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Kosmetische Behandlung mit Botox-Spritze ohne Risikoaufklärung

LG Wiesbaden – Az.: 2 O 247/18 – Urteil vom 11.07.2019

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 1200 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.11.2017 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 10 %, die Beklagte 90 %.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt Behandlungshonorar für eine kosmetische Behandlung, die Beklagte mit der Widerklage Schmerzensgeld.

Die Klägerin betreibt in ihrem Privathaus ein Kosmetikstudio. Ihr Ehemann ist der Arzt A, der unter einer anderen Anschrift eine Arztpraxis betreibt.

Die Beklagte begab sich am XX.11.2014 und XX.12.2014 in das Kosmetikstudio der Klägerin zur Verabreichung von Botox Spritzen im Gesicht. Die Verabreichung der Spritzen erfolgte durch den Herrn A. Die Klägerin berechnete mit Rechnung vom XX.11.2014 einen Betrag i.H.v. 176 € brutto, wovon 7 € offenstehen und am XX.12.2014 ein Betrag i.H.v. 88 € brutto, der nicht gezahlt wurde (Rechnungen Bl. 17 ff). Die offenen Beträge wurden zunächst per Handy (SMS) angemahnt, sodann erfolgte die Übersendung einer Mahnung (Bl. 59) per Fax über den Arbeitgeber der Beklagten. Mit SMS vom XX.1.2015 (Bl. 106) rügte die Beklagte, dass ein anhaltender Effekt der Behandlung ausgeblieben sei.

Zwischen den Parteien war ursprünglich unstreitig, dass der Behandlungsvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten zustande gekommen ist. Im Laufe des Verfahrens behauptet die Klägerin, sie sei nicht Vertragspartnerin der Beklagten gewesen. Der Behandlungsvertrag sei mit ihrem Ehemann A abgeschlossen worden. A habe seine Ansprüche an die Klägerin abgetreten (Abtretungserklärung Bl. 253).

Die Klägerin behauptet, A habe zunächst einen Fragebogen mit der Beklagten ausgefüllt (Bl. 85 ff.). Sodann habe er der Beklagten erklärt, dass ein Erfolg der Behandlung nicht garantiert werden könne und habe auch über Behandlungsrisiken aufgeklärt. Mit der Beklagten sei der Aufklärungsbogen (Bl. 255) besprochen worden. Der Bogen sei der Beklagten auch ausgehändigt worden. Eine Aufklärung am Behandlungstag sei ausreichend. Dass die Aufklärung in dieser Weise erfolgt ist, ergebe sich auch aus einer E-Mail der Beklagten (Bl. 257).

Die Behandlung sei tatsächlich mit Botox erfolgt. Die Behandlung sei auch erfolgreich gewesen. Soweit die Beklagte dies unter Vorlage von Fotos bestreite, werde der Zeitpunkt der Aufnahme der Fotos bestritten. Die Beklagte habe sich nach der ersten Behandlung gegenüber Zeugen positiv zum Behandlungsergebnis geäußert. Gesundheitliche Beeinträchtigungen und deren Verursachung durch die Behandlung würden bestritten, zumal die Beklagte sodann einen zweiten Termin vereinbart habe. Auch aus dem als Anl. K3 (Bl. 89 ff.) vorgelegten Chat-Protokoll ergäben sich keine Beeinträchtigungen der Beklagten. Die Klägerin bestreitet alle von der Beklagten geltend gemachten körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen und die Kausalität der Behandlung für etwaige körperliche und psychische Beeinträchtigungen.

Es liege auch kein Verstoß gegen § 203 StGB vor, weil die Behandlung nicht durch den Zeugen A erfolgt sei und die Klägerin als Kosmetikerin nicht unter den dort genannten Personenkreis falle. Berufliche Folgen des Faxes Bl. 59 würden bestritten. Der Klägerin sei im Übrigen die Privatanschrift der Beklagten nicht bekannt gewesen. Es sei nicht richtig, dass die Beklagte früher zum Freundeskreis der Klägerin gehört habe.

Die Beklagte habe die als Anlage K3 vorgelegten SMS erhalten.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 95 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 13.2.2015 zu zahlen, sowie die Beklagte darüber hinaus zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,20 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 27.5.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Kosmetische Behandlung mit Botox-Spritze ohne Risikoaufklärung
(Symbolfoto: Von wavebreakmedia /Shutterstock.com)

Die Beklagte beantragt widerklagend, die Klägerin und Widerbeklagte zu verurteilen, an die Beklagte und Widerklägerin ein in das Ermessen des Gerichts zu stellendes Schmerzensgeld, mindestens jedoch i.H.v. 15.000 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Eingang der Widerklage bei Gericht zu zahlen.

Die Klägerin beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie sei eigentlich am Tag der ersten Behandlung auf einem Spaziergang mit ihrem Hund gewesen und sei in eine private Situation hineingeraten, bei der der Ehemann der Klägerin anwesend gewesen sei. Es sei dann spontan zu der streitgegenständlichen Behandlung gekommen. Vertragspartnerin sei die Klägerin gewesen.

Die Beklagte bestreitet, dass sie tatsächlich mit Botox behandelt wurde. Sie behauptet, sie sei zu keinem Zeitpunkt umfassend über die Behandlung, deren Risiken und ein etwaiges Ausbleiben des Behandlungserfolgs aufgeklärt worden. Sie habe keinen Aufklärungsbogen erhalten. Es sei auch keine Aufklärung anhand eines solchen erfolgt. Nach der Behandlung seien starke Kopfschmerzen aufgetreten, ihre Augen hätten getränt und sie habe eine Erkrankung der Atemwege gehabt. Im Ergebnis seien zusätzliche Falten aufgetreten. Im Laufe des Verfahrens hat die Klägerin behauptet, aufgrund der Botox Injektion sei es zu einer Sehstörungen mit dem Erfordernis einer Brille gekommen. Aufgrund der fehlenden Aufklärung handele es sich um eine rechtswidrige Behandlung mit einem Nervengift. Bei Botox-Behandlungen seien Dauerschäden nicht ausgeschlossen (Fachinformation Bl. 137). Ihr sei durch die Behandlung ein Schaden in Höhe der behaupteten Behandlungskosten von 95 € sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 70,29 € entstanden. Hiermit werde gegen die Klageforderung aufgerechnet. Sie ist der Ansicht, ihr stehe im Übrigen ein Schmerzensgeld zu, das sie zunächst mit mindestens 1000 € und im Laufe des Verfahrens mit mindestens 15.000 € angegeben hat.

Das Schmerzensgeld sei auch im Hinblick auf eine Verletzung des Privatgeheimnisses nach § 203 StGB und wegen Preisgabe personenbezogener Daten nach dem Datenschutzgesetz sowie §§ 185, 187 StGB gerechtfertigt. Der Klägerin sei die Anschrift der Beklagten schon deshalb bekannt gewesen, weil die Beklagte ursprünglich zum Freundeskreis der Klägerin gehört habe. Gleichwohl habe die Klägerin am 10.3.2015 unstreitig eine Mahnung (Bl. 59) an die offizielle Faxadresse des Vorstandes der X gerichtet, wo die Beklagte im Büro tätig ist. Das Fax sei in das Sekretariat des Vertriebsvorstandes Herrn C bzw. an das Faxgerät der Stabsabteilung des Bereichsleiters D gegangen. Das Fax sei für alle Mitarbeiter einsehbar gewesen. Zudem habe die Klägerin selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht angegeben, auch noch mit dem Arbeitgeber der Beklagten telefoniert zu haben. Die Mahnung sei auch inhaltlich unrichtig gewesen, weil der Beklagten entgegen dem Inhalt der Mahnung die Rechnungen zuvor nicht übermittelt worden seien, insbesondere nicht wie ausgeführt „per Handy“. Es handele sich um eine falsche Tatsachenbehauptung gegenüber Dritten. Folge sei gewesen, dass die Klägerin dem Spott ihrer Abteilung ausgesetzt gewesen sei und ihr ca. einen Monat nach dem Fax ihre berufliche Funktion entzogen worden sei. Auch sei sie nicht, wie üblich, zu einem Jahresgespräch mit ihrem Vorgesetzten eingeladen worden. Grund hierfür sei ebenfalls das Fax. Die Beklagte trägt vor, der Eingang des Faxes im Vorstandssekretariat ergebe sich schon aus von ihr vorgelegten Unterlagen (Bl. 47,221).

Die Beklagte sei davon ausgegangen, dass die zweite Behandlung mit Botox eine Nachbesserungsmaßnahme gewesen sei und deshalb nicht kostenpflichtig. Gleichwohl habe die Klägerin wegen der Nichtzahlung der Rechnung Strafanzeige gegen die Beklagte erstattet.

Das Verfahren wurde vor der Erweiterung der Widerklage vor dem Amtsgericht verhandelt. Die Parteien wurden dort informatorisch angehört. Ferner sollte der Zeuge A zu den Behandlungen vernommen werden. Dieser gab an, dass eine Injektion grundsätzlich nur durch einen Arzt durchgeführt werden dürfe oder von speziell geschulten Fachpersonal unter Aufsicht des Arztes. Ansonsten falle die Behandlung der Beklagten unter die ärztliche Schweigepflicht. Die Beklagte hat daraufhin erklärt, sie entbinde den Zeugen nicht von der Schweigepflicht. Des Weiteren sollte die Zeugin B vernommen werden. Eine Vernehmung war nicht möglich, weil die Beklagte die Anschrift der Zeugen nicht mitgeteilt hat.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht kein Anspruch auf die mit der Klage verlangten Behandlungskosten sowie die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu.

Im Hinblick auf die von dem Ehemann der Klägerin erklärte Abtretung kommt es für einen etwaigen Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Behandlungskosten nicht darauf an, ob die Klägerin Vertragspartnerin der Beklagten war. Ansprüche bestehen jedoch gleichwohl nicht, weil die durchgeführte Behandlung rechtswidrig war.

Gegenstand des der Behandlung zu Grunde liegenden Vertrages war eine Leistung, die nur ein Arzt erbringen darf. Aufgaben eines Arztes ergeben sich aus § 1 BOÄ. Dieser hat danach der Gesundheit des einzelnen Menschen zu dienen. Die Tätigkeit eines Arztes umfasst die Ausübung der Heilkunde im Sinne von § 1 HeilprG (Spieker, Medizinrecht, § 1 BOÄ, Rn. 4). Eine Ausübung der Heilkunde liegt vor, wenn die Tätigkeit ärztliche bzw. medizinische Fachkenntnisse erfordert und die Behandlung – bei generalisierender und typisierender Betrachtung der in Rede stehenden Tätigkeit – gesundheitliche Schädigungen verursachen kann (Spickhoff, Medizinrecht, § 1 HeilPrG, Rn. 12). Im Hinblick auf das mit Botox Injektionen verbundene Risiko von Gesichtslähmungen fallen diese unter die genannte Vorschrift (a.a.O., Rn. 16).

Eine ärztliche Behandlung setzt gemäß § 630 e BGB eine Risikoaufklärung des Patienten voraus. Die Beweislast für eine ordnungsgemäße Risikoaufklärung trägt der Behandelnde (Palandt, 78. Aufl. 2019, § 630e BGB Rn. 11). Unterbleibt die gesetzlich vorgeschriebene Risikoaufklärung, ist die Behandlung rechtswidrig mit der Folge, dass der Behandelnde für sämtliche nachteiligen Folgen des von ihm durchgeführten Heileingriffs haftet (Münchner Kommentar, § 630e BGB, Rn. 66).

Die Klägerin kann eine Aufklärung der Beklagten durch Herrn A nicht beweisen. Dieser konnte bereits vor dem Amtsgericht nicht als Zeuge vernommen werden, weil die Beklagte keine Erklärung zur Entbindung des Arztes von der Schweigepflicht abgegeben hat. Es kann dahinstehen, ob ein solches Verhalten eines Patienten im Regelfall als Beweisvereitelung zu würdigen ist. Nach Ansicht der Kammer kann davon im vorliegenden Fall jedenfalls nicht ausgegangen werden, weil, wie noch ausgeführt wird, das Verhalten der Klägerin bzw. ihres Ehemannes, die unter Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht die Behandlung der Beklagten gegenüber Mitarbeitern der X Versicherung bekannt gemacht haben, in nachvollziehbarer Weise das Vertrauen der Beklagten in ein redliches Verhalten der Klägerin und ihres Ehemannes beeinträchtigt haben, so dass die Verweigerung der Einwilligung zur Anhörung des Zeugen nicht rechtsmissbräuchlich erscheint. Anhaltspunkte für eine ordnungsgemäße Aufklärung der Beklagten ergeben sich im Übrigen auch nicht aus dem von der Klägerin im Laufe des Verfahrens vorgelegten Aufklärungsbogen, zumal dieser an der vorgesehenen Stelle keine Unterschrift der Beklagten trägt. Auch der Umstand, dass die Beklagte gemäß Anl. 2 zur Klageerwiderung eingeräumt hat, dass sie einen grünen Bogen ausfüllen musste, ist nicht ausreichend um eine ordnungsgemäße Risikoaufklärung durch einen Arzt zu belegen.

Wenn aber die Behandlung der Beklagten mangels nachweisbarer Aufklärung rechtswidrig war und die Beklagte entsprechend ihrer glaubhaften Angabe in der mündlichen Verhandlung am 6.6.2019 bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung nicht in die Behandlung eingewilligt hätte, sind die entstandenen Behandlungskosten und die hiermit verbundenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten als Schaden der Beklagten anzusehen. Im Hinblick auf die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit einem entsprechenden Schadensersatzanspruch sind die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche jedenfalls erloschen.

Der mit der Widerklage geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch besteht dem Grunde nach. Wie bereits ausgeführt, haftet der Behandler für sämtliche nachteiligen Folgen des von ihm durchgeführten Heileingriffs, sofern eine ordnungsgemäße Aufklärung des Patienten nicht erfolgt ist. Im vorliegenden Fall kommt jedoch insbesondere hinzu, dass sich eine Haftung der Klägerin bzw. ihres Ehemannes auch aus der Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB) ergibt. Angesichts des Umstandes, dass die Klägerin persönlich unter dem Briefkopf ihres Kosmetikstudios für die streitgegenständliche Behandlung am XX.12.2014 eine Rechnung gestellt und bis zu einem Anwaltswechsel nach mehrjährigen Rechtsstreit vorgetragen hat, sie sei Vertragspartnerin der Beklagten gewesen, ist davon auszugehen, dass der Behandlungsvertrag zwischen den Parteien zustande gekommen ist, auch wenn die Behandlung durch Herrn A vorgenommen wurde. Die Klägerin ist daher jedenfalls rechtlich so zu behandeln, wie angestellte Mitarbeiter eines Arztes, die ebenfalls der Schweigepflicht unterfallen. Würde man dies anders sehen und davon ausgehen, dass in der Person der Klägerin keine Schweigepflicht bestand, würde angesichts der von der Klägerin und ihrem Ehemann gewählten rechtlichen Konstruktion einer Behandlung mit Botox durch einen Arzt in einem Kosmetikinstitut letztlich die strafrechtlich bewehrte Schweigepflicht des Arztes umgangen.

Die Klägerin hat diese Schweigepflicht auch verletzt. Es ist unstreitig, dass die Klägerin die Rechnung über die Botox Behandlung in Form der mit der Klageschrift vorgelegten Anl. 3 an ein Faxgerät der X Versicherung versandt hat. Es ist ferner unstreitig, dass es sich hierbei jedenfalls nicht um ein Faxgerät handelte, auf das ausschließlich die Beklagte Zugriff hatte. Des Weiteren ist angesichts der von der Beklagten als Anl. B9 vorgelegten E-Mail der Zeugin B davon auszugehen, dass jedenfalls diese Zeugin Kenntnis davon erhalten hat, dass die Beklagte mit Botox behandelt wurde. Zudem hat die Zeugin durch Anl. 3 auch die Information erhalten, dass die Beklagte die fragliche Rechnung trotz mehrerer Zahlungserinnerungen und Mahnungen nicht gezahlt hat und dass deshalb eine polizeiliche Anzeige folgen sollte. Da die Klägerin nicht beweisen kann, dass der Beklagten die offenbar per SMS versandten Mahnungen tatsächlich zugegangen sind, liegt in Anl. 3 zu dem die Verbreitung einer unwahren ehrenrührigen Tatsachenbehauptung (§ 186 StGB). Soweit die Klägerin wiederholt in mündlichen Verhandlungen ihr Vorgehen damit begründet hat, dass sie keine Anschrift der Beklagten gehabt habe, liegt hierin entgegen der insoweit offensichtlich völlig falschen Vorstellung der Klägerin keinerlei Rechtfertigung für ihr Vorgehen. Der Umstand, dass einem Arzt oder einem sonstigen Gläubiger die Anschrift eines Schuldners nicht bekannt ist, rechtfertigt nicht die Verletzung strafbewehrter gesetzlicher Vorschriften. In einem derartigen Fall ist vielmehr regelmäßig die Einholung einer Auskunft des Einwohnermeldeamtes geboten. Für die Einholung einer solchen Auskunft ist es nicht erforderlich, mitzuteilen, dass der Schuldner im Kosmetikinstitut des Gläubigers ärztlich behandelt wurde und schon gar nicht, in welcher Form und mit welchen Mitteln die Behandlung erfolgte.

Vorstehende Umstände rechtfertigen allerdings ein Schmerzensgeld von nicht mehr als 1200 €. Für die Folgen eines rechtswidrigen Eingriffs oder die Verletzung eines Schutzgesetzes im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB ist derjenige beweispflichtig, der wegen dieser Folgen ein Schmerzensgeld verlangt. Soweit die Beklagte vorträgt, sie habe durch die Botox Behandlung negative gesundheitliche Folgen erlitten, ist ihr Vortrag unsubstantiiert. Gegen das Auftreten solcher Folgen spricht zunächst, dass sich die Beklagte nach der ersten Behandlung am XX.11.2014 erneut am XX.12.2014 in Behandlung begeben hat. Sodann hat die Beklagte auch in einer SMS im Januar 2015 nur mitgeteilt, die Behandlung habe keine dauerhafte Wirkung gezeigt, weshalb sie nicht zufrieden sei. Erstmals in der als Anl. 2 zur Klageerwiderung vorgelegten E-Mail an ihre Rechtsanwältin hat die Beklagte ausgeführt, sie habe starke Kopfschmerzen gehabt, ihre Augen hätten wehgetan und sie habe eine Erkrankung der Atemwege gehabt. Wann diese gesundheitlichen Folgen aufgetreten sein sollen, wie lange sie andauerten und welche Intensität sie hatten, wird nicht vorgetragen. Eine ärztliche Behandlung wegen der behaupteten Folgen ist offensichtlich nicht erfolgt. Auch soweit die Beklagte behauptet, durch die Behandlung sei kausal das Erfordernis einer Brille mit + 0,75 Dioptrien, also einer sehr geringen Stärke, verursacht worden, kann ein solcher Kausalzusammenhang nicht hinreichend festgestellt werden, zumal ein erheblicher Anteil der Bevölkerung im Alter der Beklagten ebenfalls eine Brille mit einer solchen geringen Stärke benötigt.

Ein Schmerzensgeld steht der Beklagten daher letztlich nur deshalb zu, weil die Klägerin und ihr Ehemann die ärztliche Schweigepflicht verletzt und einen angeblichen Zahlungsverzug der Beklagten gegenüber Dritten behauptet haben. Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes ist zu berücksichtigen, dass insbesondere die Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht ein gravierender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Patienten ist. Auch die Behauptung eines nicht nachweisbaren Zahlungsverzugs eines Schuldners verbunden mit der Angabe, eine polizeiliche Anzeige werde folgen, stellt ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beklagten dar. Andererseits ist bei der Bemessung des Schmerzensgeldes aber zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Beweislast der Beklagten allenfalls festgestellt werden kann, dass die Mitteilung über die Behandlung und die Nichtzahlung der Rechnung der Zeugin B zugegangen ist. Hiervon ist jedenfalls im Hinblick auf die E-Mail dieser Zeugen auszugehen. Die von der Beklagten vorgetragenen weiteren Folgen für ihr berufliches Fortkommen und insbesondere das Ansehen im Kollegenkreis erscheinen zwar nicht ausgeschlossen, sind aber jedenfalls auch nicht bewiesen.

Nach Ansicht der Kammer ist für die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die nachweislich nur der Zeugin B zugegangene Mitteilung der Botox Behandlung und des Zahlungsverzugs ein Schmerzensgeld von nicht mehr als 1200 € gerechtfertigt. Es wird insoweit Bezug genommen auf die Schmerzensgeldtabelle IMM DAT-Plus (Beck online). Für Verletzungen der ärztlichen Schweigepflicht sind danach Schmerzensgelder zwischen 51,13 € (Mitteilung eines Zahnarztes über ein Gold Inlay, AG Marburg, Urteil vom 11.10.1996 – 10 C 390/96), 511,29 € (Mitteilung eines Psychologen gegenüber dem Hausarzt über die Überweisung des „ausgesprochen auffälligen“ Klägers in ein Krankenhaus, LG München I, Urteil vom 1.10.1991 – 23 O 2157/91) und 2000 € (Bericht über das Arzt – Patientenverhältnis mit dem Kläger, der an einem Prostatakarzinom litt auf der Homepage des Arztes/Verletzung der Intimsphäre; OLG Bamberg, Urteil vom 10.4.2013 – 3 U 282/12) angemessen. Bei einem Vergleich insbesondere mit der zuletzt genannten Entscheidung ist einerseits zu berücksichtigen, dass der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Beklagten deutlich weniger schwerwiegend war. Andererseits ist aber auch die im Laufe des Rechtsstreits gezeigte offensichtliche Uneinsichtigkeit der Klägerin in die Unrechtmäßigkeit der Mitteilung an das Faxgerät der X Versicherung zu berücksichtigen. Danach ist ein Schmerzensgeld in der zugesprochenen Höhe geboten aber auch ausreichend.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

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