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Krankenhaushaftung bei einer Infektion

LG Mönchengladbach – Az.: 6 O 189/14 – Urteil vom 17.08.2016

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen einer behaupteten ärztlichen Fehlbehandlung in Anspruch.

Die am 26.03.1948 geborene Klägerin begab sich am 09.02.2012 zur Behandlung einer Fettschürze im Bauchbereich in die Behandlung des Beklagten zu 1). Es wurde eine ausgeprägte Fettschürze mit rezidivierenden Entzündungen, die zu ekzematösen Veränderungen unterhalb der Bauchschürze führten sowie einem Nässen mit anschließender Ekzembildung im Bereich des Nabels diagnostiziert.

Bei der Klägerin bestanden zudem folgende Nebendiagnosen: Diabetes mellitus, Schilddrüsenerkrankung, Thrombosenneigung (Z.n. tiefer Venenthrombose [TVT] 1999 links, Marcumar-Therapie), Z.n. Appendektomie, Z.n. Rektum-Teilresektion 1981, Z.n. Hysterektomie, Harnblasenplastik 1983, Z.n. Harnröhrenerweiterung beidseitig 1997, Z.n. Adnektomie rechts 2000, Z.n. OP bei zweimaliger Blasensenkung, Z.n. Schilddrüsen-OP rechtsseitig, Z.n. zweimaliger Narbenhernien-OP 2004, Z.n. Colon-Teilresektion bei Rektozele 2003, Z.n. subtotaler Colektomie bei Anastomosenstenose und Inkontinenz 2006. Ferner lag bei der Klägerin der Z.n. mehrfachen Bandscheibenoperationen, eine Mamma-Plastik beidseitig sowie eine Depression vor.

Am 23.02.2012 führte der Beklagte zu 1) mit der Klägerin ein Vorgespräch über die beabsichtigte Operation.

Unter dem 17.04.2012 unterzeichnete die Klägerin eine „Einverständniserklärung“. Dieses Formular enthält u.a. die Eintragungen „Diagnose: Fettschürze + Nabel- /Narbenbruch; Operation / Therapie: Fettschürze-ex + Hernienreparation (31. Operation!); […] Besonders wurde ich auf folgende mögliche Komplikationen hingewiesen: (Nach)Blutung, Hämatome, Wundheilstörungen, Bruchrezidiv -> Re-OPs ggf. OP-Erweiterung“.

Die stationäre Aufnahme im Kreiskrankenhaus Grevenbroich, dessen Träger der Beklagte zu 3) ist, erfolgte am 23.04.2012.

Am 25.04.2012 wurde bei der Klägerin durch die Beklagte zu 2) eine Gewebsreduktionsplastik durchgeführt. Die Beklagte zu 2) entfernte drei 35 x 25 cm große Gewebsstücke.

Am 29.04.2012 wurde die Drainage entfernt. Hierbei entleerte sich aus der Narbe übelriechendes Wundsekret.

Am 30.04.2012 erfolgte eine Wunderöffnung im Patientenzimmer. Die Wunde wurde gespült und die Beklagte zu 2) nahm einen Wundabstrich. Der Abstrich ergab den Nachweis von „viel Escherichia coli, viel Morganella morganii, viel vergrünende Streptokokken“.

Am 02.05.2012 wurde eine Revisions-Operation durchgeführt. Hierbei erfolgte eine Nekroseabtragung und Spülung der Wunde. Eine Vac-Therapie wurde eingeleitet.

Am 23.05.2012 erfolgte wiederum eine Revisions-Operation mit Abtragung des nekrotischen Gewebes. Ein erneuter Abstrich ergab wiederum den Nachweis von Escherichia coli. Die Wunde wurde anschließend teilweise verschlossen.

Am 04.06.2012 wurde die Vac-Therapie beendet. Bis zu ihrer Entlassung am 11.06.2012 erhielt die Klägerin oral Antibiotika. Die Entlassung erfolgte mit offener Wunde in die ambulante Weiterbehandlung.

Krankenhaushaftung bei einer Infektion
(Symbolfoto: Kobkit Chamchod /Shutterstock.com)

Die Klägerin behauptet, sie sei über den Eingriff nicht ausreichend aufgeklärt worden. Das Aufklärungsgespräch vom 23.02.2012 habe lediglich 5 Minuten gedauert. In diesem habe ihr der Beklagte zu 1) lediglich erklärt, dass es „keine leichte Operation“ werde. Eine Aufklärung über Risiken oder die Gefahr einer Infektion sei nicht erfolgt. Zum Zeitpunkt der Unterschrift auf der Einverständniserklärung vom 17.04.2012 habe es sich bei dieser noch um ein Blanko-Formular gehandelt. Sie behauptet weiter, dass sie ihre Einwilligung zu der Operation nicht erklärt hätte, wenn sie geahnt hätte, was auf sie zukommen würde und welche Risiken sich verwirklichen würden. Mit drohenden Entzündungen und möglichen Pilzinfektionen im Bereich unter der Fettschürze hätte sie – im Gegensatz zu den eingetretenen Folgen – problemlos leben können.

Sie behauptet weiter, dass der Beklagte zu 1) nicht die für einen derartigen Eingriff erforderliche Qualifikation und Praxiserfahrung besessen habe, da er kein plastischer Chirurg sei. Ein solcher hätte der Klägerin von dem Ersteingriff im Rahmen eines Vorgesprächs abgeraten.

Die Klägerin behauptet zudem, dass die Wunde am 26.04.2012, also dem ersten Tag nach dem Eingriff, begonnen habe, Auffälligkeiten zu zeigen. Sie habe einen „üblen Geruch nach verwestem Fleisch“ aufgewiesen. Die hinzugerufene Stationsschwester habe hierauf weder eine Untersuchung veranlasst, noch einen Arzt herbeigerufen. Zudem sei auf einen massiven Anstieg des C-reaktiven Proteins nicht adäquat reagiert worden. Insbesondere sei nicht unmittelbar ein Wundabstrich und auch keine Antibiose veranlasst worden.

Die Klägerin ist weiter der Ansicht, dass auch am 29.04.2012 die Erstellung eines Abstrichs nebst anschließender Diagnose und Antibiose behandlungsfehlerhaft unterblieben sei.

Die Versorgung der Wunde am 30.04.2012 habe den zur Wundbehandlung geltenden Leitlinien und den Hygienestandards widersprochen.

Sie behauptet weiter, dass die – aus ihrer Sicht zu spät erfolgte – Antibiose hinsichtlich der Wahl und Dosierung des Medikaments ungeeignet gewesen sei.

Die Klägerin behauptet zudem, dass die Infektion durch Nichteinhaltung der Hygienestandards bei den Beklagten vermeidbar verursacht worden sei. Es handele sich um eine nosokomiale Infektion. Sie behauptet hierzu weiter, dass sie mit den nachgewiesenen Erreger-Stämmen vor dem Eingriff weder besiedelt noch infiziert gewesen sei. Es sei insoweit zu vermuten, dass die bei der Klägerin verwendeten medizinischen Produkte resterilisiert worden seien und diese Resterilisation nicht nach den Vorgaben des Herstellers und in validierten Verfahren erfolgt sei. Auch sei die erforderliche manuelle Vorreinigung der Instrumente durch geeignetes Fachpersonal nicht vorgenommen worden. Im Bereich der Spülmaschinen hätte sich eine zur sachgerechten Reinigung erforderliche Druckluftpistole und ein Ultraschallbad nicht befunden. Die Instrumente seien auch nicht in einem sogenannten Sterilisator deponiert worden. Das Sterilisationspersonal werde nicht eingeschleust und es würden keine ausreichenden hygienischen Vorgaben an das Sterilisationspersonal gerichtet und nicht sichergestellt, dass eventuelle Vorgaben ordnungsgemäß umgesetzt würden. Bei dem Beklagten zu 3) seien nicht durchgängig sterile Bereiche vom Aufbereitungsort für die Operationsutensilien bis zu den jeweiligen Operationsräumen gewährleistet. Das die Sterilisation vornehmende Personal sei nicht hinreichend geschult gewesen und habe nicht über ausreichende praktische Erfahrungen mit der Sterilisation verfügt. Das im Rahmen der Nachsorge tätige Personal des Beklagten zu 3) sei nicht gemäß den KRINKO-Empfehlungen in den Arbeitstechniken der Händedesinfektion geschult gewesen. Aufkleber und Freigabeprotokolle der Sterilgut-Charge fehlten auf den Operationsprotokollen. Die im Rahmen der Operation und der Nachversorgung eingesetzten Medizinprodukte seien kontaminiert gewesen oder auf kontaminierten Oberflächen abgelegt und erst dann verwendet worden. Der Operationssaal sei im Zeitpunkt des ersten Eingriffes nicht mit richtlinien- und gesetzeskonformen raumlufttechnischen Anlagen ausgestattet gewesen. Funktions- und Qualitätsgarantien in Bezug auf die Luftreinheit seien nicht eingehalten worden. Die hygienische Abnahme der RLT-Anlagen sei nicht erfolgt. Die Beklagten seien auch ihrer Bewertungspflicht gemäß § 23 Infektionsschutzgesetz nicht nachgekommen.

Die Klägerin behauptet weiter, dass ihre Entlassung gegen die Leitlinien verstoßen habe, da die Wunde noch offen und hoch infektiös gewesen sei.

Im Übrigen habe sie während ihres Aufenthaltes im Krankenhaus des Beklagten zu 3) über Ohrenbeschwerden geklagt. Gleichwohl sei eine Diagnostik oder Therapie unterlassen worden.

Zu den Folgen des behandlungsfehlerhaften Eingriffs behauptet sie, unter dem unästhetischen optischen Bild, aber auch unter körperlichen Beeinträchtigungen zu leiden. Sie habe das Gefühl, der Darm sei „verschoben“. Sie leide unter massiven Adhäsionen. Wenn sie Nahrung aufnehme, schwelle ihr Bauch merklich und sichtbar an. Sie habe das Gefühl, „der Bauch platze gleich“. Im Bereich der Innenseiten der Oberschenkel leide sie unter erheblichen Rötungen als Folge einer gestörten Durchblutung des Gewebes. Sie sei massiv in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt. Eine Darmentleerung sei ihr nur unter Einnahme von Hilfsmitteln möglich. Auch die Blasenentleerung sei gestört. Zudem habe eine am 26.09.2012 durchgeführte Computertomographie den Nachweis deutlicher subkutaner Narbenbildung im Unterbauch bei teilweise fixierten Dünndarmschlingen und ein postentzündlich atrophes Pankreas ergeben. An verschiedenen Stellen des Körpers hätten sich furunkelartige Eiterherde gebildet, die auf die Antibiose zurückzuführen seien. Aufgrund des unterlassenen HNO-Konsils leide sie unter Durchblutungsstörungen im Kopf. Zudem leide sie bis heute massiv unter ihren körperlichen Beschwerden und sei auch psychisch beeinträchtigt. Auch heute trete noch gelegentlich Sekret aus ihrem Bauchnabel. Die Infektion sei offenbar immer noch nicht vollständig ausgeheilt. Zudem habe sie nach wie vor Schmerzen im Unterbauch, bedingt durch Adhäsionen. Teilweise bestünden auch Sensibilitätsstörungen, die bis in die Beine ausstrahlten. Sie sei auch nicht in der Lage, durchzuschlafen. Sie könne weder auf dem Bauch noch seitlich liegen. Die Bauchdecke schmerze bei jeder Bewegung und sei nicht belastbar und spanne. Sie könne maximal 30 Minuten ununterbrochen sitzen. Zudem nehme sie Schmerzmittel ein. Das eheliche Leben sei wegen der körperlichen und seelischen Leiden auf dem Nullpunkt. Zudem habe sie ihr Hobby, den Schrebergarten, aufgeben müssen.

Sie ist der Ansicht, dass all dies ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 60.000,00 Euro rechtfertige.

Sie beansprucht zudem Ersatz von Fahrt- und Besuchskosten in Höhe von 600,60 Euro, die ihrem Ehemann und ihrer Tochter entstanden seien sowie eigene Fahrtkosten in Höhe von 347,13 Euro, Übernachtungskosten für eine Untersuchung im ….. in Höhe von 107,00 Euro und Medikamentenzuzahlungen in Höhe von 275,94 Euro.

Im Übrigen beansprucht sie Erstattung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten für die Einschaltung ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe einer 1,8-fachen Gebühr  zuzüglich Auslagen und Umsatzsteuer, insgesamt eines Betrages in Höhe von 2.759,13 Euro.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 1.130,95 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihr anlässlich der in der Zeit zwischen dem 09.02.2012 und dem 11.06.2012 in dem Kreiskrankenhaus Grevenbroich durchgeführten medizinischen Behandlung entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind;

4. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 2.759,13 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,  die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, dass die Klägerin am 23.04.2012 durch den Zeugen ….. aufgeklärt worden sei. Insbesondere sei eine Aufklärung über mögliche Risiken wie z.B. Nachblutung, Infektion und Reoperation erfolgt. Sie sind der Ansicht, dass es sich bei der Klägerin schon deshalb um eine vorinformierte Patientin gehandelt habe, da die Gefahr einer Infektion als operationsimmanentes Risiko bei  jeder der vorangegangenen Operationen bestanden habe.

Am 30.04.2012 sei mit der Antibiose begonnen worden. Erst ab diesem Zeitpunkt sei es medizinisch geboten gewesen, weitere Befunde zu erheben. Es habe keine Infektion mit einem Erreger mit Multiresistenzen oder speziellen Resistenzen vorgelegen.

Sie behaupten weiter, dass die behaupteten Beeinträchtigungen ausschließlich auf die Vorerkrankungen der Klägerin zurückzuführen seien.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens sowie durch Vernehmung von Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des ….  (Bl. 189ff. GA) sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlungen vom 14.10.2015 (Bl. 335ff. GA), 13.01.2016 (Bl. 462ff. GA) und 29.06.2016 (Bl. 505ff. GA) ergänzend Bezug genommen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch aus §§ 630a, 280 Abs. 1 i. V. m. §§ 278,249, 253 Abs. 2 BGB wegen der Verletzung von Pflichten aus dem Behandlungsvertrag bzw. aus § 823 Abs. 1 i. V. m. §§ 249, 253 Abs. 2 BGB wegen rechtswidriger Fehlbehandlung auf Zahlung eines Schmerzensgeldes, materiellen Schadensersatz sowie auf Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz zukünftiger materieller oder immaterieller Schäden oder Ersatz von Rechtsanwaltskosten.

Die Klägerin hat nicht den ihr obliegenden Beweis geführt, dass die Beklagten zu 1) und 2) oder andere Behandler der Beklagten zu 3) als deren Erfüllungsgehilfen pflicht- bzw. rechtswidrig eine fehlerhafte Behandlung durchgeführt hätten, aus der sich die von ihr behaupteten Gesundheitsbeeinträchtigungen ergeben.

Die ärztlich geschuldeten Sorgfaltspflichten sind im Rahmen der vertraglichen und deliktischen Haftung identisch. Die Behandlung hat nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist (vgl. § 630 a Abs. 2 BGB). Behandlungsfehlerhaft ist demnach ein ärztliches Verhalten, dass nach dem Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft der gebotenen Sorgfalt in dem jeweiligen Fachkreis nicht genügt. Erst wenn der Behandlungsfehler und seine Ursächlichkeit für die mit der Klage verfolgten Schäden feststehen, greift die Haftung des Arztes ein. Beides hat der Patient zu beweisen. Dieser Beweis ist der Klägerin nicht gelungen.

Nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen …. …, denen sich das Gericht in freier Würdigung des Sach- und Streitstands vollumfänglich anschließt, sind schadensursächliche Behandlungsfehler nicht festzustellen. Sein schriftliches Gutachten lässt keine methodischen Fehler bei der Tatsachenermittlung erkennen und er gelangt zu logisch nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Schlussfolgerungen. Der Sachverständige hat seine schriftlichen Feststellungen zudem in einer mündlichen Anhörung noch einmal anschaulich und erschöpfend erläutert und ergänzt.

Der Sachverständige hat nach ausführlicher Auswertung des Akteninhalts und der Behandlungsunterlagen festgestellt, dass die Behandlung im Krankenhaus des Beklagten zu 3) behandlungsfehlerfrei erfolgt ist.

Die Operation vom 25.04.2012 sei adäquat und erfolgreich durchgeführt worden. Die Operation sei indiziert gewesen und der Eingriff sei auch in das Fachgebiet der Beklagten zu 1. und 2. gefallen, da es sich um eine allgemein- und viszeralchirurgische Operation gehandelt habe.

Am 25.04.2012 habe sich auch kein Anhalt für ein infektiöses Geschehen gezeigt, sodass keine weiteren Diagnose- oder Therapiemaßnahmen geboten gewesen seien. Das Labor habe einen dem postoperativen Status entsprechenden Befund ergeben. Die dort ermittelte Leukozytose könne durchaus noch einem operativen Geschehen zugeordnet werden und sei postoperativ noch als „im Rahmen“ anzusehen.

Auch der CRP-Wert vom 26.04.2012 zeige keinen Anhalt für eine Infektion. Die nunmehr deutliche Leukozytose von 20,2 zeige einen Hinweis auf ein infektiöses Geschehen oder aber eine fulminante Reaktion auf das operative Trauma. Es sei nicht als fehlerhaft zu beurteilen, dass keine weitere Befundung und Therapie eingeleitet worden sei, da die Drainage und Wunde unauffällig gewesen seien. Eine prophylaktische Antibiotika-Therapie sei bei unauffälligen Wundverhältnissen nicht indiziert, da diese zu Resistenzbildungen führen könne. Durch die regelmäßige Wundkontrolle sei den medizinischen Anforderungen hinreichend genügt worden. Ein abwartendes Verhalten sei zunächst indiziert gewesen. Zudem hat der Sachverständige erläutert, dass es nicht angezeigt gewesen sei, bereits am 29.04.2012 eine „blinde“ Antibiose durchzuführen. Die hier gewählte Vorgehensweise habe vielmehr den Weg für eine zielgerichtete Antibiose geebnet. Im Übrigen hätte sich auch kein Unterschied hinsichtlich der Wundheilung ergeben, wenn der Eingriff vom 30.04.2012, also die Wunderöffnung, bereits am 29.04.2012 erfolgt wäre. Zudem sei ohnehin die Entlastung der Wunde für den weiteren Verlauf wichtiger gewesen als die Antibiose, da die Antibiose den nekrotischen Teil des Gewebes ohnehin nicht mehr erreichen könne.

Der Sachverständige hat weiter erläutert, dass die am 30.04.2012 vorgenommene Eröffnung der Wunde am Krankenbett (sog. „bed-side-Eröffnung“) nicht zu beanstanden sei. Die Vornahme dieser Wunderöffnung habe aber auch keinen Einfluss auf den späteren Verlauf gehabt.

Er hat weiter ausgeführt, dass die Antibiose hinsichtlich Wahl und Dosierung geeignet gewesen sei. Die verabreichte Antibiose mit Cefuroxim sei auf zwei der drei Keime sensibel gewesen. Nach Wechsel auf das Antibiotikum Ceftriaxon sei eine komplette Sensibilität gegeben gewesen.

Der Sachverständige hat zudem ausgeführt, dass auch eine frühere Einleitung der Antibiose keinen Unterschied im Behandlungs- bzw. Heilungsverlauf ergeben hätte. Auch eine frühere antibiotische Therapie könne in der Regel eine Wundinfektion in einer so ausgedehnten Wunde nicht verhindern und hätte eventuell sogar zu einer Verschleierung der Symptomatik geführt. Auch ein früher durchgeführter Abstrich hätte erst zwei Tage später zu einer ausreichenden Diagnose geführt, da im Rahmen eines Abstriches erst durch Anlage einer Kultur, die in der Regel nicht vor Ablauf von 48 Stunden fertig sei, die entsprechenden Bakterien nachgewiesen werden könnten.

Auch das teilweise Verschließen der Operationswunde in der Revisions-OP vom 23.05.2012 sei nicht fehlerhaft gewesen.

Die Entlassung der Klägerin am 11.06.2012 oder 12.06.2012 sei ebenfalls nicht zu beanstanden.

Die Kammer schließt sich vor dem Hintergrund der eindeutigen sachverständigen Feststellungen in eigener Würdigung sämtlicher Umstände dem Urteil des Sachverständigen an, dass den Beklagten Behandlungsfehler nicht vorzuwerfen sind.

Soweit die Klägerin beantragt hat, ergänzend einen sachverständigen Facharzt für Krankenhaushygiene, Mikrobiologie und Infektiologie mit der Begutachtung des Sachverhalts zu beauftragen, war diesem Antrag nicht zu entsprechen. Der Sachverständige …… ist zunächst als Chirurg für die Beantwortung der Frage der Infektion unmittelbar sachkundig. Die Diagnostik und Behandlung einer Infektion fällt gerade in das chirurgische Tätigkeitsgebiet. Der Sachverständige hat hierzu nachvollziehbar erläutert, dass für die Erstellung der Antibiose zwar ein Mikrobiologe hinzugezogen werde, dieser jedoch niemals den Patienten persönlich untersuche. Eine Hinzuziehung eines Mikrobiologen erfolge abgesehen hiervon nur in schwierigen Keimsituationen. Eine solche habe im Fall der Klägerin jedoch nicht vorgelegen.

Auch im Hinblick auf die von der Klägerin erhobenen Vorwürfe zu Hygienemängeln war eine weitere Begutachtung entbehrlich.

Nach dem gefestigten und überzeugenden Stand der Rechtsprechung gehören Keimübertragungen, die sich trotz Einhaltung der gebotenen hygienischen Vorkehrungen ereignen, zum entschädigungslos bleibenden Krankheitsrisiko des Patienten. Eine Haftung des Krankenhausträgers kommt hiernach nur dann in Betracht, wenn die Keimübertragung durch die gebotene hygienische Sorgfalt hätte verhindert werden können. Nur wenn feststeht, dass die Infektion aus einem hygienisch voll beherrschbaren Bereich hervorgegangen sein muss, hat der Krankenhausträger für die Folgen der Infektion einzustehen, sofern er sich nicht entlasten kann (vgl. BGH VI ZR 158/06 = NJW 2007, 1682). Lediglich in diesem Fall kommen Beweiserleichterungen für den Patienten in Betracht. Im Übrigen obliegt dem  Patienten der Vollbeweis gemäß § 286 ZPO dafür, dass die Infektion während des stationären Aufenthalts in einem voll beherrschbaren Bereich entstanden ist (OLG München, VersR 2001, 885; OLG Düsseldorf, I-8 U 17/04). Zur Haftung kann es also nur dann kommen, wenn sowohl der Keimträger feststeht als auch weiter feststeht, dass die Infektion durch Beachtung der Hygienevorschriften hätte vermieden werden können (OLG Hamm, MedR 2006, 288). Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen war dem Beweisantritt der Klägerin nicht nachzugehen.

Der Sachverständige hat ausgeführt, dass es sich bei der Infektion der Klägerin nicht um eine typische nosokomiale Infektion, sondern um eine Infektion mit gängigen Keimen, mit denen der Körper normalerweise besiedelt sei, handele. Morganella morganii sei wie E. coli ein im Verdauungstrakt des Menschen vorkommender Keim. Es sei insoweit wahrscheinlich, dass die Klägerin mit den festgestellten Keimen vor dem Eingriff besiedelt gewesen sei, zumal sie mehrere Voraufenthalte in Krankenhäusern mit multiplen Antibiotika-Therapien gehabt habe.

Hiernach steht gerade nicht fest, dass die Infektion durch Beachtung der Hygienevorschriften hätte vermieden werden können. Insbesondere handelt es sich bei den gefundenen Keimen nicht um typische nosokomiale Keime (etwa MRSA-Keime), die möglicherweise indizieren könnten, dass die Keimübertragung erst im Krankenhaus erfolgt ist.

Die Klägerin hat ohne greifbare Anhaltspunkte, gleichsam ins Blaue hinein pauschal Hygienemängel der Beklagten gerügt, denen mangels hinreichender Substantiierung nicht nachzugehen war. Eine hierauf gestützte Beweiserhebung würde eine unzulässige Ausforschung bedeuten.

Soweit die Klägerin behauptet hat, dass sie durch die Beklagten behandlungsfehlerhaft nicht zu einem HNO-Arzt überwiesen worden sei, liegt zur Überzeugung der Kammer ebenfalls kein Behandlungsfehler vor. Die Kammer ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht davon überzeugt, dass die Klägerin gegenüber den behandelnden Ärzten und/oder dem Pflegepersonal über Ohrenbeschwerden geklagt hat. Die Klägerin hat den ihr insoweit obliegenden Beweis nicht geführt.

Die Behandlungs- und Pflegedokumentation enthält keine Eintragungen dazu, dass die Klägerin entsprechende Beschwerden gegenüber Behandlungs- oder Pflegepersonal geäußert hätte. Aber auch unter Berücksichtigung der Aussagen der vernommenen Zeugen steht nicht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Klägerin derartige Beschwerden gegenüber Behandlungs- oder Pflegepersonal geäußert hat. Zwar haben sowohl die Zeugin A als auch der Zeuge … bekundet, dass die Klägerin ihnen gegenüber über Ohrenschmerzen geklagt habe. Beide Zeugen haben jedoch ebenso bekundet, dass sie nicht mitbekommen hätten, dass die Klägerin diese Beschwerden auch gegenüber Ärzten oder Pflegepersonal mitgeteilt hätte. Hiervon habe die Klägerin lediglich berichtet. Die Zeugen haben auch nicht bekundet, dass sie sich selbst an das Pflegepersonal gewandt hätten, um eine HNO-Behandlung der Klägerin zu erreichen. In Bezug auf die maßgebliche Tatsache, also die möglicherweise reaktionspflichtige Anzeige gegenüber dem Behandlungs- und Pflegepersonal, sind die Zeugenaussagen mithin unergiebig, sodass es auf die Frage einer adäquaten Reaktion auf Beklagtenseite nicht ankommt.

Die Behandlung der Klägerin ist auch nicht deshalb pflicht- oder rechtswidrig erfolgt, weil die Klägerin nicht ordnungsgemäß über die mit dem Eingriff verbundenen spezifischen Risiken aufgeklärt worden wäre. Die Kammer ist nach der Beweisaufnahme nämlich davon überzeugt, dass der Klägerin eine ordnungsgemäße Aufklärung zuteil geworden ist.

Die Kammer stützt ihre Überzeugung auf das von der Klägerin unterschriebene Aufklärungsformular sowie die Bekundungen des Zeugen …. Durch ihre Unterschrift auf dem Formular hat die Klägerin bestätigt, dass mit ihr der Inhalt des Aufklärungsbogens besprochen worden ist. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ist die dokumentierte Risikoaufklärung nicht zu beanstanden. Er hat zwar geäußert, dass grundsätzlich auch auf die Risiken der Nabelnekrose, der Nervenverletzung und der Verletzung von Nachbarorganen hätten hingewiesen werden müssen. Diese hätten sich jedoch allesamt nicht ausgewirkt.

Die Überzeugung der Kammer wird durch die Aussage des Zeugen … gestützt, der bekundet hat, dass die dort aufgeführten Risiken und Komplikationen mit der Klägerin erörtert worden seien. Insoweit sei gerade auch über Wundheilungsstörungen gesprochen worden. Die Angaben des Zeugen … waren in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Die Glaubhaftigkeit seiner Aussage wird zudem dadurch untermauert, dass der Zeuge seine Erinnerung an die Klägerin und das mit ihr geführte Aufklärungsgespräch damit begründen konnte, dass die Klägerin bereits über 30 Operationen im Bauch- und Bauchdeckenbereich über sich hatte ergehen lassen müssen.

Der Überzeugung der Kammer steht nicht entgegen, dass die Klägerin im Rahmen ihrer ersten persönlichen Anhörung mitgeteilt hat, dass mit ihr ein solches Aufklärungsgespräch nicht geführt worden sei. Sie könne sich lediglich an ein Aufklärungsgespräch erinnern, das sie mit einem türkischen Arzt am Tag ihrer Aufnahme in das Krankenhaus geführt habe. Die Klägerin hatte insoweit zunächst keine Erklärung dafür, dass der Aufklärungsbogen vom 17.04.2012, also etwa eine Woche vor der Aufnahme in das Krankenhaus, ihre Unterschrift trägt. Während ihrer zweiten Anhörung hat die Klägerin angegeben, dass der Zeuge … mit ihr darüber gesprochen habe, was für Medikamente sie bekommen könne und wie lange sie im Krankenhaus bleiben müsse. Sie habe das Formular dann als Blanko-Formular unterschrieben. Bei diesem Gespräch sei ihr Ehemann zugegen gewesen. Bereits diese differierenden Angaben sind miteinander nicht in Einklang zu bringen. Der Zeuge K hat bekundet, dass die Klägerin in dem Gespräch, bei dem er zugegen gewesen sei, kein Aufklärungsformular unterschrieben habe. Die Kammer geht hiernach davon aus, dass der Zeuge …. bei dem maßgeblichen Aufklärungsgespräch, bei dem auch der Aufklärungsbogen unterschrieben worden ist, demnach nicht zugegen war.

Letztlich können die konkreten Umstände der Aufklärung aber ohnehin dahinstehen, da die Klägerin über das letztlich eingetretene Risiko der Wundheilungsstörung nach ihren eigenen Angaben durch die Aufklärungen bezüglich der vielfältigen Voroperationen hinreichend aufgeklärt war. Einer Aufklärung bedarf es nämlich dann nicht, wenn der Patient nicht (mehr) aufklärungsbedürftig ist, weil er das erforderliche Wissen bereits besitzt (OLG Düsseldorf, VersR 2009, 546). Insoweit geht die Kammer davon aus, dass die Klägerin der diesbezüglichen Aufklärung im Grunde gar nicht mehr bedurfte, da sie die erforderlichen Kenntnisse  nach ihren eigenen Angaben bereits besaß.

Nach alldem ist eine schadensursächliche Fehlbehandlung durch die Beklagten nicht nachweisbar, sodass die Klägerin keine Ansprüche auf Schadensersatz, weder auf Schmerzensgeld noch auf Ersatz von materiellen Schäden oder Feststellung von zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden, gegen die Beklagten hat.

Mangels Begründetheit der Hauptforderung steht der Klägerin auch kein Anspruch auf Zahlung von Zinsen oder auf Ersatz oder Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren zu.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.

Streitwert: 81.414,67 Euro.

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