen Angaben des Beklagten zu 2 ergibt sich nicht der geringste Ansatzpunkt dafür, dass die Beklagte zu 4 medizinisch besonders geeignet gewesen sein könnte, in einer komplexen Betreuungssituation alleinige Nachtwachen durchzuführen. Wie sich im Verlauf der Behandlung herausgestellt hat, war sie es auch nicht.

An dieser Einschätzung vermag auch der Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1 und 2 vom 1.4.2014 nichts zu ändern. Soweit die Beklagten zu 1 und 2 vortragen, die Beklagte zu 4 habe Erste-Hilfe-Kenntnisse gehabt, widerspricht dies bereits dem polizeilichen Telefonvermerk vom 21.6.2011, wonach die Beklagte zu 4 angab, sie habe keine Erste-Hilfe-Ausbildung. Der Beklagte zu 2 selbst hat in seiner polizeilichen Vernehmung vom 24.6.2011 auf Seite 2 angegeben, Voraussetzung für eine Mitarbeit in seiner Klinik sei, dass es sich um Medizinstudenten in höheren Semestern handele. Es gelte die persönliche Leistungsfähigkeit. Grundminimum sei das Physikum, also eine Mindeststudienzeit von zwei Jahren. Diese Angaben sprechen gerade nicht dafür, dass der Beklagte zu 2 bei der Einstellung der Beklagten zu 4 oder der Übertragung von Aufgaben an sie darauf geachtet hat, dass sie besonders qualifiziert war. Selbst wenn die Beklagte zu 4 aber Erste-Hilfe-Kenntnisse gehabt haben sollte, so war sie, was der Verlauf des Abends des 20.6.2011 nachdrücklich belegt, nicht in der Lage, sie auch in der konkreten Notfallsituation, in der es mangels Anwesenheit eines Arztes allein auf sie ankam, zur Rettung der Patientin anzuwenden. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Protokoll des von ihr getätigten Notrufs.

Soweit der Beklagte zu 2 vortragen lässt, es könne an eine Klinik der „Minimalversorgung“, wie es die F.-Klinik sei, nicht die gleichen Anforderungen gestellt werden wie an eine Klinik der Maximalversorgung oder Universitätsklinik, so ist dies im Grundsatz richtig. Allerdings bedeutet dies nicht, dass sich die Klinik ihren eigenen Standard setzen kann. Eine Klinik, die nicht Klinik der Maximalversorgung ist, kann nicht alle medizinischen Leistungen anbieten und wird dies im Zweifel auch nicht tun. Wenn sie es tut, obwohl sie nicht das geeignete Personal hat, um die entsprechende medizinische Leistung zu erbringen, wird sie das Risiko eingehen, sich gegenüber dem Patienten schadensersatzpflichtig zu machen. Die Leistungen, die von der Klinik, die nicht Klinik der Maximalversorgung ist, angeboten werden, müssen aber lege artis und durch qualifiziertes Personal erfolgen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass in einer Klinik, die nicht Klinik der Maximalversorgung ist, möglicherweise ärztliches oder pflegerisches Personal tätig ist, das von seinen Fähigkeiten und Kenntnissen her nicht das Niveau einer Klinik der Maximalversorgung oder gar einer Universitätsklinik erreicht. Das bedeutet aber nicht, dass in einer kleinen Klinik für die dort anfallenden Tätigkeiten nicht ausreichend qualifiziertes Personal eingesetzt werden darf, sich die Klinik ihren Standard also letztlich selbst definiert. Vielmehr ist der allgemein anerkannte fachliche Standard einzuhalten, was sich nunmehr unmissverständlich aus der Regelung des § 630a Abs. 2 BGB ergibt, zum Zeitpunkt des Vorfalls aber auch bereits der ständigen Rechtsprechung entsprach (vgl. u.a. BGH NJW 2003, 2311 Rn 13, zitiert nach juris; ebenso Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 3. Aufl. B 25). Der Einsatz und das Vorhalten von ärztlichem und pflegerischem Personal haben sich folglich am Wohlergehen des Patienten zu orientieren, wobei der Kammer durchaus bewusst ist, dass es medizinischem Personal nicht möglich ist, jede Komplikation und daraus resultierende Folgen von einem Patienten fernzuhalten. Es ist aber erforderlich dafür zu sorgen, dass auf Komplikationen angemessen reagiert werden kann. Dies war im vorliegenden Fall in der F.-Klinik nicht gegeben, wie sich aus dem gesamten Ablauf des Abends des 20.6.2011, insbesondere aus den von der Beklagten zu 4 getroffenen fatalen Fehlentscheidungen, aber auch aus der Art und Weise ergibt, wie sie versucht hat, den aufgrund ihrer Entscheidungen eingetretenen Notfall zu behandeln. Gerade aus dem Notfallprotokoll ergibt sich, dass die Beklagte zu 4 mit der von ihr verursachten Situation völlig überfordert war. Wenn die Beklagtenseite nun auf Seite 8 des Schriftsatzes vom 1.4.2014 (Bl. 1228 GA) darauf verweist, es sei auf den unter den konkreten Gegebenheiten erreichbaren Standard abzustellen, so ist eine derartige Sichtweise mit großem Nachdruck zurückzuweisen. Die im Schriftsatz aus dem Zusammenhang gerissene zitierte Formulierung bedeutet lediglich, dass etwa ein Allgemeinmediziner, der mit einer besonders schwierigen Situation konfrontiert wird, nicht den gleichen Standard schuldet wie ein Arzt einer speziellen Fachrichtung. Er hat nicht das gleiche Wissen und nicht die gleichen Fähigkeiten, möglicherweise auch nicht die gleichen Gerätschaften wie der entsprechende Facharzt. Dementsprechend kann ihm auch nicht vorgeworfen werden, wenn er nicht auf dem speziellen Facharztniveau behandelt. Er muss gleichwohl die medizinische Versorgung des Patienten sicherstellen, indem er ihn dem richtigen Facharzt zuweist. Im vorliegenden Fall ist aber die Klägerin von den Beklagten zu 1 und 2 in eine Situation gebracht worden, in der sie aufgrund fehlerhafter organisatorischer Entscheidungen durch nicht ausreichend qualifiziertes Personal behandelt wurde. Die am Abend des 20.6.2011 bei der Klägerin eingetretene Komplikation der Übelkeit und des Erbrechens ist keine solche, die nicht von normal ausgebildetem und qualifiziertem Personal, z. B. einer examinierten Krankenschwester, hätte beherrscht werden können.

Entsprechend diesen Ausführungen ist auch an der Kompetenz des Sachverständigen Prof. Dr. Z. nicht zu zweifeln. Dass er selbst Chefarzt der Anästhesiologie in einer Klinik der Maximalversorgung ist und früher an einer Universitätsklinik tätig war, ändert nichts daran, dass er einzuschätzen vermag, welche Qualifikation medizinisches Personal haben muss, das alleine für die Überwachung eines Patienten verantwortlich ist.

Soweit die Beklagten zu 1 und 2 auf eine Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 29.1.2014 verweisen, wonach Medizinstudenten Aufklärungsgespräche mit Patienten für Herzkatheteruntersuchungen durchführen dürfen, ohne dass der Arzt anwesend ist und ohne dass sie diese Untersuchung schon einmal selbst durchgeführt haben, führt dies nicht zu einer anderen Entscheidung. Gerade das Führen eines Aufklärungsgesprächs stellt keine praktische medizinische Tätigkeit am Patienten dar. Zwar wird das Aufklärungsgespräch mit dem Patienten persönlich geführt und ist unerlässlich für die Einwilligung des Patienten zur Durchführung der Operation. Es handelt sich dabei aber nicht selbst um eine therapeutische Maßnahme, die dem Medizinstudenten alleine anvertraut wäre.

Soweit die Beklagten zu 1 und 2 ferner einwenden, ein Arzt habe in 10 Minuten da sein können, da der Beklagte zu 3 in M.-W. gewohnt habe, erscheint dies zwar zweifelhaft, da nicht nur die reine Fahrtzeit zu berücksichtigen ist, insbesondere nicht bei einem Notruf am Abend oder gar in der Nacht, es kann dies aber letztlich dahingestellt bleiben, weil auch eine Fahrtzeit von 10 Minuten zu lang ist, wie der vorliegende Fall nachdrücklich zeigt. Der von der Beklagten zu 4 herbeigerufene Notarzt benötigte sogar nur 8 Minuten, um zur F.-Klinik zu gelangen. Gleichwohl war es zu spät, um die schweren Schäden von der Klägerin abzuwenden. Eine direkte ärztliche Aufsicht über das Handeln der Beklagten zu 4 war eben gerade nicht gegeben. Wenn die Beklagten zu 1 und 2 auf eine Entscheidung des OLG Braunschweig vom 18.12.1997 abstellen, wonach sichergestellt werden müsse, dass eine Notsectio innerhalb von 20 bis 25 Minuten erfolgen könne, so hat das mit dem vorliegenden Fall nicht das Geringste zu tun. Erleidet nämlich ein Patient einen Atem- und Kreislaufstillstand, so kann unter keinen Umständen 20 bis 25 Minuten zugewartet werden. Aus anderen Fällen ist der Kammer, die langjährig mit Arzthaftungssachen befasst ist, bekannt, dass im Falle einer Sauerstoffunterversorgung des Gehirns bei den meisten Patienten ab einem Zeitraum von 8 Minuten Hirnschädigungen eintreten, bei einem Zeitraum von 10 Minuten bei fast jedem Patienten. Daher ist die zitierte Entscheidung für den vorliegenden Fall völlig unbrauchbar.

Die Beklagte zu 4 vermag sich auch nicht darauf zu berufen, dass ihr keine andere Möglichkeit geblieben sei, als den im OP verbliebenen Tropf anzuhängen, weil ihr der Beklagte zu 3 insoweit eine klare Anweisung gegeben habe. Die Anweisung „Infusionsrest aus OP“ ist nicht in dem Sinne klar, wie sie die Beklagte zu 4 verstanden haben möchte. Vielmehr ist die Formulierung sprachlich mehrdeutig, weil sie sowohl als „aus dem OP“ als auch „aus der OP“ verstanden werden könnte. Der Sachverständige Prof. Dr. Z. hat jedoch bereits in seinem schriftlichen Gutachten und auch in seiner mündlichen Anhörung vom 11.3.2014 ausgeführt, dass die Anordnung aus medizinischer Sicht absolut eindeutig sei und nur die Infusion meinen könne, die der Patientin angehängt gewesen sei, als sie aus dem OP in ihr Zimmer verbracht wurde. Er hat dies damit begründet, dass das Handeln der Beklagten zu 4 gegen jegliche Grundregeln im Umgang mit Infusionslösungen verstoßen habe. Eine im OP zurückgelassene Infusionsflasche mit offenem, also unsterilem Infusionssystem und einem Rest milchig-trüber Verfärbung, mithin unklaren Inhalts, wäre durch eine ausgebildete und qualifizierte Pflegekraft mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht noch einmal zur Anwendung am Patienten gekommen (Bl. 1001 GA). Dieser Einschätzung des Sachverständigen schließt sich die Kammer uneingeschränkt an. Sie wird letztlich auch von dem von den Beklagten zu 1 und 2 herangezogenen und zitierten Privatsachverständigen Prof. Dr. B. geteilt. Dieser hat ausgeführt, mit „Infusionsrest aus OP“ sei im allgemeinen, aber nicht zwingend, die letzte, am Patienten angeschlossene Infusion gemeint, die mit aus dem OP in den Aufwachraum transportiert werde. In der Regel, aber auch dies nicht immer, werde diese Infusion während der noch laufenden Narkose angeschlossen und postoperativ langsam weiter infundiert. Alle nachfolgenden Infusionen würden dann in der Regel unbenutzt bzw. neu angehängt. In der klinischen Routine würden, soweit keine speziellen abweichenden Anordnungen gegeben würden, normalerweise keine gebrauchten Infusionslösungen aus dem OP geholt und dann im Aufwachraum angehängt. Dieses deshalb nicht, weil man bei im OP bereits benutzten Infusionslösungen nicht sicher wisse, was in ihnen enthalten sei. Er habe es in den letzten 20 Berufsjahren nie erlebt, dass irgendjemand eine „angestochene“ – wie auch immer gebrauchte – Lösung im OP liegen gelassen habe und/oder Dritte eine solche aus dem OP geholt hätten, um diese dann weiter zu infundieren. Dieses widerspreche auch allen Hygienevorschriften. Diese klaren Aussagen des von den Beklagten zu 1 und 2 selbst herangezogenen Privatsachverständigen erachtet die Kammer als genauso schlüssig und nachvollziehbar wie die Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. Z..

Soweit sich die Beklagten zu 1 und 2 auf die Beantwortung weiterer Fragen beziehen, die sie dem Privatsachverständigen Prof. Dr. B. gestellt haben, bedurfte es einer Anhörung des Privatsachverständigen in einer mündlichen Verhandlung nicht. Die Feststellung, dass dann, wenn nur noch eine Infusionsflasche vorhanden gewesen sein sollte, die hätte infundiert werden können, weil die andere bereits durchgelaufen gewesen wäre, sich die Anordnung eben auf diese Flasche hätte beziehen müssen, ist eine Frage der Beweiswürdigung und keine medizinische Frage, die sachverständigerseits zu beantworten wäre. Im Übrigen sind die der Fragestellung zugrunde liegenden Prämissen aus Sicht der Kammer andere. Die Anordnung des Beklagten zu 3 „Infusionsrest aus OP“ konnte sich angesichts der Ungewöhnlichkeit, eine angebrochene Flasche aus dem OP zu holen, nur dann auf diese Flasche beziehen, wenn zum Zeitpunkt der Anordnung die der Patientin angehängte Flasche bereits durchgelaufen gewesen wäre. Davon geht die Kammer aber schon deshalb nicht aus, weil es feststeht, dass der Beklagte zu 3, der schließlich wusste, was sich in der im OP zurückgelassenen Flasche befand, ganz sicher nicht wollte, dass deren Inhalt infundiert würde. Schon aus diesem Grund ist also davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der Anordnung die der Patientin angehängte Infusion noch nicht durchgelaufen war. Es kann letztlich nicht mit Bestimmtheit gesagt werden, wann dies der Fall war. Nach dem Eintrag im Patientenblatt (Bl. 161 GA) könnte es um 19.05 Uhr gewesen sein, eher wahrscheinlich ist allerdings, dass es sich bei der dortigen Zeitangabe um 19.20 Uhr handelt. Die Beklagte zu 4 selbst hat geäußert, die Infusion sei schon ziemlich weit fortgeschritten gewesen, als sie sie zum ersten Mal gesehen habe. Eigentlich könne sie sich nur daran erinnern, dass sie sie abgestöpselt habe. Das habe sie oben vermerkt. Wann genau das gewesen sei, könne sie jetzt nicht mehr sagen. Um 19.00 Uhr könne es nicht gewesen sein, weil sie zu diesem Zeitpunkt erst gekommen sei. Es könne 19.20 Uhr gewesen sein. Es könne sein, dass Herr Dr. P. zu diesem Zeitpunkt noch da gewesen sei. Das wisse sie jetzt nicht mehr genau. Sie habe die Infusion jedenfalls abgestöpselt, als sie durchgelaufen gewesen sei (Bl. 358 GA). Damit lässt sich eine exakte zeitliche Eingrenzung, wann die Infusion abgestöpselt wurde, nicht vornehmen. Allerdings hat die Beklagte zu 4, nachdem sie in der F.-Klinik erschienen war, noch gesehen, dass die Infusion lief. Das bedeutet, dass die Anweisung „Infusionsrest aus OP“ gegeben und erst recht geschrieben wurde, als die Infusion noch lief. Denn aus der Medikamentenliste ergibt sich, dass diese zwischen dem Ende der Operation um 18.45 Uhr und 19.00 Uhr geschrieben worden sein muss, da sich auf ihr bereits die Eintragungen hinsichtlich der Gabe von Dipidolor und des Basalinsulin um jeweils 19.00 Uhr befinden. Die Beklagten zu 1 und 2 können folglich nicht mit dem Argument gehört werden, auch einer examinierten Pflegekraft hätte der von der Beklagten zu 4 begangene Fehler unterlaufen können, da sich die Anweisung im Medikamentenblatt eindeutig auf die im OP verbliebene Infusion bezogen habe.

Hinzu kommt, dass die Beklagte zu 4 nach ihren eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 14.8.2012 die Infusion der Klägerin nicht in erster Linie deshalb gegeben hat, weil dies auf dem Bogen so stand, sondern weil sie gegen 21.15 Uhr der Meinung war, die Patientin habe durch Urinabgabe und mehrfaches Erbrechen bereits viel Flüssigkeit verloren, die sie ihr wieder zuführen wollte (Bl. 359 GA). Aufgrund der Aufschrift „NaCl“ auf dem Etikett mag sie davon ausgegangen sein, dass es sich im Grundsatz um Kochsalzlösung handelte. Ihr war aber schon bewusst, dass Kochsalzlösung durchsichtig ist, während der Inhalt der Flasche im OP milchig-trüb war (Bl. 359 f. GA). Statt sich nun aber durch einen Rückruf bei dem Beklagten zu 3 über den Inhalt der Flasche zu vergewissern oder sie eben doch nicht zu infundieren, reimte sich die Beklagte zu 4 zusammen, dass es eine Nährlösung für oder gegen Diabetes sein könne und infundierte den Inhalt der Flasche, ohne zu wissen, worum es sich handelte (Bl. 360 GA). Dies stellt für sich genommen einen schweren Fehler dar, was auch der Sachverständige Prof. Dr. Z. aus medizinischer Sicht so gesehen hat (Bl. 1008 GA). Selbst der Privatsachverständige Prof. Dr. B. hat ausgeführt, dass man eine im OP bereits benutzte Infusionslösung deshalb nicht mehr anhänge, weil man nicht sicher wisse, was in ihr enthalten sei.

Nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. Z. bereits im schriftlichen Gutachten, aber auch in seiner mündlichen Anhörung in der Verhandlung vom 11.3.2014, hat die von der Beklagten zu 4 verursachte Propofolgabe auch den Atemstillstand bei der Klägerin hervorgerufen. Der Sachverständige hat insoweit ausgeführt, dass nach den Feststellungen der rechtsmedizinischen Untersuchung vom 24.06.2011 maximal 75 mg Propofol in der Flasche mit 500 ml NaCl hätten sein können (Bl. 1016 GA). Es sei jedoch von einer deutlich höheren Propofolkonzentration auszugehen, da Propofol flüchtig sei und sich mit der Zeit abbaue, anfangs stärker, später nachlassend. Eine genaue Konzentration vermochte er allerdings nicht zu ermitteln. Es müsse aber, da die Untersuchung des Flascheninhalts erst beinahe 4 Tage nach dem Vorfall durchgeführt worden sei, eine deutlich über den von der Rechtsmedizin ermittelten Menge von maximal 75 mg gewesen sein (Bl. 1017 GA). Mit 100 bis 120 mg Propofol könne man – per Bolus gesetzt – eine Narkose hervorrufen. Der zeitliche Zusammenhang zum Einschlafen der Klägerin spreche eindeutig dafür, dass die Narkotisierung mit der Infusion zusammenhänge. Auch das gurgelnde oder schnarchende Geräusch, das die Beklagte zu 4 beschrieb, passe dazu. Es entstehe durch muskulären Tonusverlust im Bereich des Unterkiefers und durch Zurückfallen der Zunge (Bl. 1018 GA). Da die Infusion nicht umgehend beendet worden sei, sei dieser quasi narkotische Zustand aufrechterhalten worden und es sei bedingt durch globalen Sauerstoffmangel zum Herz-Kreislauf-Stillstand gekommen. Inwieweit noch andere Mittel zur Narkotisierung der Klägerin beigetragen haben, vermochte der Sachverständige nicht zu sagen, insbesondere nicht, ob in der Mischung auch Remifentanil enthalten gewesen sein könnte, da dieses im Körper sehr schnell abgebaut werde und auch in der Flasche zum Zeitpunkt der Untersuchung am 24.6.2011 möglicherweise nicht mehr nachweisbar gewesen wäre. Jedenfalls aber sei Propofol bei der Applikation dabei gewesen. Er sehe keinen anderen Grund, weshalb es vorliegend zu dem Atemstillstand gekommen sein könnte. Schon deshalb müsse die Menge an Propofol, die hier eine Rolle gespielt habe, höher gewesen sein als das, was aufgrund der toxikologischen Untersuchung bislang angenommen worden sei (Bl. 1187 GA).

Diese Angaben des Sachverständigen sind für die Kammer in jeder Hinsicht nachvollziehbar. Die Beklagte zu 4 hat der Klägerin einen Infusionstropf angehängt, in dem unstreitig Propofol gelöst war. Kurze Zeit darauf hat die Klägerin auf ihre Fragen nicht mehr geantwortet und gurgelnde bzw. schnarchende Geräusche von sich gegeben. Dieser Geschehensablauf lässt für vernünftige Zweifel keinen Raum, dass die Narkotisierung der Klägerin mit der Gabe des Narkosemittels im Zusammenhang stand.

Der Sachverständige Prof. Dr. Z. hat darüber hinaus ausgeschlossen, dass die Klägerin durch eine operationsbedingte Komplikation, etwa die Verlegung der oberen Atemwege durch eine Schwellung, den Atemstillstand erlitt. Insoweit hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vom 11.3.2014 ausgeführt, dass dann, wenn die Verlegung der oberen Atemwege durch Schwellungen komplett erfolgt wäre, dies nicht so schnell gegangen wäre, sondern sich über einen längeren Zeitraum erstreckt hätte. Dies sei eine ganz furchtbare Sache für den Patienten. Es wäre verbunden gewesen mit entsprechenden Atemgeräuschen. Solche Patienten seien unruhig und versuchten Luft zu bekommen. Das sei nicht vereinbar mit einem Einschlafen. Der Sachverständige hat durchaus darauf hingewiesen, dass die auffälligen Schwellungen im Bereich der oberen Atemwege das Geschehen aggraviert haben dürften, da sie wahrscheinlich zu einem frühen Zeitpunkt zu einer totalen Verlegung der oberen Atemwege beigetragen hätten. Solche Schwellungen seien gelegentlich nach Eingriffen in der Kopf-/Halsregion zu beobachten und könnten bei wachen und klaren Patienten völlig asymptomatisch sein. Daraus ergebe sich, dass die Symptomatik damit zwar forciert worden, aber nicht ausgelöst worden sei (Bl. 1018 f. GA). Auch ein Unterdrucklungenödem konnte der Sachverständige ausschließen, weil der durch die vom Patienten durchgeführten Atembemühungen möglicherweise erzeugte Unterdruck zu Veränderungen der unteren Atemwege geführt hätte, nicht der oberen. Außerdem habe sich im Röntgenbild kein Lungenödem gezeigt.

Damit steht aus Sicht der Kammer fest, dass der Atem- und nachfolgend der Kreislaufstillstand bei der Klägerin durch die von der Beklagten zu 4 verabreichte Infusion ausgelöst wurden.

Folglich haftet die Beklagte zu 1 für die bei der Klägerin eingetretenen Schäden, weil sie sich zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten aus dem Behandlungsvertrag mit der Klägerin hinsichtlich der postoperativen Betreuung ungeeigneten Personals bediente, indem sie die Beklagte zu 4 als alleiniges medizinisches Personal für die Nacht in der Klinik zurückließ. Sie haftet daher aus eigenem Organisationsverschulden ebenso wie für das Verschulden der Beklagten zu 4 im Rahmen des Behandlungsvertrages über § 278 BGB.

Auch der Beklagte zu 2 ist als Geschäftsführer der Beklagten zu 1 insoweit verantwortlich. Als Geschäftsführer ist er derjenige, der die GmbH nach außen vertritt. Dementsprechend schließt er auch die Verträge mit dem von der GmbH beschäftigten Personal. Als einziger Mediziner war er zudem der einzige, der die Qualifikation oder Nichtqualifikation der Beklagten zu 4 beurteilen konnte. Darüber hinaus war er für die Organisation der Klinik und damit auch der postoperativen Betreuung der Klägerin verantwortlich. Er haftet folglich aus unerlaubter Handlung wegen Organisationsverschuldens.

Die Klage ist auch gegen die Beklagte zu 4 begründet. Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte zu 4 ein sogenanntes Übernahmeverschulden trifft. Ein Übernahmeverschulden setzt voraus, dass der Betreffende, nach den bei ihm vorauszusetzenden Kenntnissen und Erfahrungen, Bedenken gegen die Übernahme der Verantwortung für die Behandlung hätte haben und eine Gefährdung des Patienten hätte voraussehen müssen. Es kommt darauf an, ob er sich unter den besonderen Umständen des Falles darauf verlassen durfte, dass die vorgesehene Behandlung ihn nicht überforderte (BGHZ 88, 248, 258 f.; BGH NJW 1994, 3008 Rn. 12, zitiert nach juris). Die Kammer hat Zweifel daran, dass von der Beklagten zu 4 nach ihren Erfahrungen und Kenntnissen verlangt werden konnte, die Behandlung der Klägerin, mit der sie von dem Beklagten zu 2, der um ihre mangelnden medizinischen Vorkenntnisse wusste oder bei sorgfältiger Überprüfung jedenfalls hätte wissen müssen, betraut worden war, abzulehnen. Gerade im Hinblick auf die geringe Praxiserfahrung der Beklagten zu 4 erscheint dies fraglich, da ihr möglicherweise gar nicht klar war, welche Komplikationen auftreten konnten. Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben. Die Beklagte zu 4 hat nämlich selbständig Behandlungsfehler begangen, für die sie haftet. Selbst wenn sie nämlich die Anweisung des Beklagten zu 3 „Infusionsrest aus OP“ missverstanden haben sollte, so ist es ihr doch in jedem Fall anzulasten, dass sie, obwohl sie erkannt hat, dass der Inhalt der Infusionsflasche nicht der Beschriftung entsprechen konnte, da er milchig-trüb war, sich über diesen Inhalt nicht vergewisserte, sondern ihn unter Heranziehung einer vermeintlich plausiblen Erklärung der Klägerin infundierte; und dies, obwohl ihr die Beklagten zu 2 und 3 ihre Telefonnummern hinterlassen hatten, falls Unklarheiten bestünden oder Komplikationen aufträten. Damit hat sie, wie auch der Sachverständige Prof. Dr. Z. ausgeführt hat, gegen eine medizinische Grundregel verstoßen. Sie haftet daher ebenfalls aus unerlaubter Handlung auf Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Hingegen war die Klage gegen den Beklagten zu 3 abzuweisen.

Die Kammer verkennt nicht, dass auch der Beklagte zu 3 einen pflichtwidrigen kausalen Beitrag zu dem Geschehen geleistet hat, indem er die angebrochene Infusionsflasche im Operationssaal hat hängen lassen, noch dazu mit einer falschen Beschriftung. Dabei bestand eine, wenn auch nicht schriftlich fixierte, Absprache dahingehend, dass der Anästhesist nach einer Operation in der F.-Klinik seinen Arbeitsplatz selbst aufräumte und auch für die Säuberung der Geräte verantwortlich war. Einmalgegenstände waren von dem Anästhesist zu entsorgen. Dies ist so von dem Beklagten zu 2 in der mündlichen Verhandlung vom 14.8.2012 angegeben (Bl. 346 GA) und von dem Beklagten zu 3 auch nicht bestritten worden. Auch die Zeugin B. hat das so ausgesagt. Sie hat allerdings auch erklärt, dass sie, wenn noch etwas herumgelegen habe, das dann weggeschmissen habe. Dies habe auch Gegenstände der Anästhesie (Bl. 363 GA) betroffen. Damit hat der Beklagte zu 3 gegen diese stillschweigende Absprache verstoßen, indem er die Infusionsflasche aus der Anästhesie im Operationssaal hat hängen lassen. Seine Einlassung in der mündlichen Verhandlung vom 14.8.2012, es sei ja nicht so, dass man absichtlich etwas herumliegen lasse, um einen anderen zu ärgern, es könne schon einmal sein, dass beim Aufräumen etwas aus dem Blick gerate und man es anschließend vergesse, ist nicht geeignet, sein Verschulden zu beseitigen. Dies hat auch der Sachverständige Prof. Dr. Z. in seinem schriftlichen Gutachten bereits so gesehen. Er hat ausgeführt, der Beklagte zu 3 habe das Infusionsgemisch nicht adäquat entsorgt und beschriftet und damit gegen zahlreiche aktuelle Sicherheitsvorschriften verstoßen.

Gleichwohl kann eine Verurteilung des Beklagten zu 3 auf diese Pflichtwidrigkeit nicht gestützt werden. Der Beklagte zu 3 ist davon ausgegangen, dass er es bei der Beklagten zu 4 mit einer examinierten Krankenschwester zu tun habe. Er hat sie bei ihrem Erscheinen gefragt, ob sie die Nachtschwester sei, was sie bejaht habe (Bl. 350 GA). Die Beklagte zu 4 hat dies letztlich nicht bestritten. Sie hat sich dahingehend eingelassen, dass sie sich selbst nicht als Nachtschwester bezeichnen würde, dass es aber sein könne, dass sie auf Frage des Beklagten zu 3 dies bejaht habe (Bl. 360 GA). Damit durfte der Beklagte zu 3 davon ausgehen, es mit einer examinierten Krankenschwester zu tun zu haben, zumal es auch nicht naheliegend war, dass von den Beklagten zu 1 und 2 unqualifiziertes Personal als einzige Nachtwache eingesetzt wurde, so dass damit auch nicht zu rechnen brauchte.

Aufgrund dieses Umstandes konnte der Beklagte zu 3 aber nicht damit rechnen, dass eine im OP zurückgelassene Infusionsflasche mit offenem, also unsterilem Infusionssystem und einem Rest milchig-trüber Verfärbung, mithin unklarem Inhalt, durch ausgebildete und qualifizierte Pflegekräfte nochmals zur Anwendung am Patienten kommt, da dies gegen jegliche Grundregeln im Umgang mit Infusionslösungen verstößt. In ähnlicher Weise hat sich auch der Privatsachverständige Prof. Dr. B. geäußert.

Auch die Anweisung „Infusionsrest aus OP“ ändert an diesem Ergebnis nichts, da, wie bereits ausgeführt, die Anweisung aus medizinischer Sicht aus den vorerwähnten Gründen eindeutig war. Damit ist der Zurechnungszusammenhang der von dem Beklagten zu 3 in Gang gesetzten Kausalkette unterbrochen worden. Zwar muss derjenige, der ein pflichtwidriges Verhalten an den Tag legt, auch damit rechnen, dass andere ebenfalls Fehler machen und sie sich gegebenenfalls zurechnen lassen. Sofern es sich bei diesen Fehlern jedoch um besonders gravierende Fehler handelt, wird der Kausalzusammenhang unterbrochen. Dies ist dann der Fall, wenn der hinzutretende Dritte die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten und die Anforderungen an ein gewissenhaftes fachliches Verhalten in außergewöhnlich hohem Maße außer Acht lässt bzw. in völlig unsachgemäßer Weise eine weitere Schadensursache setzt (vgl. BGH NJW 2012, 2024 Rn 15 und NJW 2003, 2311 Rn 18, jeweils zitiert nach juris und Palandt / Grüneberg, BGB, 73. Aufl., Vorbem. vor  § 249 Rn 47). Ein solcher gravierender Fehler lag vorliegend vor. Wie bereits ausgeführt, verstieß das Handeln der Beklagten zu 4 in mehrfacher Hinsicht gegen elementare Grundregeln medizinischen Verhaltens. Hiermit brauchte und konnte der Beklagte zu 3 nicht rechnen.

Soweit der Sachverständige Prof. Dr. Z. Kritik an der Vorgehensweise bei der Anästhesie und auch an der Dokumentation der Anästhesie geübt hat, hat er gleichzeitig ausgeführt, dass sich diese Mängel nicht ausgewirkt haben, da die Klägerin nach Abschluss der Operation zeitnah aufgewacht und wach und orientiert gewesen sei. Diese Einschätzung ist für die Kammer in jeder Hinsicht nachvollziehbar. Die für die Klägerin fatalen Fehler wurden nicht bei der Anästhesie unter der Operation gemacht, sondern im Rahmen der postoperativen Betreuung.

Problematisch erscheint auch die weitgehende Bedarfsmedikation, die nicht den formellen Anforderungen an eine solche Maßnahme entspricht. Der Sachverständige Prof. Dr. Z. hat insoweit ausgeführt, dass eine solche Verordnung den Namen des Medikaments, die exakte Dosierung, den Applikationsweg und den Zeitpunkt der Applikation nennen muss. Zudem müssten die Indikationen zur Applikation konkret genannt und schriftlich vorgegeben werden, was hier nicht der Fall war (Bl. 1004 GA). Gleichwohl haben sich diese Mängel nicht ausgewirkt. Bei dem Eintrag „Infusionsrest aus OP“ handelt es sich gerade nicht um eine Bedarfsmedikation. Hiermit war gemeint, dass die angehängte Infusion durchlaufen sollte. Dies war, wie oben ausgeführt, medizinisch eindeutig.

Letztlich war die Beklagte zu 4 nicht Erfüllungsgehilfin des Beklagten zu 3. Aufgabe des Beklagten zu 3 war es, die Anästhesie durchzuführen. Üblicherweise wird ein Patient, wenn er operiert worden ist, zunächst auf eine Aufwach- oder Intensivstation verbracht, wo Anästhesisten und Intensivmediziner sie betreuen. Einen Aufwachraum gibt es in der F.-Klinik nicht, weshalb die Klägerin sofort auf ihr Zimmer verbracht wurde. Anders als im Fall eines Krankenhauses, in dem ein Patient von der Fachabteilung wieder übernommen wird, sobald er sich auf der jeweiligen Fachstation befindet, war es hier allerdings so, dass der Beklagte zu 2 und der Beklagte zu 3 jeweils nach ihren Fachgebieten die Beklagte zu 4 für den Nachtdienst instruierten. Der Beklagte zu 2 unterrichtete sie über die Wunden und Verbände sowie darüber was die Klägerin unter chirurgischen Gesichtspunkten essen durfte. Der Beklagte zu 3 erläuterte der Beklagten zu 4 die Schmerzmedikation und auch die Insulingabe. Die von ihm gemachten Vorgaben dürften folglich, so wie die Behandlung in der F.-Klinik praktiziert wurde, nicht lediglich eine Empfehlung für den Beklagten zu 2 dargestellt haben, der sie dann umsetzte. Vielmehr gab es Anweisungen direkt von dem Beklagten zu 3 an die Beklagte zu 4. Für diese Anweisungen trägt der Beklagte zu 3 auch die Verantwortung. Gleichwohl wurde damit die Beklagte zu 4, die der Beklagte zu 3 überhaupt nicht kannte, und die von dem Beklagten zu 2 für die von ihm geschuldete postoperative Betreuung angestellt worden war, nicht zur Erfüllungsgehilfin des Beklagten zu 3. Sie blieb vielmehr Angestellte der Beklagten zu 1, die im Rahmen des Behandlungsvertrages die von der Beklagten zu 1 geschuldeten Pflegeleistungen durchführte. Dass der Beklagte zu 3 für das Fehlverhalten der Beklagten zu 4 nicht haftet, folgt auch bereits daraus, dass die Anästhesie nach dem Angebot vom 16.5.2011 von der Beklagten zu 1 selbst geschuldet war, die Klägerin also mit dem Beklagten zu 3 keinen eigenen Behandlungsvertrag abgeschlossen hatte. Dementsprechend ist auch ausgeschlossen, dass der Beklagte zu 3 sich der Beklagten zu 4 zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten gegenüber der Klägerin bediente. Als Verrichtungsgehilfin des Beklagten zu 3 im Sinne von § 831 BGB kommt die Beklagte zu 4 schon deshalb nicht in Betracht, weil der Beklagte zu 3 die Beklagte zu 4 nicht zu der Verrichtung als Nachtwache bestellt hatte, sondern weil dies durch die Beklagten zu 1 und 2 geschehen war.

Eine Haftung des Beklagten zu 3 ist damit ausgeschlossen. Die Klage war gegen ihn abzuweisen.

Die Sache ist noch nicht zur Entscheidung reif, da über einzelne Schadenspositionen noch Beweis zu erheben sein wird. Sie ist daher dem Grunde nach für gerechtfertigt zu erklären. Aus dem gleichen Grund war der Feststellungsantrag zuzusprechen.

 

Soweit die Klage abgewiesen wurde, waren die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 3 der Klägerin aufzuerlegen. Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem Schlussurteil vorbehalten.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Abs. 1 ZPO.

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