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Kniegelenksendoprothese – Verletzung des Nervus peroneus mit neuropathischen Schmerz

LG Bielefeld – Az.: 4 O 119/14 – Urteil vom 14.08.2018

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz aufgrund einer vermeintlichen ärztlichen Fehlbehandlung.

Die Klägerin ist Diabetikerin. Sie stellte sich am 24.02.2011 wegen seit längerer Zeit bestehender, linksseitig führender Kniegelenksbeschwerden beidseits ambulant in der chirurgisch-orthopädischen Sprechstunde der Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Handchirurgie der Beklagten zu 1) vor. Diagnostiziert wurde dort eine Varusgonarthrose beidseits, auf der linken Seite ausgeprägter. Die behandelnden Ärzte stellten deshalb die Indikation zur Implantation einer Kniegelenksendoprothese links.

Vom 07.03.2011 bis zum 21.03.2011 wurde die Klägerin daraufhin stationär in der Klinik der Beklagten zu 1) behandelt und dort am 08.03.2011 von dem Beklagten zu 2) operiert, der im linken Knie eine Endoprothese (zementierte Oberflächenersatzprothese) implantierte. Zur perioperativen Schmerztherapie wurden dabei ein proximaler Nervus ischiadicus- sowie ein proximaler Nervus femoralis-Katheter durch den Beklagten zu 3) unter Aufsicht des Beklagten zu 5) gelegt. Die Anlage erfolgte unter sonographischer Kontrolle bei der (noch) wachen Klägerin, die erst anschließend eine Allgemeinnarkose erhielt.

Während des Eingriffs kam es zu einer Verletzung des Nervus peroneus links mit einem neuropathischen Schmerz. Die Schmerzen bestanden vor allem im Bereich der Einstichstelle des Schmerzkatheters. Die Klägerin litt daher unmittelbar nach der Operation nicht nur unter großen Schmerzen, sondern auch unter einem Taubheitsgefühl im Fuß und Sensibilitätsstörungen in den Zehen des linken Fußes.

Am 11.03.2011 wurden die Katheter entfernt, die bis zu diesem Zeitpunkt über einen Perfusor mit Lokalanästhetika bestückt worden waren.

Zwei Tage später – am 13.03.2011 – wurde ein neurologisches Konsil durchgeführt, nachdem bereits bei den regelmäßig postoperativ zwecks Überwachung und Betreuung der Katheteranalgesie durchgeführten Visiten neurologische Auffälligkeiten beobachtet worden waren. Bei der Untersuchung fanden sich Zeichen einer Schädigung der Nerven im Bereich des Nervus peroneus und des Nervus ischiadicus mit Sensibilitätsstörungen in den entsprechenden Arealen. Elektrophysiologisch wurde dann eine axonale Schädigung des Nervus peroneus wie bei einem Kompartment-Syndrom beschrieben. Die Mobilisierung der Klägerin erfolgte deshalb mit einer Peroneusschiene.

Eine am 18.03.2011 durchgeführte elektroneurographische Untersuchung bestätigte dann eine Nervschädigung, insbes. des Nervus peroneus tibialis und suralis links. Sie ergab auch eine axonale Schädigung des Nervus peroneus.

Im Anschluss an die Behandlung in der Klinik der Beklagten absolvierte die Klägerin schließlich für 5 Wochen eine Anschlussheilbehandlung in der Klinik T. in E..

Im weiteren Verlauf kam es bei der Klägerin dann zu Schwellungen und Schmerzen sowie zu einem Spannungsfühl im linken Bein. Sie wurde deshalb vom 20.06.2011 bis zum 28.06.2011 stationär im Krankenhaus E. behandelt. Die dort durchgeführten Untersuchungen ergaben das Vorliegen einer tiefen Venenthrombose des linken Oberschenkels und auch einer Lungenembolie der rechten Unterlappenarterie. Die Klägerin erhielt daraufhin eine Antikoagulation mit Marcumar.

Etwa zwei Wochen später – am 12.07.2011 – stellte sich die Klägerin ambulant in der Medizinischen Hochschule X. vor. Die klinische Untersuchung zeigte hier eine insgesamt im Seitenvergleich bestehende Schwellung des linken Knies. Darüber hinaus bestand an der Fußsohle ein Gebiet der Hyposensibilität, dies war auch an der Außenseite des Unterschenkels so. Beim Gehen zeigte sich ein „Steppergang“ und das aktive Anheben des linken Fußes war nicht möglich. Insgesamt wurde damit eine Nervenschädigung bestätigt hinsichtlich des Nervus peroneus, des Nervus tibialis und des Nervus suralis. Als Ursache des Nervenschadens wurde prinzipiell der Schmerzkatheter während der Operation angesehen, die Blutsperre während der Operation oder ein postoperativ entstandenes Kompartment-Syndrom.

Die Peroneusläsion und eine Ischiadicusläsion wurden im weiteren Verlauf auch von dem Orthopäden der Klägerin bestätigt.

Die Klägerin wirft den Beklagten Behandlungs- und Aufklärungsfehler vor.

Sie behauptet, die Schädigung ihrer Nerven sei irreparabel und habe auch Auswirkungen beim Gehen. Sie habe einen „Steppergang“ und könne den linken Fuß nicht aktiv anheben. Daneben seien die Taubheitsgefühle und ebenfalls auch die Schmerzen verblieben.

Kniegelenksendoprothese - Verletzung des Nervus peroneus mit neuropathischen Schmerz
(Symbolfoto: Tong_stocker/Shutterstock.com)

Insgesamt leide sie demnach bis heute unter großen Schmerzen im linken Fuß (sog. Nervenschmerzen). Zusätzlich trete ein unvorhersehbarer kurzer und stechender Schmerz im linken Fuß auf und es bestehe weiter ein Taubheitsgefühl. Sie – die Klägerin – müsse zudem eine sog. Peroneusschiene tragen und die Muskulatur regelmäßig beüben. Wegen der tiefen Beinvenenthrombose und der Lungenembolie müsse sie darüber hinaus Marcumar einnehmen und Stützstrümpfe tragen.

Ihre Behandlung durch die Beklagten sei vor diesem Hintergrund insgesamt fehlerhaft gewesen.

Der Beklagte zu 2) habe die Operation vom 08.03.2011 fehlerhaft ausgeführt. Er habe dabei keine ausreichenden Sicherheitsvorkehrungen getroffen, dass es nicht zu einer Schädigung von Nerven, insbesondere des Nervus peroneus, komme.

Die Beklagten zu 3) und 5) seien daneben beim Legen des Schmerzkatheters unsachgemäß vorgegangen. Ansonsten hätte es nicht zu der Nervschädigung kommen können und dürfen. So seien etwa die Einstichstelle des Schmerzkatheters falsch gewählt und das Medikament falsch injiziert worden.

Sie – die Klägerin – hätte ferner zwingend eine Thromboseprophylaxe erhalten müssen. Sowohl an sie selbst als auch an ihren behandelnden Arzt hätte daneben die dringende Empfehlung gerichtet werden müssen, dass nach der stationären Krankenhausbehandlung eine (weitere) Thromboseprophylaxe zu erfolgen habe. Sie sei immerhin nicht voll mobilisiert gewesen und habe schon damals eine Peroneusschiene tragen müssen. Auch habe sie sich wegen des „Stepperganges“ nur schlecht fortbewegen können und sei darüber hinaus wegen ihrer Diabetes-Erkrankung eine Risikopatientin gewesen. Das Risiko einer Thrombose habe sich anschließend bei ihr auch verwirklicht und sie habe zudem eine Lungenembolie erlitten.

Sofort nach der Operation vom 08.03.2011 habe sie schließlich ein stark brennendes Gefühl an der Hacke des linken Fußes gehabt. Sie habe dies auch der Krankenschwester gesagt, die sie daraufhin aufgefordert habe, die Zehen zu bewegen. Das aber sei ihr gerade nicht möglich gewesen.

Im Ergebnis habe damit bereits am Tag der Operation ein Taubheitsgefühl bestanden und auch am nächsten Tag seien die Zehen noch taub gewesen. Am zweiten postoperativen Tag sei danach eingetragen, dass „Sensibilitätsstörungen“ bestünden und sie ihre Zehen nicht spüre. Obwohl damit eindeutige neurologische Auffälligkeiten vorgelegen hätten, seien indes keine weiteren Untersuchungen veranlasst worden. Die Nervenmessung selbst sei zudem erst am 18.03.2011 und damit viel zu spät erfolgt. Der Schaden an den Nerven sei zu diesem Zeitpunkt bereits irreparabel gewesen.

Sie – die Klägerin – sei schließlich nicht über die Alternative einer Periduralanästhesie aufgeklärt worden. Wäre sie indes über die möglichen Alternativen aufgeklärt worden, dann hätte sie sich jedenfalls nicht für das periphere Doppelkatheterverfahren entschieden.

Insgesamt seien ihr die Beklagten daher zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von (zunächst) 45.000,00 EUR sowie zum Ersatz ihres materiellen Schadens in Höhe von 47.916,49 EUR verpflichtet, der sich aus Fahrtkosten (217,63 EUR), Zuzahlungen (304,58 EUR), Verdienstausfall (zunächst 23.034,28 EUR) sowie einem Haushaltsführungsschaden (zunächst 24.360,00 EUR) zusammensetze.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie aufgrund der Ereignisse der Behandlungen in der Zeit vom 07.03.2011 bis zum 21.03.2011 und der Operation vom 08.03.2011 ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird und das mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins der Europäischen Zentralbank ab dem 26.07.2012 verzinst wird;

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie aufgrund der Ereignisse der Behandlungen in der Zeit vom 07.03.2011 bis zum 21.03.2011 und der Operation vom 08.03.2011 einen Betrag in Höhe von 47.916,49 EUR zu zahlen nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins der Europäischen Zentralbank ab Klagezustellung;

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie aufgrund der Ereignisse der Behandlungen in der Zeit vom 07.03.2011 bis zum 21.03.2011 und der Operation vom 08.03.2011 eine vierteljährlich im Voraus zu zahlende Rente in Höhe von monatlich 1.269,49 EUR zu zahlen, beginnend mit dem 01.06.2014 und zunächst endend am 31.05.2018;

4. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr allen weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die Ereignisse der Behandlungen in der Zeit vom 07.03.2011 bis zum 21.03.2011 und der Operation vom 08.03.2011 entstanden ist oder entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen anderen Sozialversicherungsträger übergegangen ist oder noch übergeht;

5. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie aufgrund der Ereignisse der Behandlungen in der Zeit vom 07.03.2011 bis zum 21.03.2011 und der Operation vom 08.03.2011 außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 4.739,18 EUR zu zahlen nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins der Europäischen Zentralbank ab Klagezustellung.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie sind der Ansicht, die (auch) gegen den Beklagten zu 4) gerichtete Klage sei deshalb bereits unschlüssig, weil dessen erster Kontakt mit der Klägerin erst im postoperativen Verlauf stattgefunden habe.

Sie behaupten zudem, die Indikation zur Kniegelenksendoprothese links sei bei der Klägerin am 24.02.2011 medizinisch korrekt gestellt worden. Der Eingriff vom 08.03.2011 sei dann ebenso wie die Anlage der beiden Katheter problemlos und ohne Komplikationen verlaufen.

Nach der Operation vom 08.03.2011 sei der Katheter bis zur Entfernung am 11.03.2011 weiter medizinisch korrekt über einen Perfusor mit Lokalanästhetikum bestückt worden.

Die Ursache der postoperativ aufgetretenen Beschwerden der Klägerin sei bei dieser Sachlage unbekannt. Operationstechnisch sei eine Präparation am Fibulaköpfchen nicht durchgeführt worden. Die postoperativen Röntgenbilder zeigten zudem einen absolut regelhaften Sitz der eingebrachten Endoprothese ohne Auffälligkeiten. Auch ein lagerungsbedingter Schaden sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen.

Ein Zusammenhang mit der Anlage eines Schmerzkatheters am Nervus femoralis und Nervus ischiadicus sei schließlich ebenfalls auszuschließen. Die Katheter seien etwa 40 – 50 cm proximal des neurophysiologisch ermittelten Schädigungsortes gelegt worden. Die beiden Katheter seien außerdem jeweils getrennt in zwei verschiedenen Punktionen, an zwei verschiedenen Orten und an zwei verschiedene Nerven gelegt sowie mit zwei separaten Lokalanästhetika-abgebenden Pumpen bestückt worden.

Die Behandlung der Klägerin sei vor diesem Hintergrund zu jedem Zeitpunkt symptom- und befundgerecht entsprechend dem fachärztlichen Standard erfolgt.

So sei der Klägerin etwa die Fortführung der Thromboseprophylaxe für insgesamt 4 Wochen postoperativ angeraten worden. In ihrer – der Beklagten – Klinik erfolge immer am Vortag oder am Tag der Entlassung ein Abschlussgespräch, in dem noch einmal die bisherige und zukünftige Behandlung inkl. der Thromboseprophylaxe besprochen werde.

Vor der Katheteranlage für den Eingriff vom 08.03.2011 sei die Klägerin schließlich umfassend über sämtliche allgemeine und spezielle Risiken aufgeklärt worden. Dabei sei auch über eine mögliche Periduralanästhesie gesprochen worden, die hier indes mit deutlichen Nachteilen behaftet gewesen sei. Die Anlage eines singulären Femoralis-Katheters sei dann ebenfalls noch mit der Klägerin thematisiert worden, mit dem jedoch eine Schmerzfreiheit im Bereich der Kniekehle nicht zu erreichen gewesen sei. Unabhängig davon sei nicht ersichtlich, inwieweit sich aus einer angeblich nicht erfolgten Aufklärung ein Entscheidungskonflikt für die Klägerin ergeben haben sollte.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. K. und Dr. A.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gutachten vom 04.08.2017 (Bl. 85ff d.A.) und 05.03.2018 (Bl. 113ff d.A.) sowie auf das Terminsprotokoll vom 14.08.2018 (Bl. 192ff d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz aus den §§ 280 I, 278, 421, 253 II BGB oder den §§ 823 I, 831, 840, 253 II BGB. Den ihr obliegenden Beweis, in der Klinik der Beklagten zu 1) und/oder von den Beklagten zu 2) bis 5) fehlerhaft behandelt worden zu sein, hat sie nicht geführt.

I.

Schadensersatz wegen eines Behandlungsfehlers kann von einem Krankenhaus oder den behandelnden Ärzten nur dann verlangt werden, wenn bei der Behandlung des Patienten gegen den im konkreten Einzelfall anzuwendenden medizinischen Standard verstoßen worden ist. An dieser Voraussetzung fehlt es hier.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Klägerin in der Klinik der Beklagten insgesamt fachgerecht behandelt worden.

1. Der orthopädische Sachverständige Prof. Dr. K. hat festgestellt, dass Konsens zwischen den Parteien bestehe, dass bei der Klägerin die Indikation zu einer Knieendoprothese auf der linken Seite vorgelegen habe. Die Beschwerden seien schon vor der streitgegenständlichen Operation zumindest seit 2007 vorliegend gewesen. Weitere konservative Therapiemaßnahmen seien nicht erfolgreich gewesen. Der niedergelassene Orthopäde habe der Klägerin deshalb schon im Jahre 2010 empfohlen, eine knieendoprothetische Versorgung durchführen zu lassen.

Am 07.03.2011 sei die stationäre Aufnahme für die streitgegenständliche Operation erfolgt. An diesem Tage sei auch eine OP-Aufklärung durchgeführt worden, die den Anforderungen entsprochen habe, insbesondere die sich später einstellenden Komplikationen seien in der Aufklärung erwähnt worden.

Der Operationsbericht der streitgegenständlichen Operation vom 08.03.2011 zeige keinen Hinweis auf ärztliches Fehlverhalten. Eine Blutleere sei ausweislich des Operationsberichts nicht verwendet worden. Zur Schonung des Nervus peroneus seien bei der tibialen Resektion Hohmann – Haken eingesetzt worden. Hier heiße es im Operationsbericht:

„Zur Vorbereitung der tibialen Resektion werden die Vorderhörner beider Menisken und beide Kreuzbänder reseziert. Einsetzen eines dorsalen Hohmann-Hebels und zweier seitlicher Hebel“.

Hiermit sei dokumentiert, dass die Operateure Maßnahmen zum Schutze des Nervus peroneus ergriffen hätten.

Postoperativ habe die Klägerin ein Taubheitsgefühl und Schmerzen zunächst in der Ferse, dann im Bereich des Vorfußes bemerkt. Bei Verwendung eines Schmerzkatheters sei es für die behandelnden Ärzte nicht sicher möglich, eine Nervenschädigung von dem Effekt des Schmerzkatheters zu differenzieren. Nach Ausschluss der katheterbedingten Nervenausschaltung durch das Schmerz-Medikament seien dann eine neurologische Konsiliaruntersuchung am 13.03.2011 und anschließend am 18.03.2013 nochmals eine Kontrolluntersuchung durchgeführt worden. Hier seien eine Läsion des Nervus peroneus festgestellt und der Verdacht geäußert worden, dass dieses aufgrund eines Kompartmentsyndroms vorliegen könne. Klinisch ergebe sich jedoch aus der Aktendokumentation der Beklagten, dem Hb-Verlauf postoperativ und auch der klinischen Befunderhebung zum Zeitpunkt der Begutachtung kein Hinweis darauf, dass seinerzeit ein Kompartmentsyndrom vorlegen haben könnte.

Im Rahmen einer ambulanten Vorstellung in der Medizinischen Hochschule X. am 12.07.2011 sei als Diagnose eine postoperativ bestehende Nervenschädigung (Nervus peroneus, Nervus tibialis, Nervus suralis) diagnostiziert worden. Hinsichtlich der Ursache würden verschiedene Vermutungen angestellt (Schmerzkatheter während der Operation, Blutsperre, postoperativ entstandenes Kompartmentsyndrom). Festlegen könnten sich die Ärzte der MH X. jedoch auch nicht.

Ein vergleichbares Bild zeige sich auch noch zum Zeitpunkt der Begutachtung. Eine -operationsbedingte Schädigung des Nervus peroneus als Ursache der Beschwerden sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Dieses aus folgenden Gründen:

  • es seien auch andere Nervenversorgungsgebiete als der N. peroneus betroffen,
  • intraoperativ sei der Nervus peroneus durch Hohmann – Haken geschützt worden,
  • die Operationszeit von knapp 2 Stunden sei nicht auffällig.

Bei Nichtverwendung einer Blutsperre und fehlenden Hinweisen auf ein Kompartmentsyndrom sei in der gutachterlichen Gesamtbetrachtung eine Ursache der Nervenschädigung, welche in einem Bereich zu suchen wäre, der vom Operateur zu verantworten sei, mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen.

Auslöser der Nervenschädigung sei zwar das operative Geschehen gewesen, eine Ermittlung der genauen Ursache sei jedoch auch aus der ex post-Betrachtung nicht möglich. Auszuschließen sei allerdings, dass ein Kompartment-Syndrom die Ursache gewesen sei. Hierfür passten die klinischen Symptome der Klägerin nicht, es fehle dafür insbesondere an einer dafür typischen Krallenzehenbildung. Auch sei ein Fersenschmerz, den die Klägerin geschildert habe, nicht typisch für ein Kompartment-Syndrom.

Der postoperative zeitliche Verlauf hinsichtlich der weiteren Abklärung des Nervenschadens ist nicht zu kritisieren. insbesondere auch wegen der weiteren neurophysiologischen und MRT – Diagnostik.

Hinsichtlich der weiteren Thromboseprophylaxe sei im Entlassbrief festgehalten „Weiterführen Thromboseprophylaxe bis zum 28. Tag postoperativ“. Diese Empfehlung sei in der Art nicht zu kritisieren. Zum Zeitpunkt der Begutachtung gebe die Klägerin an, dass sie sogar noch länger eine Thromboseprophylaxe erhalten habe, nämlich bis zum Ende der Reha – Phase. Mit der Empfehlung, die Thromboseprophylaxe bis zum 28. Tag postoperativ durchzuführen, hätten die Beklagten ihrer Sorgfaltspflicht genüge getan.

Eine (weitergehende) Thromboseprophylaxe sei bei der Klägerin nicht erforderlich gewesen. In der S3-Leitlinie der AWMF zur medikamentösen Thromboseprophylaxe werde nach einer Knieendoprothese eine Thromboseprophylaxe für 10 – 14 Tage empfohlen und gefordert. Die Klägerin habe hier über einen Zeitraum von etwa 28 Tagen eine Thromboseprophylaxe erhalten, die mithin in jeder Hinsicht ausreichend gewesen sei.

An dieser Beurteilung ändere sich auch dadurch nichts, dass die Klägerin mit einer Peroneus-Schiene versorgt gewesen sei und schlechter habe laufen können.

Insoweit fordere die S3-Leitlinie eine Thromboseprophylaxe bei einer Immobilisation des Gelenkes durch einen Gips. Eine solche Situation habe bei der Klägerin aber nicht vorgelegen. Unabhängig davon werde eine Thromboseprophylaxe nach Eingriffen wie hier dann nicht mehr gefordert, wenn eine Teilbelastung von 20 kg dem Patienten möglich sei. Auch diese Voraussetzung habe bei der Klägerin zum Zeitpunkt des Absetzens der Thromboseprophylaxe vorgelegen, so dass hier insgesamt kein fehlerhaftes Vorgehen zu erkennen sei.

Die durch die Behandlung der Klägerin aufgeworfenen Fragen seien vor diesem Hintergrund wie folgt zu beantworten:

Die Operation am 08.03.2011 habe den Regeln der ärztlichen Kunst entsprochen. Es seien Sicherungsmaßnahmen zur Vermeidung von Nervenschäden durchgeführt worden. Hierzu zähle der Hohmann – Hakenschutz im Bereich des Tibiaplateaus sowie die nicht durchgeführte Blutsperre. Die OP-Dauer sei ebenfalls nicht zu kritisieren.

Die Differenzierung unmittelbar postoperativ zwischen der gewünschten Wirkung des Schmerzkatheters auf der einen Seite und einem unerwünschten Nervenschaden auf der anderen Seite sei bei Anlage eines Schmerzkatheters schwierig bis unmöglich. Der Schmerzkatheter sei bis zum 11.03.2011 verblieben. Bei anhaltenden neurologischen Auffälligkeiten sei daraufhin dann eine neurologische Untersuchung am 13.03.2011 durchgeführt worden. Dieses sei nicht verzögert. Selbst wenn die neurologische Untersuchung früher stattgefunden hätte, so wären die erhobenen Befunde und der weitere Verlauf gleich gewesen.

Letztlich habe es keine Möglichkeit gegeben, die Beeinträchtigungen der Klägerin durch ein (sofortiges) Handeln zu vermeiden oder zu verringern. Ein sofortiges ärztliches Handeln sei nur dann geboten, wenn eine komplette Durchtrennung des Nerven vorliege, der dann sofort wieder zu reparieren sei. Für eine solche komplette Nervdurchtrennung lägen bei der Kläger aber weder aus der Sicht ex ante noch aus der Sicht ex post Anhaltspunkte vor.

Bei der Klägerin sei mithin allenfalls von einer Teilläsion des Nerven auszugehen. In einem solchen Fall warte man in der Regel etwa zunächst drei Monate ab, ob und ggfls. inwieweit sich der Nerv von selbst wieder regeneriere. In Abhängigkeit von dem dann bestehenden Befund sei ein operatives Vorgehen in Erwägung zu ziehen. Auch medikamentös habe es keine erfolgversprechenden Möglichkeiten gegeben, den Nervenschaden zu verringern. Eine mögliche Gabe von Vitaminen habe keinen wissenschaftlich belegten Erfolg.

Man könne schließlich diskutieren, ob der Orthopäde vor der Einholung des neurologischen Konsils noch ein Hämatom hätte ausschließen müssen. Ein darin etwaig liegender Befunderhebungsfehler habe sich aber deshalb nicht ausgewirkt, weil ein Hämatom bei der Klägerin nicht vorgelegen habe.

Eine Empfehlung zur Fortführung der Thromboseprophylaxe sei schließlich fachgerecht im Entlassungsbrief niedergelegt worden.

2. Ergänzend dazu hat der anästhesiologische Sachverständige Dr. A. festgestellt, dass die Klägerin nach Indikationsstellung zur Implantation einer Kniegelenksendoprothese links am 07.03.2011 stationär aufgenommen worden sei. Die Indikation für die Anlage eines Nervus femoralis-Katheters sowie eines Nervus ischiadicus-Katheters für die Kniegelenksendoprothese sei dabei zweifelsfrei gegeben.

Endoprothetische Eingriffe am Knie (in der Folge Knie-TEP genannt) gehörten zu den Operationen, die besonders starke postoperative Schmerzen verursachten. Ohne eine – auch von den Leitlinien geforderte – ausreichende Schmerztherapie könne durch die schmerzbedingte Einschränkung der Mobilisierung das operative Ergebnis gemindert, wenn nicht sogar gefährdet werden. Daher würden die effektivsten Verfahren zur Schmerzbehandlung empfohlen und es sollten möglichst kontinuierliche regional-anästhesiologische Verfahren zur Schmerztherapie verwendet werden.

Zur postoperativen Analgesie bei Knie-TEPs könne ein peripheres Doppelkatheterverfahren (Plexus lumbalis und sacralis bzw. N. femoralis und N. ischiadicus) empfohlen werden. Alternativ könne ein Femoraliskatheter alleine empfohlen werden, der jedoch gegenüber einem Doppelkatheter zu einer weniger effektiven Schmerzlinderung führe. Allein ein femoralis-Katheter könne Schmerzen im Versorgungsgebiet des nervus ischiadicus nicht wirksam bekämpfen, so dass Patienten, die allein mit einem nervus femoralis Katheter versorgt seien, in diesem Gebiet postoperativ (höhere) Schmerzen hätten, als wenn ein Doppelkatheter zur Anwendung komme. Auf der anderen Seite habe ein Doppelkatheterverfahren natürlich ein „verdoppeltes Risiko“ für injektionsbedingte Komplikationen und Beeinträchtigungen. Es hätte also auch die Möglichkeit bestanden, einen femoralis-Katheter zu geben und im Übrigen eine systemische Schmerztherapie durch die Gabe von oralen Analgetika durchzuführen.

Insgesamt führten periphere Katheterverfahren somit zu geringeren postoperativen Schmerzen oder zu einem reduzierten Opioidkonsum im Vergleich zu Placebo oder keiner Therapie. Im Vergleich zu systemischen Analgesieverfahren seien periphere Katheterverfahren ebenfalls analgetisch effektiver und führten zu einer früheren Mobilisation und Rehabilitation. Die bloße Gabe von Medikamenten zur Schmerzlinderung sei daher deshalb nachteilig, weil nach allen Untersuchungen allein Katheterverfahren eine befriedigende Schmerzlinderung erlaubten.

Als Alternative zu peripheren Katheterverfahren könne eine Periduralanästhesie zum Einsatz kommen. Sie sei allerdings mit vermehrten Nebenwirkungen verbunden als periphere Katheterverfahren. So sei sie etwa mit einer längeren Immobilisation des Patienten verbunden und führe im Falle des nie auszuschließenden Infektionsrisikos zu deutlich größeren Gefahren für den Patienten.

Die analgetische Wirksamkeit beider Verfahren sei vergleichbar. Daher sollte bei Knie-TEP-Operationen eines dieser Verfahren zur Anwendung kommen.

Vor diesem Hintergrund bestehe hier über die gerechtfertigte Indikationsstellung zur Anlage eines Nervus femoralis-Katheters und eines Nervus ischiadicus-Katheters keinerlei Zweifel.

Die Anlage der Schmerzkatheter sei vor Beginn der Narkoseeinleitung an der wachen Patientin unter Analgosedierung mit einem Opiatanalgetikum erfolgt. Dies entspreche der üblichen Vorgehensweise. Die Anlage solle am wachen Patienten erfolgen, damit der Patient etwaige Sensationen wie beispielsweise Parästhesien bei Berührung von Nervenstrukturen mitteilen könne. Die zusätzliche Gabe eines Opiatanalgetikums solle den Patienten für den gelegentlich unangenehmen Einstich in das Bein abschirmen. Die Dosis des Opiatanalgetikums (Piritramid 7,5 mg) unter adäquater Überwachung könne als adäquat bewertet werden.

Es finde sich in den zur Verfügung stehenden Krankenunterlagen allerdings kein darüber hinaus gehender Hinweis auf Einzelheiten der Katheteranlagen. Die Dokumentation müsse diesbezüglich als mangelhaft bezeichnet werden. Sowohl die Klägerin als auch die Beklagten gäben allerdings an, dass die Katheteranlagen unter sonographischer Kontrolle erfolgt seien.

Die Anlage von peripheren Nervenblockaden mit oder ohne Katheter erfolge üblicherweise entweder mithilfe einer elektrischen Nervenstimulation oder durch ultraschallgesteuerte Punktionstechniken.

Die sonographisch gestützten Verfahren würden seit etwa 10 Jahren zunehmend eingesetzt, da durch die Visualisierung der anatomischen Strukturen eine gezieltere und sicherere Blockade erhofft werde. Ultraschallgesteuerte Verfahren seien heute weithin etabliert, und würden auch im Hinblick auf Nervenschäden zumindest als gleichwertig eingestuft. Die Tatsache, dass in der Anästhesieabteilung der Beklagten bereits in 2011 die Katheteranlagen ultraschallgesteuert durchgeführt worden seien, könne als fortschrittlich bewertet werden.

Sowohl aus der Anästhesiedokumentation als auch aus der Erinnerung der Klägerin sei ersichtlich, dass mit einem Assistenzarzt und einem Oberarzt zwei Anästhesieärzte an der Katheteranlage beteiligt gewesen seien. Die Erinnerung der Klägerin, dass einer der beiden gesagt habe „Mensch, pass auf, da ist der Nerv, das Weiße“ lasse die Schlussfolgerung zu, dass der erfahrene Oberarzt die Anlage durch den Assistenzarzt supervidiert habe. Darin sei kein Mangel zu sehen.

Die Äußerung des erfahreneren Arztes, das weiße sei der Nerv und man solle darauf aufpassen, zeige nur, dass der Nerv visualisiert worden sei. Das bedeute auf der anderen Seite noch nicht, dass er von dem Instrumentarium auch getroffen worden sei. Selbst ein Anstechen des Nerven bedeute aber noch nicht, dass es anschließend zu einer dauerhaften Nervenschädigung komme. In diesem Fall werde dann die Lage der Nadelspitze für die Anlage des Katheters verändert.

Ein Anstechen des Nerven bedeute daneben ebenfalls (noch) nicht, dass der Anästhesist etwa nicht ausreichend sorgfältig gearbeitet habe. Es sei eine bekannte, wenn auch seltene Komplikation, dass es nach der Anlage derartiger Nervenkatheter zu bleibenden Beeinträchtigungen der Nerven kommt. Entscheidend für den behandelnden Arzt sei es daher dann, wenn er eine Berührung bzw. ein Anstechen des Nerven bemerke, dass er die Nadelspitze verändere und nicht so belasse.

Die Angaben der Beklagten zur Lagerung und zur Desinfektion deckten sich ebenfalls mit den Angaben der Klägerin. Demnach sei zunächst der proximale lschiadicus-Katheter in Seitenlage angelegt worden. Dabei müsse es sich um eine transgluteale lschiadicusblockade nach Labat gehandelt haben, weil nur diese in der beschriebenen Seitenlage durchgeführt werde. Danach sei die Anlage des Nervus femoralis-Katheters in Rückenlage erfolgt, die einer inguinalen Nervus femoralis-Blockade entspreche.

Dass die Klägerin von einem unangenehmen Pieksen bzw. Einstechen spreche, lasse dabei (noch) keinen Rückschluss auf ein fehlerhaftes Vorgehen zu. Die Anlage der Katheter selbst mit den dafür erforderlichen längeren Spritzen bzw. Kanülen sei sicher unangenehm. Sie werde – wie dargestellt – gleichwohl am wachen Patienten durchgeführt, um Schmerzsensationen erfassen zu können.

Wenn die Klägerin schildere, dass der Einstich im Oberschenkel sehr unangenehm gewesen sei und sich wie ein Stich einer Biene oder Wespe angefühlt habe, dann deute auch das nicht auf eine Nervschädigung durch die Instrumente selbst hin. Wenn der Nerv durch das Instrumentarium getroffen werde, wäre ein einschießender Schmerz bis in den Fuß hinein zu erwarten gewesen.

Im Gegensatz zur Dokumentation der Katheteranlagen seien die verwendeten Medikamente und Dosierungen regelrecht dokumentiert. Die Dosierung sei genau richtig gewesen. Die Erstbestückung der Katheter mit jeweils 20 ml Prilocain 1% plus 10 ml Ropivacain 0,375% entspreche einer fachgerechten Dosierung. Auch die Laufraten der Schmerzpumpen für beide Katheter mit Ropivacain 0,2% bzw. 0,16% jeweils 7 ml/h seien fachgerecht und im Hinblick auf die Einhaltung der zugelassenen Maximaldosis für das Lokalanästhetikum Ropivacain wohldurchdacht. Auch mit der Erhöhung der Laufrate des Femoraliskatheters am 1. postoperativen Tag (09.03.2011) auf 13 ml/h sei die Gesamtdosis des Lokalanästhetikums Ropivacain unterhalb der zulässigen Gesamtdosis geblieben. Angesichts der sehr niedrigen Dosierung werde es hier selbst bei einer versehentlich erhöhten bzw. zu hohen Laufrate nicht zu einem Nervenschaden kommen.

Aus der Zusammenschau der vorhandenen schriftlichen Dokumentation, den Erinnerungen der Klägerin und der nachträglichen Darstellung der Katheteranlagen durch die Beklagten ergebe sich kein Anhalt für eine fehlerhafte Durchführung der Katheteranlage oder eine fehlerhafte Injektion von Medikamenten.

Postoperativ sei die Klägerin täglich zweimal vom Schmerzdienst der Klinik für Anästhesiologie visitiert und untersucht worden, wobei die Untersuchungsergebnisse und die laufende Schmerztherapie jeweils in einem speziellen Schmerzkatheterprotokoll schriftlich festgehalten worden seien.

Bei der ersten Äußerung eines Taubheitsgefühls am Abend des OP-Tages (08.03.2011) seien die Perfusoren für die Lokalanästhetika folgerichtig vorübergehend pausiert worden, wegen Zunahme der Schmerzen dann nach zwei Stunden wieder angestellt worden. Am Morgen des ersten postoperativen Tages (09.03.2011) sei die Katheterlaufrate des Femoraliskatheters erhöht worden, die beklagten Schmerzen hätten sich gebA.t. Am zweiten postoperativen Tag (10.03.2011) seien die Perfusoren mit Lokalanästhestika wegen eines Taubheitsgefühls im Fuß erneut ausgestellt worden, am Nachmittag bei gebesserten Schmerzen und weiter bestehendem Taubheitsgefühl nicht wieder angestellt worden. Am Morgen des dritten postoperativen Tages (11.03.2011) seien die Katheter auf Wunsch der Patientin entfernt worden.

In der Pflegedokumentation werde ein bestehendes Taubheitsgefühl seit dem zweiten postoperativen Tag (10.03.2011) vermerkt. In der Dokumentation der Physiotherapie werde eine Peroneuslähmung mit Fußheberschwäche seit dem 10.03.2011 konstatiert.

Die Interpretation dieser zusammengefasst beschriebenen Dokumentationen lasse folgende Schlüsse zu:

1. Die Schmerzkatheter seien in der Schmerzlinderung durchaus wirksam gewesen, wenn auch nicht durchgehend befriedigend. Eine zuverlässige Schmerzfreiheit nach Kniegelenksendoprothesen könne nach aller Erfahrung und nach der Literatur nicht in allen Fällen erreicht werden. Dass das Ziel der Schmerzfreiheit im vorliegenden Fall nicht habe erreicht werden können, könne deshalb nicht als fehlerhaft bewertet werden.

2. Die postoperative Betreuung der Klägerin habe mit der Organisation, Durchführung und Dokumentation der konsequent durchgeführten zweimal täglichen Schmerzvisiten und den folgerichtigen Anpassungen der Katheterlaufraten den geforderten Standards entsprochen.

3. Es sei nicht möglich, bei laufenden Regionalanästhesieverfahren zwischen einem sensiblen und/oder motorischen Defizit durch die Blockade und einem Defizit durch einen Nervenschaden zu unterscheiden. Deshalb sei im vorliegenden Fall folgerichtig vorgegangen worden. Bei Taubheitsgefühl am OP-Tag – was durch die primär höherdosierte Lokalanästhetikabestückung gut erklärlich sei – seien die Katheter passager pausiert worden. Bei persistierendem Taubheitsgefühl ab dem zweiten postoperativen Tag seien die Katheter erneut pausiert und bei Fortbestehen am Folgetag entfernt worden.

4. Ein persistierendes Taubheitsgefühl im linken Fuß sowie eine linksseitige Fußheberparese ließen sich ab dem zweiten postoperativen Tag (10.03.2011) aus der Dokumentation ablesen. Somit sei am 10.03.2011 von einem hochgradigen Verdacht auf eine Läsion des Nervus peroneus auszugehen gewesen.

Es würden verschiedene mögliche Ursachen für diese Schädigung benannt. Klinisch ergäben sich aus den vorliegenden Krankenunterlagen keine Hinweise auf ein Hämatom oder ein Kompartmentsyndrom. Ein Hämatom als kurzfristig behandelbare Ursache habe auch durch eine Bildgebung mittels Sonographie und MRT des Beckens am 17.03.2011 ausgeschlossen werden können. Eine Blutsperre sei nicht eingesetzt worden.

Eine Schädigung des Nervus peroneus durch Druck in Höhe des Fibulaköpfchens erscheine nicht plausibel, da das Taubheitsgefühl bereits ab Mitte des Oberschenkels beginne. Für die Anlage des Schmerzkatheters am Nervus ischiadicus als Ursache der Schädigung ergäben sich ebenfalls keine Anhaltspunkte, gleichwohl könne dies auch nicht sicher ausgeschlossen werden. Die Ursache der Nervenschädigung bleibe somit unklar.

Es seien viele Ursachen denkbar, von denen einige ausgeschlossen worden seien. Zu den ausgeschlossenen Ursachen zählten etwa ein Kompartment-Syndrom, ein Hämatom oder auch eine komplett Durchtrennung des Nerven. Eine – als Ursache in Frage kommende – Blutsperre sei bei der Operation gar nicht eingesetzt worden. Nach dem orthopädischen Gutachten von Prof. Dr. K. sei auch eine intraoperative Schädigung in Folge der verwendeten Haken unwahrscheinlich.

Es verblieben deshalb als naheliegende Möglichkeiten ein Lagerungsschaden oder auch ein Schaden infolge der Katheter. Die Katheter seien mithin als Ursache des Schadens nicht ausgeschlossen, es lasse sich aber auch nicht beweisen, dass die Katheter tatsächlich die Ursache gewesen seien.

Es sei nicht vorwerfbar und nicht zu beanstanden, dass die behandelnden Ärzte den Schmerzkatheter nicht gezogen hätten, als die Klägerin erstmals über Beschwerden und Taubheitsgefühle berichtet habe. Nach den dokumentierten Krankenunterlagen seien die Beschwerden der Klägerin sehr variabel gewesen. Ein Taubheitsgefühl habe bei dieser Sachlage entweder auf einen wirksamen Schmerzkatheter zurückgeführt werden können oder aber – wenn auch unwahrscheinlicher – auf einen Nervenschaden. Bei dieser Sachlage hätten die behandelnden Ärzte in den ersten zwei Tagen nicht damit rechnen müssen, dass es bei der Klägerin zu einem Nervenschaden gekommen sei.

Als dann am zweiten postoperativen Tag erstmals der Gedanke auf einen Nervenschaden aufgekommen sei – vorher habe er nicht aufkommen müssen -, sei der Katheter im Anschluss dann zeitgerecht gezogen worden.

Die Schmerzdokumentation zeige, dass der Nervenkatheter wirksam gewesen sei und Schmerzen der Klägerin bekämpft habe, weil ihre Schmerzäußerungen nach einer Erhöhung der Schmerzmittelgabe sich verringert hätten. Es sei dann folgerichtig auf die ersten Beschwerden der Klägerin durch ein zeitweises Pausieren der Medikamentengabe über den Katheter reagiert worden. Als dann die Beschwerden der Klägerin wieder zugenommen hätten, sei ebenso folgerichtig die Medikamentengabe wieder eingesetzt bzw. erhöht worden.

Zur Behandlung der Nervenläsion sei bei persistierendem Taubheitsgefühl und Fußheberschwäche das erste neurologische Konsil am 5. postoperativen Tag (13.03.2011) erfolgt. Hier seien eine Schädigung des Nervus ischiadicus links diagnostiziert und weitere elektroneurographische und elektromyographische Untersuchungen veranlasst worden. In der zusammenfassenden neurologischen Beurteilung vom 18.03.2011 werde eine axonale Schädigung des Nervus peroneus links diagnostiziert.

Bei Einschätzung der Schmerzsymptomatik als neuropathischer Schmerz sei die analgetische Therapie ab dem 13.03.2011 sachgerecht auf Pregabalin in ansteigender Dosierung und Tilidin (einem mittelstark wirkenden Opiatanalgetikum) eingestellt worden.

Das konservative Vorgehen mit der Empfehlung einer Verlaufskontrolle in vier Wochen entspreche anerkannten Regeln unter der Voraussetzung, dass behandelbare Ursachen wie ein Hämatom oder ein Kompartmentsyndrom durch eine adäquate Bildgebung zeitgerecht ausgeschlossen worden seien. Diese Vorgehensweise sei im vorliegenden Fall eingehalten worden.

Ein dauerhafter Nervenschaden nach einer peripheren Katheter-Regionalanästhesie, welcher länger als sechs Wochen andauere, gehöre zu den sehr seltenen Komplikationen in der Anästhesie. Das Risiko liege bei 0,02 – 0,3%. Ein solcher dauerhafter Nervenschaden habe sich bei der Klägerin offenbar verwirklicht.

Zusammenfassend sei der Zeitpunkt der Veranlassung und Durchführung des neurologischen Konsils nicht zu beanstanden. Der zeitliche Rahmen sei auch aus anästhesiologischer Sicht fachgerecht. Eine zügigere Veranlassung der Bildgebung zum Ausschluss eines Hämatoms oder Kompartmentsyndroms wäre durchaus sinnvoll gewesen. Allerdings sei der Klägerin durch den zeitlichen Verlauf kein Nachteil entstanden, da weder ein Hämatom noch ein Kompartmentsyndrom habe nachgewiesen werden können. Auch eine Nervendurchtrennung, die ein sofortiges Handeln notwendig gemacht hätte, habe nicht vorgelegen. Ein neurologisches Konsil, das früher durchgeführt worden wäre, hätte (deshalb) keinerlei therapeutische Konsequenz gehabt.

Die weitere Behandlung der Peronaeuslähmung mit Verordnung einer Peronaeusschiene sowie von Physiotherapie habe ebenfalls den Regeln der ärztlichen Kunst entsprochen. Das konservative Vorgehen mit der Empfehlung einer Verlaufskontrolle in vier Wochen habe ebenfalls den Regeln der ärztlichen Kunst entsprochen.

Versäumnisse oder fehlerhaftes Verhalten seien nicht zu erkennen.

Die durch die Behandlung der Klägerin aufgeworfenen Fragen seien vor diesem Hintergrund wie folgt zu beantworten:

Die Anlage der Schmerzkatheter am 08.03.2011 habe den Regeln der ärztlichen Kunst entsprochen. Die Anlage sei durch einen Assistenzarzt mit direkter Supervision eines Oberarztes unter sonographischer Kontrolle erfolgt. Die Anlagen seien indikationsgerecht gewesen, das Vorgehen mit der Wahl der Einstichstellen und der Auswahl und Dosierung der verwendeten Medikamente seien fachgerecht gewesen und nicht zu beanstanden.

Die Bildgebung (Sonographie und MRT) zum Ausschluss eines Hämatoms oder eines Kompartmentsyndroms als Ursache der Läsion des Nervus peronaeus sei erst relativ spät – am 7. Tag nach dem ersten Verdacht – durchgeführt worden. Da ein Hämatom oder ein Kompartment hätten ausgeschlossen werden können, habe die späte Durchführung keinen Nachteil für die Klägerin gehabt.

Nur bei Nachweis eines Hämatoms oder eines Kompartments hätte eine sofortige operative Revision erfolgen müssen. Dies sei nicht der Fall gewesen.

Der Zeitpunkt der Veranlassung des neurologischen Konsils und der elektroneurographischen Messungen seien nicht zu beanstanden. Nach Ausschluss direkt behandlungsbedürftiger Schädigungsursachen wie eines Hämatoms oder eines Kompartmentsyndroms sei ein konservatives, abwartendes Vorgehen über mindestens 3 oder 4 Monate gerechtfertigt und sinnvoll. Erst bei fehlender Rückbildung der sensiblen und motorischen Störungen sei nach 3 oder 4 Monaten eine neurochirurgische Revision des geschädigten Nerven zu erwägen.

Das Vorliegen eines Behandlungsfehlers werde daher verneint. In Folge der Operation und der Anästhesie am 08.03.2011 sei eine Schädigung des linksseitigen Nervus peroneus eingetreten, die als schicksalhafte Verwirklichung eines behandlungsimmanenten Risikos zu bewerten sei. Die Ursache des eingetretenen Nervenschadens bleibe dabei unklar. Auch die Anlage des Schmerzkatheters an den Nervus ischiadicus könne als Ursache der Nervenschädigung nicht sicher ausgeschlossen werden. Selbst wenn der Nervenschaden durch die Anlage des Schmerzkatheters verursacht worden wäre, läge kein Behandlungsfehler vor. Die Anlage des Katheters sei medizinisch indiziert gewesen.

Auch die postoperative Betreuung der Klägerin sei im Hinblick auf die schmerztherapeutische Versorgung, die Behandlung des Katheterverfahrens und die weitere Behandlung nach Verdachtsdiagnose der Nervenschädigung nicht zu beanstanden.

Die Kammer folgt den überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen, an deren Sachkunde nicht zu zweifeln ist. Prof. Dr. K. und Dr. A. haben ihren Gutachten alle vorhandenen Krankenunterlagen einschließlich der Befunde bildgebender Untersuchungsverfahren sowie die Ergebnisse einer eigenen Untersuchung der Klägerin zugrunde gelegt, die sie jeweils am 04.08.2017 im Johanna-Etienne-Krankenhaus in Neuss durchgeführt haben. Aus den damit vollständig ermittelten Befund- und Anknüpfungstatsachen haben sie unter verständiger Darlegung der medizinischen Vorgaben in jeder Hinsicht nachvollziehbare und widerspruchsfreie Schlussfolgerungen gezogen.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Klägerin in der Klinik der Beklagten zu 1) demnach insgesamt fachgerecht behandelt worden.

Der Eingriff vom 08.03.2011 sowie die dabei angewendeten Schmerzkatheter waren jeweils indiziert und sind fachgerecht durchgeführt worden. Auf den postoperativ aufgetretenen Nervenschaden der Klägerin ist dann ebenfalls fachgerecht insbesondere durch die zeitgerechte Einholung eines neurologischen Konsils und die weitere konservative Behandlung reagiert worden.

An diesem Ergebnis vermögen schließlich auch etwaige Dokumentationsmängel der Beklagten nichts mehr zu ändern.

Ein Verstoß gegen medizinisch erforderliche Dokumentationspflichten stellt noch keine eigene Anspruchsgrundlage für den Patienten dar. Allein eine unzureichende Dokumentation verpflichtet einen Arzt daher noch nicht zum Schadensersatz (vgl. Deutsch, MedR 1998, S. 206, 207).

Nur wenn ein Arzt seinem Patienten die Beweisführung dadurch schuldhaft erschwert oder vereitelt, dass aufzeichnungspflichtige medizinische Maßnahmen in den Krankenunterlagen pflichtwidrig nicht dokumentiert, Befunde nicht erhoben oder nicht gesichert werden, gewährt die Rechtsprechung dem Patienten sog. Beweiserleichterungen. In einem solchen Fall begründet eine unzureichende Dokumentation die Vermutung, dass eine vom Arzt nicht dokumentierte Maßnahme tatsächlich auch nicht erfolgt ist. Der Arzt kann diese Vermutung widerlegen, indem nunmehr er den Beweis führt, dass die Maßnahme gleichwohl erfolgt ist (vgl. Katzenmeier, Arztrecht, 6. Auflage 2009, S. 303/405; BGH, NJW 1984, 1408).

Eine solche Fallgestaltung liegt hier jedoch gerade nicht vor. Es ist vielmehr auch von der Klägerin vorgetragen worden und damit unstreitig, dass die Schmerzkatheter vor dem Eingriff vom 08.03.2011 unter sonographischer Kontrolle angelegt worden sind.

II.

Die Klägerin kann von den Beklagten schließlich auch keinen Schadensersatz aufgrund eines Aufklärungsversäumnisses verlangen.

Der von der Klägerin noch geforderten Aufklärung über Alternativen zu dem hier verwendeten (Doppel-) Schmerzkatheter hat es nicht bedurft.

Die Wahl der Behandlungsmethode ist primär Sache des Arztes. Wählt der Arzt daher eine medizinisch indizierte, standardgemäße Behandlungsmethode, bedarf es der Aufklärung über eine anderweitige, gleichfalls medizinisch indizierte, übliche Methode dann nicht, wenn die gewählte standardmäßige Therapie hinsichtlich ihrer Heilungsaussichten einerseits und ihren Belastungen und Risiken andererseits der Behandlungsalternative gleichwertig oder vorzuziehen ist. Eine Aufklärung kann daher insoweit nur dann erforderlich werden, wenn die Behandlungsalternativen zu jeweils wesentlich unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten (vgl. Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 5. Auflage, S. 207/212). Ein solcher Fall aber hat hier nicht vorgelegen.

Nach den – wie dargestellt überzeugenden – Feststellungen des anästhesiologischen Sachverständigen war hier allein ein Doppelkatheterverfahren indiziert, um bei der Klägerin die notwendige effektive Schmerzlinderung zu erreichen. Die beiden anderen denkbaren Verfahren – allein ein Nervus femoralis-Katheter oder eine Periduralanästhesie – waren dem von den Beklagten eingesetzten Doppelkatheter nicht gleichwertig. Eine Periduralanästhesie wäre mit einem erheblich erhöhten Risiko verbunden gewesen. Ein alleiniger Nervus femoralis-Katheter konnte eine nur deutlich verminderte Schmerzlinderung erreichen.

Bei dieser Sachlage versprach allein der hier verwendete Doppelkatheter eine ausreichende und risikoarme Schmerzlinderung. Über Alternativen dazu war mithin schon aus Rechtsgründen nicht aufzuklären. Auf den Einwand der Beklagten, die Klägerin auch über weitere Anästhesieverfahren aufgeklärt zu haben, kommt es deshalb nicht mehr an.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 I, 709 ZPO.

 

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