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Hinausschieben abklärende Diagnostik Gallengang über Wochenende

OLG Koblenz – Az.: 5 U 1206/15 – Urteil vom 13.04.2016

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 15. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung aus diesem und dem angefochtenen Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt materiellen und immateriellen Schadensersatz sowie die Feststellung der Einstandspflicht für weitergehende Schäden nach Durchführung einer laparoskopischen Gallenblasenexzision.

In der Nacht zum 22. Oktober 2015 suchte die Klägerin, bei der am Vortag bereits der behandelnde Hausarzt aufgrund starker Schmerzen und vorhandener Gallensteine die Indikation für eine Gallenblasenentfernung gestellt hatte, das Klinikum der Beklagten zu 1) in …[Z] auf. In der vom Beklagten zu 2) als Chefarzt geleiteten chirurgischen Abteilung wurde ebenfalls die Indikation einer Gallenblasenexzision gestellt. Es fand ein Aufklärungsgespräch statt und die Klägerin unterzeichnete den zugehörigen Einwilligungsbogen.

Am 23. Oktober 2015 erfolgte die Durchführung einer laparoskopischen Gallenblasenexzision. Die Operation begann die Beklagte zu 3). Während der Operation kam es zur Verletzung des Gallengangs. Nachdem sich bei fehlender Laborwerterhöhung am zweiten postoperativen Tag über die einliegende Drainage eine gallige Flüssigkeit entleerte, wurde versucht, eine Spiegelung des Gallengangs unter „Dämmerschlaf“ durchzuführen. Dies misslang. Am 28. Oktober 2013 wurde unter Narkose eine Spiegelung des Gallenganges durchgeführt, die einen Abbruch des Hauptgallengangs zu Tage brachte. Daraufhin wurde am Nachmittag des 28. Oktober 2013 im Wege eines operativen Eingriffs eine biliodigestive Anastomose (Verbindung zwischen Hauptgalleneingang und einer hochgezogenen Dünndarmschlinge) hergestellt. Am 31. Oktober 2013 wurde in einer weiteren Operation der Bauchraum der Klägerin gespült. Die Entlassung aus der stationären Behandlung erfolgte am 27. November 2013.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zur Begründung ihres Begehrens auf ein Schmerzensgeld in einer Mindesthöhe von 25.000,00 €, materiellen Schadensersatz in Höhe von 6.159,00 €, Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.590,91 € sowie Feststellung der Einstandspflicht für weitere Schäden vorgetragen, die Verletzung des Gallengangs sei durch die Beklagte zu 3) erfolgt, die mangels Facharztstatus die Operation nicht habe durchführen dürfen. Die Verletzung des Gallengangs sei vermeidbar gewesen. Nach Eintritt der Verletzung hätte auf ein offenes Operationsverfahren umgeschwenkt werden müssen. Zudem sei die Nachbehandlung nicht sachgerecht erfolgt, da unmittelbar am 25. Oktober 2013 eine Überprüfung des Vorliegens einer Gallengangsverletzung hätte erfolgen müssen. Schließlich sei sie nicht hinreichend über die Risiken der Behandlung aufgeklärt worden, da von einer Gallengangsverletzung nicht die Rede gewesen sei. Ein entsprechender handschriftlicher Hinweis in dem Aufklärungsbogen sei nachträglich erstellt worden. Bei Kenntnis dieses Risikos hätte sie sich für eine offene Operation entschieden.

Die Beklagten haben erstinstanzlich eingewandt, die Operation sei unter vollständiger Mitwirkung der Oberärztin Dr. …[A] durchgeführt worden. Die Beklagte zu 3) habe die Operation begonnen und im Verlauf wegen starker Verwachsungen an die anwesende Oberärztin abgegeben. Die Verletzung des Gallengangs sei durch Dr. …[A] erfolgt und als nicht vermeidbare Komplikation anzusehen. Ein Aufklärungsmangel liege nicht vor. Die Beklagte zu 3) habe die Klägerin ausdrücklich auf die Möglichkeit einer Gallengangsverletzung mit der Folge einer etwaigen Revisionsoperation aufgeklärt und diese Risiken im Einwilligungsformular handschriftlich niedergelegt.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil vom 15. Oktober 2015 (Bl. 147 ff. GA) Bezug genommen.

Das sachverständig beratene Landgericht hat die Klage abgewiesen. Ein Behandlungsfehler könne den Beklagten nicht angelastet werden, da die Operation indiziert gewesen und fachgerecht ausgeführt worden sei. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die Verletzung des Gallengangs sich als Komplikation verwirklicht habe. Die Mitwirkung der Beklagten zu 3) könne die Haftung nicht begründen, da die Oberärztin Dr. …[A] während der gesamten Operation beteiligt gewesen sei, die von der Beklagten zu 3) unmittelbar ausgeführten operativen Schritte auch ohne Facharztstatus durch sie ausgeführt werden durften und zudem nicht feststellbar sei, dass die Beklagte zu 3) und nicht Dr. …[A] nach Übernahme der Operation die Verletzung des Gallengangs verursacht habe. Die Nachbehandlung erweise sich ebenfalls nicht als fehlerhaft. Zumindest könne nicht festgestellt werden, dass der Klägerin durch das Abwarten mit der Revisionsoperation bis zum 28. Oktober 2013 ein Nachteil entstanden sei. Ein Aufklärungsmangel liege nicht vor, da nach Anhörung der Beklagten zu 3) von einer Aufklärung über das Risiko einer Verletzung der Gallengänge mit der Möglichkeit einer Revisionsoperation auszugehen sei. Letztlich könne dies dahinstehen, da zumindest die Voraussetzungen einer hypothetischen Einwilligung gegeben seien. Einen ernsthaften Entscheidungskonflikt habe sie nicht dargetan. Hinsichtlich der weiteren Begründung des angefochtenen Urteils wird auf dessen Entscheidungsgründe (Bl. 151 ff. GA) verwiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Zur Begründung führt sie an, die Durchführung der Spiegelung des Gallengangs (erst) am 28. Oktober 2013 sei als Behandlungsfehler anzusehen. Die Bezeichnung durch den Sachverständigen als „nicht ideal“ sei zwingend in diesem Sinne zu interpretieren. Hierbei handele es sich um einen groben Behandlungsfehler. Aus ihrer Sicht hätte am 25. Oktober 2013 sofort gehandelt werden müssen. Die Feststellungen des Landgerichts zur ausreichenden Risikoaufklärung seien nicht verfahrenskonform erfolgt, da es neben der Anhörung der Beklagten zu 3) auch einer solchen der Klägerin bedurft habe. Zudem habe das Landgericht die Frage des Vorliegens eines ernsthaften Entscheidungskonflikts fehlerhaft gewürdigt. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass das Risiko einer Gallengangsverletzung im Vergleich zwischen einer laparoskopischen Vorgehensweise und einem offenen Bauchschnitt aufklärungspflichtig gewesen sei. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die Berufungsbegründung vom 18. Januar 2016 (Bl. 186 ff. GA) verwiesen.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber nicht weniger als 25.000,00 € betragen sollte, zu verzinsen mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit; die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 6.159,00 € zu zahlen, zu verzinsen mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit; festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr sämtlichen weitergehenden materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihr infolge der Gallenblasenoperation im …[B] Krankenhaus in …[Z] am 23. Oktober 2013, den Folgeoperationen und der damit zusammenhängenden Vor- und Nachbehandlung entstanden ist und noch entstehen wird, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden; die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihr die Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.590,91 € zu erstatten.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil. Insoweit wird auf die Berufungserwiderung vom 19. Februar 2016 (Bl. 202 ff. GA) Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch nochmalige Anhörung des Sachverständigen PD Dr. …[C]. Zudem hat der Senat die Klägerin und die Beklagte zu 3) persönlich angehört. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme sowie der Anhörung der Parteien wird auf das Sitzungsprotokoll zur mündlichen Verhandlung vom 13. April 2016 (Bl. 231 ff. GA) verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Der Klägerin stehen keine vertraglichen bzw. deliktischen Schadensersatzansprüche wegen der während des stationären Aufenthalts im …[B] Krankenhaus in …[Z] seit dem 22. Oktober 2013 erfolgten Behandlung zu, da ein ursächlicher Behandlungsfehler nicht festgestellt werden kann und auch ein die Einstandspflicht begründendes Aufklärungsversäumnis nicht vorliegt.

1. Eine Einstandspflicht der Beklagten aufgrund eines Behandlungsfehlers besteht nicht.

Voraussetzung für eine vertragliche bzw. deliktische Einstandspflicht der Beklagten ist das Vorliegen eines Behandlungsfehlers. Diesen hat – ebenso wie den Ursachenzusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem geltend gemachten Gesundheitsschaden – die Klägerin als Patientin zu beweisen (vgl. nur BGH, NJW 2011, 1672; BGH, VersR 2003, 1256). Allein der Misserfolg der ärztlichen Behandlungsmaßnahme bzw. der Eintritt eines Schadens genügt folglich nicht zur Haftungsbegründung.

Hiervon ausgehend vermag der Senat einen die Haftung der Beklagten begründenden schadensursächlichen Behandlungsfehler nicht festzustellen.

a) Der Vorwurf der Klägerin, während des operativen Eingriffs am 23. Oktober 2013 sei es aufgrund standardwidrigen Vorgehens zu der Gallengangsverletzung gekommen, wird mit der Berufung nicht aufrecht erhalten. Zwar verweist die Klägerin darauf, weiterhin von einem entsprechenden Behandlungsfehler auszugehen, hält aber zugleich fest, erkannt zu haben, dass nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme nicht vom Beweis eines Behandlungsfehlers ausgegangen werden kann. Insoweit begrenzt die Klägerin folgerichtig ihre Angriffe gegen die Behandlung durch die Beklagten. Die entsprechenden Feststellungen des Landgerichts begegnen aus Sicht des Senats auch keinen Bedenken.

b) Die Haftung der Beklagten kann auch nicht auf die Verzögerung der endoskopischen Untersuchung des Gallengangs gestützt werden. Es fehlt bereits an einem Behandlungsfehler der Beklagten. Zudem ist ein Ursachenzusammenhang zwischen diesem und dem geltend gemachten Gesundheitsschaden weder tatsächlich feststellbar noch ist hiervon aufgrund einer Beweislastumkehr auszugehen.

aa) Die um zwei Tage verzögerte Untersuchung des Gallengangs ist nicht als Befunderhebungsfehler anzusehen. Eine „nicht ideale“ Vorgehensweise steht – anders als die Klägerin meint – nicht generell einem Behandlungsfehler gleich. Vielmehr ist entscheidend, ob die Verzögerung der Untersuchung des Gallengangs mit dem fachmedizinischen Standard nicht in Einklang gebracht werden kann. Der Sachverständige hat darauf verwiesen, dass am 25. Oktober 2013 aufgrund der nicht unerheblichen Drainagemenge und galligen Qualität Abklärungsbedarf gegeben war (vgl. S. 28 f. des schriftlichen Gutachtens). Insofern bestand durchaus Anlass, nach dem gescheiterten Versuch einer Untersuchung eine erneute Abklärung zu veranlassen. Der Sachverständige hat in seiner mündlichen Anhörung durch den Senat allerdings betont, dass es keine feste Frist für die Diagnostik einer Verletzung des Gallengangs gebe. Maßgebend sei, dass der eine Verletzung behebende operative Eingriff binnen einer Woche die beste Erfolgsaussicht aufweise. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Revisionsoperation ein aufwändiger Eingriff sei, der sorgfältig geplant werden müsse. Die Einhaltung dieses zeitlichen Korridors wurde von den Beklagten abgesichert, weshalb es – auch aus Sicht des Sachverständigen – keinen Bedenken begegnet, die abklärende Diagnostik über das Wochenende hinauszuschieben, da keine Notsituation vorlag. Dabei hat der Sachverständige betont, dass selbst in Kliniken einer höheren Versorgungsstufe am Wochenende kein Personal für entsprechende Behandlungsmaßnahmen vorgehalten wird.

bb) Unabhängig hiervon kann auch nicht von einer Ursächlichkeit der Behandlungsverzögerung für die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin ausgegangen werden. Eine tatsächliche Feststellung des haftungsbegründenden Kausalzusammenhangs ist nach den Ausführungen des Sachverständigen PD Dr. …[C] nicht eröffnet. Der Sachverständige hat klargestellt, dass die eingetretene Behandlungsverzögerung um zwei bzw. drei Tage sich auf den Krankheitsverlauf nicht ausgewirkt habe. Insoweit wird auf die Ausführungen des Landgerichts in der angegriffenen Entscheidung Bezug genommen. Beanstandungen gegen die entsprechenden Feststellungen werden in der Berufungsbegründung nicht erhoben. Es bestehen auch keine sonstigen Anhaltspunkte, insoweit eine weitere Sachverhaltsaufklärung zu veranlassen. Der Sachverständige hat sein Ergebnis damit begründet, der klinische Befund und die Laborwerte hätten sich in dem Zeitraum bis zum Revisionseingriff in einem stabilen Zustand befunden. Bei der Revisionsoperation sei es nicht zur Feststellung von Gallenflüssigkeit in einem wesentlichen Umfang gekommen. Insoweit sei darauf zu schließen, dass sämtliche Galle über die Drainage abgeleitet worden sei. Eine Entzündung im Bauchraum war zum Zeitpunkt des operativen Eingriffs am 28. Oktober 2013 nicht gegeben. Wenn der Sachverständige angesichts dieser Umstände darauf verweist, dass die Behandlungsverzögerung ohne Auswirkung auf die Behandlung der Klägerin geblieben sei, erscheint dies aus Sicht des Senats überzeugend und folgerichtig, zumal – wie nachfolgend näher ausgeführt wird – der an die Befunderhebung anknüpfende operative Eingriff ohnehin (erst) am 28. Oktober 2013 erfolgen durfte.

Aufgrund dieser Umstände kann auch der mit der Berufungsbegründung erstmals erhobene Vorwurf, die Zurückstellung der endoskopischen Untersuchung der Gallengänge bis zum 28. Oktober 2013 sei als grob behandlungsfehlerhaft einzuordnen, dahinstehen. Es ist allgemein anerkannt, dass bei Versäumnissen im Bereich der Befunderhebung der Patient durch Beweiserleichterungen nicht besser gestellt werden darf, als er bei Vornahme der gebotenen Befunderhebung gestanden hätte (vgl. nur Wenzel/Müller, Der Arzthaftungsprozess, Kap. 2 Rn. 1552). Der Sachverständige hat in diesem Zusammenhang indes klargestellt, dass im Falle der Feststellung der Gallengangsverletzung bereits am 25. Oktober 2013 ohne weiteres eine Zurückstellung des operativen Eingriffs bis zum 28. Oktober 2013 hätte erfolgen können. Der Eingriff zur Behebung einer Verletzung des Gallengangs sei umfangreich und dauere mehrere Stunden an. Generell sei davon auszugehen, dass die besten Ergebnisse erzielt würden, wenn innerhalb einer Woche nach dem operativen Eingriff gehandelt werde. Eine sofortige Operation kann daher nicht als geboten angesehen werden. Dabei ist zu sehen, dass – was der Sachverständige unmissverständlich in seine Betrachtung einbezogen hat – das klinische Bild und die Laborwerte bei der Klägerin stabil waren. Insoweit konnte davon ausgegangen werden, dass die Galle über die Drainage abgeleitet wurde. Dieser Befund hat sich beim operativen Eingriff bestätigt, da keine Entzündung im Bauchraum vorhanden war. Folglich begegnet es keinen Bedenken, wenn der Sachverständige die Befundlage nicht als sofort behandlungsbedürftig eingeordnet hat.

Hinausschieben abklärende Diagnostik Gallengang über Wochenende
(Symbolfoto: Nata Bene/Shutterstock.com)

Soweit die Klägerin darauf verweist, der Sachverständige habe bei seinem Ansatz, es sei keine vom Behandlungsgeschehen abweichenden Maßnahmen zu treffen, wenn es der Patientin gut gehe und nichts notfallmäßig dokumentiert sei, zu Unrecht angenommen, dass es ihr gut gegangen sei, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Der Sachverständige hat ersichtlich die gesamte Dokumentation ausgewertet. Er hat das danach gegebene klinische Bild und die Laborwerte berücksichtigt und anhand dieser seine Feststellungen getroffen. Die Klägerin wehrt sich gegen die Feststellung, es sei ihr „gut“ gegangen. Sie vernachlässigt hierbei jedoch, was der Sachverständige mit seiner für die Klägerin als betroffene Patientin unglücklich erscheinenden, aber letztlich vor dem Hintergrund des Klinikalltags zu sehenden Formulierung tatsächlich gemeint hat. Denn es ist ohne weiteres ersichtlich, dass der Sachverständige hiermit zum Ausdruck gebracht hat, dass keine Notfallsituation gegeben war, die ein unverzügliches Einschreiten geboten hätte. Dieses Verständnis hat der Sachverständige in der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens ausdrücklich bestätigt. Auch er hält – dies wird aus seinem Verweis auf die Operation binnen einer Woche nach dem Ersteingriff deutlich – ein baldiges Tätigwerden für erforderlich. Allerdings erachtet er die von der Klägerin befürwortete sofortige Operation nicht für erforderlich. Dies hat der Sachverständige – wie ausgeführt – anhand der klinischen Befundlage klar verdeutlicht. Die Klägerin führt auch keine Gesichtspunkte an, die eine abweichende Bewertung bzw. eine weitere Sachaufklärung gebieten. Ihr Einwand bezieht sich auf die Beschreibung ihres Gesundheitszustandes als „gut“. Sie hat allerdings weder das vom Sachverständigen zugrunde gelegte klinische Bild noch die kein Tätigwerden veranlassenden Laborwerte in Zweifel gezogen. Beschreibungen ihres Gesundheitszustandes zwischen dem 25. und dem 28. Oktober 2013, die vom Sachverständigen unberücksichtigt geblieben wären, vermag der Senat nicht festzustellen und werden auch mit der Berufungsbegründung nicht angeführt. Die teilweise detaillierten Schilderungen zum gesundheitlichen Verlauf beziehen sich auf die Folgen nach dem operativen Eingriff am 28. Oktober 2013. Ihr Verweis darauf, es habe eine Gallengangleckage vorgelegen, eine endoskopische Untersuchung des Gallengangs sei gescheitert und es sei Gallenflüssigkeit in nicht unerheblicher Menge ausgetreten, wurde vom Sachverständigen berücksichtigt. Er hat zugrunde gelegt, dass der Gallengang verletzt war und dies im Ergebnis nicht als Notfallindikation beschrieben. Das Scheitern der endoskopischen Untersuchung mit dem Versuch einer Behebung der Leckage steht mit dem „Zustand“ der Klägerin zu dem entsprechenden Zeitpunkt in keinem Zusammenhang, da sich allein die Frage stellte, wann die Leckage durch einen erneuten Behandlungsversuch zu beheben war. Zum Austreten der Gallenflüssigkeit hat der Sachverständige ausgeführt, dass diese über die Drainage abgeleitet wurde. Es erschließt sich, dass dies für die Frage eines sofortigen Einschreitens oder eines Zuwartens bis zu einem zeitnahen geordneten Eingriffs von Bedeutung ist.

Allein der Gesichtspunkt, dass die Klägerin trotz des im Grundsatz bestehenden Behandlungsbedarfs zwei Tage bis zum operativen Eingreifen zuwarten musste, vermag aus sich heraus keinen Behandlungsfehlervorwurf zu rechtfertigen. Der Senat verkennt nicht, dass es sich bei der Verletzung des Gallengangs um eine durchaus erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigung handelt und der Geschehensablauf sich für sie als belastend dargestellt haben dürfte. Gleichwohl kann es aus rechtlichen Gesichtspunkten keinen Bedenken begegnen, wenn operative Eingriffe, die keine unverzügliche Vornahme erfordern, zur Ermöglichung eines geplanten und geordneten Vorgehens über das Wochenende hinaus aufgeschoben werden. Insoweit sind die Bedürfnisse und Zwänge des Klinikalltags zu berücksichtigen. Die Feststellungen des Sachverständigen tragen dies: Eine Gefährdung für die Klägerin bestand aufgrund des Zuwartens bis zum Montag (28. Oktober 2013) angesichts der klinischen Befundlage nicht.

c) Aufgrund dieser Einschätzung des Sachverständigen ist der Zeitpunkt des operativen Eingriffs am 28. Oktober 2013 ebenfalls nicht zu beanstanden. Weitere Vorwürfe werden hinsichtlich dieser Operation nicht erhoben.

2. Im Ergebnis zutreffend ist das Landgericht auch von einer wirksamen Einwilligung der Klägerin in den operativen Eingriff ausgegangen.

Nach gefestigter Rechtsprechung haftet ein Arzt für alle den Gesundheitszustand des Patienten betreffenden nachteiligen Folgen, wenn der ärztliche Eingriff nicht durch eine wirksame Einwilligung gedeckt und damit rechtswidrig ist. Eine wirksame Einwilligung des Patienten setzt dessen ordnungsgemäße Aufklärung voraus (vgl. nur BGH NJW-RR 2007, 310).

1. Von einer hinreichenden Aufklärung über die Risiken des Eingriffs ist auszugehen.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dürfen an den dem Arzt obliegenden Beweis einer ordnungsgemäßen Risikoaufklärung keine unbilligen und übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Die Situation des Arztes während der Behandlung des Patienten ist ebenso zu berücksichtigen wie die Gefahr, die sich aus dem Missbrauch seiner Beweislast durch den Patienten zur haftungsrechtlichen Zwecken ergeben kann. Ist einiger Beweis für ein gewissenhaftes Aufklärungsgespräch erbracht, soll dem Arzt im Zweifel geglaubt werden, dass die Aufklärung auch im Einzelfall in der gebotenen Weise geschehen ist (vgl. BGH, NJW 2015, 74). Der Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung erfordert es nicht, dass sich der Arzt an das konkrete Aufklärungsgespräch (Ort, Umstände, genauer Inhalt) erinnert (BGH, NJW 2014, 1527, 1528).

b) Hiervon ausgehend begegnet die vom Landgericht angenommene Feststellung einer hinreichenden Aufklärung im Ergebnis keinen Bedenken. Die Beklagte zu 3) hat in ihrer Anhörung durch den Senat in Übereinstimmung mit ihren Angaben vor dem Landgericht ausgeführt, sie habe die Klägerin anhand des zuvor zur Lektüre überlassenen Aufklärungsbogens über den Eingriff und die mit diesem verbundenen Risiken informiert. Dabei habe sie die besprochenen Risiken angekreuzt und die Hauptrisiken nochmals auf der letzten Seite des Bogens schriftlich niedergelegt. Angesichts des Aufklärungsbogens mit einer schriftlichen Einverständniserklärung der Klägerin und des Umstandes, dass die Klägerin ein Aufklärungsgespräch als solches nicht in Zweifel zieht, sprechen bereits die Umstände indiziell für die Richtigkeit der Ausführungen der Beklagten zu 3). Der Senat sieht keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass deren Schilderungen unzutreffend sein könnten. Der Aufklärungsbogen ist individualisiert ausgefüllt. Soweit die Klägerin erstinstanzlich eine etwaige Manipulation hinsichtlich der handschriftlich angeführten Risiken („Revision, Gallengangverletzung“), die ohnehin im Aufklärungsbogen textlich vermerkt sind, beanstandet hat, nimmt der Senat auf die Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung Bezug. In diesen hat sich das Landgericht mit diesem Einwand zutreffend auseinandergesetzt.

Auch die Angaben der Klägerin stehen der Überzeugung des Senats von einer hinreichenden Risikoaufklärung nicht entgegen. Zwar hat diese angegeben, über das Risiko einer Verletzung des Gallengangs sei vor der Operation nicht mit ihr gesprochen worden. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin bereits in der Klageschrift angeführt hat, sich an das Aufklärungsgespräch nicht erinnern zu können, jedoch zu wissen, dass das Risiko einer Verletzung des Gallengangs mit der Möglichkeit einer Folgeoperation nicht thematisiert worden sei. Aus Sicht des Senats ist nicht nachvollziehbar, inwiefern bei einer grundsätzlich fehlenden Erinnerung an das Aufklärungsgespräch einzelne Risiken gesichert als Gesprächsinhalt ausgeschlossen werden können.

2. Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung erstmals einwendet, es habe eine Aufklärungspflicht hinsichtlich des Risikos einer Gallengangverletzung im Allgemeinen sowie des erhöhten Komplikationsrisiko, das mit einer Laparoskopie gegenüber dem offenen Bauchschnitt verbunden sei, bestanden, vermag dies ebenfalls keine unzureichende Aufklärung zu begründen. Dabei kann dahinstehen, ob der Einwand einer unzureichenden Aufklärung über Behandlungsalternativen, die damit inzident innerhalb der Darstellung, es habe ein ernsthafter Entscheidungskonflikt vorgelegen, angeführt wird, als nicht zu berücksichtigendes neues Vorbringen nach § 531 Abs. 2 ZPO anzusehen ist. Denn eine entsprechende Aufklärung war nicht geboten.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht eine Aufklärungspflicht, wenn eine echte Wahlmöglichkeit besteht, also für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten (vgl. BGH, NJW-RR 2011, 1173 m.w.N.). Eine Aufklärungspflicht kommt hingegen nicht in Betracht, wenn die andere Behandlungsmöglichkeit keine wirkliche Alternative darstellt, weil sie im konkreten Einzelfall nicht indiziert ist (vgl. etwa OLG Naumburg, OLG-NL 2004, 265, 266 f.; Spickhoff/Greiner, Medizinrecht, 2. Aufl. 2014, §§ 823 ff. BGB, Rn. 213; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, 7. Aufl. 2014, Rn. 440).

b) Von einer entsprechenden Alternative kann nicht ausgegangen werden, da eine offene Operation der Gallenblase vorliegend nicht indiziert war. Der Sachverständige hat insoweit angemerkt, der laparoskopische Eingriff sei – auch bei adipöser Patientin – das Verfahren der Wahl gewesen. Dies gelte sogar insbesondere bei korpulenteren Patienten, da bei diesen ein Schnitt häufig zu Wundinfektionen führe. Eine offene Operation einer Gallenblase komme daher nur in seltenen Fällen in Betracht und diese seien entsprechend zu begründen. In der mündlichen Anhörung hat der Sachverständige klarstellend die unterschiedliche Risikoverteilung der beiden Eingriffsarten betont, nach der ein deutlich geringeres Gesamtrisiko für die laparoskopische Operation besteht. Damit bringt der Sachverständige, was dem Senat hinsichtlich anderer minimal-invasiver Eingriffe bekannt ist, das Verhältnis beider Operationsmethoden dergestalt zum Ausdruck, dass eine offene Operation nicht indiziert und damit auch nicht als anderweitige Behandlungsmethode aufklärungspflichtig war (ebenso OLG Schleswig, Urt. v. 29. Mai 2009 – 4 U 38/08, BeckRS 2009, 25258).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht gegeben sind. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Der Senat hat beschlossen, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 41.159,00 € festzusetzen.

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