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Informationspflichten bei Behandlungsvertrag

LG Stuttgart, Az.: 19 T 488/15, Beschluss vom 09.12.2015

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Ludwigsburg vom 23.10.2015, Az. 1 C 1577/15, abgeändert:

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: bis 3.000,- €

Gründe

I.

Die Klägerin befand sich im Jahr 2014 in Behandlung beim Beklagten. Zur Überprüfung möglicher Schadensersatzansprüche, unter anderem wegen fehlerhafter Behandlung, gegenüber dem Beklagten begehrte sie die Herausgabe sie betreffender Behandlungsunterlagen.

Nachdem der Beklagte zunächst seitens der Krankenkasse der Klägerin mit Schreiben vom 04.02.2015 erfolglos aufgefordert worden war, die entsprechenden Behandlungsunterlagen herauszugeben, wandte sich der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 09.02.2015 an den Beklagten, in dem er die anwaltliche Vertretung der Klägerin unter ausdrücklicher Versicherung der Vollmachtserteilung anzeigte und den Beklagten unter Hinweise auf einen Anspruch der Klägerin gemäß § 630g BGB auf Einsichtnahme in die sie betreffenden Krankenunterlagen gegen Erstattung der angemessenen Kosten aufforderte, Kopien der gesamten Krankenunterlagen zu übersenden. Dem Beklagten wurde eine Frist zur Herausgabe auf den 02.03.2015 gesetzt. Dem Schreiben lag eine Schweigepflichtentbindungserklärung der Klägerin bei, hingegen keine schriftliche Vollmacht.

Der Beklagte reagierte auf keines der Aufforderungsschreiben. Am 24.03.2015 erhob die Klägerin sodann Klage beim Landgericht Stuttgart auf Herausgabe der streitgegenständlichen Behandlungsunterlagen Zug um Zug gegen Kostenerstattung. Noch innerhalb der gerichtlich gesetzten Frist zur Verteidigungsanzeige, anerkannte der Beklagte den geltend gemachten Anspruch mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 05.06.2015, dies ausdrücklich unter Verwahrung gegen die Kostenlast. Er rügte unter anderem die Nichtvorlage einer ordnungsgemäßen schriftlichen Vollmacht des Klägervertreters. Mit nachfolgendem Schriftsatz des Klägervertreters vom 02.07.2015 wurde eine entsprechende Vollmachtsurkunde übersandt. Sodann legte die Beklagtenseite innerhalb der ihr gesetzten Schriftsatzfrist die streitgegenständlichen Behandlungsunterlagen vor.

Mit Schriftsatz vom 07.10.2015 erklärte die Klägerseite den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und beantragte, dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Der Beklagte hat sich der Erledigungserklärung im Verhandlungstermin vom 22.10.2015 angeschlossen.

Mit Beschluss vom 23.10.2015 hat das Amtsgericht Ludwigsburg der Klägerin gemäß § 91a ZPO die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Gegen diesen der Klägerin am 03.11.2015 zugegangenen Beschluss wendet sich diese mit ihrer am 16.11.2015 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde.

Hinsichtlich des Beschwerdevorbringens sowie der diesbezüglichen Erwiderung wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten mit Beschluss vom 03.12.2015 dem Landgericht Stuttgart als Beschwerdegericht vorgelegt.

II.

Informationspflichten bei Behandlungsvertrag
Symbolfoto: monkeybusinessimages/Bigstock

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist gemäß §§ 91a Abs. 2, 567 ff. ZPO statthaft und zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, und hat auch in der Sache Erfolg.

Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die Verteilung der Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden. Dies führte letztlich zu einer Auferlegung der Kosten auf den Beklagten.

Im Rahmen der bei der Entscheidung nach § 91a ZPO vorzunehmenden Abwägung war im Ergebnis der ohne die Erledigung zu erwartende Verfahrensausgang maßgeblich. Demgegenüber war für eine Anwendung des Rechtsgedankens des § 93 ZPO kein Raum, da der Beklagte den Anspruch zwar sofort nach Klageerhebung anerkannt hat, jedoch durch sein vorheriges Verhalten Anlass zur Erhebung der Klage gegeben hat.

1. Die Klägerin hatte zum Zeitpunkt der Klageerhebung gegenüber dem Beklagten einen fälligen Anspruch auf Herausgabe von Abschriften ihrer Patientenakte gegen Kostenerstattung gem. § 630g BGB.

Mit seinem Aufforderungsschreiben vom 09.02.2015 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin einen aus § 630g BGB folgenden Rechtsanspruch seiner Mandantin auf Einsichtnahme in die sie betreffenden Krankenunterlagen gegen Erstattung der angemessenen Kosten angemeldet, seine Bevollmächtigung mit der Geltendmachung dieses Anspruchs anwaltlich versichert, eine 3-wöchige Frist zur Übersendung der Unterlagen gesetzt und eine Schweigepflichtentbindungserklärung übersandt. Darüber hinaus war die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht sowie einer zusätzlichen Kostenübernahmeerklärung zur wirksamen Geltendmachung des Herausgabeanspruchs jedenfalls im vorliegenden Fall nicht erforderlich.

a) Zwar muss, sofern ein Dritter die Herausgabe der Unterlagen verlangt, eine ordnungsgemäße und wirksame Bevollmächtigung gegeben sein. Dass der Klägervertreter vorliegend seitens der Klägerin zur Geltendmachung des Herausgabeverlangens tatsächlich bevollmächtigt war, ist unstreitig. Weder folgt aus § 630g BGB noch ist eine sonstige Rechtsgrundlage dafür ersichtlich, dass darüber hinaus die Vorlage einer schriftlichen (Original-)Vollmacht Fälligkeitsvoraussetzung für den Herausgabeanspruch ist.

Insoweit ist zwischen der ordnungsgemäßen – auch mündlich möglichen – Vollmachtserteilung, die tatsächlich Voraussetzung für die wirksame Geltendmachung des Herausgabeanspruchs ist, und dem Vollmachtsnachweis zu unterscheiden. Auch wenn angesichts des Umstandes, dass es sich bei Behandlungsunterlagen um höchstpersönliche und außerordentlich sensible Daten handelt, die Herausgabe von einem Vollmachtsnachweis abhängig gemacht werden kann, setzt dies ein entsprechendes Verlangen des in Anspruch genommenen Behandlers voraus. Nicht hingegen ist die Erbringung eines Vollmachtsnachweises generell als Fälligkeitsvoraussetzung anzusehen.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts folgt auch aus der in Bezug genommenen Entscheidung des OLG München vom 18.03.2011 (1 W 98/11, zit. nach juris) keine grundsätzliche Verpflichtung zur Vorlage einer schriftlichen (Original-)Vollmacht, um die Fälligkeit des Anspruchs auf Herausgabe von Behandlungsunterlagen herbeizuführen.

Dieser Entscheidung lag schon ein anderer Sachverhalt zugrunde insoweit als mit dem anwaltlichen Aufforderungsschreiben eine Vollmachtsurkunde vorgelegt wurde, in der die beklagten Behandler – im Gegensatz zu weiteren ausdrücklich benannten Behandlern – gerade nicht angeführt waren. Zudem wurde die Vollmacht von den beklagten Behandlern vorgerichtlich umgehend gerügt.

Vor dem Hintergrund dieser Zweifel begründenden Vollmachtsurkunde sind folgende Ausführungen des OLG München zu verstehen:

„Zur Fälligkeit des Herausgabeanspruchs von Krankenunterlagen zählt auch, dass, sofern durch Bevollmächtigte der Anspruch geltend gemacht wird, eine ordnungsgemäße und eindeutige Vollmacht vorliegt. Die Vollmacht der Klägerin ist nicht hinreichend konkret, da nicht ersichtlich ist, ob die Vollmacht auch gegenüber dem Beklagten erteilt worden ist. An Inhalt und Klarheit der Vollmacht sind strengste Anforderungen zu stellen, da die Herausgabe von höchstpersönlichen Daten begehrt wird … Bis zur Klärung des Umfangs der Vollmacht ist daher das Leistungshindernis der Sphäre des Beklagten und nicht der der Klägerin zuzuordnen. Die Forderung auf Herausgabe der Krankenunterlagen ist erst mit anwaltlicher Versicherung, dass die Vollmacht sich auch auf die Beklagten als behandelnde Ärzte bezieht, fällig geworden.“

Soweit das Amtsgericht und die Beklagtenseite der Entscheidung des OLG München entnehmen, zur Fälligkeit des Herausgabeanspruchs von Krankenunterlagen gehöre eine ordnungsgemäße und eindeutige Vollmacht, teilt das Beschwerdegericht diese Auffassung. Dies ist jedoch nicht gleichbedeutend mit der grundsätzlichen Unentbehrlichkeit der Vorlage einer schriftlichen (Original-)Vollmacht. Vielmehr hat auch das OLG München zur ausreichenden Spezifizierung der zweifelhaften Vollmachtsurkunde eine anwaltliche Versicherung der Erstreckung der Vollmacht auf die beklagten Behandler als für die Herbeiführung der Fälligkeit ausreichend erachtet und nicht die Vorlage einer weiteren Vollmachtsurkunde verlangt.

Auch den vom Amtsgericht in der angegriffenen Entscheidung zitierten Kommentarstellen lässt sich ein grundsätzliches Erfordernis der Vorlage einer schriftlichen (Original-)Vollmacht nicht entnehmen. Dort wird lediglich unter Bezugnahme auf die Entscheidung des OLG München vom 18.03.2011 ausgeführt, dass an die Vollmacht strengste Anforderungen zu stellen sind (Rehborn/Gescher in Erman BGB, 14. Auflage, § 630g Rn. 5) und in den angeführten Praxishinweisen Behandlern angeraten, stets auf einer schriftlichen Voltmacht zu bestehen (vgl. Lafontaine in jurisPK BGB, 7. Auflage, § 630g Rn. 144). Daraus folgt aber ebenfalls nicht, dass die Vorläge einer schriftlichen (Original-)Vollmacht in jedem Fall Fälligkeitsvoraussetzung ist.

Nachdem der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vorliegend unstreitig wirksam bevollmächtigt war, seine Bevollmächtigung gegenüber dem Beklagten anwaltlich versichert hat und dieser weder die Vollmacht gerügt noch einen Vollmachtsnachweis verlangt hat, war der Herausgabeanspruch der Klägerin zum Zeitpunkt der Klageerhebung fällig.

b) Der Fälligkeit des streitgegenständlichen Herausgabeanspruchs der Klägerin stand auch nicht deren fehlende ausdrückliche Zusicherung der Kostenübernahme entgegen. Ein entsprechendes Erfordernis ist auch der Vorschrift des § 630g BGB nicht zu entnehmen. Zwar folgt aus § 630g Abs. 2 und Abs. 3 BGB, dass der Behandler die Vorlage der Unterlagen von der Zahlung der Kosten abhängig machen kann. Insoweit obliegt es allerdings dem Behandler, dies anzuzeigen und mitzuteilen, dass eine Übersendung nur nach Zusicherung der Kostenübernahme stattfindet.

Im Übrigen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in seinem Anforderungsschreiben vom 09.02.2015 ausgeführt, die Klägerin habe gemäß § 630g BGB einen Rechtsanspruch auf Einsichtnahme in die sie betreffenden Krankenunterlagen gegen Erstattung der angemessenen Kosten. Dabei handelt es sich nicht rein um das Zitat der in Bezug genommenen gesetzlichen Vorschrift, sondern um die Formulierung des Begehrens der Klägerin. Gleichzeitig ist diesen Ausführungen zu entnehmen, dass die Klägerin sich ihrer Auslagenerstattungspflicht bewusst war und die Bereitschaft bestand, dieser nachzukommen. Sofern der Beklagte dennoch Zweifel an der ausreichenden Absicherung seines Auslagenerstattungsanspruchs hatte, hätte er dies durch Verlangen einer entsprechenden Zusicherung durch die Klägerin zum Ausdruck bringen müssen. Insoweit ist auch auf die Verpflichtung des Beklagten zur Begründung der Ablehnung der Herausgabe nach § 630g Abs. 1 S. 2 BGB zu verweisen.

c) Im Ergebnis befand sich der Beklagte daher zum Zeitpunkt der Klageerhebung mit seiner Verpflichtung zur Herausgabe der Behandlungsunterlagen der Klägerin im Verzug.

2. Der Beklagte hat damit auch Veranlassung zur Klage gegeben. Klagveranlassung liegt vor, wenn das Verhalten des Beklagten vor Prozessbeginn ohne Rücksicht auf ein Verschulden oder die materielle Rechtslage gegenüber dem Kläger so war, dass dieser annehmen musste, er werde ohne die Klage nicht zu seinem Recht kommen. Der Beklagte hat sich vorliegend vorprozessual weder auf Zweifel an der Bevollmächtigung des Klägervertreters bzw. die Nichtvorlage einer schriftlichen Vollmacht noch auf eine unzureichende Absicherung der Auslagenerstattung berufen, vielmehr hat er auf das Herausgabeverlangen der Klägerin überhaupt nicht reagiert. Nachdem die Klägerin fast 8 Wochen nach der schriftlichen Aufforderung durch ihren Prozessbevollmächtigten nicht davon ausgehen konnte, der Beklagte, der keinerlei Begründung für seine Untätigkeit abgegeben hatte, werde ihrem Anspruch auf Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen alsbald im rechtlich gebotenen Umfang nachkommen, durfte sie zum Zeitpunkt der Klageerhebung berechtigterweise annehmen, sie werde ihren Anspruch ohne Klagerhebung nicht durchsetzen können.

3. Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren folgt aus § 91 ZPO.

4. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen dafür nach § 574 ZPO nicht vorlagen.

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