OLG München – Az.: 1 W 953/11 – Beschluss vom 06.06.2011
I. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 4.5.2011 hin werden Ziffer I. des Beschlusses des Landgerichts München I vom 14.4.2011 aufgehoben und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz auferlegt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.501,38 € festgesetzt.
Gründe
I.
Mit Klageschrift vom 7.10.2010, dem Beklagten zugestellt am 15.11.2010, verklagte der Kläger den Beklagten auf Herausgabe von Behandlungsunterlagen. Bereits am 11.10.2010 hatte der Beklagte die Klageforderung erfüllt. Mit Schriftsatz vom 21.3.2011 nahm der Kläger die Klage zurück. Mit Beschluss vom 14.4.2011, zugegangen am 20.4.2011, setzte das Landgericht den Streitwert auf 6.000,– € fest und erlegte dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auf. Hiergegen richtet sich die am gleichen Tag eingegangene sofortige Beschwerde des Beklagten vom 4.5.2011. Der Streitwertbeschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 23.5.2011 abgeholfen und den Streitwert auf 1.100,– € herabgesetzt. Im Übrigen hat das Landgericht der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Im Falle des § 269 Abs. 2 Satz 3 ZPO ist über die Verfahrenskosten nach billigem Ermessen zu entscheiden.
Der Patient hat gegenüber der Behandlungsseite Anspruch auf Einsicht in die Behandlungsunterlagen. Der Patient kann diesen Anspruch auch mittelbar dahin geltend machen, dass er die Herausgabe bzw. Bereithaltung von Kopien der Behandlungsunterlagen verlangt.
Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 10.5.2011, 1 W 405/11) muss der Patient der Behandlungsseite allerdings im Regelfall eine Frist von mindestens vier Wochen zur Herausgabe der Behandlungsunterlagen einräumen.
Auf das Schreiben vom 10.8.2010 kann sich der Kläger in diesem Zusammenhang, da er dessen Zugang nicht beweisen kann, nicht berufen. Die Einschätzung des Landgerichts, dass der Beklagte beweisen müsse, dass er dieses Schreiben nicht erhalten hat, teilt der Senat nicht. Für den Absender ist es regelmäßig ein Leichtes, durch eine geeignete Versendungsart einen Zugangsnachweis zu schaffen. Dagegen ist ein Nachweis, ein Schriftstück nicht erhalten zu haben, kaum zu führen. Deshalb obliegt der Zugangsnachweis generell dem Absender, der aus dem Schriftstück für sich günstige Rechtsfolgen herleiten will. Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, im streitgegenständlichen Fall von dieser bewährten Regel abzuweichen. Damit steht fest, dass der Kläger voreilig Klage erhoben hat. Auf das Schreiben der Klägervertreter vom 6.9.2010 hat der Beklagte nämlich mit Schreiben seiner Rechtsanwälte vom 13.9. und 20.9.2010 seine Erfüllungsbereitschaft bekundet, allerdings um Verständnis dafür gebeten, dass er wegen einer umfangreichen Renovierung seiner Praxis erst ab 05.10.2010 wieder Zugriff auf die Behandlungsunterlagen habe und deshalb nicht umgehend erfüllen könne. Wenn der Kläger bei dieser Sachlage, hart an der Grenze der Mindestfrist von vier Wochen, dennoch Klage erhebt, muss er, wenn der Beklagte sodann, wie vorprozessual avisiert, erfüllt, da die Klageerhebung zu diesem Zeitpunkt unangemessen war, die Kosten tragen.
III.
Im Hinblick darauf, dass das Landgericht bei der Streitwertentscheidung vom 23.5.2011 den Schriftsatz des Klägers vom 16.5.2011 unberücksichtigt gelassen hat, weist der Senat zur Streitwertbemessung – Senatsbeschluss vom 1.7.2009, 1 U 2790/10 – auf folgendes hin:
Der Streitwert für die Herausgabe von Unterlagen, die der Beweisführung dienen, bemisst sich nach dem verfahrensgegenständlichen Interesse des Klägers, insbesondere in welchem Maß die Durchsetzbarkeit des Anspruchs von der Vorlage der Unterlagen abhängig ist. In der Regel wird der Streitwert mit einem Bruchteil des Hauptsacheanspruchs angesetzt, wobei bei Klagen auf Herausgabe von Behandlungsunterlagen gegen den in Anspruch genommenen oder in Anspruch zu nehmenden Behandler Bruchteile zwischen 1/4 und 1/10 der Hauptsache angesetzt werden (OLG Nürnberg, Beschluss vom 19.4.2010, 5 W 620/10; OLG Köln, VersR 2010, 693; OLG München, Beschluss vom 13.4.2007, 1 W 1328/07). Insofern dürfte die Streitwertfestsetzung aus dem Beschluss des Landgerichts vom 23.5.2011, die 1/5 des vom Kläger zwischenzeitlich anhängig gemachten Hauptsachestreitwerts zugrunde legt, nicht zu beanstanden sein. Dies gilt, da der vom Landgericht festgesetzte Streitwert eher am oberen Rand des Bemessungsspielraumes liegt, selbst dann, wenn sich der Hauptsachestreitwert zwischenzeitlich erhöht haben sollte. Abgesehen davon dürfte es ohnehin maßgeblich auf den im Herausgabeverfahren absehbaren Hauptsachestreitwert, der dem vom Kläger im Hauptsachverfahren zunächst genannten Streitwert entspricht, ankommen.
IV.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens bemisst sich nach der Kostenlast des erstinstanzlichen Verfahrens. Insoweit setzt der Senat Rechtsanwaltsgebühren von jeweils 546,69 € an. Hinzu kommen die Gerichtsgebühren von 408,– €.