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Fehlerhafte zahnärztliche Behandlung – Schmerzensgeld

AG Rheda-Wiedenbrück – Az.: 3 C 208/17 – Urteil vom 27.08.2018

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt aufgrund einer von ihr behaupteten fehlerhaften zahnärztlichen Behandlung ein Schmerzensgeld sowie Schadensersatz.

Der Beklagte betreibt eine zahnärztliche Praxis, die Klägerin befand sich dort seit Juli 2012 in Behandlung.

Im Zeitraum vom 22.04.-25.04.2016 war sie bei diesem wegen Schmerzen an Zahn 35 in Behandlung. Unter einer Keramikbrücke wurde der Zahn 35 im Rahmen einer Wurzelbehandlung behandelt, dabei ist ein zahnärztliches Instrument abgebrochen und im Zahn verblieben. Hierüber und über die Nachversorgung klärte der Beklagte die Klägerin auf. Ein weiterer Behandlungstermin wurde für den 26.04.2016 vereinbart. Am 25.04.2016 suchte die Klägerin den Beklagten auf, sie klagte über Schmerzen und ein geschwollenes Gesicht und Hals, wobei der Beklagte das Auftreten sämtlicher Beschwerden mit Nichtwissen bestreitet. Der Beklagte überwies sie zur weiteren Abklärung und Behandlung an die Oralchirurgie in M..

Die Klägerin behauptet, dem Beklagten sei ein Behandlungsfehler vorzuwerfen. Ihm sei vorzuwerfen, dass bei der Wurzelbehandlung an Zahn 35 -unstreitig- eine Instrumentenspitze abgebrochen ist. Diese habe so ungünstig gesessen, dass sie für gravierende Schmerzen und Gesichtsausfälle verantwortlich sei sowie eine Infektion ausgelöst worden sei. Eine Überweisung an einen Spezialisten wegen der Wurzelbehandlung hätte den Instrumentenbruch vermeiden können. Nach dem Abbruch der er die Klägerin sofort zu einem Kieferchirurgen als Notfallpatient überweisen müssen oder bereits am 22.04.2016 vorsorglich Medikamente gegen Entzündungen verschreiben müssen. Aus der fehlerhaften Behandlung habe die Klägerin höllische Schmerzen über 10 Tage und ein angeschwollenes Gesicht und einen angeschwollenen Hals sowie Taubheitsgefühle und zeitweisen Sehverlust davongetragen. Für die Entfernung der Instrumentenspitze macht sie 1.092,56 EUR (Rechnung von Dr. I.) geltend. Ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000,00 EUR sei angemessen.

Die Klägerin beantragt, den Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein der Höhe nach in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld aus der zahnärztlichen Behandlung vom 22.04.20156 bis 25.04.2016 sowie weitere 1.092,56 EUR als Schadensersatz jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.12.2016, hilfsweise seit Rechtshängigkeit, zu zahlen.

Den Beklagten weiter zu verurteilen, an sie 413,64 EUR zur Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 10.12.2016 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der erklärten Klagerücknahme vom 05.07.2018 stimmte der Beklagte mit Schriftsatz vom 16.07.2018 ausdrücklich nicht zu.

Der Beklagte ist der Ansicht, ihm sei kein Behandlungsfehler unterlaufen. Der Bruch eines Instruments bei einer Wurzelbehandlung könne selbst bei sachgemäßer Behandlung nicht ausgeschlossen werden.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat die Klägerin persönlich angehört und Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Zahnarztes S. J. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörungen und der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09.10.2017 (Bl. 55 ff. d.A) und das Sachverständigengutachten nebst Anlagen (Bl. 100 ff. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

fehlerhafte zahnärztliche Behandlung - Schmerzensgeld
(Symbolfoto: Von studio2sim/Shutterstock.com)

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Die Klagerücknahme vom 05.07.2018 war mangels Zustimmung des Beklagten gemäß § 269 Abs. 1 ZPO unwirksam, da sie erst nach Stellung der Anträge erfolgte. Insoweit ist die Klage mit den zuletzt gestellten Anträgen rechtshängig geblieben und es war streitig zu entscheiden.

II.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz gem. §§ 611, 280 Abs. 1; 823 Abs. 1,249 Abs. 2,253 BGB. Ein (grober) zahnärztlicher Behandlungsfehler ist nicht erwiesen.

Zur Überzeugung des Gerichts steht nach der Beweisaufnahme fest, dass der Beklagte die Behandlung insgesamt regelrecht und entsprechend dem zahnärztlichen Fachstandard durchführte. Der Sachverständige S. J. stellte in seinem in sich schlüssigen und von keiner Partei angegriffenen Gutachten fest, dass ein Instrumentenbruch eine von ca. 1-6 % der WKB auftretenden Problematik ohne zwingend verschlimmernden Effekt darstelle, es handele sich nicht um einen Behandlungsfehler. Dies ist nach der Rechtsprechung (vgl: OLG Koblenz, Urteil vom 23. September 2015 – 5 U 603/15 -, juris ) ebenfalls anerkannt. Zudem hat der Sachverständige festgestellt, dass nicht der Abbruch des Instrumentes die nachfolgende Entzündung ausgelöst habe, sondern diese schicksalhaft entstanden sei und bereits vorher angelegt gewesen sei. Die am 25.04.2016 vorgetragenen Beeinträchtigungen wären nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen vorliegend auch ohne die Behandlung des Beklagten entstanden. Insoweit ergebe sich ebenfalls kein Behandlungsfehler. Hierzu führt der Sachverständige aus, dass die Wurzelkanalbehandlung durch den Beklagten nicht die Ursache für die am Tage danach einsetzende Entstehung eines Abszess und weiterer Begleitumstände darstellen könne. Es handele sich um eine schicksalhafte Exazerbation der bereits vor Behandlungsbeginn bestehenden Entzündung des die Wurzelspitze umgebenden Bereichs.

Unabhängig von der Frage eines Behandlungsfehlers selbst, war auch die Nachbehandlung nicht fehlerhaft, wie sich aus dem überzeugenden Sachverständigengutachten ergibt. Eine Notfallsituation sei durch den Bruch des Wurzelkanalinstrumentes nicht gegeben gewesen, es sei kein Behandlungsfehler gewesen, die Klägerin nicht an einen Kieferchirurgen als Notfallpatientin zu überweisen. Die Behandlung von Zahnwurzelentzündungen durch Wurzelkanalbehandlungen gehöre (auch an Brückenpfeilerzähnen) zu den festen Bestandteilen zahnärztlicher Tätigkeit und werde von nahezu allen Zahnärzten regelmäßig durchgeführt. Eine sofortige Behandlung notfallmäßig durch einen Spezialisten war nach dem Gutachten also nicht erforderlich.

Den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen schließt sich das Gericht vollumfänglich an. Ein Behandlungsfehler ist von der beweisbelasteten Klägerin nicht erwiesen, die Klage war vollumfänglich abzuweisen.

III.

Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung und sind unbegründet.

IV.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.

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