OLG Koblenz, Az.: 5 U 632/14, Beschluss vom 18.09.2014
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig davon überzeugt ist, dass sie offensichtlich ohne Erfolgsaussicht ist, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ein Urteil erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Im Einzelnen ist zur Sach- und Rechtslage zu bemerken:
I.
Der Kläger unterzog sich am 19.05.2005 im Krankenhaus der Beklagten einer Cholecystektomie. Postoperativ sonderte er reichlich Sekret ab. Wegen eines paralytischen Ileus kam es am 28.05.2005 zu einer Relaparotomie. Da die Beschwerden anhielten, musste der Bauchraum am 02.06.2005 erneut eröffnet werden. Man legte nunmehr ein Ileostoma an. Gleichzeitig wurde ein Abstrich gemacht, der am 05.06.2005 zum Befund eines infektiösen Befalls mit dem multiresistenten Keim Staphylococcus aureus (MRSA) führte. Weitere Eingriffe folgten. Am 12.08.2005 wurde der Kläger mit einem noch großen, durch ein Netz versorgten Bauchdeckendefekt aus der stationären Behandlung entlassen. Im Verlauf des Jahres 2006 kam es dann zu mehreren Revisionseingriffen. Dabei wurde unter anderem das Ileostoma zurückverlegt.
Nach der Cholecystektomie war der Kläger wegen erhöhter Entzündungsparameter vom 23.05.2005 an antibiotisch versorgt worden. Ab dem 06.06.2005 wurden MRSA-bezogene Antibiotika verabreicht. Das hielt bis zum 14.06.2005 an.
Abgesehen von einer kurzen postoperativen Überwachungsphase war der Kläger zumindest bis zum 28.05.2005 auf der allgemeinen Pflegestation untergebracht. Spätestens am 02.06.2006 wurde er auf die Intensivstation verlegt und dort nach dem MRSA-Befund am 06.06.2005 in ein besonderes, nur durch eine Schleuse zugängliches Zimmer überführt. Seiner Darstellung nach waren die hygienischen Verhältnisse während des gesamten stationären Aufenthalts mangelhaft. So seien die Zimmer unzulänglich gereinigt worden und sowohl vom Krankenhauspersonal als auch von Besuchern in inadäquater Bekleidung betreten worden. Außerdem habe man die Handdesinfektion nachlässig gehandhabt. In der Schleuse vor dem ihm am 06.06.2005 zugewiesenen Zimmer habe man abgelegte Straßenbekleidung und überzuziehende Klinikskittel nebeneinander gelagert und Urinflaschen sowie Bettpfannen anderer Patienten gereinigt. Die schlechte Krankenhaushygiene sei ursächlich dafür gewesen, dass er von MRSA befallen worden sei. Seine Infektion sei exogen generiert worden.
Das habe zu langjährigen, schwerst behindernden Beeinträchtigungen in Form von inneren Blutungen und einer anhaltend offenen Bauchdecke geführt. Es sei nicht gelungen, die MRSA-Besiedlung zu unterbinden. Im Hinblick darauf hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu einer Schmerzensgeldleistung von 30.000 € und zum Ausgleich vorgerichtlicher Anwaltskosten von 2.098,45 € zu verurteilen.
Das Landgericht hat über die hygienische Situation im Krankenhaus der Beklagten und die antibiotische Behandlung des Klägers sowie deren Auswirkungen Beweis erhoben. Sodann hat es die Klage abgewiesen. Aus seiner Sicht sind der Beklagten in der Zeit vor dem 06.06.2005, aus der die MRSA-Infektion des Klägers herrühre, keine groben Fehler in der Krankenhaushygiene anzulasten. Damit komme deren Inanspruchnahme insoweit nicht in Betracht, weil offen sei, ob die Infektion aus einem von ihr beherrschbaren Bereich hervorgegangen sei. Etwaige Hygienefehler, die die Beklagte danach gemacht habe, seien unstreitig nicht mehr schadensursächlich geworden. Ein grober Verschuldensvorwurf lasse sich auch nicht damit begründen, dass die Antibiose nicht sogleich mit dem Eingang des MRSA-Befundes am 05.06.2005, sondern erst tags darauf zielgerichtet umgestellt worden sei. Denn es sei unsicher, ob damals bereits das für die therapeutische Entscheidung wichtige Resistogramm vorgelegen habe, und die Lage des Klägers sei keineswegs dramatisch gewesen. Ob sich die Verzögerung in irgendeiner Weise ausgewirkt habe, sei ungewiss.
Das greift der Kläger in Erneuerung seines erstinstanzlichen Begehrens mit der Berufung an. Er wiederholt den Vorwurf mangelnder Krankenhaushygiene und beanstandet, dass ihm die Beklagte nicht die seinem allgemein schlechten Gesundheitszustand angemessene Fürsorge entgegengebracht habe. Seiner Ansicht nach war es grob fehlerhaft, ihn bei der stationären Aufnahme nicht auf einen Befall mit MRSA zu untersuchen. Außerdem habe die Beklagte ihre Hinweispflichten verletzt, weil sie nicht darüber informiert habe, dass zahlreiche andere Patienten mit MRSA infiziert gewesen seien. Wäre dies geschehen, hätte er sich andernorts behandeln lassen.
II.
Damit vermag der Kläger nicht durchzudringen. Das angefochtene Urteil beschreibt die Rechtslage zutreffend. Es hält den Berufungsangriffen stand.
1.
Das Klageverlangen scheitert, weil ungewiss ist, worauf die MRSA-Infektion des Klägers zurückzuführen ist und die Beklagte dafür grundsätzlich nur dann verantwortlich gemacht werden kann, wenn sie aus einem von ihr beherrschbaren Bereich herrührt. Das darzulegen und zu beweisen, ist Sache des Klägers (BGH AHRS 6578/304). Gelingt dies, haftet die Beklagte freilich, solange sie nicht in der Lage ist, sich in jeder Hinsicht zu exkulpieren (BGH NJW 1991, 1541; BGH NJW 2007, 1682).
Im vorliegenden Fall gibt es indessen keine tragfähige Grundlage dafür, dass die Infektion ihren Ursprung in der Sphäre des Beklagten nahm. Das ist lediglich möglich, aber keinesfalls gesichert. Der vom Landgericht befragte Sachverständige Prof. Dr. …[A] hat mitgeteilt, die Mehrzahl von MRSA-Infektionen entstünden endogen. Das muss auch hier in Betracht gezogen werden und wird nicht dadurch ausgeräumt, dass der Kläger den Vorwurf einer mangelhaften Krankenhaushygiene erhebt. Dabei ist ohnehin zu sehen, dass Hygienefehler, die unterliefen, als der Kläger auf das über eine Schleuse erreichbare Zimmer verlegt worden war, nicht schadenskausal gewesen sein können, weil der Kläger zu dieser Zeit bereits infiziert war.
Die Ungewissheit hinsichtlich des Kausalverlaufs würde sich nur dann zu Gunsten des Klägers niederschlagen, wenn auf Seiten der Beklagten ein grober Fehler unterlaufen wäre, der potenziell schadensursächlich war (BGH GesR 2012, 81). Einen solchen Fehler hat der Sachverständige Prof. Dr. …[A] jedoch in einer Gesamtschau der von der Beklagten getroffenen Maßnahmen verneint („keine gravierenden Hygienemängel“). Deshalb gibt die daran anknüpfende entsprechende Feststellung des Landgerichts keinen Anlass zu rechtserheblichen Zweifeln (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
2.
Die Berufung versucht nunmehr, einen groben Fehler daraus herzuleiten, dass anlässlich der stationären Aufnahme des Klägers ein MRSA-Screening unterblieb. Der Vorwurf wird mit dem Verstoß gegen eine Empfehlung des Robert-Koch-Instituts begründet. Das wird dann jedoch deutlich relativiert, indem es heißt, die Empfehlung sei einschlägig gewesen, wenn im zurückliegenden Jahr ein mehr als dreitägiger Krankenhausaufenthalt stattgefunden habe. Dass dies konkret der Fall gewesen wäre, ist indessen weder behauptet noch sonst ersichtlich. Unabhängig davon bedeutet eine Abweichung von allgemeinen Hygiene-Vorgaben nicht automatisch einen groben Fehler – nämlich einen eindeutigen Verstoß gegen bewährte medizinische Behandlungsregeln oder Erkenntnisse, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er schlechterdings nicht unterlaufen darf (Weidenkaff in Palandt, BGB, 73. Aufl., § 630 h Rndr. 9). Davon kann im Hygienebereich erst dann ausgegangen werden, wenn offen zutage getretenen Gefahrensituationen nicht begegnet wird (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 2001, 389; OLG Hamm MedR 2008, 217). Eine derartige Situation lässt sich hier – zumal unter Berücksichtigung der Würdigung der Gesamtverhältnisse durch den Sachverständigen Prof. Dr. …[A] – nicht ersehen.
3.
Ein zweiter Angriff der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil hebt darauf ab, dass es die Beklagte vorwerfbar unterlassen habe, den Kläger bei Beginn seiner stationären Unterbringung auf eine außerordentliche Häufung von MRSA-Fällen in ihrem Haus hinzuweisen, die ihrem Umfang nach gegenüber dem Gesundheitsamt meldepflichtig gewesen sei. Dieses Vorbringen ist nicht mit den von der Beklagten vorgelegten Statistiken vereinbar; auch der von ihr zu den Akten gereichte, zeitnah zu dem hiesigen Geschehen erstellte Bericht des Gesundheitsamts besagt nichts über eine besondere Risikolage gerade im Krankenhaus der Beklagten, über die hätte Auskunft erteilt werden müssen. Demgemäß hat die Beklagte jetzt auch in ihrer Berufungserwiderungsschrift die Voraussetzungen für eine Meldepflicht bestritten.
Von daher kann das Vorbringen des Klägers prozessual grundsätzlich nur dann Berücksichtigung finden, wenn es bereits erstinstanzlich unterbreitet wurde; andernfalls stehen ihm die Präklusionsvorschriften der §§ 529Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO entgegen. Das sieht auch die Berufung und hat deshalb bemerkt: „Dies war erstinstanzlich vorgetragen.“
Da sich die Richtigkeit dieser Aussage für den Senat nicht erschloss, wurde der Kläger mit Verfügung vom 30.07.2014 um Erläuterung gebeten; aus hiesiger Sicht habe sich seine Darstellung vor dem Landgericht darauf beschränkt, dass der Keim vorhanden gewesen sei und das den Verhältnissen in nahezu jedem Krankenhaus entsprochen habe. Daraufhin hat der Kläger lapidar mitgeteilt, die behauptete meldepflichtige Situation sei in der Klageschrift erwähnt worden. Das hat hier zu keinen neuen Erkenntnissen geführt. Der Senat erachtet den Vortrag daher für präkludiert.
Trüge man ihm gleichwohl Rechnung, würde sich wiederum die Kausalitätsfrage stellen. Dazu hat der Kläger erklärt, er hätte sich bei der von ihm reklamierten Unterrichtung in eine andere Klinik begeben. Es ist jedoch nicht gesichert, dass die MRSA-Infektion dann ausgeblieben wäre. Das gilt umso mehr, als eine endogene Ursache in Betracht gezogen werden muss.
III.
Nach alledem sollte der Kläger erwägen, sein Rechtsmittel aus Kostengründen zurückzunehmen. Bis zum 16.10.2014 besteht Gelegenheit zur Stellungnahme.