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Implantation Knietotalendoprothese – Schadensersatz und Schmerzensgeld

OLG Dresden – Az.: 4 U 730/21 – Beschluss vom 02.09.2021

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Die Klägerin hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 21.09.2021 wird aufgehoben.

4. Es ist beabsichtigt, den Gegenstandswert des Berufungsverfahrens auf 132.663,09 € festzusetzen.

Gründe

I.

Die am 28.05.1969 geborene Klägerin macht Ansprüche aus behaupteter fehlerhafter ärztlicher Behandlung geltend.

Sie litt an einer habituellen Patellaluxation beidseits. 2010 wurde das rechte Kniegelenk durch ein laterales Release versorgt. Anfang 2012 erfolgte ein laterales Release des linken Kniegelenks. Wegen persistierender Beschwerden im linken Kniegelenk wurde bei der Klägerin während einer stationären Behandlung vom 25.10. bis 29.10.2016 im Haus der Beklagten zu 1) durch den Beklagten zu 4) am 25.10.2016 eine MPFL Rekonstruktion des linken Kniegelenkes durchgeführt. Es kam zu einer Patellaluxation, und die Klägerin wurde erneut bei der Beklagten zu 1) vom 24.02. bis 02.03.2017 stationär aufgenommen, wo am 24.02.2017 eine offene chirurgische Refixation der insuffizienten MPFL Plastik durch den Beklagten zu 4) nach Rücksprache mit dem Beklagten zu 2) durchgeführt wurde. Am 18.09.2017 stellte sich die Klägerin beim Beklagten zu 4) in der Sprechstunde des MVZ B…… wegen starker Schmerzen im linken Kniegelenk vor. Die Untersuchung ergab eine erneute Luxation der Patella. Nachdem sich die Klägerin zusätzlich beim Beklagten zu 2) vorgestellt hatte, wurde die Indikation zu einer endoprothetischen Versorgung mit Implantation einer Knietotalendoprothese gestellt. Die Klägerin wurde erneut in der Zeit vom 03.10. bis 16.10.2017 bei der Beklagten zu 1) aufgenommen und der Eingriff am 04.10.2017 durch den Beklagten zu 3) durchgeführt. Am 17.01.2018 stellte sich die Klägerin in der Sprechstunde des Beklagten zu 2) mit hinkendem Gangbild und persistierenden Schmerzen vor und legte den CT-Befund vom 05.01.2018 vor, der keine Auffälligkeiten zeigte. In der Zeit vom 22.01. bis 29.01.2018 erfolgten in der Klinik der Beklagten zu 1) ein stationäres Monitoring und eine Schmerztherapie. Sie stellte sich am 19.03.2018 erneut wegen starker Schmerzen und Bewegungseinschränkungen sowie einer Überwärmung vor. Am 25.03.2018 erfolgte eine Kniegelenkspunktion mit anschließender offener Arthrolyse. Es wurden ausgeprägte Verwachsungen festgestellt und gelöst. Eine weitere stationäre Behandlung erfolgte in der Zeit vom 03.12. bis 12.12.2018 im Hause der Beklagten zu 1) wegen deutlichen Schmerzzustandes und starken Bewegungseinschränkungen. Es wurde eine Ganzkörperskelettszintigraphie am 04.12.2018 durchgeführt. Des Weiteren erfolgte eine Arthroskopie des linken Kniegelenkes am 06.12.2018, bei der massive Verwachsungen und eine ausgeprägte Narbenbildung festgestellt wurden. Die Operation wurde durch den Beklagten zu 3) durchgeführt. Es wurden keine Keime nachgewiesen. Am 12.12.2018 wurde besprochen, dass bei persistierenden Beschwerden wegen der festgestellte Arthrofibrose ein Wechsel der Knieendoprothese indiziert sei. Die Klägerin holte sich am 07.03.2019 bei der MVZ Marienstift eine Zweitmeinung ein, die ebenfalls die Indikation zur Revision der Knie TEP ergeben hat.

Implantation Knietotalendoprothese - Schadensersatz und Schmerzensgeld
(Symbolfoto: Peter Porrini/Shutterstock.com)

Die Klägerin hat den Beklagten vorgeworfen, es unterlassen zu haben, trotz anhaltender Beschwerdezunahme die Indikation zu einer umfassenden Revisionsoperation zu stellen. Die Indikation dazu hätte bereits vor dem 25.10.2016 gestellt werden müssen. Aus diesem Grund sei sie binnen zweier Jahre sechsmal erfolglos operiert worden, ohne dass sich eine Besserung ergeben hätte. Spätestens bei ihrer Wiedervorstellung im Januar und März 2018 hätte eine szintigraphische Ganzbeinaufnahme erfolgen müssen. Da dies unterblieben sei, sei es zu einer Fehldiagnose gekommen. Es seien damit nicht die medizinisch notwendigen Befunde erhoben worden. Sie leide seither an erheblichen Bewegungseinschränkungen. Wären die Operationen fachgerecht durchgeführt worden, wäre es nicht zu einer Heilungsverzögerung gekommen. Sie habe daher Anspruch auf Ersatz von Erwerbsschaden, Haushaltsführungsschaden und auf ein Schmerzensgeld in Höhe von 60.000,00 €.

Die Beklagte hat behauptet, die vorgenommenen Operationen seien indiziert und fachgerecht durchgeführt worden, die erforderlichen Befunde seien erhoben worden. Eine frühere Szintigraphie sei nicht indiziert gewesen und hätte auch zu keinem anderen Behandlungsverlauf geführt. Der materielle Schaden werde bestritten und das Schmerzensgeld sei überhöht.

Das Landgericht hat ein Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. W…… eingeholt und die Klage mit Urteil vom 22.03.2021 – auf das wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird – abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie meint, es sei fehlerhaft gewesen, die Indikation zur Knie-TEP nicht bereits im Oktober 2016 gestellt zu haben. Unzutreffend habe der Sachverständige angenommen, dass die sechs Operationen jeweils indiziert gewesen seien. Er habe hierbei die maßgebliche Leitlinie außer Acht gelassen. Die Kriterien für die Indikation der Implantation einer Knie-TEP seien hiernach erfüllt gewesen. Auf das vergleichsweise geringe Alter der Klägerin komme es insoweit nicht an. Darüber hinaus seien auch die Vorerkrankungen der Klägerin – nämlich die habituelle Patellaluxation und die bestehenden Beschwerden sowie das offene laterale Release des linken Kniegelenks im Jahr 2012 außer Acht gelassen worden. Die Refixation der insuffizienten und fehlerhaft durchgeführten MPFL-Plastik am 24.02.2017 sei nicht lege artis erfolgt.

Das Landgericht habe verkannt, dass es zu einem Aufklärungsfehler vor der Operation am 04.10.2017 gekommen sei. Die Klägerin sei nicht darüber aufgeklärt worden, was für und gegen den Einsatz der Totalendoprothese spreche, und sie sei nicht über die spezifischen Risiken aufgeklärt worden. Darüber hinaus hätten es die Beklagten unterlassen, vor der Operation am 04.10.2017 weitere Befunde zu erheben. Das Landgericht habe nicht beachtet, dass der Sachverständige keine Begründung dafür habe angeben können, warum das linke Knie nach der Operation vom 04.10.2017 nicht normal habe gebeugt werden können. Auch habe er die Frage, warum das Bein der Klägerin nach der Operation vom 04.10.2017 in Gips gelegt worden sei, nicht beantwortet. Dieser Umstand sei nicht dokumentiert worden, daher liege ein Verstoß gegen die ärztliche Dokumentationspflicht vor. Die von der Reha-Klinik angeratene Narkosemobilisation sei vom Sachverständigen nicht gewürdigt worden. Eine solche habe im Hause der Beklagten nicht stattgefunden. Stattdessen sei im Januar 2018 lediglich ein stationäres Monitoring und am 26.03.2018 eine Gelenkpunktion durchgeführt worden. Sowohl die Anlage des Schmerzkatheters als auch die Gelenkpunktion hätten nach der Operation bereits im Dezember 2017 erfolgen müssen. Darüber hinaus sei es unterlassen worden, eine Ganzkörperszintigraphie und eine Stressröntgenaufnahme, sowie ein MRT und CT anzufertigen, um die Ursache der persistierenden Beschwerden der Klägerin herauszufinden.

Ein gewissenhafter Arzt hätte im Rahmen der Untersuchung am 06.12.2018 bei der Punktion erkannt, dass sich bereits innerhalb kürzester Zeit nach der Operation vom 04.10.2017 an der Oberfläche der Prothese ein Schleimfilm gebildet habe. Eine entsprechende Diagnose sei nicht gestellt worden. Das sei ein nicht vertretbarer Diagnoseirrtum. Die unbegründete Absage der Revisionsoperation durch die Beklagte sei aus ärztlicher Sicht schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar.

Die Beklagten verteidigen das landgerichtliche Urteil.

II.

Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch – einstimmig gefassten – Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung der Klägerin bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Der Klägerin steht gegen die Beklagten kein Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz gemäß §§ 630 a ff., 253, 249, 823 BGB zu.

1.

Das Landgericht hat gestützt auf die Ausführungen des Sachverständigen zutreffend festgestellt, dass die Indikation zur Knietotalendoprothese von den Beklagten zu Recht erst im Oktober 2017 gestellt wurde und eine Indikation im Oktober 2016 noch nicht gegeben war. Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin in diesem Zusammenhang auf die S2k-Leitlinie „Indikation Knieendoprothese“. Handlungsanweisungen in Leitlinien ärztlicher Fachgremien oder Verbände dürfen nicht unbesehen mit dem medizinischen Standard gleichgesetzt werden (vgl. BGH, Urteil vom 15.04.2014 – VI ZR 382/12 – juris). Maßgeblich ist vielmehr der Facharztstandard zum Zeitpunkt der Behandlung. Der Standard gibt Auskunft darüber, welches Verhalten von einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt in der konkreten Behandlungssituation aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereiches zum Zeitpunkt der Behandlung erwartet werden kann (vgl. BGH, a.a.O.). Er repräsentiert den jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der ärztlichen Erfahrung, der zur Erreichung des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich ist und sich in der Erprobung bewährt hat (so BGH, a.a.O.). Leitlinien ersetzen kein Sachverständigengutachten. Zwar können sie im Einzelfall den medizinischen Standard für den Zeitpunkt ihres Erlasses zutreffend beschreiben; sie können aber auch Standards ärztlicher Behandlung fortentwickeln oder ihrerseits veralten (vgl. BGH, Urteil vom 15.04.2014 – VI ZR 382/12). Der Sachverständige Prof. Dr. W…… hat die Frage, ob bereits vor dem Oktober 2017 eine Knieendoprothese hätte eingesetzt werden müssen, klar verneint. Bei der Klägerin sei es bei kleinsten Bewegungen zu einem Ausrenken der Kniescheibe gekommen. Bei diesem Beschwerdebild sei es das erste medizinische Ziel, zu verhindern dass es regelmäßig zu Ausrenkungen komme. Die Einbringung einer MPFL-Plastik soll als rekonstruierende Maßnahme, das Ausrenken verhindern. Eine Knieendoprothese sei aber die letzte Maßnahme der chirurgischen Behandlung. Denn die Klägerin sei 2016 Mitte 40 gewesen und man wisse, dass die Haltbarkeit gerade bei jungen Leuten, die die Gelenke natürlich mehr bewegten als ältere Menschen, weil diese mobiler seien, nur eingeschränkt sei. Dementsprechend müsse der Einbau einer Knieendoprothese wohl überlegt werden und sei die letzte chirurgische Maßnahme. Der Sachverständige hat insofern den Facharztstandard unter Berücksichtigung der besonderen Situation der Klägerin hinsichtlich Alter und Krankheitsbild auch für den Senat überzeugend dargestellt. Hiergegen hat die Klägerin nichts Substantielles vorgebracht. Allein auf die Leitlinie für die Indikationsstellung einer Totalendoprothese kann sie sich für ihre Behauptung schon deshalb nicht stützen, weil diese ihre individuellen Verhältnisse nicht berücksichtigt und sich nach Ziffer 2.1.2 der Langfassung der S2k-Leitlinie „Indikation Knieendoprothese“ 033-052 diese primär auf Patienten mit Gonarthrose (ICD: M17) oder Osteonekrose des Kniegelenks (ICD: M87.06) bezieht. Dem Vorbringen der Klägerin und den Behandlungsunterlagen ist indes nicht zu entnehmen, dass die Klägerin bereits im Oktober 2016 an einer ausgeprägten Gonarthrose gelitten hat. Die Röntgenuntersuchung vom 24.10.2016 ergab in der Beurteilung lediglich eine geringe Gonarthrose sowie eine Patella in lateraler Subluxationsstellung. Bei dieser Sachlage war nach den Ausführungen des Sachverständigen die MPFL Plastik die geeignete Methode, den häufigen Luxationen der Patella entgegenzuwirken.

Zu Unrecht meint die Klägerin, dass die Refixation der insuffizienten MPFL-Plastik nicht lege artis erfolgt sei. Von der Erfolglosigkeit einer Behandlung kann nicht auf einen Behandlungsfehler geschlossen werden. Anhaltspunkt für ein fehlerhaftes operatives Vorgehen sind nicht ersichtlich. Der Sachverständige hat die Durchführung der MPFL-Plastik als korrekt bezeichnet. Dies gilt ebenso für das gesamte Behandlungsregime der Beklagten. Hinweise auf Befunderhebungsfehler hat der Sachverständige im Behandlungszeitraum nicht feststellen können. Es genügt im Berufungsverfahren nicht, wenn die Klägerin den Ausführungen des Sachverständigen allein ihre abweichende Auffassung entgegensetzt. Zwar ist eine Partei grundsätzlich nicht verpflichtet, bereits in erster Instanz ihre Einwendungen gegen ein Gerichtsgutachten auf die Beifügung eines Privatgutachtens oder auf sachverständigen Rat zu stützen oder selbst oder durch Dritte in medizinischen Bibliotheken Recherchen anzustellen, um Einwendungen gegen ein medizinisches Sachverständigengutachten zu formulieren (BGH, Urteil vom 08.06.2004 – VI ZR 199/03 – juris). Anders ist dies hingegen in der Berufungsinstanz. Würde man auch hier dem Patienten gestatten, ohne nähere Angaben seine eigene Meinung zu medizinischen Kausalzusammenhängen derjenigen eines gerichtlichen Sachverständigen entgegenzustellen, liefe dies auf eine Umgehung der in § 529 ZPO geregelten grundsätzlichen Bindung an das erstinstanzliche Ergebnis einer Beweisaufnahme hinaus. Weil der Patient in Arzthaftungssachen regelmäßig über keine medizinische Sachkunde verfügt, kann er konkrete Anhaltspunkte, die in medizinischer Hinsicht Zweifel an der erstinstanzlichen Beweiswürdigung wecken sollen, nur dadurch vortragen, dass er ein Privatgutachten vorlegt, zumindest aber selbst auf medizinische Fundstellen oder Leitlinien zurückgreift, die für seine Behauptung streiten. Wird ein solches Privatgutachten nicht vorgelegt und fehlt es auch im Übrigen an Anhaltspunkten dafür, dass das Gutachten in sich widersprüchlich oder der Sachverständige erkennbar nicht sachkundig ist, kommt eine Wiederholung der Beweisaufnahme nicht in Betracht (Senat, Beschluss vom 10.01.2018, 4 U 750/17 – juris, Rz. 4; Beschluss vom 07.08.2020 – 4 U 1285/20 – juris). Anhaltspunkte für Lücken oder Widersprüchlichkeiten im Gutachten des Sachverständigen sind nicht ersichtlich und werden von der Klägerin auch nicht aufgezeigt.

Mit der erstmals im Berufungsverfahren erhobenen Aufklärungsrüge dringt die Klägerin nicht durch. Es kann hierbei offenbleiben, ob es sich bei einer fehlerhaften Behandlung und der unzureichenden Aufklärung um unterschiedliche Streitgegenstände handelt (vgl. Senat, Beschluss vom 18.01.2021 – 4 U 2213/20 – juris). Wenn es sich um einen weiteren Streitgegenstand gemäß § 533 Nr. 2 ZPO handelt, könnte die Aufklärungsrüge nur berücksichtigt werden, wenn sie auf Tatsachen gestützt werden könnte, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrundezulegen hätte. Dies ist hier aber nicht der Fall. Die Klägerin hat erstmals in der Berufungsbegründung behauptet, sie sei vor der Operation vom 04.10.2017 nicht ausreichend über Chancen und Risiken aufgeklärt worden. Dieses neue Vorbringen ist nicht nach § 531 Abs.2 ZPO zuzulassen. Es ist nicht ersichtlich, warum der Klägerin ein Vortrag dazu im ersten Rechtszug nicht möglich war. Denn es handelt es sich bei der Aufklärung um einen tatsächlichen Vorgang, der der Klägerin bekannt war. In den Behandlungsunterlagen liegt ein ausgefüllter und von der Klägerin unterzeichneter Aufklärungsbogen vom 27.09.2017 für die Implantation eines künstlichen Kniegelenks vor.

Die weiteren Behauptungen, es sei im Januar und März 2018 keine Narkosemobilisation durchgeführt worden, obwohl dies von der Reha-Klinik angeraten worden sei und stattdessen ein Schmerzkatheter und eine Gelenkpunktion durchgeführt worden und sowohl die Anlage des Schmerzkatheters als auch die Gelenkpunktion hätten bereits im Dezember 2017 durchgeführt werden sind nicht nachvollziehbar und in sich widersprüchlich. Ein stationärer Aufenthalt im Hause der Beklagten im Dezember 2017 ist im Übrigen nicht dokumentiert. Die Klägerin wurde am 16.10.2017 mit einem Bewegungsausmaß 0/0/90° entlassen. Sie befand sich anschließend vom 01. bis zum 30.11.2017 in der Rehabilitation, wo sich ein deutlich verringerter Bewegungsumfang im Vergleich zur Entlassungssituation bei der Beklagten feststellen ließ. Nicht nachvollziehbar ist insbesondere der Vorwurf, es hätte eine Narkosemobilisation im Januar 2018 stattfinden müssen. Ausweislich des Entlassungsbriefes vom 25.01.2018 betrug die Kniebeweglichkeit links bei Aufnahme 0/0/50° und bei ihrer Entlassung 0/0/85°. Die Beweglichkeit konnte daher mit den von dem Beklagten ergriffenen Maßnahmen deutlich verbessert werden. Bei ihrer erneuten Aufnahme im Hause der Beklagten zu 1) im März 2018 betrug die Beweglichkeit des linken Knies 0/0/40°. Es erfolgte eine offene chirurgische Arthrolyse zur Gelenkmobilisation. Ausweislich des Entlassungsbriefes vom 27.03.2018 konnte eine Beweglichkeit von 0/0/100° am Entlassungstag erreicht werden. Es wurde auch hier eine deutliche Verbesserung erreicht. Der Sachverständige hat das Behandlungsregime auch insoweit als korrekt und zeitlich adäquat bewertet. Hinweise auf Behandlungsfehler ergaben sich für ihn nicht. Auch insoweit genügt es nicht, die eigene Meinung der Auffassung des Sachverständigen entgegen zu setzten.

Nicht verständlich ist der Vorwurf, es hätten weitere Befunde im Januar und März 2018 erhoben werden müssen. Bei ihrer Vorstellung in der Sprechstunde des Beklagten zu 3) am 17.01.2018 lag ein aktueller CT-Befund vom 05.01.2018 vor, in dem ein unauffälliger Röntgenbefund beschrieben worden war. Bei der Kniegelenkspunktion mit anschließender offener Arthrolyse am 26.03.2018 haben sich die Behandler der Beklagten einen unmittelbaren Eindruck vom Kniegelenk verschafft. Der Sachverständige hat – wie bereits ausgeführt – keine unterlassene oder verspätete Befunderhebungen feststellen können. Ohne Erfolg beanstandet die Klägerin, dass eine Ganzkörperszintigraphie und eine Stressröntgenaufnahme unterblieben sei, um die Ursache ihrer persistierenden Beschwerden herauszufinden. Der Sachverständige hat überzeugend ausgeführt, dass nach Implantation einer Knieprothese mindestens zwölf Monate mit der Anfertigung einer Szintigraphie gewartet werden müsse. Vorher sei die Untersuchung nicht verwertbar. Bis zu zwei Jahre nach der Implantation einer Endoprothese könnten Knochenstoffwechselumbauvorgänge aktiviert sein, die ein szintigraphisches Bild einer Lockerung oder entzündlichen Veränderung vortäuschen könnten. Nach der Implantation einer Endoprothese in einem Gelenk sei daher mit der szintigraphischen Untersuchung 12 bis 24 Monate zu warten. Hier sei die Untersuchung ca. 14 Monate danach erfolgt und damit zeitgerecht. Die MRT-Aufnahme nach einer solchen Operation sei nicht zielführend, da das Untersuchungsgebiet als solches nicht ordnungsgemäß darstellbar sei. Eine Stressröntgenaufnahme hielt der Sachverständige ebenfalls für nicht zielführend.

Unverständlich ist das Vorbringen, dass am 06.12.2018 durch die Punktion erkannt worden sei, dass sich bereits innerhalb von kürzester Zeit nach der Operation am 04.10.2017 an der Oberfläche der Prothese ein Schleimfilm gebildet habe und von den Behandlern den Beklagten zu 1) diese Diagnose nicht gestellt worden sei. Dass sich unmittelbar nach der Operation am 04.10.2017 ein Schleimfilm gebildet hat, ergibt sich aber nicht aus dem Operationsbericht vom 26.03.2018. Dort werden vielmehr ausgeprägte Verwachsungen beschrieben.

Deren Vorwurf, es sei nicht dokumentiert worden, dass die Klägerin nach der Operation vom 04.10.2017 zwei Tage im Gips gelegen habe, ist im Berufungsverfahren ebenfalls nicht nachzugehen. Selbst eine unterbliebene, unvollständige oder auch nur lückenhafte Dokumentation bildet keine eigene Anspruchsgrundlage. Das Fehlen der Dokumentation einer aufzeichnungspflichtigen Maßnahme begründet nur die Vermutung, dass die Maßnahme unterblieben ist (vgl. BGH, Urteil vom 22.01.2019 – VI ZR 71/17 – juris; vgl. Senat, Urteil vom 27.10.2020 – 4 U 845/20 – juris). Im Übrigen hat der Sachverständige zu der Anlage ausgeführt, dass zwar grundsätzlich eine rasche Mobilisation des Gelenkes nach einer endoprothetischen Versorgung anzustreben sei. Es komme aber durchaus vor, dass eine Demobilisation für eine gewisse Zeit sinnvoll sei, etwa um den Wundverschluss zu unterstützen. Unabhängig von der Frage, ob ein Gips für zwei Tage angelegt wurde, hat der Sachverständige dies jedenfalls nicht als behandlungsfehlerhaft angesehen.

Der Senat rät daher zu einer Berufungsrücknahme, die zwei Gerichtsgebühren spart.

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