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Krankenhaushaftung bei Hüfttotalendoprothesenoperation – Behandlungsalternativen

LG Berlin – Az.: 36 O 179/09 – Urteil vom 18.04.2012

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die damals 54-jährige Klägerin befand sich vom 21.4. bis 28.4.2003 in stationärer Behandlung in dem von der Beklagten betriebenen … . Sie war damals 54-jährig und sportlich aktiv.

Dort wurde ihr am 22.4.2003 der totalendoprothetische Hüftgelenkersatz, ein Oberflächenersatz nach der McMinn-Methode mit den Komponenten Kopfgröße 42 mm und Pfannengröße 48 mm links eingesetzt.

Er wurde am 31.3.2005 durch eine Revisionsoperation in der … ausgewechselt.

Im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens wurde ein Gutachten zu der Frage, ob die Revisionseingriffe ordnungsgemäß und indiziert gewesen seien, eingeholt.

Mit Schreiben vom 28.7.2009 lehnte die Haftpflichtversicherung der Beklagten die Anerkennung von Ansprüchen ab.

Die Klägerin behauptet, es habe keine Indikation für die erste Operation bestanden. Zwar habe sie seit 3 Jahren über Anlaufschmerzen geklagt, sie sei jedoch noch gut beweglich gewesen und habe lediglich beim Treppensteigen Schmerzen gehabt.

Ferner sei später festgestellt worden, dass sie an einer rheumatoiden Arthritis leide.

Insofern hätte sie zunächst auf eine konservative Behandlung oder eine Umstellungsoperation hingewiesen werden müssen.

Krankenhaushaftung bei Hüfttotalendoprothesenoperation - Behandlungsalternativen
Symbolfoto: Von Yok_onepiece/Shutterstock.com

Der ausgewählte Prothesentyp sei für sie ungeeignet gewesen. Das Einsetzen sei zum damaligen Zeitpunkt noch als experimentell zu bezeichnen gewesen. Der Operator Professor … habe zum damaligen Zeitpunkt nur wenige Operationen nach McMinn durchgeführt. Zu einem späteren Zeitpunkt seien Operateure aus England eingeflogen worden.

Daher hätte sie auch über die Möglichkeit des Einsetzen einer herkömmlichen Prothese aufgeklärt werden müssen. Weiterhin hätte sie darauf hingewiesen werden müssen, dass es sich nach der Operationsmethode McMinn um eine neue Methode handele, über die es noch keine ausreichenden Erkenntnisse gäbe und deren Langzeiterfolg zum damaligen Zeitpunkt noch nicht abschließend zu bewerten gewesen sei. Insofern sei die Aufklärung über die Risiken als über mögliche Alternativen nicht lege artis erfolgt.

Sie hätte über die besonders hohe Fehlerquote, die mangelnde Erfahrung des Operateurs sowie die hohen Risiken aufgeklärt werden müssen. Zum damaligen Zeit habe es eine hohe Rate von Prothesenversagen von 50 % nach 6-7 Jahren gegeben, dies auch deswegen da ungeeignetes Material verwendet worden sei.

Die Operationstechnik sei technisch anspruchsvoller und der zeitliche Aufwand größer.

Sie sei auch nicht darüber aufgeklärt worden, dass der Anteil der Operationen nur 3-5 % aller Hüftendoprothesenoperationen betrüge.

Es sei davon auszugehen, dass die Methode erst als einigermaßen beherrschbar gelte, wenn mindestens 50 Operationen pro Jahr durchgeführt werden würden.

Es habe sich zum damaligen Zeitpunkt nicht um eine gleichwertige Alternative zu einer konventionellen Prothese gehandelt.

Bei entsprechender Aufklärung hätte sie sich gegen eine Operation nach McMinn entschieden. Zumindest hätte sie eine weitere Meinung eingeholt, um den etwaigen Langzeiterfolg abschätzen zu können.

Hinsichtlich der Aufklärungspflichten nimmt sie Bezug auf ein eingereichtes Gutachten von Dr. … aus dem Rechtsstreit des Landgerichts Neuruppin, Aktenzeichen 3 O 179/06, Blatt 11ff. der Akte.

Schließlich sei die Operation selbst fehlerhaft durchgeführt worden. Die ausgewählte Prothese sei viel zu groß gewesen, was zur Folge gehabt hätte, dass die Gelenkspfanne habe viel zu weit ausgefräst werden müssen. Dies sei eine Ursache für die postoperativen erheblichen Beschwerden und die Lockerung, was die Revisionsoperation im Jahr 2005 erforderlich gemacht habe.

In der Folge sei es kausal zu bisher 12 stationären Krankenhausaufenthalten und 9 Revisionsoperationen gekommen.

Sie habe immer noch Schmerzen in den operierten Bereichen und könne nicht richtig gehen. Es stünde fest, dass sie dauerhaft geschädigt sei. Die Funktionsfähigkeit des linken Hüftgelenks sei nicht mehr herbeiführbar. Die Schmerzen seien mittlerweile chronisch. Durch die fehlerhafte Behandlung habe sie erhebliche strukturelle Defizite der Muskulatur und des Knochens durch die dauerhaft notwendige Benutzung zweier Unterarmgehstützen und eines Rollstuhls. Ferner habe sie eine ca. 23 cm lange Narbe im Bereich des Gesäßes.

Im Rahmen des Rechtsschutzes müsse sie 150 € Selbstbeteiligung zahlen.

Sie bestreite mit Nichtwissen, dass der Operator Professor Dr. … vor dem streitgegenständlichen Eingriff zuvor 292 Operationen dieser Art durchgeführt habe.

Sie meint, für die erlittenen Beeinträchtigungen stünde ihr ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 40.000 € zu.

Ein Feststellungsinteresse bestünde bereits deshalb, da nicht absehbar sei, ob sie noch einmal operiert werden müsse.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu bezahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch in Höhe von 40.000 €, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3.8.2009.

2. es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, welche aus der fehlerhaften Behandlung in der Zeit vom 21.4. bis 28.4.2003 entstanden sind und/oder noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 150 € zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, der Eingriff am 22.4.2003 sei nach dreijähriger zunehmender Coxarthrose mit ständigen schmerzhaften Beeinträchtigungen im Alltag bei einer sportlichen und aktiven 54-jährigen indiziert gewesen.

Die Beweglichkeit des linken Hüftgelenk sei deutlich endgradig schmerzhaft gewesen. Treppensteigen sei der Klägerin teilweise unmöglich gewesen. Die Arthrose sei radiologisch nachgewiesen gewesen.

Ausweislich der operativen Befunde und Anamnese sei ein schmerzfreies Gehen überhaupt nicht möglich gewesen. Es habe auch ein Ruheschmerz bestanden und die Schmerzen schon seit 3 Jahren bestanden.

Eine medikamentöse Behandlung hätte lediglich symptomatisch gewirkt und an dem zunehmenden Hüftgelenksverschleiß und den damit zunehmenden schmerzhaften und funktionellen Beeinträchtigungen nichts geändert.

Die Klägerin habe sich bis dahin bereits ambulant konservativ behandeln lassen, was letztlich erfolglos geblieben sei, so dass ihr Hausarzt sie in das Krankenhaus eingewiesen habe.

Eine Rheumatoid-Arthritis habe nicht vorgelegen.

Ein zu langes Warten mit einer prothetischen Versorgung hätte dazu geführt, dass der operative Aufwand größer geworden wäre und aufgrund weiterer Veränderungen die Funktionswiederherstellung schwieriger würde.

Das gewählte Endoprothesensystem stünde seit über 20 Jahren zur Verfügung.

Fehler seien dem nach McMinn erfahrenen Operationsteam nicht unterlaufen. Mit dem Chefarzt und einem Oberarzt habe ein besonders erfahrenes und mit dem gewählten Prothesesystem vertrautes Operationsteam zur Verfügung gestanden.

Im Zeitpunkt der Operation seien bereits annähernd 100 Eingriffe dieser Art bei der Beklagten vorgenommen worden. Der Operator Professor Dr. … habe bereits seit Anfang 2001 bis zu seinem Wechsel in die … im Sommer 2003 350 Prothesen vom Typ McMinn operiert, die Operation betreffend der Klägerin habe die fortlaufende Nummer 293, so dass zuvor bereits 292 Operationen dieser Art durchgeführt worden seien. Dies habe eine Recherche im Operationsbuch ergeben.

Der Operateur sei in der Hüftgelenkschirurgie sehr erfahren gewesen und habe zunächst bei erfahrenen Chirurgen in großen Kliniken, welche diese Prothesen bereits verwendeten, hospitiert, bevor er diesen Typ in der Klinik der Beklagten eingeführt habe.

Die McMinn-Methode würde seit über 20 Jahren verwendet werden und habe sich in mehreren Zentren durchgesetzt. Es gebe auf dem Markt nur wenige Prothesentypen, die längere Ergebnisse aufweisen könnten. Eine besonders hohe Revisionsrate bestünde nicht. Der Anteil des Protheseversagens sei vergleichbar mit anderen Prothesentypen im Jahr 2003. Die Fehlpositionierung würde bei allen Prothesentypen zu nachteiligen Auswirkungen führen. Der Fall des Landgerichts Neuruppin sei nicht vergleichbar, da es sich dort um einen knapp 70-jährigen Patienten gehandelt habe, für die McMinnprothese sei aber eine sehr gute Knochenstruktur erforderlich.

Die verwendete Pfanne habe eine typische Größe für die Körpermaße der Klägerin (156 cm/56 kg) gehabt.

Die Kopfgröße sei dem Halsdurchmesser angepasst gewesen. Die Größe der Komponenten sei mit Schablonen bestimmt worden. Die Komponenten hätten anschließend einen festen Sitz und eine richtige Lage gezeigt, die durch eine postoperativen Röntgenkontrolle überprüft worden sei.

Der Eingriff sei komplikationslos verlaufen, so dass die Klägerin bereits am 28.4.2003 in die ambulante Weiterbehandlung habe entlassen werden können.

Die Klägerin sei über Behandlungsalternativen, den Verlauf der Operation unter Einschluss der Wahl des Prothesentyps angemessen aufgeklärt worden.

Die Aufklärung sei durch den Chefarzt Prof. … am 26.3.2003 bei der ambulanten Untersuchung erfolgt.

Er habe erläutert, dass es verschiedene Prothesentypen gäbe, die grundsätzlich in Frage kämen.

Ferner habe er erklärt, dass er in der Klinik Prothesen nach McMinn einbaue, dabei würde weniger Knochen entfernt werden, was bei einer später notwendig werdenden Wechseloperation günstig sei, was gerade bei jüngeren Patienten positiv sei. Mit dem Prothesentyp habe man gute Erfahrungen gemacht.

Die Klägerin habe zu verstehen gegeben, dass eine konservative Behandlung für sie nicht infrage käme.

Am 21.4.2003 sei ein weiteres Aufklärungsgespräch erfolgt. Hier sei über die Chancen und Risiken der vorgesehenen Operation und die infrage kommenden Prothesentypen gesprochen worden. Die Klägerin habe sich mit der Operation einverstanden erklärt.

Über eine Umstellungsosteotomie hätte nicht gesprochen werden müssen, da dieser Eingriff deutlich umfangreicher und belastender gewesen wäre. Diese sei im Jahre 2003 keine ernsthafte Alternative in der vorliegenden Situation gewesen, da die Ursache der Verschleißerscheinung keine Fehlstellung gewesen sei.

Dieser Eingriff hätte im besten Fall den Einbau der Prothese nur hinauszögern können. Zum Langzeitergebnis hätte keine sichere Aussage getroffen werden können.

Angesichts des Alters der Klägerin und ihrer sportlichen Ambitionen hätte sie sich in Kenntnis aller Umstände für die Operation und die gewählte Prothese entschieden.

Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass die erste Wechseloperation wegen einer Protrusion der in der Klinik der Beklagten eingebauten Pfanne notwendig gewesen sei.

Mit dem Wechsel habe sich das Risiko des Einbaus einer Prothese verwirklicht. Offenbar sei es nach dem Eingriff zu einer Lockerung gekommen, die auf vielen Ursachen beruhen könne. Diese sei eine typische systemübergreifende Komplikation jeder Prothesenimplantation.

Die vielen Folgeoperation würden dafür sprechen, dass die gewählte Prothese nicht die Ursache sei sondern ein besonderes Lockerungsrisiko der Klägerin.

Die angeführten Behandlungen und Dauerschäden bestreitet sie mit Nichtwissen.

Sie meint, die Wahl der Operationsmethode sei Sache des Operateurs gewesen. Da mit den unterschiedlichen Prothesentypen annähernd gleichwertige Chancen und Risiken verbunden gewesen seien, sei eine Aufklärung über die Behandlungsalternativen insofern nicht erforderlich gewesen.

Dass die Operateure mehrheitlich nicht den Prothesentyp McMinn verwenden, sei für sich genommen kein aufklärungspflichtiger Umstand, da es sich um eine akzeptierte Vorgehensweise handele.

Hinsichtlich des Schmerzensgeldes müsse berücksichtigt werden, dass das Grundleiden fortschreitender Natur gewesen sei.

Bezüglich des immateriellen Schadens würde kein Feststellungsinteresse bestehen, da dieser beim Schmerzensgeld hinreichend berücksichtigt werden könne.

Das Gericht hat Beweis durch Sachverständigengutachten erhoben. Hinsichtlich des Beweisthemas und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Beweisbeschluss vom 9.4.2010, auf das Sachverständigengutachten vom 25.5.2011, das Ergänzungsgutachten vom 21.12.2011 sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.3.2012 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien samt Anlagen und das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 28.3.2012 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I.

Die Klage ist auch hinsichtlich des Antrages zu 2. zulässig.

Der Zulässigkeit des Feststellungsantrages steht nicht entgegen, dass das rechtliche Interesse der Klägerin fraglich ist. Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO grds. erforderliche Feststellungsinteresse ist nur zwingende Zulässigkeitsvoraussetzung für begründete Feststellungsklagen.

Bei unbegründeten Feststellungsklagen reicht der schlüssige Vortrag eines Feststellungsinteresses, da in diesen Fällen ein Sachurteil eine umfassendere Rechtskraft schafft und die Voraussetzung des Feststellungsinteresses nur verhindern soll, dass Rechtsverhältnisse zum Gegenstand einer Klage gemacht werden, die einer Klärung nicht bedürfen oder auf einfachere Weise geklärt werden können.

II.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte aufgrund der Behandlung weder ein vertraglicher Anspruch gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 278, 249ff. BGB noch ein deliktischer Anspruch gemäß §§ 823 Abs. 1, 831, 249 ff. BGB auf Zahlung von Schmerzensgeld sowie Schadensersatz zu.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lässt sich nicht feststellen, dass die Beklagte bzw. ihre Mitarbeiter im Zusammenhang mit der Behandlung der Klägerin medizinisch fehlerhaft gehandelt und hierdurch einen Gesundheitsschaden verursacht haben bzw. die Behandlung rechtswidrig gewesen ist.

1.

Die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin konnte einen Behandlungsfehler nicht beweisen.

Ob ein Arzt einen Behandlungsfehler begangen hat, beantwortet sich danach, ob er nach den von ihm zu fordernden medizinischen Kenntnissen und fachärztlichen Erfahrungen zum Zeitpunkt der Behandlung im konkreten Einzelfall diagnostisch und therapeutisch vertretbar und sorgfältig entsprechend den Regeln und Standards der medizinischen Wissenschaft zu Werke gegangen ist oder nicht (vgl. BGH, NJW 1987, 2291).

Der Sachverständigen Prof. Dr. … konnte in seinem Gutachten und in seiner Anhörung keine schuldhaften Behandlungsfehler feststellen.

Das Gericht folgt den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen.

Prof. Dr. … ist als Facharzt für Orthopädie, Inhaber eines Lehrstuhls für Orthopädie, Direktor der Universitätsklinik … und Chefarzt der orthopädischen Klinik in Bad … für die vorliegende Begutachtung besonders qualifiziert.

Darüber hinaus ist sein Forschungsgebiet die orthopädische Rheumatologie, in der er sich auch mit endoprothetischem Gelenkersatz aller Gelenke, auch der Hüften beschäftigt.

Die Gutachten sind in sich schlüssig und nachvollziehbar. Insbesondere ist der Sachverständigen von zutreffenden Tatsachen ausgegangen und hat die daraus gezogenen Konsequenzen logisch und widerspruchsfrei dargestellt.

Er hat sich auch mit den Ausführungen von Dr. … und den Literaturangaben des Klägervertreters auseinander gesetzt.

Soweit er zu anderen Einschätzungen kam, konnte er seine Einschätzung nachvollziehbar und detailliert begründen.

a)

Die Klägerin konnte nicht beweisen, dass der Behandlung eine fehlerhafte Diagnose zu Grunde lag.

Der Sachverständige konnte in der mündlichen Verhandlung sehr nachvollziehbar die Befunde darstellen, die zu der Diagnose Coxarthrose führten und erläutern, warum die Anfertigung eines MRTs hier nicht erforderlich gewesen war.

Selbst oder gerade bei Zugrundelegung des von der Klägerin in ihrer persönlichen Anhörung geschilderten Sachverhaltes lagen die Kernsymptome einer Coxarthrose in der Sonderform der kaudalen Arthrose vor.

Er konnte auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer rheumatischen Arthritis zum damaligen Zeitpunkt feststellen und erläuterte diese Feststellung nachvollziehbar in seiner Anhörung in dem er die beiden Krankheitsbilder nach den Symptomen und dem Verlauf darstellte.

b)

Eine fehlende Indikation für eine Hüftendoprothese hat die Klägerin ebenfalls nicht beweisen können.

Der Sachverständige konnte nicht feststellen, dass die Operation nicht indiziert war.

Die Anhörung des Sachverständigen ergab, dass bei einer Coxarthrose eine Hüftoperation dann indiziert ist, wenn der Patient Schmerzen hat, wobei diese nicht an den Grad des Verschleißes gekoppelt sind.

Der behandelnde Arzt müsse anhand des geschilderten Schmerzensbildes entscheiden, ob eine Indikation vorliegt.

Dabei würden viele subjektive Komponenten einer Rolle spielen, so dass der behandelnde Arzt einen breiten Beurteilungsspielraum habe.

Die diesbezügliche Abwägung von Heilungschancen und Behandlungsgefahren erfolgt durch den Arzt. Dieser hat ein Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum für Diagnose und Therapie der nicht verkürzt werdend darf (vgl. Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 11. Aufl., Rn. 183).

Der Sachverständige führte aus, dass er anhand der Dokumentation keine fehlerhafte Indikationsstellung feststellen konnte und dass nachträglich die Situation nicht mehr abschließend bewertbar sei. Dies geht zu Lasten der beweisbelasteten Klägerin.

Nach seinen Ausführungen bietet eine konservative Behandlung bei einer Coxarthrose keine Aussicht auf Heilung oder Verlangsamung der Verschleißerscheinungen.

Vielmehr könnten nur die Schmerzsymptome behandelt werden. Es handele sich insofern nicht um eine Heilbehandlung mit dem Ziel der Besserung.

Ferner führte er aus, dass es gerade keinen Stufenaufbau gäbe, wonach zunächst konservativ zu behandeln wäre, bevor eine Operation zu empfehlen sei.

Er schloss eine Umstellungsosteotomie oder eine Zystenauffüllung als Behandlungsalternative definitiv aus.

c)

Die Klägerin konnte nicht beweisen, dass der ausgewählte Prothesentyp und die gewählte Methode für sie ungeeignet gewesen ist bzw. zum damaligen Zeitpunkt eine experimentelle Behandlung gewesen wäre.

Auch die Wahl der Therapie muss der Arzt grundsätzlich nach seinem ärztlichen Beurteilungsermessen aufgrund der jeweils verschiedenen Gegebenheiten des konkreten Behandlungsfalles und seiner eigenen Erfahrung und Geschicklichkeit treffen können (Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 11. Aufl., Rn. 188).

Der Arzt ist auch nicht stets auf den jeweils sichersten therapeutischen Weg festgelegt, wenn eine sachliche Rechtfertigung, vorliegt, wie hier das junge Alter und damit die Erforderlichkeit nach ca. 12-15 Jahren den notwendige Austausch des Implantates besser gewährleisten zu können (vgl. Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 11. Aufl., Rn. 189).

Der Sachverständige führte aus, dass die McMinn-Methode auch damals bereits eine absolut anerkannte Methode gewesen sei, die hier indiziert gewesen sei und für die damals 55-jährige Klägerin den Vorteil gehabt habe, dass Wechseloperationen, die alle 12-15 Jahre auch bei zementierten Hüftprothesen erfolgen müssen, im Vergleich besser erfolgen können.

Kontraindikationen zur damaligen Zeit, die damals bereits bekannt waren, konnte er nicht feststellen.

Zwar hätten Frauen im damaligen Alter der Klägerin eine Osteoporosegefahr, aber dies sei kein Ausschlusskriterium sondern müsse mit den anderen Faktoren abgewogen werden. So sei der gewählte Prothesentyp gerade bei sportlich aktiven Menschen, wie der Klägerin, vorzugswürdig.

Erhöhte Risiken seien damals nicht bekannt gewesen und auch nach dem heutigen Wissensstand, gäbe es erhöhte Risiken nur bei den ersten 50 implantierten Prothesen eines Operateurs und bei einigen Subtypen könne es zu erhöhtem Metallabrieb kommen.

Ansonsten seien die Risiken und Erfolgschancen vergleichbar.

Ferner konnte der Sachverständige nicht feststellen, dass der ausgewählte Prothesentyp und die gewählte Methode kausal die Primärschäden verursacht hätten, da eine Pfannenlockerung auch bei konventionellen Hüftprothesen vorkommt.

d)

Die Klägerin konnte nicht beweisen, dass der Operateur Prof. Dr. … zu unerfahren zur Durchführung der Operation gewesen sei.

Die Beklagte ist ihrer sekundären Darlegungslast hinreichend nachgekommen indem sie die genau Anzahl der von Prof. Dr. … bis dahin vorgenommen Operationen mitteilte.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass allein die Tatsache der Unerfahrenheit ein Behandlungsfehler wäre.

Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass dies kausal für die geltend gemachten Primärschäden gewesen wäre.

Der Sachverständige bestätigt zwar, dass bei der McMinn-Methode bei den ersten 50 Operationen eines Operateurs signifikant mehr Komplikationen auftreten, aber er konnte nicht bestätigen, dass die Operation durch einen unerfahrenen Operateur ein Verstoß gegen die Regeln und Standards der medizinischen Wissenschaft wäre oder eine bestimmte Mindestoperationszahl/Jahr zu fordern wäre.

e)

Schließlich konnte die Klägerin nicht beweisen, dass die Operation selbst fehlerhaft durchgeführt worden ist bzw. die ausgewählte Prothese zu groß gewesen ist.

Der Sachverständige teilte hierzu mit, dass die Größenbestimmung sachgerecht erfolgt sei und die postoperativen Röntgenaufnahmen eine korrekte Lage des Implantats zeigen würden.

Die Tatsache der Hüftpfannenlockerung könne nicht auf einen Behandlungsfehler zurückgeführt werden, sondern sei ein Risiko, dass bei jeder Hüftimplantation auftreten könne.

2.

Der geltend gemachte Anspruch steht dem Kläger ferner auch nicht deshalb zu, weil die von den Ärzten der Beklagten erfolgte Behandlung wegen einer fehlenden Aufklärung rechtswidrig gewesen ist.

Grundsätzlich stellt auch der gebotene, fachgerecht ausgeführte ärztliche Heileingriff bei einem Fehlen einer Einwilligung des Patienten den Tatbestand der rechtswidrigen Körperverletzung und eine Verletzung des Behandlungsvertrages dar.

Eine wirksame Einwilligung erfordert eine umfassende ärztliche Aufklärung. Diese soll es dem Patienten ermöglichen, Art, Bedeutung, Ablauf und Folgen eines Eingriffs zwar nicht in allen Einzelheiten, aber doch in den Grundzügen zu verstehen.

Der Patient soll zu einer informierten Risikoabwägung in der Lage sein. In diesem Rahmen ist er über den ärztlichen Befund, die Art, Tragweite, Schwere, den voraussichtlichen Verlauf und mögliche Folgen des geplanten Eingriffs sowie über die Art und die konkrete Wahrscheinlichkeit der verschiedenen Risiken im Verhältnis zu den entsprechenden Heilungschancen, über mögliche andere Behandlungsweisen und über die ohne den Eingriff zu erwartenden Risiken einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu unterrichten (Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 3. Aufl., Rdnr. A 501 ff m.w.N).

In der persönlichen Anhörung teilte die Klägerin mit, dass die Diagnose Coxarthrose entscheidend für sie gewesen sei, sich für die Operation zu entscheiden.

Ferner habe eine Aufklärungsgespräch durch einen anderen Arzt stattgefunden, in dem sie über mögliche Komplikationen aufgeklärt worden sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Gespräche mit Prof. Dr. … und dem anderen Arzt hatte sie keine konkreten Erinnerungen mehr.

a)

Die Klägerin konnte nicht beweisen, dass die Möglichkeit einer konservativen Behandlung oder eine Umstellungsoperation eine gleichwertige Behandlungsalternative mit wesentlich höheren Erfolgschancen bietet bzw. wesentlich unterschiedlichen Belastungen und Risiken.

Grundsätzlich hat der Arzt den Patienten nur über mehrere zur Wahl stehende Verfahren zu informieren, wenn die Alternative eine wesentlich höhere Erfolgschance bietet bzw. wesentlich unterschiedliche Belastungen und Risiken auf den Patienten zukommen (Martis/Winkhart, 3. Aufl., A 1230, 1248).

Der Patient muss darlegen, über welche alternative Behandlungsmethode eine Aufklärung erforderlich gewesen sein soll (Martis/Winkhart, 3. Aufl., A 1254). Dies ist hier geschehen.

Bei der Möglichkeit einer konservativen Behandlung ist der Patient darauf hinzuweisen, wenn eine echte Wahlmöglichkeit mit zumindest gleichartigen Chancen, aber andersartigen Risiken besteht (vgl. BGH NJW 2000, 1788-1789).

Nach den Ausführungen des Sachverständigen bietet eine konservative Behandlung bei einer Coxarthrose keine Aussicht auf Heilung oder Besserung der Beschwerden.

Vielmehr könnten nur die Schmerzsymptome behandelt werden. Es handele sich insofern nicht um eine Heilbehandlung mit dem Ziel der Besserung.

Ferner führte er aus, dass es gerade keinen Stufenaufbau gäbe, wonach zunächst konservativ zu behandeln wäre, bevor eine Operation zu empfehlen sei.

Insofern war eine konservative Behandlung keine Wahlmöglichkeit mit gleichartigen Chancen, so dass eine Aufklärung im Rahmen der Selbstbestimmungsaufklärung nicht erforderlich war.

Ferner hat die Beklagtenseite ein diesbezügliche Aufklärung substantiiert unter Vorlage des Aufklärungsbogens und Mitteilung des Inhaltes der damaligen Gespräche vorgetragen.

Die Klägerseite hat in der Folgezeit diesen Vortrag nicht konkret bestritten, anders als die anderen gerügten Aufklärungsfragen bezüglich der verwendeten Methode und deren Risiken.

Dies zeigt auch, dass auf den Einwand der Beklagtenseite, dass die Klägerin bei Aufklärung über alle aufklärungspflichtigen Umstände sich für diese Behandlung entschieden hätte nur erwidert wurde, dass sie sich gegen eine Operation nach McMinn entschieden hätte, aber nicht gegen eine Operation an sich.

Die Klägerin hat in der persönlichen Anhörung bestätigt, dass eine Aufklärungsgespräch stattfand und sie sich an die Details nicht mehr erinnern könne.

Die Diagnose Coxarthrose sei für sie entscheidend für die Zustimmung zur Operation gewesen.

Insofern war eine Zeugenbefragung zu diesem Punkt nicht erforderlich.

b)

Soweit die Klägerin vortrug, sie hätte darüber aufgeklärt werden müssen, dass es sich um eine neue Operationsmethode handele, zur McMinn-Methode keine vergleichbaren Langzeitstudien vorlagen, die Operationstechnik technisch anspruchsvoller und der zeitliche Aufwand größer gewesen wäre und der Anteil der Operationen nach der McMinn-Methode nur 3-5 % aller Hüftendoprothesenoperationen betrüge, handelt es sich bereits nicht um aufklärungspflichtige Umstände bzw. konnte sie diese Behauptungen nicht beweisen.

Der behandelnde Arzt war nicht verpflichtet, darüber aufzuklären, welche Operationsmethoden theoretisch in Betracht kamen und was für oder gegen die eine oder andere dieser Methoden sprechen konnte.

Die Wahl der Behandlungsmethode ist primär Sache des Arztes.

Er ist, sofern es mehrere, gleich erfolgsversprechende und übliche Behandlungsmöglichkeiten gibt, nicht stets verpflichtet, dem Patienten alle medizinischen Möglichkeiten darzustellen und seine Wahl ihm gegenüber zu begründen. Das kann etwa dann geboten sein, wenn jeweils unterschiedliche Risiken für den Patienten entstehen. Sonst aber darf der Arzt, wenn keine Umstände entgegenstehen, davon ausgehen, dass der Patient, der von sich aus nicht weiter nachfragt, seiner ärztlichen Entscheidung vertraut und nicht eine eingehende fachliche Unterrichtung über spezielle medizinische Fragen erwartet; diese kann er in der Regel als Nichtfachmann ohnehin nicht beurteilen, jedenfalls nicht besser als der Arzt, der ihm seine Meinung erläutert (BGH NJW 1982, 2121).

Der Sachverständige führte aus, dass diese Methode bereits seit Anfang der 90-iger Jahre verwendet wurde und nicht als experimentell einzustufen war.

Es sei auch damals bereits eine absolut anerkannt Methode gewesen.

Auch die Tatsache, dass viele Ärzte, wie Dr. …, die konventionelle Methode bevorzugen, ist nicht aufklärungspflichtig.

Der Arzt muss nicht bei der Gleichwertigkeit von Operationsmethoden den Patienten über den „Schulenstreit“ in der medizinischen Wissenschaft aufzuklären, wenn die von ihm gewählte Operationsmethode nicht weniger geeignet und risikoreicher ist als andere diskutierte Methoden.

Die Klägerin konnte nicht nachweisen, dass die McMinn-Methode weniger geeignet und risikoreicher sei als die herkömmliche Methode.

Erhöhte oder wesentlich andere Risiken der Methode und der Prothesenart sind nach den Angaben des Sachverständigen damals nicht bekannt gewesen. Die Risiken und Erfolgschancen seien vergleichbar mit der konventionellen Methode gewesen.

Das es keine Langzeitstudien gab und der Anteil der Hüftoperationen nur bei 3-5% gelegen haben soll, ist nach den obigen Ausführungen kein aufklärungspflichtiger Umstand, da Frage, wie sich dies auf die Einschätzung der Therapiewahl auswirkt, nur vom Arzt selbst beurteilt werden kann.

Darüber hinaus hat der Sachverständige ausgeführt, dass der Anteil bezogen auf die Altersgruppe der Klägerin deutlich höher liegen dürfte und ein Vergleich in Bezug auf alle Hüftoperationen medizinisch keinen großen Sinn ergebe.

c)

Die Klägerin konnte nicht beweisen, dass es zur damaligen Zeit eine hohe Rate von Prothesenversagen von 50 % nach 6-7 Jahren gegeben hat und der Operateur zu unerfahren gewesen ist, so dass eine diesbezügliche Aufklärung nicht erforderlich war.

Der Sachverständige konnte diese Behauptungen nicht bestätigen. Vielmehr sei es bei bestimmten Subtypen von bestimmten Herstellern zu Problemen gekommen, was aber nicht auf der Methode oder der verwendeten Prothesenart an sich beruhe.

Eine höhere Komplikationsrate sei nur bei Operateuren mit unter 50 Operationen dieser Art zu erwarten. Die Klägerin konnte nicht beweisen, dass Prof. Dr. … in diese Gruppe fiel.

3.

Der Antrag auf Erstattung der Selbstbeteiligung ist mangels Hauptforderung unbegründet.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 Satz 2 ZPO.

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