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Haftung Krankenhausträger beim Sturz eines unaufmerksamen Patienten

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 U 7/19 – Urteil vom 18.09.2019

I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 13.12.2018 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken, Az. 4 O 134/18, wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

III. Dieses Urteil sowie das mit der Berufung angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 13.659,59 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von der beklagten Krankenhausträgerin den Ersatz materiellen und immateriellen Schadens wegen eines Sturzes auf dem Gelände der … pp. Klinik am 31.08.2016, durch den die Klägerin unter anderem eine Sprunggelenksdistorsion erlitt.

Die Klinik ist für Patienten und Besucher über eine asphaltierte Zufahrtsstraße erreichbar. Die Straße verfügt nicht über einen Gehweg und wies zum Zeitpunkt des Unfalls Schlaglöcher auf. In der von der Zeugin Dr. P. gefertigten Unfallanzeige der Klinik an die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft vom 01.09.2016 heißt es zum Unfallhergang unter Bezugnahme auf die „Schilderung des Versicherten“, die Klägerin sei „in Dunkelheit mit Blick aufs Handy mit linkem Fuß in Schlagloch getreten“ und dabei umgeknickt und gestürzt.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe am Unfallabend ein Telefonat führen wollen und das Gelände gegen 21:00 Uhr verlassen, weil die Klinikleitung das Telefonieren auf dem Klinikgelände untersagt habe. Es sei nahezu dunkel gewesen, der Weg vor dem Hauseingang aber nur schlecht, die Unfallstelle als solche überhaupt nicht beleuchtet. Sie habe ihr Smartphone mit aufgeklappter Schutzhülle, aber noch ausgeschaltet in der rechten Hand getragen. Gestürzt sei sie, als sie in ein circa vier Zentimeter tiefes Schlagloch getreten sei. Dabei sei auch ihr Handy beschädigt worden. Dass sie, wie im Unfallbericht niedergeschrieben, „mit Blick aufs Handy“ zu Fall gekommen sei, hat die Klägerin in Abrede gestellt. Sie hat in der unzureichenden Ausleuchtung der unebenen Straße und dem Fehlen von Warnhinweisen eine Verkehrssicherungspflichtverletzung gesehen.

Die Klägerin hat Erstattung ihres Verdienstausfalls in Höhe von 6.903,33 € verlangt, außerdem Schadensersatz für ihr Handy in Höhe von 251,26 € und ein Schmerzensgeld in einer Größenordnung von 5.000 €.

Die Beklagte hat sich zum behaupteten Unfallhergang und der genauen Unfallstelle mit Nichtwissen erklärt. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht scheitert nach ihrer Ansicht daran, dass die Bodenunebenheiten für jeden durchschnittlich aufmerksamen Verkehrsteilnehmer deutlich erkennbar gewesen seien. Sie hat gemeint, der Klägerin falle jedenfalls ein weit überwiegendes Mitverschulden zur Last, indem sie ausweislich der Unfallanzeige auf ihr Mobiltelefon geblickt und nicht auf den Weg geachtet habe.

Das Landgericht hat die Klage nach Beweiserhebung durch Vernehmung der Zeugen Dr. P. und R. abgewiesen. Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils Bezug.

Die Klägerin hat Berufung eingelegt.

Sie rügt, das Landgericht habe sich nicht mit dem Aspekt der fehlenden Warnhinweise auseinandergesetzt. Außerdem habe es sie zu Unrecht aus dem Kreis der krankheitsbedingt besonders schutzbedürftigen Personen ausgenommen und versäumt, sie hierzu zu befragen. Die Annahme des Landgerichts, es sei ihr selbst vorzuwerfen, dass sie sich in einen unbeleuchteten Bereich gegeben habe, hält die Klägerin für falsch.

Haftung Krankenhausträger beim Sturz unaufmerksamen Patienten
(Symbolfoto: Von Toa55/Shutterstock.com)

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Saarbrücken, Az. 4 O 134/18, zu verurteilen,

1. an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.03.2017 zu zahlen;

2. an sie 6.908,33 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.03.2017 zum Ausgleich ihres Verdienstausfallsschadens zu zahlen;

3. an sie 251,26 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.03.2017 wegen der Beschädigung ihres Smartphones zu zahlen;

4. ihr jeden Zukunftsschaden, sei er materieller oder immaterieller Natur, zu erstatten, der auf das Unfallgeschehen vom 31.08.2016 auf dem Gelände der Klinik … pp. zurückzuführen ist, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen;

5. an sie außergerichtlich angefallene Anwaltskosten in Höhe von 958,19 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.03.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Argumentation des Landgerichts für richtig. Dessen ungeachtet ist sie der Ansicht, ihre Haftung scheitere ohnehin gemäß § 104 Abs. 1 SGB VII, da die Klägerin gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 15a SGB VII in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert gewesen sei und sie, die Beklagte, als Rehabilitationsträger gemäß § 136 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII haftungsbeschränkender Unternehmer sei.

Hinsichtlich des Sachverhalts und des Parteivortrags wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 19.11.2018 und des Senats vom 28.08.2019 sowie auf das Urteil des Landgerichts vom 13.12.2018.

II.

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Entscheidung des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die im Berufungsverfahren zugrunde zu legenden Tatsachen (§§ 529, 531 ZPO) eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).

1.

Die geltend gemachten Ansprüche scheitern allerdings nicht schon an dem von der Beklagten in der Berufungserwiderung erstmals erhobenen Einwand, sie brauche für etwaige Schäden schon deshalb nicht einzustehen, weil zu ihren Gunsten § 104 Abs. 1 SGB VII eingreife.

Gemäß § 104 Abs. 1 SGB VII sind Unternehmer den in der gesetzlichen Unfallversicherung Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, zum Ersatz des durch einen Versicherungsfall verursachten Personenschadens nach anderen gesetzlichen Vorschriften, insbesondere solchen des Zivilrechts, nur bei vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls verpflichtet.

Die beklagte Krankenhausbetreiberin kann sich auf das Unternehmerprivileg des § 104 Abs. 1 SGB VII nicht berufen. Ein Patient, der sich in stationärer Behandlung befindet, ist weder für den Krankenhausträger tätig, noch steht er zu ihm in einer sonstigen, die „Versicherung begründenden Beziehung“ (Pitz, Anm. zu BSG, Urt. v. 27.04.2010 – B 2 U 11/09 R – SGb 2011, 53; siehe auch Wellner in: Geigel, Haftpflichtprozess, 27. Auflage 2015, Kap. 31, Rdn. 28; Ricke in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, SGB VII, § 104 Rdn. 11 und § 105 Rdn. 4). Der Bundesgerichtshof hat dies schon mit Urteil vom 13.01.1981 (VI ZR 26/80 – BGHZ 79, 216) für die frühere Regelung in § 636 RVO klargestellt. Nach dem Sinn der Vorschrift solle die Haftungsfreistellung des Unternehmers nur Tätigkeiten für das Unternehmen belasten, die ihrer Art nach mit Tätigkeiten von Betriebsangehörigen vergleichbar seien. Das sei bei Krankenhauspatienten, deren Tun evident ausschließlich im Zusammenhang mit der Wiederherstellung der eigenen Gesundheit stehe, nicht der Fall. Abgesehen davon werde den gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 17 RVO (jetzt: § 2 Abs. 1 Nr. 15a SGB VII) in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogenen Personen Versicherungsschutz nicht wie den Betriebsangehörigen des Krankenhauses zur sozialen Sicherung ihrer Stellung als Arbeitnehmer gewährt, sondern zur Verbesserung der Sozialleistungen, die ihnen ohne diese Regelung aus der Krankenversicherung und Rentenversicherung zustünden. Daher sei der Krankenhausträger, der hier keine Versicherungsbeiträge leiste, nicht „Unternehmer“ im Sinne der Vorschrift.

Der Senat teilt diese Auffassung.

2.

Die Klägerin kann von der Beklagten wegen des streitgegenständlichen Unfalls weder aus Vertrag (§§ 630a, 630b, 611, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB) noch aus Deliktsrecht (§ 823 Abs. 1 BGB) Schadensersatz verlangen.

Der beklagten Krankenhausträgerin erwuchs aus dem Krankenhausaufnahmevertrag eine Obhutspflicht zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der ihr als Patientin anvertrauten Klägerin. Daneben bestand eine allgemeine Verkehrssicherungspflicht zum Schutz vor Schädigungen, die wegen Krankheit oder einer sonstigen körperlichen oder geistigen Einschränkung durch eigenes Verhalten oder durch die Einrichtung und bauliche Gestaltung der Klinik und des dazugehörigen Geländes drohten. Die vertraglichen und deliktischen Pflichten sind in Konstellationen der hier in Rede stehenden Art inhaltsgleich (vgl. BGH, Urteil vom 28.04.2005 – III ZR 399/04 – BGHZ 163, 53; OLG Hamm, MedR 2016, 198; siehe auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.10.2018 – 13 U 6/18 – juris; OLG Düsseldorf, GesR 2010, 689; OLG Saarbrücken, FamRZ 2008, 2197). Die folgenden Ausführungen stellen die Verkehrssicherungspflichten in den Vordergrund und gelten für die Beurteilung der Vertragshaftung entsprechend.

a.

Die dem Ersturteil zugrundeliegende Annahme, dass das Vorhandensein von Unebenheiten im Bereich der Mitte der Zuwegung zum Klinikgebäude für sich genommen keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten begründete, ist richtig.

Das Landgericht hebt hervor, die Bestimmung der Reichweite einer Verkehrssicherungspflicht – hier im Sinne einer „Bereichshaftung“ für ein dem Verkehr zugängliches Wegegrundstück (dazu Lange in: jurisPK-BGB, 8. Auflage 2017, § 823 Rdn. 86) – hänge auch davon ab, inwieweit der Geschädigte potenzielle Gefahren erkennen könne. Das trifft zu. Absolute Gefahrlosigkeit kann in der Regel nicht erwartet werden. Vielmehr sind (Verkehrs-)Wege, grundsätzlich in dem Zustand hinzunehmen, wie sie sich der Wahrnehmung des Benutzers darbieten. Der Verkehrssicherungspflichtige muss daher in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzustellen vermag (BGH, Urt. v. 13.07.1989 – III ZR 122/88 – BGHZ 108, 273; OLG Saarbrücken, Schaden-Praxis 2016, 334, m.w.N.).

Im Streitfall trat die Schadhaftigkeit des Straßenbelags – unter der Prämisse ausreichender Helligkeit – für jeden aufmerksamen Benutzer deutlich zutage und war durch einfaches Ausweichen auf die seitlichen Bereiche oder achtsames Gehen beherrschbar.

b.

Allerdings darf die Frage einer Gefährdung der Nutzer eines Wegs und einer etwaigen Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen nicht losgelöst von den sonstigen konkreten Umständen, insbesondere der Beleuchtungssituation beurteilt werden (siehe auch dazu OLG Saarbrücken, Urt. v. 26.11.2015 – 4 U 110/14 – Schaden-Praxis 2016, 334; Lange in: jurisPK-BGB, 8. Auflage 2017, § 823 Rdn. 86).

Das Landgericht hat dies berücksichtigt.

Ob auch seine Einschätzung zutrifft, wonach auch unter Berücksichtigung der fehlenden Ausleuchtung der Unfallstelle eine hierauf bezogene Verkehrssicherungspflichtverletzung mit Blick auf die Erkennbarkeit der Gefahrensituation ausscheidet, kann offen bleiben (zur – im konkreten Fall letztlich verneinten – Pflicht des Betreibers eines Parkplatzes, unebene Bodenflächen hinreichend auszuleuchten OLG Hamm, VersR 2004, 1617). Ebenso braucht nicht entschieden zu werde, ob das Maß eines der Klägerin anzulastenden Mitverschuldens (§ 254 BGB) eine – nur in Ausnahmefällen angezeigte (vgl. BGH, Urt. v. 28.04.2015 – VI ZR 206/14 – VersR 2015, 767) – Anspruchsreduktion auf null rechtfertigt.

c.

Eine Haftung der Beklagten scheitert jedenfalls daran, dass die Klägerin nicht bewiesen hat, gerade wegen des schadhaften Straßenbelags im Zusammenwirken mit der unzureichenden Ausleuchtung des Unfallbereichs gestürzt zu sein.

(1)

Dem Geschädigten obliegt der Nachweis sämtlicher Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs wegen einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Auch der Nachweis für die haftungsbegründende Kausalität zwischen dem Verletzungsverhalten und der eingetretenen Rechtsgutsverletzung muss nach dem Beweismaß des § 286 Abs. 1 ZPO zur vollen Überzeugung des Gerichts geführt werden (Burmann/Heß in: Berz/Burmann, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, Stand: Mai 2019, Kap. 9, E, Rdn. 1).

(2)

Die Klägerin hat diesen Nachweis nicht geführt.

(a)

Wenn Krankenhauspatienten unfallbedingte Gesundheitsschäden erleiden, ist bei der Darlegungs- und Beweislast nach Risikosphären zu differenzieren. Befand sich der Geschädigte zum Unfallzeitpunkt in einer konkreten, eine besondere Sicherungspflicht auslösenden Gefahrenlage – etwa bei Transportmaßnahmen oder einem begleiteten Toilettengang –, hat der Krankenhausträger darzulegen und notfalls zu beweisen, dass der Unfall nicht durch einen Pflichtverstoß seines Personals verursacht wurde. Hat sich der Unfall indessen im üblichen, alltäglichen Gefahrenbereich zugetragen, so bleibt es bei der Darlegungs- und Beweislast des Patienten für Pflichtverletzungen des Betreibers und deren Kausalität für einen erlittenen Gesundheitsschaden (vgl. OLG Hamm, MDR 2012, 153; OLG Düsseldorf, GesR 2010, 689; OLG Saarbrücken, FamRZ 2008, 2197).

Im Streitfall liegt eine Konstellation der letztgenannten Art vor. Das abendliche Verlassen der Klinik zum Telefonieren war dem normalen, alltäglichen Gefahrenbereich zuzuordnen.

(b)

In Fällen, in denen genau definierte Verkehrssicherungspflichten typischen Gefährdungen entgegenwirken sollen, kann ein Beweis des ersten Anscheins für die Ursächlichkeit einer Pflichtverletzung für den Unfall sprechen. Sucht der Anspruchsgegner, in dessen Bereich es zu dem Schadensereignis kam, den Anscheinsbeweis zu entkräften, genügt es, wenn er Umstände darlegt und diese erforderlichenfalls beweist, aus denen sich die ernsthafte und reale Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs – d.h. hier eines nicht auf die schlechte Beleuchtung eines schadhaften Weges zurückgehenden Unfallhergangs – ergibt. Das ist der Fall, wenn der konkrete Sachverhalt Besonderheiten aufweist, die dem durch die allgemeine Lebenserfahrung nahegelegten Schluss die Grundlage entziehen (zu den dogmatischen Grundlagen Geipel, NZV 2015, 1).

Nach diesen Grundsätzen ist der Klägerin der Nachweis eines haftungsbegründenden Zusammenhangs zwischen einer – unterstellten – Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten und dem Sturz am Abend des 31.08.2016 nicht gelungen.

Der Zustand der Straße war ihr nach wochenlangem Klinikaufenthalt bekannt. Sie bewegte sich am Unfallabend in der Mitte der Straße, die eine Reihe deutlich erkennbarer Schlaglöcher aufwies. Sie verließ dabei bewusst den ausgeleuchteten Bereich und trat, wie der weitere Geschehensablauf zeigt, in die Dunkelheit hinein, ohne beim Gehen die nunmehr gebotene Vorsicht, etwa im Sinne eines „tastenden“ Weiterbewegens, walten zu lassen (vgl. OLG Saarbrücken, Urt. v. 02.05.2006 – 4 U 360/05 – juris). Stattdessen war sie umgekehrt sogar in besonderem Maße unaufmerksam, indem sie nicht den Weg, sondern ihr Smartphone im Blick hatte. Das diesbezügliche Bestreiten der Klägerin ist durch die Beweisaufnahme widerlegt. In der von der Zeugin Dr. P. gefertigten Unfallanzeige vom 01.09.2016 heißt es, die Klägerin sei „mit Blick aufs Handy mit linkem Fuß in Schlagloch getreten“. Die Zeugin hat in ihrer Vernehmung vor dem Landgericht erklärt, die Eintragungen seien auf der Grundlage der Angaben der Klägerin erfolgt. Das entspricht auch der auf der Unfallanzeige angegebenen Quelle der Schilderung des Unfallablaufs. Hinzu kommt, dass die Klägerin in ihrer informatorischen Anhörung erklärt hatte, sie habe ihr Handy in der Hand getragen und die Schutzhülle bereits aufgeklappt gehabt, was dafür spricht, dass sie den Telefoniervorgang bereits vorbereitete. Nach alldem steht fest, dass die Klägerin der Zeugin Dr. P. das Geschehen unmittelbar nach dem Sturz authentisch schilderte und dass diese Schilderung korrekt in die Unfallanzeige aufgenommen wurde.

Ist also davon auszugehen, dass die Klägerin sich auf der bekanntermaßen holprigen Straße bei Dunkelheit immer weiter von dem Klinikgebäude entfernte und dabei ihre Aufmerksamkeit auf ihr Smartphone richtete, ist sie für den Kausalzusammenhang zwischen – unterstellter – Verkehrssicherungspflichtverletzung und Sturz beweisfällig geblieben. Denn vieles deutet darauf hin, dass sie nicht deshalb zu Fall kam, weil der unebene Weg zu schlecht beleuchtet war, sondern deshalb, weil sie abgelenkt war und gar nicht bemerkte, wohin sie trat. Ein etwaiger zu Gunsten der Klägerin eingreifender Anscheinsbeweis für den Kausalzusammenhang zwischen Verkehrssicherungspflichtverletzung und Schadensereignis ist damit erschüttert (vgl. Lang, NZV 1990, 169; siehe auch – in anderem Zusammenhang – Senat, Urt. v. 01.02.2017 – 5 U 45/16 – zfs 2018, 217).

d.

Die von der Klägerin in der Berufung vorgebrachten Einwände sind unbegründet.

Dass die Beklagte auf die Gefahrensituation beim Begehen des Zugangsbereichs nicht durch Schilder oder eine Patienteninformation aufmerksam machte, stellt die obigen Erwägungen zum fehlenden Nachweis des Kausalzusammenhangs zwischen Verkehrspflichtverletzung und Unfall nicht in Frage. Entsprechendes gilt für das Auflisten verschiedener Umstände, die nach Ansicht der Klägerin die Annahme einer objektiven Verkehrssicherungspflichtverletzung gebieten. Soweit die Klägerin behauptet, sie habe den Klinikbereich verlassen müssen, um telefonieren zu können – was sie unzutreffender Weise als unstreitig erachtet –, begründet auch dies ihre Berufung nicht. Dass das beabsichtigte Telefonat gerade zum gewählten Zeitpunkt zwingend notwendig gewesen wäre, ist nicht vorgetragen und nicht ersichtlich. Ebenso wenig ist davon auszugehen, dass der Klägerin nichts anderes übrig geblieben sein sollte, als es in der Dunkelheit zu führen. Unstreitig durfte in den Patientenzimmern telefoniert werden, und das von der Klägerin in Ablichtung zur Akte gereichte Schild, welches nur dort die Nutzung von Handys erlaubte, dürfte nur das Gebäudeinnere betroffen haben. Unabhängig davon hätte es der Klägerin offen gestanden, sich eine „Erlaubnis“ für ein wichtiges Telefonat auch innerhalb der Klinik einzuholen, anstatt auf einer bekanntermaßen holprigen Straße in die Dunkelheit zu laufen.

Unerheblich ist auch die Rüge der Klägerin, das Landgericht hätte ohne weitere Aufklärung eine besondere krankheits- oder medikationsbedingte Schutzbedürftigkeit nicht ablehnen dürfen. Die Klägerin selbst hat eine solche, mit einer erhöhten Gefährdung einhergehende Schutzbedürftigkeit, welche den an die Pflichten der Beklagten anzulegenden Maßstab möglicherweise hätte verschärfen und die Verteilung der Beweislast nach Risikosphären vielleicht hätte beeinflussen können, nicht behauptet.

3.

Da die eingeklagten Hauptforderungen nicht bestehen, sind auch die von ihr abhängigen Nebenforderungen auf Zinsen und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten unbegründet.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren entspricht dem Streitwert der ersten Instanz (Beschluss des Landgerichts vom 07.03.2019) und ist auf 13.659,59 € festzusetzen.

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