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Krankenhaushaftung bei Sturz eines Patienten mit Behinderung vom Röntgentisch

Eine geistig behinderte Heimbewohnerin stürzte bei einer Röntgenuntersuchung vom Tisch und erlitt schwere Verletzungen. Obwohl die Begleitperson auf die Sturzgefahr hingewiesen hatte, unterließ die Klinik ausreichende Sicherungsmaßnahmen. Das Gericht sprach dem Erben der später verstorbenen Frau ein Schmerzensgeld von 7.000 € wegen der Verschlechterung ihrer Mobilität und Lebensqualität zu.

➔ Zum vorliegenden Urteil Az.: 11 O 7141/19 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Hilfe anfordern


✔ Der Fall: Kurz und knapp

  • Die Beklagte wurde zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld verurteilt.
  • Das Gericht entschied, dass die Beklagte für den Sturz der Patientin vom Röntgentisch verantwortlich ist.
  • Die Patientin stürzte vom Röntgentisch, da keine ausreichenden Sicherungsmaßnahmen getroffen wurden.
  • Die Mitarbeiter der Beklagten wurden auf die Sturzgefahr hingewiesen, unternahmen jedoch nichts.
  • Die Entscheidung basiert auf der Pflicht der Beklagten, die Patientin vor vorhersehbaren Risiken zu schützen.
  • Das Gericht befand, dass die Sturzgefahr ein voll beherrschbares Risiko darstellt.
  • Durch den Sturz erlitt die Patientin erhebliche Verletzungen, darunter eine Unterschenkelfraktur und eine Gehirnerschütterung.
  • Die Beklagte hätte die Patientin durch geeignete Maßnahmen sichern müssen, wie eine Begleitperson oder medikamentöse Ruhigstellung.
  • Die Entscheidung betont die Verantwortung medizinischer Einrichtungen für die Sicherheit besonders gefährdeter Patienten.
  • Dieses Urteil könnte zu einer verstärkten Aufmerksamkeit für Sicherheitsmaßnahmen in Krankenhäusern führen.

Gericht entscheidet über Sturz-Haftung von Klinik bei Patientin mit Behinderung

Krankenhaushaftung – eine wichtige Frage für Patienten Wenn Menschen aufgrund einer Krankheit oder Verletzung ein Krankenhaus aufsuchen, erwarten sie dort selbstverständlich eine qualifizierte und sichere Behandlung. Schließlich geht es um ihre Gesundheit und mitunter um ihr Leben. Doch leider kommt es manchmal auch in Krankenhäusern zu Zwischenfällen, die schwerwiegende Folgen haben können. Eine zentrale Frage ist dann, wer dafür die Verantwortung trägt – das Krankenhaus oder der Patient selbst.

Gerade bei Patienten mit Behinderungen oder Einschränkungen können Stürze während der Behandlung besonders schwerwiegende Verletzungen nach sich ziehen. Wie Krankenhäuser mit solchen Risiken umgehen müssen und welche Sorgfaltspflichten sie dabei haben, ist Gegenstand intensiver rechtlicher Diskussionen. Ein aktuelles Gerichtsurteil zu einem solchen Fall soll nun näher beleuchtet werden.

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✔ Der Fall vor dem LG Nürnberg-Fürth


Sturz vom Röntgentisch trotz bekannter Sturzgefahr

Sturz vom Röntgentisch Haftung
(Symbolfoto: Roman Zaiets /Shutterstock.com)

Die ursprüngliche Klägerin litt aufgrund einer frühkindlichen Meningitis unter geistiger Retardierung und spastischer Quadriplegie. Sie hatte den Entwicklungsstand einer Zweijährigen und befand sich in einem Pflegeheim. Am 06.05.2018 stürzte sie im Garten des Pflegeheims aus dem Rollstuhl und zog sich eine Stirnwunde und ein Hämatom am linken Oberschenkel zu. Da sich das Hämatom am Folgetag verschlechterte, wurde sie am 07.05.2018 zur Abklärung in die Klinik der Beklagten gebracht.

Während der anschließenden Röntgenuntersuchung stürzte die Patientin, die sich ungesichert alleine auf dem Röntgentisch befand, von diesem herunter. Sie erlitt eine Unterschenkelfraktur links, eine Gehirnerschütterung sowie eine Schwellung und Hämatomverfärbung der kompletten rechten Gesichtshälfte mit Monokelhämatom. Die Patientin konnte nach dem Sturz nicht mehr selbstständig laufen. Vor dem Sturz konnte sie in Begleitung noch kurze Wege mit dem Rollator zurücklegen.

Klage auf Schmerzensgeld und Schadensersatz durch den Erben

Die Patientin verstarb später. Ihr Alleinerbe klagte gegen die Klinik auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wurde, mindestens jedoch 20.000 €. Zudem verlangte er Ersatz von Kopierkosten in Höhe von 41,40 € sowie die Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten von 805,15 €. Er machte geltend, die Begleitperson habe das Röntgenpersonal auf die bestehende Sturzgefahr hingewiesen. Ihr sei jedoch verboten worden, während der Untersuchung bei der Patientin zu bleiben.

Der Sturz wäre laut Kläger durch medikamentöse Ruhigstellung, Sicherung durch eine Begleitperson, Fixierung oder Abbruch vermeidbar gewesen. Es handle sich um ein voll beherrschbares Risiko. Die Patientin habe durch den Sturz auch eine Fraktur der Fibula erlitten. Zudem habe die Immobilität zu Schmerzen und psychischen Beeinträchtigungen aufgrund des dauerhaften Sitzens im Rollstuhl geführt. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Mobilität einen großen Teil der Lebensqualität der Patientin ausgemacht habe.

Argumentation der beklagten Klinik

Die beklagte Klinik beantragte Klageabweisung. Sie machte geltend, die Sturzgefahr sei für das Personal nicht erkennbar gewesen, da die Patientin einen völlig ruhigen Eindruck gemacht habe. Man habe mit der Begleitperson über die Notwendigkeit einer Sicherung gesprochen. Da die Patientin ruhig gelegen habe und die Untersuchung nur Sekunden dauere, sei es nicht erforderlich erschienen, die Begleitperson unnötig Strahlen auszusetzen. Eine Fixierung ohne Genehmigung des Betreuungsgerichts wäre rechtlich unzulässig gewesen.

Selbst bei unterstellter Haftung dem Grunde nach bestehe kein Schmerzensgeldanspruch, da dieses seine Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion aufgrund der schweren Hirnverletzung nicht erfüllen könne. Die Fibulafraktur stamme bereits vom vorangegangenen Sturz aus dem Rollstuhl. Auch stehe kein Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten zu, da zunächst Beratungshilfe hätte beantragt werden müssen.

Gerichtliche Beurteilung einer Pflichtverletzung

Das Gericht holte mehrere medizinische Sachverständigengutachten ein und vernahm die behandelnden Ärzte, die Begleitperson und das Röntgenpersonal. Es gelangte zu der Überzeugung, dass die Klinik durch unterlassene Sicherungsvorkehrungen eine vertragliche Nebenpflicht verletzt hat. Es hätten ausreichend Gefahrenhinweise für eine akute Sturzgefahr bestanden, denen die Klinik durch eigene Maßnahmen oder Anregung von Maßnahmen durch die Betreuerin hätte begegnen müssen.

Die Röntgenassistentinnen hätten sich trotz des Hinweises der Begleitperson und der mentalen Einschränkungen der Patientin nicht ausreichend vergewissert, ob diese ruhig liegen bleiben würde. Bei dieser Sachlage hätten weitere zumutbare Sicherungsmaßnahmen wie eine Begleitperson mit Strahlenschutzkleidung oder der Abbruch der Maßnahme erfolgen müssen. Darin sah das Gericht eine grob fahrlässige Verletzung der geschuldeten Verkehrssicherungspflichten.

Feststellung kausaler Verletzungen und Folgen

Das Gericht stellte anhand der Gutachten fest, dass die Patientin durch den Sturz vom Röntgentisch kausal eine Unterschenkelfraktur, eine Gehirnerschütterung sowie Schwellung und Hämatome der rechten Gesichtshälfte erlitten hatte. Eine behauptete Fibulafraktur konnte nicht sicher dem Sturz vom Tisch zugeordnet werden.

Durch die Verletzungen kam es zu einer dauerhaften Einschränkung der Mobilität und damit der Lebensqualität, zumindest im Sinne einer Beschleunigung aufgrund der Vorerkrankungen. Die Sachverständigen führten aus, dass die Mobilität gerade bei schweren Bewegungseinschränkungen ein entscheidender Faktor für die Lebensqualität sei. Konkrete Feststellungen zu Schmerzen und psychischen Belastungen ließen sich aufgrund der geistigen Einschränkungen der Patientin nicht treffen.

Höhe des zugesprochenen Schmerzensgeldes

Unter Abwägung aller Umstände, insbesondere der Schwere der Verletzungen, der Beeinträchtigung der Lebensqualität durch die verschlechterte Mobilität und des Grads des Verschuldens der Klinik, hielt das Gericht ein Schmerzensgeld von 7.000 € für angemessen und ausreichend. Ein Mitverschulden der geistig eingeschränkten Patientin schloss es aus.

Der Kläger erhielt zudem Ersatz der geltend gemachten Kopierkosten als notwendige Rechtsverfolgungskosten. Die Erstattung der Anwaltskosten wurde auf den nicht anrechenbaren Teil der Geschäftsgebühr in Höhe von 603,57 € begrenzt. Eine vorherige Inanspruchnahme von Beratungshilfe sah das Gericht nicht als Obliegenheit an. Die zugesprochenen Beträge waren ab Verzugseintritt zu verzinsen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Das Urteil verdeutlicht die Pflicht von Kliniken, auch bei eingeschränkt einsichts- und kommunikationsfähigen Patienten durch angemessene Sicherheitsvorkehrungen Gesundheitsschäden zu vermeiden. Trotz kurzer Untersuchungsdauer und ruhigen Eindrucks muss das Personal konkrete Sturzgefahren sorgfältig ermitteln und diesen konsequent begegnen. Geschieht dies nicht, drohen Schadenersatzansprüche wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflichten. Die geistige Verfassung des Geschädigten steht einem Schmerzensgeld zum Ausgleich verletzungsbedingter Lebensqualitätseinbußen dabei nicht entgegen.


✔ FAQ – Häufige Fragen

Thema: Krankenhaushaftung


Welche Sorgfaltspflichten haben Krankenhäuser gegenüber Patienten mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen?

Krankenhäuser haben gegenüber Patienten mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen erhöhte Sorgfaltspflichten. Sie müssen besondere Schutzmaßnahmen ergreifen, um diese Patienten vor Gefahren zu bewahren. Dazu gehören beispielsweise Sturzprophylaxe, engmaschige Überwachung und im Einzelfall auch Fixierungen zum Eigenschutz.

Der Umfang der Sicherungsmaßnahmen richtet sich nach der konkreten Gefährdungslage. Entscheidend sind die individuelle Verfassung und Mobilität des Patienten sowie Hinweise auf akute Sturzrisiken. Eine latente Sturzgefahr rechtfertigt noch keine dauerhafte Fixierung, da Krankenhäuser auch die Selbstbestimmung und Mobilität der Patienten fördern müssen. Erst bei konkreten Anhaltspunkten für eine erhöhte Sturzgefahr sind weitergehende Sicherungsmaßnahmen geboten.

Besondere Sorgfalt ist bei Patienten mit geistigen Behinderungen, Demenz oder eingeschränkter Kommunikationsfähigkeit erforderlich. Hier müssen Krankenhäuser die Risiken sorgfältig einschätzen und gegebenenfalls Angehörige, Betreuer oder Fachpersonal hinzuziehen. Bei Patienten mit schweren Mehrfachbehinderungen kann sogar eine ständige Begleitung im Krankenhaus geboten sein.

Krankenhäuser haften für Schäden, die durch mangelhafte Sicherungsmaßnahmen bei gefährdeten Patienten entstehen. Umgekehrt kann eine unterlassene gebotene Fixierung ebenfalls zu Schadensersatzansprüchen führen. Die Rechtsprechung verlangt eine sorgfältige Risikoeinschätzung, Dokumentation und Abstimmung aller Sicherheitsmaßnahmen mit dem Patienten.


Wann müssen Krankenhäuser Sicherungsmaßnahmen ergreifen, um Stürze von Patienten zu verhindern?

Krankenhäuser müssen Sicherungsmaßnahmen zur Sturzprävention ergreifen, wenn bei einem Patienten ein erhöhtes Sturzrisiko erkennbar ist. Dieses Risiko ist individuell anhand verschiedener Faktoren zu beurteilen:

Zunächst sind die allgemeinen Gesundheitszustände des Patienten relevant. Bestehen Mobilitätseinschränkungen, Gleichgewichtsstörungen, Sehbehinderungen oder kognitive Beeinträchtigungen, erhöht sich die Sturzgefahr. Auch die Medikation kann das Sturzrisiko beeinflussen, etwa durch Nebenwirkungen wie Schwindel oder Benommenheit.

Darüber hinaus spielen Vorerkrankungen und Sturzvorgeschichten eine Rolle. Patienten mit früheren Stürzen oder Erkrankungen wie Parkinson sind besonders gefährdet. Die Umgebungsfaktoren im Krankenhaus wie fremde Räumlichkeiten oder Hindernisse sind ebenfalls zu berücksichtigen.

Je höher das Gesamtrisiko eingeschätzt wird, desto eher müssen Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden. Mögliche Maßnahmen reichen von Aufklärung und Schulung über Umgebungsanpassungen bis hin zu Hilfsmitteln wie Bettgittern oder Gehstützen. Allerdings sind die Patientenautonomie und die Zumutbarkeit der Maßnahmen stets zu beachten. Eine sorgfältige Risikoabwägung und Dokumentation sind unerlässlich.

Insgesamt tragen Krankenhäuser eine Fürsorge- und Obhutspflicht gegenüber ihren Patienten. Bei erkennbarem Sturzrisiko müssen zumutbare Sicherungsmaßnahmen getroffen werden, um Stürze und deren Folgen bestmöglich zu vermeiden.

Wer haftet, wenn es trotz Hinweisen auf eine Sturzgefahr zu einem Unfall im Krankenhaus kommt?

Die Haftung bei einem Sturz im Krankenhaus trotz Hinweisen auf eine Sturzgefahr hängt von mehreren Faktoren ab. Entscheidend ist, ob das Krankenhaus seine Sorgfalts- und Obhutspflichten gegenüber dem Patienten verletzt hat.

Grundsätzlich muss das Krankenhaus angemessene Maßnahmen ergreifen, um Patienten vor vermeidbaren Schäden zu schützen. Dazu gehört auch eine Einschätzung des individuellen Sturzrisikos und entsprechende Vorkehrungen wie Aufklärung, Bettgitter oder Antirutschmatten. Werden diese Pflichten verletzt und kommt es zu einem Sturz, haftet das Krankenhaus für die Folgen.

Allerdings trägt der Patient auch eine Mitverantwortung. Ignoriert er bewusst Warnungen und Anweisungen des Personals, kann dies ein Mitverschulden begründen. Die Haftung des Krankenhauses kann dann gemindert oder sogar vollständig entfallen. Entscheidend ist, ob der Patient die Risiken erkennen konnte und sich grob fahrlässig verhielt.

Zudem muss ein Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden bestehen. War der Sturz unvermeidbar, beispielsweise aufgrund einer plötzlichen Bewusstlosigkeit, liegt kein haftungsbegründendes Verschulden des Krankenhauses vor.

Die Beweislast für Pflichtverletzung und Kausalität trägt grundsätzlich der Patient. In bestimmten Fällen eines „voll beherrschbaren Risikos“, etwa bei Bewegungs- oder Transportmaßnahmen durch das Personal, kann sich die Beweislast jedoch zugunsten des Patienten umkehren. Dann muss das Krankenhaus darlegen, dass kein Fehlverhalten vorlag.

Zusammengefasst kommt es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Entscheidend sind die Sorgfaltspflichten des Krankenhauses, mögliches Mitverschulden des Patienten sowie Kausalität und Beweislage.


Welche Ansprüche haben Angehörige, wenn es zu einem Sturz mit schwerwiegenden Folgen für den Patienten kommt?

Angehörige haben verschiedene Ansprüche, wenn ein Patient durch einen Sturz schwer geschädigt wird. Zunächst gehen Schadensersatzansprüche des Patienten selbst auf die Erben über. Dazu zählt insbesondere der Anspruch auf Schmerzensgeld für erlittene Schmerzen und Beeinträchtigungen.

Nahe Angehörige können zudem einen Schockschaden geltend machen, wenn sie durch den Sturz und dessen Folgen für den Patienten selbst einen psychischen Schaden erlitten haben. Voraussetzung ist, dass die psychische Beeinträchtigung krankheitswerten Charakter hat und über eine normale Trauerreaktion hinausgeht. Die Höhe des Schmerzensgeldes richtet sich nach Art und Schwere der Beeinträchtigung.

Für die Kosten der Behandlung und Pflege des Patienten nach dem Sturz haften die Schädiger ebenfalls. Dies umfasst sowohl stationäre als auch ambulante Pflege- und Therapiekosten. Angehörige können diese Kosten ersetzt verlangen, soweit sie selbst dafür aufkommen mussten.

Verbleibt dem Patienten durch den Sturz eine Behinderung, haben unterhaltsberechtigte Angehörige Anspruch auf Ersatz des entgangenen Unterhalts. Die Höhe bemisst sich nach der konkreten Unterhaltsverpflichtung des Geschädigten.

Führt der Sturz zum Tod des Patienten, müssen die Schädiger die Beerdigungskosten erstatten. Anspruchsberechtigt sind diejenigen, die gesetzlich zur Tragung der Bestattungskosten verpflichtet waren, in der Regel also die Erben. Zusätzlich können nahe Angehörige ein Hinterbliebenengeld für ihr seelisches Leid verlangen.

Alle genannten Ansprüche können von den Erben geltend gemacht werden, wenn der Patient selbst verstorben ist. Dafür haben die Erben ein Recht auf Einsicht in die Patientenakte, soweit sie Vermögensinteressen wie Schadensersatzansprüche verfolgen.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 823 BGB (Schadensersatzpflicht): Dieser Paragraph ist relevant, da er die allgemeine Schadensersatzpflicht bei unerlaubten Handlungen regelt. Im vorliegenden Fall wird geprüft, ob das Krankenhaus durch eine Pflichtverletzung (Unterlassung von Sicherungsmaßnahmen) einen Schaden verursacht hat.
  • § 276 BGB (Verantwortlichkeit des Schuldners): Dieser Paragraph klärt, inwieweit das Krankenhaus für den Schaden haftet. Es wird untersucht, ob das Krankenhaus fahrlässig gehandelt hat.
  • § 1906 BGB (Genehmigung des Betreuungsgerichts): Im Kontext des Falls relevant für die Frage, ob eine Fixierung oder medikamentöse Ruhigstellung der Patientin ohne Genehmigung des Betreuungsgerichts zulässig war.
  • § 253 BGB (Immaterieller Schaden): Regelt den Anspruch auf Schmerzensgeld. Im Fall wird geprüft, ob und in welcher Höhe dem Kläger Schmerzensgeld zusteht.
  • § 280 BGB (Schadensersatz wegen Pflichtverletzung): Dieser Paragraph ist wichtig, um zu klären, ob eine Verletzung von Pflichten aus dem Behandlungsvertrag vorliegt und welche Schadensersatzansprüche daraus resultieren.
  • § 44 Satz 2 RVG (Erstattung der Rechtsanwaltskosten): Relevant für die Entscheidung über die Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, die der Kläger fordert.
  • § 8 Abs. 2 BerHG (Beratungshilfe): Klärt, ob die Erblasserin vor Inanspruchnahme eines Anwalts Beratungshilfe hätte beantragen müssen, was Auswirkungen auf die Erstattung der Anwaltskosten hat.
  • Verkehrssicherungspflicht: Diese Pflicht umfasst die Verantwortung des Krankenhauses, alle notwendigen und zumutbaren Maßnahmen zu treffen, um die Patientin vor Schäden zu bewahren. Die Verletzung dieser Pflicht ist zentral für die Haftung im vorliegenden Fall.


⇓ Das vorliegende Urteil vom LG Nürnberg-Fürth

LG Nürnberg-Fürth – Az.: 11 O 7141/19 – Endurteil vom 30.03.2023

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.041,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 7.000,00 € seit 07.06.2019 und aus einem weiteren Betrag in Höhe von 41,40 € seit 24.01.2020 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 603,57 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 24.01.2020 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 43,27 % und die Beklagte 56,73 %.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird bis 25.01.2023 auf 30.041,40 € (Klageantrag 1: 20.000 €; Klageantrag Ziffer 2: 41,40 €; Klageantrag Ziffer 3: 10.000 €; Klageantrag Ziffer 4: § 43 GKG) und ab 26.01.2023 auf 20.041,40 € (Klageantrag 1: 20.000 €; Klageantrag Ziffer 2: 41,40 €; Klageantrag Ziffer 4: § 43 Abs. 1 GKG) festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche wegen einer aus Sicht des Klägers fehlerhaften ärztlichen Behandlung seiner am (…) verstorbenen Schwester, der ursprünglichen Klägerin (im Folgenden: Erblasserin), durch die Beklagte sowie wegen eines Sturzes der Erblasserin vom Röntgentisch im Hause der Beklagten.

Die am (…) geborene und unter Betreuung stehende Erblasserin, deren Alleinerbe der Kläger ist, hatte aufgrund einer frühkindlichen Meningitis eine geistige Retardierung und spastische Quadriplegie sowie den Entwicklungszustand einer Zweijährigen, weshalb sie sich in einem Pflegeheim befand. Am Nachmittag des 06.05.2018 stürzte die Erblasserin im Garten des Pflegeheims nach vorne aus dem Rollstuhl. Aufgrund dieses Sturzes, bei dem sich der linke Fuß der Erblasserin unter dem Rollstuhl verfangen hatte, erlitt die Erblasserin eine Wunde an der Stirn sowie eine Beule. Die Erblasserin konnte nach dem Sturz wieder laufen. Da sich am Abend des 06.05.2018 und am Morgen des Folgetages ein Hämatom am Oberschenkel links verbunden mit einer Verhärtung und Schwellung gebildet hatte, wurde die Erblasserin in Begleitung der Zeugin B. am 07.05.2018 zur medizinischen Abklärung zur Beklagten gebracht. Während der daraufhin veranlassten Röntgenuntersuchung des linken Oberschenkels, Beckens und der Hüfte stürzte die Erblasserin, die sich zu diesem Zeitpunkt alleine und ungesichert auf dem Röntgentisch befand, von dem Röntgentisch. Die Erblasserin wurde zunächst aus der Behandlung entlassen, da bei der Röntgenaufnahme keine Fraktur des Oberschenkels sichtbar war. Da die Erblasserin jedoch noch im Hause der Beklagten zweimal erbrach und kurzzeitig bewusstlos gewesen war, wurde eine weitere Sturz-Diagnostik hinsichtlich des Sturzes vom Röntgentisch durchgeführt. Hierfür wurde eine weitere Röntgenaufnahme sowie ein CT zur Abklärung der durch den Sturz erlittenen Verletzungen veranlasst. Auf der Röntgenaufnahme wurde eine Unterschenkelfraktur links diagnostiziert, die mit einer Gipsschienung versorgt wurde. Das durchgeführte CT des Schädels ergab keinen Hinweis auf eine intrakranielle Blutung oder Fraktur. Die Erblasserin wurde zur Überwachung der Commotio bis zum 10.05.2018 stationär bei der Beklagten aufgenommen. Am 08.05.2018 wurde mit der gesetzlichen Betreuerin Rücksprache gehalten, welche auf die Durchführung einer weiteren Diagnostik mittels Polytrauma-CTs drängte, welche – mit Ausnahme eines weiteren CTs – nicht durchgeführt wurde. Mit Schreiben vom 24.04.2019 (Anlage K5) forderte der Prozessbevollmächtigte der Erblasserin die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 02.06.2019 zur Zahlung von Schmerzensgeld auf. Mit Schreiben vom 29.05.2019 (Anlage K6) mahnte der Prozessbevollmächtigte der Erblasserin die Zahlung des Schmerzensgeldes an. Der Haftpflichtversicherer der Beklagten lehnte eine Haftung mit Schreiben vom 06.06.2019 (Anlage K4) ab.

Der Kläger behauptet, die Zeugin B. habe die für die Röntgenaufnahme zuständigen Mitarbeiter der Beklagten auf die bestehende Sturzgefahr bei der Erblasserin hingewiesen. Der Zeugin B. sei jedoch verboten worden, während der Röntgenuntersuchung bei der Erblasserin zu verbleiben. Durch den Sturz vom Röntgentisch habe die Erblasserin eine Fraktur des linken Unterschenkels, eine Commotio cerebri, eine Schwellung und Hämatomverfärbung der kompletten rechten Gesichtshälfte mit Monokelhämatom erlitten. Zudem habe die Erblasserin nach dem Sturz nicht mehr (selbstständig) laufen können. Vor dem Sturz habe sie in Begleitung noch kurze Wege mit dem Rollator zurücklegen können. Durch die Immobilität sei es auch zu psychischen Beeinträchtigungen und Schmerzen aufgrund des dauerhaften Sitzens im Rollstuhl gekommen.

Der Kläger ist der Auffassung, der Erstbefund der Beklagten sei fehlerhaft, da weder die Läsion an der Stirn noch das Hämatom am Oberschenkel beschrieben sei. Zudem hätte vor dem Röntgen eine ärztliche Aufklärung über die Sturzgefahr sowie die Röntgenstrahlung erfolgen müssen. Der Sturz der Erblasserin wäre durch medikamentöse Ruhigstellung, Sicherung der Erblasserin durch eine Begleitperson, Fixierung oder Abbruch der Maßnahme vermeidbar gewesen. Insofern handle es sich bei dem Sturz vom Röntgentisch um ein voll beherrschbares Risiko. Nach dem Sturz hätte bei der Erblasserin ein CT durchgeführt werden müssen, welches die Orbita ebenfalls erfasse. Zudem hätte, wie von der gesetzlichen Betreuerin am 08.05.2018 gewünscht, eine weitere Diagnostik mittels Polytrauma-CT erfolgen müssen. Wegen der durch den Sturz erlittenen Verletzungen stehe ihm, dem Kläger, aus übergegangenem Recht ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 20.000,00 € nebst Zinsen hieraus zu. Bei der Schmerzensgeldbemessung sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Erblasserin nach dem Sturz immobil geworden sei und die Mobilität für die Klägerin einen großen Teil der Lebensqualität ausgemacht habe. Zudem stehe ihm ein Anspruch auf Ersatz von Kopierkosten in Höhe von 41,40 € (Anlage K7) nebst Zinsen hieraus als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung sowie auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 805,15 € nebst Zinsen hieraus zu.

Die Erblasserin hatte mit ihrer der Beklagten am 23.01.2020 zugestellten Klage zunächst – neben den zuletzt von dem Kläger gestellten Anträgen – noch die Feststellung hinsichtlich der Haftung der Beklagten für den bereits entstandenen und zukünftig noch entstehenden materiellen Schaden begehrt. Mit Schriftsatz vom 24.03.2021 sowie in der mündlichen Verhandlung am 26.01.2023 hat der Kläger – nach Aufnahme des Prozesses mit Schriftsatz vom 17.03.2021 (§ 250 ZPO) – den Feststellungsantrag für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 26.01.2023 unter Verwahrung gegen die Kostenlast angeschlossen.

Der Kläger beantragt zuletzt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, einen Betrag in Höhe von 20.000,00 Euro aber nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 03.06.2019.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 41,40 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 805,15 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 03.06.2019 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, Klageabweisung.

Die Beklagte behauptet, die Gefahr eines Sturzes vom Röntgentisch sei für ihre Mitarbeiter nicht erkennbar gewesen. Die Erblasserin habe einen völlig ruhigen Eindruck gemacht. Zudem hätten die Zeuginnen K. und M. mit der Zeugin B. über die Notwendigkeit einer Sicherung gesprochen. Da die Erblasserin jedoch völlig ruhig auf dem Röntgentisch gelegen habe und die Röntgenuntersuchung lediglich wenige Sekunden dauern würde, sei es allen Beteiligten nicht erforderlich erschienen, die Zeugin B. – auch im Hinblick auf deren junges Alter – einer unnötigen Strahlenbelastung auszusetzen, wenn sie zum Zwecke des Festhaltens neben dem Röntgentisch verblieben wäre. Nach Abwägung dieser Gesichtspunkte sei die Röntgenuntersuchung im Einvernehmen mit der Zeugin B. ohne Sicherungsmaßnahmen zur Sturzprophylaxe durchgeführt worden. Die geltend gemachte Fraktur des linken Unterschenkels habe die Erblasserin sich bei dem Sturz aus dem Rollstuhl am 06.05.2018 zugezogen, ebenso wie das Hämatom am linken Oberschenkel.

Die Beklagte ist der Auffassung, eine Aufklärung über mögliche Sturzgefahren sei rechtlich nicht gefordert. Zudem sei aufgrund der geringen Strahlendosis – unabhängig davon, ob die Zeugin B. die richtige Adressatin gewesen wäre – eine Aufklärung über die Röntgenstrahlen ebenfalls nicht erforderlich gewesen. Eine Fixierung bzw. medikamentöse Ruhigstellung der Erblasserin zur Vermeidung eines Sturzes wäre rechtlich ohne Genehmigung des Betreuungsgerichts nach § 1906 Abs. 4 BGB nicht zulässig gewesen. Es sei insofern Aufgabe des Betreuers, eine Genehmigung für eine Fixierung bei dem Betreuungsgericht zu beantragen, sofern dies erforderlich sei. Ohne konkreten Anhalt für eine Gefährdung sei ein Arzt nicht dazu verpflichtet, dem Betreuer eine Beantragung der Fixierung anzuraten. Selbst bei unterstellter Haftung dem Grunde nach bestehe kein Anspruch auf Schmerzensgeld, da nach der Rechtsprechung das Schmerzensgeld seine Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion nicht mehr erfüllen könne, wenn der Geschädigte sie in Folge einer schweren Hirnverletzung nicht mehr wahrnehmen könne, sodass die Zubilligung eines Schmerzensgeldes nur symbolische Wiedergutmachung sein könnte. Wegen des Wegfalls der Ausgleich- und Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes stehe dem Geschädigten in diesem Fall kein Anspruch auf immateriellen Schadensersatz zu. Überdies stehe dem Kläger kein Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu, da die Erblasserin im Hinblick auf ihre Schadensminderungspflicht vor der Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts zur Durchsetzung der ihr vermeintlich gegen die Beklagte zustehenden Ansprüche Beratungshilfe bei Gericht hätte beantragen müssen. Der Erblasserin könne daher allenfalls ein eigener Schaden in Höhe der Beratungsgebühr entstanden sein (§ 8 Abs. 2 BerHG, § 44 Satz 2 RVG).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens, insbesondere zu den (Rechts-)Ausführungen bezüglich des Vorliegens eines voll beherrschbaren Risikos und einer damit gegebenenfalls einhergehenden Beweislasterleichterung, wird auf die Schriftsätze der Parteien vom 02.12.2019 (Bl. 13 ff. d. A.), 02.01.2020 (Bl. 25 f. d. A.), 14.01.2020 (Bl. 33 ff. d. A.), 15.01.2020 (Bl. 31 f. d. A.), 29.01.2020 (Bl. 41 ff. d. A.), 02.03.2020 (Bl. 49 f. d. A., Bl. 51 f. d. A. sowie Bl. 54 f. d. A.), 12.03.2020 (Bl. 60 d. A.), 19.06.2020 (Bl. 120 f. d. A.), 06.07.2020 (Bl. 127 ff. d. A.), 21.07.2020 (Bl. 134 d. A.), 12.02.2021 (Bl. 158 f. d. A.), 23.02.2021 (Bl. 168 f. d. A.), 25.02.2021 (Bl. 170 d. A.), 26.02.2021 (Bl. 171 d. A.), 08.03.2021 (Bl. 176 d. A sowie Bl. 177 ff. d. A.), 16.03.2021 (Bl. 181 d. A.), 17.03.2021 (Bl. 184 d. A. sowie Bl. 185 d. A.), 24.03.2021 (Bl. 187 d. A.), 01.04.2021 (Bl. 189 ff. d. A.), 16.04.2021 (Bl. 183 d. A.), 28.04.2021 (Bl. 195 f. d. A.), 11.05.2021 (Bl. 197 f. d. A.), 19.05.2021 (Bl. 201 f. d. A.), 21.05.2021 (Bl. 203 f. d. A.), 09.06.2021 (Bl. 206 d. A.), 23.06.2021 (Bl. 210 d. A.), 24.06.2021 (Bl. 209 d. A.), 19.07.2021 (Bl. 213 f. d. A.), 11.11.2021 (Bl. 235 d. A.), 17.11.2021 (Bl. 236 f. d. A.), 25.11.2021 (Bl. 239 d. A.), 09.02.2022 (Bl. 243 d. A.), 12.05.2022 (Bl. 250 ff. d. A.), 25.05.2022 (Bl. 254 d. A. sowie Bl. 256 d. A.), 01.06.2022 (Bl. 260 d. A.), 08.06.2022 (Bl. 262 d. A. sowie Bl. 264 d. A.) und 10.06.2022 (Bl. 266 d. A.) sowie auf die mit ihnen vorgelegten Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher Gutachten der Sachverständigen Prof. B.-M., Prof. M. sowie Dr. B., uneidliche Einvernahme der Zeuginnen B., K., M., Dr. P. und Dr. N. sowie mündliche Anhörung der Sachverständigen Prof. B.-M. und Prof. M.. Wegen der Beweisthemen sowie des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Verfügungen vom 15.05.2020 (Bl. 110 ff. d. A.), 23.06.2020 (Bl. 123 f. d. A.), 14.07.2020 (Bl. 130 f. d. A.) und 27.06.2022 (Bl. 269 f. d. A.), die Beweisbeschlüsse vom 17.02.2020 (Bl. 44 ff. d. A.), 19.02.2021 und (Bl. 160 ff. d. A.), die Beschlüsse vom 10.03.2020 (Bl. 57 f. d. A.), 17.04.2020 (Bl. 65 f. d. A.) und 28.06.2021 (Bl. 211 d. A.) und 04.05.2022 (Bl. 246 ff. d. A.), die schriftlichen Gutachten der Sachverständigen Prof. B.-M. vom 05.05.2020 (Bl. 92 ff. d. A.), des Sachverständigen Prof. M. vom 11.05.2020 (Bl. 69 ff. d. A.) und der Sachverständigen Prof. M. und Dr. B. vom 11.10.2021 (Bl. 220 ff. d. A.) sowie die Protokolle zur mündlichen Verhandlung am 04.02.2021 (Bl. 148 ff. d. A.) und 26.01.2023 (Bl. 290 ff. d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Soweit über die Klage im Hinblick auf die übereinstimmende Erledigterklärung des Feststellungsantrags (ursprünglicher Klageantrag 3) noch zu entscheiden ist, ist die zulässige Klage (A.) teilweise begründet (C.).

A.

Die Klage ist zulässig.

I. Das Landgericht Nürnberg-Fürth ist gemäß § 1 ZPO, § 71 Abs. 1, § 23 Nr. 1 GVG sachlich und gemäß §§ 12, 17 ZPO örtlich zuständig.

II. Auch der auf Zahlung eines Schmerzensgelds gerichtete unbezifferte Klageantrag (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) ist zulässig, nachdem die Bestimmung des Betrags vom billigen Ermessen des Gerichts abhängt (§ 253 Abs. 2 BGB) und der Kläger die relevanten Berechnungs- und Schätzungsgrundlagen dargelegt sowie die Größenordnung seiner Vorstellungen in Form eines Mindestbetrags angegeben hat.

B.

Die Voraussetzungen für eine zulässige Anspruchshäufung liegen vor, § 260 ZPO.

C.

Die Klage ist begründet, soweit der Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.000,00 € nebst Zinsen im tenorierten Umfang (I.), Schadensersatz in Höhe von 41,40 € nebst Zinsen im tenorierten Umfang (II.) sowie die Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 603,57 € nebst Zinsen im tenorierten Umfang (III.) geltend macht.

I. Der Kläger hat aus übergegangenem Recht (§ 1922 Abs. 1 BGB) gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 7000 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 07.06.2019. Im Übrigen ist der auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes nebst Zinsen gerichtete Klageantrag Ziffer 1 unbegründet.

1. Der Kläger hat als Erbe der bei der Beklagten behandelten Erblasserin gegen die Beklagte gemäß §§ 630a, 280 Abs. 1, 249 ff., 253 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 7.000 € wegen einer Pflichtverletzung aus dem Behandlungsvertrag.

a. Mit Aufnahme der streitgegenständlichen Behandlung ist ein Behandlungsvertrag im Sinne der §§ 630a ff. BGB zustande gekommen. Zwar wurde die Behandlung der unter Betreuung stehenden Erblasserin zunächst aufgenommen, ohne dass die Zustimmung der gesetzlichen Betreuerin ausdrücklich vorlag oder eingeholt wurde. Es ist jedoch davon auszugehen, dass dieser nichtige Vertragsschluss (§ 105 Abs. 1 BGB) von der gesetzlichen Betreuerin der Erblasserin im Zuge der späteren, auf ihren Wunsch hin erfolgten Fortsetzung der Behandlung (konkludent) bestätigt worden ist (§ 141 Abs. 2 BGB). Denn es entspricht dem typischen Willen der Parteien, ihr Verhältnis von Anfang an, d. h. rückwirkend auf eine einheitliche vertragliche Grundlage zu stellen (Katzenmeier in: Hau/Poseck, BeckOK BGB, 64. Edition, § 630a Rn. 55; Weidenkaff in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 630a BGB, Rn. 5).

b. Die Beklagte hat nach der Überzeugung des Gerichts (§ 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO) bei der Röntgenaufnahme eine Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag verletzt, indem sie keine ausreichenden Schutzvorkehrungen getroffen hat (aa.). Soweit der Kläger die Haftung der Beklagten auf eine fehlerhafte Aufklärung, eine nach dem Sturz unzureichende Befunderhebung und einen fehlerhafter Erstbefund stützt, sind diese Pflichtverletzungen von dem insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Kläger (vgl. BGH, Urteil vom 24.11.2020 – VI ZR 415/19, juris Rn. 10; BGH, Beschluss vom 16.06.2015 – VI ZR 332/14, juris Rn. 9; § 630a BGB) nicht nachgewiesen worden (bb.).

aa. Durch die Beklagte wurde während des Röntgens der Erblasserin am 07.05.2018 eine Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag (§ 241 Abs. 2 BGB) verletzt, indem die Erblasserin während des Röntgenvorgangs alleine auf dem Röntgentisch gelassen wurde und durch die Beklagte keine ausreichenden Vorkehrungen zur Vermeidung eines Sturzes vom Röntgentisch getroffen wurden.

(1) Für den Nachweis einer Nebenpflichtverletzung ist der Kläger die darlegungs- und beweisbelastete Partei, da der allgemeine Grundsatz der Beweislastverteilung, nach dem die Voraussetzungen einer Norm von derjenigen Partei zu beweisen sind, die für sie günstige Rechtsfolgen aus ihr herleitet, auch für die Haftung wegen fehlerhafter Erfüllung eines Behandlungsvertrags und für die Arzthaftung generell gilt (vgl. Wagner in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl., § 630h Rn. 7 mwN). Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers kommt vorliegend die Beweislastumkehr nach § 630h Abs. 1 BGB nicht zur Anwendung, da es sich bei dem Sturz der Erblasserin vom Röntgentisch nicht um ein voll beherrschbares Risiko handelt.

(a) Voll beherrschbare Risiken sind dadurch gekennzeichnet, dass sie durch den Klinikbetrieb gesetzt werden und durch dessen ordnungsgemäße Gestaltung ausgeschlossen werden können und müssen. Sie sind abzugrenzen von den Gefahren, die aus den Unwägbarkeiten des menschlichen Organismus bzw. den Besonderheiten des Eingriffs in diesen Organismus erwachsen und deshalb der Patientensphäre zuzurechnen sind. Denn die Vorgänge im lebenden Organismus können auch vom besten Arzt nicht immer so beherrscht werden, dass schon der ausbleibende Erfolg oder auch ein Fehlschlag auf eine fehlerhafte Behandlung hindeuten würden (vgl. BGH, Beschluss vom 16.08.2016 – VI ZR 634/15, juris Rn. 6).

(b) Gemessen an diesem Maßstab handelt es sich bei dem Sturz vom Röntgentisch nicht um ein voll beherrschbares Risiko. Zwar hätte der Sturz vom Röntgentisch durch geeignete Sicherungsvorkehrungen der Beklagten vermieden werden können, die diese pflichtwidrig unterlassen hat (vgl. hierzu die Ausführungen unter Ziffer C.I.1.b.aa. (3) und (4)). Allerdings handelt es sich vorliegend nicht nur um ein Risiko, dass durch den Klinikbetrieb und dessen ordnungsgemäße Gestaltung ausgeschlossen werden kann und muss. Vielmehr hat sich vorliegend eine Gefahr verwirklicht, die aus den Unwägbarkeiten des menschlichen Körpers erwächst und deshalb der Sphäre der Erblasserin zuzurechnen ist. Es ist vorliegend aufgrund des Verhaltens der Erblasserin zu dem Sturz gekommen.

(2) Aus § 241 Abs. 2 BGB folgt, dass jede Partei ihre Rechte schonend auszuüben hat. Jeder Vertragspartner hat sich bei der Abwicklung des Schuldverhältnisses so zu verhalten, dass Person, Eigentum und sonstige Rechtsgüter des anderen Teils nicht verletzt werden. Hierbei gilt, dass Umfang und Inhalt von Schutzpflichten nicht einheitlich für alle Schuldverhältnisse bestimmbar sind, sie vielmehr vom Zweck des Schuldverhältnisses, der Verkehrssitte und den Anforderungen des redlichen Geschäftsverkehrs abhängen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Verkehrssicherungspflichten innerhalb eines Vertragsverhältnisses zugleich Vertragspflichten sind. Dabei muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung des Vertragspartners tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält (vgl. BGH, Urteil vom 19.01.2021 – VI ZR 188/17, juris Rn. 24 mwN; BGH, Urteil vom 19.07.2018 – VII ZR 251/17, juris Rn. 17 f. mwN). Die Zumutbarkeit von Sicherungsvorkehrungen bestimmt sich dabei unter Abwägung der Wahrscheinlichkeit der Gefahrverwirklichung, der Gewichtigkeit möglicher Schadensfolgen und der Höhe des Kostenaufwands, der mit etwaigen Sicherungsvorkehrungen einhergeht (BGH, Urteil vom 19.07.2018 – VII ZR 251/17, juris Rn. 18 mwN).

(3) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist es als Inhalt der (dienst-)vertraglichen Obhutspflicht anerkannt, dass es dem behandelnden ärztlichen und pflegerischen Personal obliegt, den Patienten zu überwachen und ihn vor krankheitsbedingten Selbstgefährdungen und Selbstschädigungen zu schützen. Umfang und Ausmaß der dem Krankenhaus obliegenden Pflege und Betreuung richten sich in erster Linie nach dem Gesundheitszustand des Patienten. Für die konkrete Ausprägung dieser Pflicht ist es maßgebend, ob im Einzelfall wegen der Verfassung des Patienten aus der Sicht ex ante damit gerechnet werden musste, dass sich der Patient ohne eine besondere Sicherung selbst schädigen würde (vgl. Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 05.06.2012 – 4 U 488/11, juris Rn. 21 mwN). Für die Feststellung, ob sich der Patient in einer Gefahrenlage befunden hat, welche eine Sicherungspflicht im oben erörterten Sinn auslöst, kommt es auf die konkrete Verfassung des Patienten an, namentlich: auf seinen Gesundheitszustand, seine körperliche, seelische und geistige Verfassung vor dem jeweiligen Sturzereignis. Diese Frage kann nicht allgemein und abstrakt, sondern nur in einer gebotenen Einzelfallabwägung beantwortet werden. Eine lediglich latent vorhandene Sturzneigung rechtfertigt eine allgemeine Fixierung und beständige Überwachung eines Patienten nicht. Denn die Beklagte schuldet die Erbringung ihrer ärztlichen und pflegerischen Leistung unter Berücksichtigung der Interessen und Bedürfnisse des Patienten, wozu die Förderung der Selbständigkeit und der Mobilität des Patienten im jeweils angemessenen Maße gehört. Demgegenüber schließt es jedoch auch ein zunächst pflegerisch beherrschbarer Zustand des Patienten nicht aus, dass sich dieser zu einer konkreten Gefahrenlage zuspitzt, in welcher gesteigerte Obhutspflichten bestehen, die eine vorbeugende und sichernde Reaktion des ärztlichen und pflegerischen Personals erfordern (vgl. Thüringer Oberlandesgericht aaO, juris Rn. 22 mwN.).

(4) Unter Berücksichtigung dieses konkreten Maßstabes hat die Beklagte im vorliegenden Fall nicht die ihr zumutbaren Sicherheitsvorkehrungen getroffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Krankenhausbetreiber für ausreichend halten darf, um einen Sturz der Erblasserin vom Röntgentisch zu vermeiden. Es haben hinreichenden Gefahrenanzeichen für eine akute Sturzgefahr vorgelegen (a), die der Beklagten hätten Anlass geben müssen, weitere Maßnahmen zur Überwachung und Sicherung der Erblasserin selbst zu ergreifen oder diese (ggf. im Hinblick auf betreuungsgerichtliche Entscheidungen) über Dritte anzuregen (b). Zu dieser Überzeugung kommt das Gericht nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere unter Berücksichtigung der Behandlungsunterlagen, den uneidlichen Aussagen der Zeuginnen B., M. und K. sowie den Angaben der Sachverständigen Prof. B.-M. Die Zeuginnen Dr. P. und Dr. N. konnten zu dem Sturzgeschehen keine Angaben machen (vgl. S. 6 f. d. Protokolls vom 02.04.2021, Bl. 153 f. d. A.).

(a) Es bestanden aufgrund des Gesundheitszustands sowie der körperlichen und geistigen Verfassung der Erblasserin hinreichende Gefahranzeichen für eine akute Sturzgefahr.

(aa) Die Sachverständige Prof. B.-M. führte in ihrem schriftlichen Gutachten und in der mündlichen Verhandlung insofern aus, dass die Erblasserin seit einer frühkindlichen Meningitis an geistiger Retardierung und spastischer Quadriplegie leide. Diese Patienten bedürften, wie auch z.B. Kleinkinder, einer besonderen Aufsichtspflicht während röntgentechnischer Untersuchungen. Die medizinisch-technische Radiologieassistentin müsse bzw. sollte die Eltern/ den Betreuer befragen, ob die Patientin Anweisungen befolgen und ruhig liegen bleiben könne. Zudem müsse sie sich selbst vergewissern, dass die Patientin ruhig liegen bleibe. Sei dies der Fall, könne man die Röntgenaufnahme ohne Fixierung oder Hilfspersonal durchführen. Bleibe die Patientin nicht ruhig liegen, sollte sie durch eine Begleitperson im Raum beaufsichtigt und gehalten werden. Es könne, falls erforderlich, zudem ein Gurt am Röntgentisch angebracht werden, um die Patientin zu fixieren. Insofern gäbe es keine Leitlinien, anhand derer entschieden werde, wie vorzugehen sei. Es obliege insofern in jedem Einzelfall der Abwägung durch die medizinisch-technische Radiologieassistentin. Diese dürfe nach Abschluss der Prüfung laut Gesetz selbst entscheiden und sei für die Sicherheit und Bequemlichkeit der Untersuchung zuständig. Grundsätzlich werde bei Röntgenaufnahmen immer versucht, ohne Begleitpersonen auszukommen, um die Strahlenbelastung für diese zu vermeiden (vgl. S. 15 ff. d. Gutachtens vom 05.05.2020, Bl. 106 ff. d. A.; S. 8 f. d. Protokolls vom 04.02.2021, Bl. 155 f. d. A.).

Diesen Ausführungen schließt sich das Gericht an. Die gutachterlichen Ausführungen der Sachverständigen Prof. B.-M. sind nachvollziehbar, in sich schlüssig und erfassen die von den Parteien geschilderten Einzelheiten des Falles. Die Sachverständige ist als ehemalige Oberärztin am (…), und (…) Fachärztin für Radiologie zur Beantwortung der an sie gerichteten Beweisfragen fachlich in besonderer Weise berufen. Die Sachverständige vermochte auch die an sie gerichteten Nachfragen überzeugend zu beantworten. Das Gericht sieht sich daher nicht veranlasst, von einer Berücksichtigung der gutachterlichen Äußerungen zur Gänze oder in dem einen oder anderen Punkt Abstand zu nehmen.

(bb) Aufgrund der uneidlichen Aussagen der Zeuginnen B., K. und M. steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Zeuginnen K. und M. von der Zeugin B. über die akute Sturzgefahr vor der Röntgenaufnahme informiert wurden und sich selbst nicht ausreichend vergewissert haben, ob die Erblasserin ruhig liegen bleibt.

Die Zeugin B. gab insofern glaubhaft an, sie wisse aus früheren Röntgensituationen, dass die Erblasserin nicht ruhig liegen bleibe und man am besten das zu röntgende Körperteil festhalte, worauf sie das Röntgenpersonal auch hingewiesen habe (vgl. S. 3 d. Protokolls vom 04.02.2021, Bl. 150 d. A.). Die für die Röntgenaufnahme zuständigen Zeuginnen K. und M. bestätigten diese Aussage insofern, als beide Zeuginnen angaben, die Zeugin B. habe von sich aus angeboten, bei der Erblasserin im Behandlungsraum zu bleiben (vgl. S. 4 ff. d. Protokolls vom 04.02.2021, Bl. 151 ff. d.A.). Soweit die Zeuginnen K. und M. angaben, sich an den Grund für dieses Angebot der Zeugin B. nicht mehr erinnern zu können, steht dies nicht im Widerspruch zu der Aussage der Zeugin B. und widerlegt diese gerade nicht. Nach der Überzeugung des Gerichts spricht diese Tatsache, dass die Zeugin B. von sich aus angeboten habe, bei der Erblasserin zu bleiben, vielmehr dafür, dass die Zeugin B. die Zeuginnen K. und M. auch über die bei der Erblasserin bestehende Sturzgefahr informiert hat. Andere Gründe, aus denen die Zeugin B. dieses Angebot gemacht haben soll, sind nicht ersichtlich.

Die Zeuginnen K. und M. haben sich nicht ausreichend vergewissert, ob die Erblasserin ruhig liegen bleibt. Zwar gaben die Zeuginnen K. und M. in ihrer jeweiligen Vernehmung insoweit übereinstimmend an, die Erblasserin hätte nach ihrer Wahrnehmung ruhig da gelegen (vgl. S. 4, 6 d. Protokolls vom 04.02.2021, Bl. 150, 153 d. A.). Diese Wahrnehmung stellt jedoch keine ausreichende Sicherheit dafür dar, dass die Erblasserin, die unstreitig den geistigen Entwicklungszustand einer Zweijährigen hatte, auch tatsächlich liegen blieben werde. Die Zeugin M. gab insofern in ihrer Vernehmung an, sie spreche grundsätzlich mit jedem Patienten, so auch mit der Erblasserin. Sie wisse jedoch nicht, ob die Erblasserin sie verstanden habe und was die Erblasserin verstanden habe. Diese Einschätzung der Zeugin M. wurde insofern durch die Zeugin B. bestätigt, die angab, die Erblasserin sei zwar in der Lage, die eine oder andere Aufforderung zu verstehen oder zu befolgen. Sie könne es jedoch nicht umsetzen, wenn man ihr sage, sie solle sich beim Röntgen ruhig hinlegen. Gerade vor diesem Hintergrund, dass die Zeugin M. nicht sicher wusste, ob die Erblasserin ihre Anweisung verstanden hatte und diese umsetzen werde, durfte sie die Erblasserin nicht alleine in dem Röntgenraum lassen, auch wenn die Röntgenaufnahme, wie von den Zeuginnen K. (vgl. S. 4 d. Protokolls vom 04.02.2021, Bl. 151 d. A.) und M. (vgl. S. 6 d. Protokolls vom 04.02.2021, Bl. 153 d. A.) glaubhaft geschildert und von der Sachverständigen B.-M. bestätigt (vgl. S. 17 d. Gutachtens vom 05.05.2020, Bl. 108 d. A.), nur wenige Sekunden dauert.

(b) Unter Berücksichtigung dieser Gefahrenanzeichen hätte die Beklagte entweder selbst weitere Maßnahmen zur Sicherung der Erblasserin (z.B. Begleitperson mit entsprechender Röntgenschutzkleidung, Anbringen von Gurten, höhenverstellbarer Röntgentisch, Abbruch der Maßnahme) ergreifen müssen oder bei der Betreuerin Maßnahmen im Hinblick auf betreuungsgerichtliche Entscheidungen (z.B. Fixierung, medikamentöse Ruhigstellung) anregen müssen. Diese Maßnahmen sind der Beklagten auch unter Abwägung der Wahrscheinlichkeit der Gefahrverwirklichung, der Gewichtigkeit möglicher Schadensfolgen und der Höhe des Kostenaufwands, der mit etwaigen Sicherungsvorkehrungen einhergeht, zumutbar, zumal bei der Beklagten nach Angaben der Zeugin M. (vgl. S. 6 d. Protokolls vom 04.02.2021, Bl. 153 d. A.) bereits entsprechende Schutzkleidung vorhanden sei. Die Anforderung eines Bettes mit Gittern scheidet insofern als Sicherungsmaßnahme aus, da hierbei nach den Angaben der Sachverständigen B.-M. kein ausreichendes Röntgenbild möglich gewesen wäre (vgl. S. 8 d. Protokolls vom 04.02.2021, Bl. 155 d. A.). Soweit die Zeugin B. im Hinblick auf deren Alter und trotz bei der Beklagten vorhandener Röntgenschutzkleidung als Begleitperson ausgeschieden sein sollte, hätten andere Sicherungsmaßnahmen, wie z.B. der Abbruch der Maßnahme, getroffen werden müssen.

bb. Die Beklagte hat weitere Pflichten aus dem Behandlungsvertrag nicht verletzt (§ 280 Abs. 1 BGB). Zu diesem Ergebnis gelangt das Gericht unter Berücksichtigung der Ausführungen der Sachverständigen Prof. B.-M. und Prof. M.. Diese konnten den vorliegenden objektivierbaren Informationen keine Hinweise auf ein unsorgfältiges Handeln der Beklagten hinsichtlich der Behandlung der Erblasserin entnehmen.

(1) Die gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen Prof. M. sind nachvollziehbar, in sich schlüssig und erfassen die von den Parteien geschilderten Einzelheiten des Falles. Der Sachverständige ist als stellvertretender Klinikdirektor der Abteilung für Orthopädie des (…) zur Beantwortung der an ihn gerichteten Beweisfragen in besonderer Weise berufen. Er vermochte die an ihn gerichteten Nachfragen überzeugend zu beantworten. Das Gericht sieht sich daher nicht veranlasst, von einer Berücksichtigung der gutachterlichen Äußerungen zur Gänze oder in dem einen oder anderen Punkt Abstand zu nehmen.

(2) Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme (§ 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO) steht ein Behandlungsfehler der Beklagten nicht fest, da die Behandlung dem anerkannten orthopädischen und radiologischen Facharztstandard entsprach.

(a) Eine Pflichtverletzung kann nicht auf eine fehlerhafte Aufklärung gestützt werden.

(aa) Der Behandler ist verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie (§ 630e Abs. 1 Satz 1, 2 BGB). Weiter ist der Patient über sämtliche Risiken aufzuklären, die mit dem Eingriff verbunden sind, nicht jedoch über allgemeine Schadensrisiken, die sich zwar aus Anlass des Eingriffs materialisieren könnten, deren Eintrittswahrscheinlichkeit jedoch nicht oder nur ganz unwesentlich erhöht wird (vgl. Wagner in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl, § 630e Rn. 17 mwN).

(bb) Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs war weder eine Aufklärung über die Sturzgefahr noch über die Röntgenstrahlen erforderlich.

Bei der Sturzgefahr handelt es sich nicht um ein der Röntgenaufnahme spezifisch anhaftendes Risiko, sondern um ein allgemeines Schadensrisiko, das lediglich aus Anlass der Röntgenuntersuchung eintreten kann.

Auch über die mit der Röntgenaufnahme einhergehenden Röntgenstrahlungen war nicht aufzuklären. Die Erblasserin wurde durch die Zeugin B. zur Beklagten gebracht, um die Verletzungen am Oberschenkel abklären zu lassen. In diesem bewussten Behandlungsbegehren liegt eine wirksame Einwilligung in die für die Abklärung notwendigen Standardmaßnahmen wie Durchführung einer Röntgenaufnahme. Einer ausdrücklichen und detaillierten Aufklärung und Einwilligungserklärung bedurfte es hierfür nicht (so auch OLG Koblenz, Urteil vom 02.12.1998 – 1 U 1826/97, juris Rn. 53).

(cc) Vor diesem Hintergrund kann es dahinstehen, ob eine Aufklärung durch den Arzt hätte erfolgen müssen und wer Adressat der Aufklärung gewesen wäre (§ 630e Abs. 5 BGB).

(b) Eine Pflichtverletzung der Beklagten ist ferner nicht mit einer fehlerhaften Befunderhebung nach dem Sturz vom Röntgentisch begründbar.

Der Sachverständige Prof. M. führt insoweit in seinem schriftlichen Gutachten aus, dass die erhobenen Befunde ausgereicht hätten, um eine korrekte Diagnose zu stellen. Insofern könne bei der Abklärung und Behandlung nach dem Sturz kein Befunderhebungs-, Diagnose- oder Behandlungsfehler festgestellt werden. Durch die Beklagte sei in zeitnahem Abstand nach dem Sturz am 07.05.2018 eine umfassende radiologische Diagnostik (CT des Schädels, eine Röntgenaufnahme des Thorax sowie des linken Oberschenkels und linken Unterschenkels) erfolgt. Hierbei sei durch die Beklagte zutreffend eine Fraktur des linken Unterschenkels und ein Galeahämatom rechts orbital festgestellt worden. Zudem sei am 08.05.2018 ein erneutes CT des Gesichtsschädels und eine Röntgenaufnahme des linken distalen Oberschenkels durchgeführt worden, wobei sich keine weiteren Verletzungsfolgen gezeigt hätten (vgl. S. 15 f., 22 d. Gutachtens 11.05.2020, Bl. 83 f., 90 d. A.). Die Sachverständige Prof. B.-M. führte insofern aus, dass das am 07.05.2018 durchgeführte CT die Orbita beidseits einschließe; das CT beginne in Höhe der sinus maxillaris und reiche bis zur Schädeldecke (vgl. S. 5 d. Gutachtens vom 05.05.2020, Bl. 96 d. A.).

(c) Eine Pflichtverletzung der Beklagten ist nicht mit einem fehlerhaften Erstbefund im Aufnahmedokument begründbar.

Zum einen führt der Sachverständige Prof. M. insofern in seinem schriftlichen Gutachten vom 11.05.2020 aus, dass in der Aufnahmedokumentation vom 08.05.2018 ein Hämatom am linken Oberschenkel angegeben sei (vgl. S. 10 d. Gutachtens, Bl. 87 d. A.). Zum anderen war eine Aufnahme der Läsion an der Stirn nicht erforderlich, da die Erblasserin zur Abklärung der Verletzungen am Oberschenkel zur Beklagten gebracht wurde.

(d) Auch im Übrigen konnte während des stationären Aufenthalts der Erblasserin bei der Beklagten vom 07.05.2018 bis 10.05.2018 ein Behandlungsfehler nicht festgestellt werden.

Der Sachverständige Prof. M. führt insoweit in seinem schriftlichen Gutachten aus, dass bei der Abklärung und Behandlung nach dem Sturz vom Röntgentisch kein Diagnose- oder Behandlungsfehler festgestellt werden könne (vgl. S. 22 d. Gutachtens vom 11.05.2020, Bl. 90 d. A.). Die Sachverständige Prof. B.-M. führte insoweit in ihrem schriftlichen Gutachten aus, dass die schriftlichen Befundberichte vom 07.05.2018 und 08.05.2018 korrekt gewesen seien (S. 5, 7, 11, 14 f. d. Gutachtens vom 05.05.2020, Bl. 96, 98, 102, 105 f. d. A.).

c. Durch den Sturz vom Röntgentisch hat die Erblasserin nach der Überzeugung des Gerichts eine Unterschenkelfraktur, Comotio cerebri sowie Schwellung und Hämatomverfärbung der gesamten rechten Gesichtshälfte mit Monokelhämatom erlitten (bb.). Zudem kam es aufgrund des Sturzes zu einer Einschränkung und Verschlechterung der Mobilität und damit einhergehend zu einer Einschränkung der Lebensqualität (cc.). Soweit von dem Kläger als kausale Sturzfolge eine Verletzung der Fibula (dd.) sowie Schmerzen aufgrund des Sitzens im Rollstuhl und psychische Beeinträchtigung (ee.) geltend gemacht wird, steht dies nicht zur Überzeugung des Gerichts fest. Zu diesem Ergebnis gelangt das Gericht unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen Prof. M. sowie der Sachverständigen Dr. B.

aa. Auch die diesbezüglichen gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen Prof. M. sind nachvollziehbar, in sich schlüssig und erfassen die von den Parteien geschilderten Einzelheiten des Falles. Er ist auch hinsichtlich der kausalen Sturzfolgen zur Beantwortung der an ihn gerichteten Beweisfragen in besonderer Weise berufen. Der Sachverständigen Prof. M. vermochte auch die insofern an ihn gerichteten Nachfragen überzeugend zu beantworten. Soweit das schriftliche Gutachten vom 11.10.2021 unter Mitwirkung von Dr. B. erfolgte, sind auch deren Ausführungen nachvollziehbar, in sich schlüssig und erfassen die von den Parteien geschilderten Einzelheiten des Falles. Die Sachverständige ist als Leiterin der Neuroorthopädie zur Beantwortung der an sie gerichteten Beweisfragen in besonderer Weise berufen. Das Gericht sieht sich daher nicht veranlasst, von einer Berücksichtigung der gutachterlichen Äußerungen zur Gänze oder in dem einen oder anderen Punkt Abstand zu nehmen.

bb. Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme (§ 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO) steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Erblasserin aufgrund des Sturzes vom Röntgentisch als Primärschaden eine Unterschenkelfraktur, Comotio cerebri sowie Schwellung und Hämatomverfärbung der gesamten rechten Gesichtshälfte mit Monokelhämatom erlitten hat.

Der Sachverständige Prof. M. führt insofern aus, dass mit nahezu an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass die Unterschenkelfraktur, die Commotio cerebri sowie die Schwellung und Hämatomverfärbung der kompletten rechten Gesichtshälfte mit Monokelhämatom auf den Sturz vom Röntgentisch zurückzuführen seien (vgl. S. 22 d. Gutachtens vom 11.05.2020, Bl. 90 d. A.).

cc. Überdies steht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme (§ 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO) fest, dass es bei der Klägerin aufgrund des Sturzes vom Röntgentisch als Sekundärschaden zu einer Einschränkung der Mobilität (1) und einer Einschränkung der Lebensqualität einhergehend (2) gekommen ist.

(1) Aufgrund des Sturzes vom Röntgentisch kam es bei der Klägerin zu einer Einschränkung der Mobilität, jedenfalls in Form einer Beschleunigung der eventuell auch aufgrund der Erkrankung der Erblasserin eintretenden Mobilitätseinschränkung.

Die Sachverständigen Prof. M. und Dr. B. führen insofern aus, dass es aus gutachterlicher Sicht möglich und nach Durchsicht der vorgelegten Unterlagen auch wahrscheinlich erscheine, dass die Erblasserin durch den Sturz vom Röntgentisch eine dauerhafte körperliche Beeinträchtigung sowie einen Gesundheitsschaden erlitten habe. Aufgrund der ausgeprägten kognitiven Einschränkungen lasse sich retrospektiv eine dauerhafte Einschränkung der Mobilität infolge des streitgegenständlichen Sturzes sicher festhalten (vgl. S. 11 d. Gutachtens vom 11.10.2021, Bl. 230 d. A.). In der Dokumentation des Pflegeheims sei im Verlauf zwischen März und Mai 2018 regelmäßig ein Gehen am Gehwagen bzw. Rollator dokumentiert. Vier Tage vor dem Unfall sei die Erblasserin noch in der Lage gewesen, begleitet am Gehwagen zu gehen. Zudem sei dokumentiert, dass die Erblasserin auch nach dem Sturz aus dem Rollstuhl in der Lage gewesen sei, noch in dem für sie üblichen Umfang zu gehen. Nach dem Sturz vom Röntgentisch bis zu ihrem Tod sei ein Gehen der Erblasserin nicht mehr dokumentiert (vgl. S. 4 f. d. Gutachtens vom 11.10.2021, Bl. 223 f. d. A.).

Dem steht insofern nicht entgegen, dass der Sachverständige Prof. M. in der mündlichen Verhandlung ausführte, dass als Ursache für die nicht erfolgte Wiedererlangung der Mobilität der weitere Abbau anzusehen sei, zu dem es durch die Phase der Immobilisierung aufgrund der vorbestehenden Erkrankungen und bereits bestehenden Einschränkungen der Mobilität gekommen sei (vgl. S. 3 d. Protokolls vom 26.01.2023, Bl. 292 d. A.). Auch soweit der Sachverständige Prof. M. in der mündlichen Verhandlung ausführte, dass es nicht mit Sicherheit ausschließbar sei, dass die Verletzung durch den Sturz aus dem Rollstuhl nicht ebenfalls eine entsprechende Immobilität verursacht habe und auch ohne den Sturz vom Röntgentisch und die hieraus resultierenden Folgen zum gleichen Verlauf geführt hätte (vgl. S. 3 d. Protokolls vom 26.01.2023, Bl. 292 d. A.), steht dies der Annahme einer Kausalität ebenfalls nicht entgegen. Der Sachverständige Prof. M. führte in der mündlichen Verhandlung insofern aus, dass insgesamt die Verletzungen durch den Sturz vom Röntgentisch als schwerere anzusehen seien und daher ein höheres Risiko für eine länger andauernde Immobilität mit den entsprechenden Folgen hätten als die isolierte Fibulafraktur. Die Tibia-Fraktur, die durch den Sturz vom Röntgentisch verursacht worden sei, habe definitiv eine Mobilität mit Belastung des Beines, wie es für die Erblasserin erforderlich gewesen sei, nicht zugelassen (vgl. S. 3 d. Protokolls vom 26.01.2023, Bl. 292 d. A.).

Auch sofern der Sachverständige Prof. M. in der mündlichen Verhandlung angab, dass davon ausgegangen werden müsse, dass mit der Zeit – unabhängig von der Verletzung durch den Sturz vom Röntgentisch – eine Verschlechterung eingetreten wäre (vgl. S. 3 d. Protokolls vom 26.01.2023, Bl. 292 d. A.), steht dies der Annahme einer Kausalität ebenfalls nicht entgegen. Der Sachverständige Prof. M. führte insofern aus, dass die Verletzung durch den Sturz vom Röntgentisch die Verschlechterung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit beschleunigt habe (vgl. S. 3 d. Protokolls vom 26.01.2023, Bl. 292 d. A.).

(2) Überdies kam es bei der Klägerin aufgrund des Sturzes vom Röntgentisch zu einer Einschränkung der Lebensqualität, da die Mobilität der Erblasserin sturzbedingt dauerhaft eingeschränkt war.

Die Sachverständigen Prof. M. und Dr. B. führen insofern aus, dass die Lebensqualität auf verschiedene Arten beurteilt werden könne. Bei Menschen mit Behinderungen werde in der Regel die Erfüllung bestimmter Basisbedürfnisse bewertet. Dazu würden Schmerzfreiheit, soziale Teilhabe/ Partizipation, Autonomie/ Selbstbestimmung und Selbstständigkeit sowie Mobilität zählen (vgl. S. 10 d. Gutachtens vom 11.10.2021, Bl. 229 d. A.). Man definiere den Symptomkomplex, der bei der Erblasserin vorgelegen habe, entsprechend der aktuell gebräuchlichen Einteilung der SCPE Working Group heute am ehesten als „bilaterale spastische Cerebralparese“. Die Lebenserwartung von Menschen mit Cerebralparese werde im Wesentlichen unter anderem durch Bewegungseinschränkungen limitiert. Besonders die unabhängige Mobilität (auch mit Hilfsmitteln) sei ein entscheidender Faktor hinsichtlich der Lebenserwartung. Das Stehen und Gehen führe außerdem zu einer Verbesserung der Gesundheit und gesteigerten Lebensqualität durch positive Einflüsse auf Muskelkraft, Sensorik und Propriozeption, Durchblutung und Leistungsfähigkeit des Gehirns, Muskelverkürzungen, Gelenkentwicklung, Inaktivitätsosteoporose, urologischen Funktionen, gastrointenstinale Funktionen, kardipulmonale Leistungsfähigkeit und psychologische Probleme (vgl. S. 6 ff. d. Gutachtens vom 11.10.2021, Bl. 225 ff. d. A.).

dd. Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme (§ 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO) steht nicht fest, dass die Erblasserin durch den Sturz vom Röntgentisch eine Fraktur im Bereich der Fibula erlitten hat. Der insofern für den kausalen Primärschaden darlegungs- und beweisbelastete Kläger (vgl. BGH, Beschluss vom 14.01.2014 – VI ZR 340/13, juris Rn. 5) ist diesbezüglich beweisfällig geblieben.

Der Sachverständige Prof. M. führte insofern aus, dass nicht mit Sicherheit festgestellt werden könne, dass die Fraktur der Fibula auf den Sturz vom Röntgentisch zurückzuführen sei (vgl. S. 2 d. Protokolls vom 26.01.2023, Bl. 291 d. A.). Die Fraktur im Bereich der Fibula könne auch bereits vor dem streitgegenständlichen Sturz vom Röntgentisch bestanden haben und durch den Sturz aus dem Rollstuhl entstanden sein, da hier bereits ein Druckschmerz im Bereich der Tibia/ des Kniegelenks dokumentiert sei (vgl. S. 18 d. Gutachtens vom 11.05.2020, Bl. 86 d. A.; S. 3 d. Protokolls vom 26.01.2023, Bl. 292 d. A.).

ee. Überdies steht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme (§ 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO) nicht fest, dass die Erblasserin durch den Sturz vom Röntgentisch als Sekundärschaden Schmerzen und psychische Beeinträchtigungen aufgrund des Sitzens im Rollstuhl erlitten hat. Der insofern für den kausalen Sekundärschaden darlegungs- und beweisbelastete Kläger (vgl. BGH, Beschluss vom 14.01.2014, VI ZR 340/13, juris Rn. 5) ist diesbezüglich beweisfällig geblieben.

Die Sachverständigen Prof. M. und Dr. B. führen insofern aus, dass die Erblasserin auch schon vor dem streitgegenständlichen Unfall immer wieder gejammert, geschrien und geweint habe. Ob dies nach dem Unfall mehr war oder häufiger aufgetreten sei, lasse sich anhand der Dokumentation nicht eindeutig objektivierbar belegen (vgl. Seite 10 d. Gutachtens vom 11.10.2021, Bl. 229 d. A.).

d. Das Verschulden der Beklagten wird gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet. Die Beklagte hat sich nicht exkulpiert. Der Beklagten ist das Verhalten der Zeuginnen K. und M. zuzurechnen (§ 278 BGB) und die Beklagte hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten (§ 276 Abs. 1 BGB). Nach der Überzeugung des Gerichts (§ 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO) liegt ein grob fahrlässiges Handeln der Beklagten vor (§ 276 Abs. 2 BGB).

aa. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die Beklagte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt und schon einfachste ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (vgl. BGH, Urteil vom 11.05.2017 – III ZR 92/16, juris Rn. 19 mwN).

bb. Gemessen an diesem Maßstab ist das Verhalten der Beklagten grob fahrlässig.

Trotz hinreichender Gefahranzeichen für eine Sturzgefahr der Erblasserin wurden durch die Beklagte keinerlei Sicherungsmaßnahmen getroffen. Gerade aus den Schilderungen der Zeuginnen wird die insoweit erfolgte Fehleinschätzung der Zeuginnen K. und M. deutlich. Das Gericht berücksichtigt bei dieser Beurteilung auch, dass die Sachverständige B.-M. in ihrem Gutachten und in der mündlichen Anhörung insofern ausführte, dass sie eine Fehleinschätzung durch die Zeuginnen K. und M. als schicksalshaft und allenfalls als einfachen Behandlungsfehler einstufe (vgl. S. 17 f. d. Gutachtens vom 05.05.2020, Bl. 108 f. d. A; S. 8 f. d. Protokolls vom 04.02.2021, Bl. 155 f. d. A.). Diese Ausführungen stehen der Annahme einer groben Fahrlässigkeit jedoch nicht entgegen, da die Sachverständige insofern Ausführungen zu dem Vorliegen eines (groben) Behandlungsfehlers macht, der an dem jeweils geltenden Facharztstandard zu messen ist. Vorliegend beurteilt sich die Frage nach der groben Fahrlässigkeit jedoch nicht nach dem geltenden Facharztstandard, sondern nach dem Maß der Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Unter Berücksichtigung dieses Beurteilungsmaßstabes liegt eine grobe Fahrlässigkeit vor, da es die Zeuginnen M. und K. unterließen, weitere Sicherungsvorkehrungen zu treffen, obwohl sie von der Zeugin B. über eine entsprechende Sturzgefahr informiert wurden und nicht sicher wussten, ob die Erblasserin ihre Anweisungen verstanden hatte. Vor diesem Hintergrund ist es eine naheliegende Überlegung und Maßnahme, die jedem in diesem Fall einleuchtet, weitere Sicherungsvorkehrungen zu treffen, insbesondere der Zeugin B. eine im Hause der Beklagten vorhandene Strahlenschutzkleidung anzubieten und sie bei der Erblasserin zu lassen.

e. Nach der Überzeugung des Gerichts (§ 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO) ist unter Würdigung aller Umstände ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.000 € angemessen, § 253 Abs. 2 BGB.

aa. Die Funktion des Schmerzensgeldes besteht nach ständiger Rechtsprechung darin, dem Verletzten einen Ausgleich für die erlittenen immateriellen Schäden und ferner Genugtuung für das ihm zugefügte Leid zu geben (vgl. BGH, Urteil vom 13.10.1992 – VI ZR 209/91, juris Rn. 25). Maßgebend für die Höhe des Schmerzensgeldes sind im Wesentlichen die Schwere der Verletzungen, das durch diese Verletzungen bedingte Leiden, dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten und der Grad des Verschuldens des Schädigers. Dabei geht es nicht um eine isolierte Schau auf einzelne Umstände des Falles, sondern um eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalles. Diese hat der Tatrichter zunächst sämtlich in den Blick zu nehmen, dann die fallprägenden Umstände zu bestimmen und diese im Verhältnis zueinander zu gewichten. Dabei sind in erster Linie die Höhe und das Maß der entstandenen Lebensbeeinträchtigung zu berücksichtigen; hier liegt das Schwergewicht. Auf der Grundlage dieser Gesamtbetrachtung ist eine einheitliche Entschädigung für das sich insgesamt darbietende Schadensbild festzusetzen, die sich jedoch nicht rein rechnerisch ermitteln lässt (BGH, Urteil vom 22.03.2022 – VI ZR 16/21, juris Rn. 8). Soweit die Beklagte unter Verweis auf die Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 22.06.1982 – VI ZR 247/80, juris Rn. 9) vorträgt, dass ein Schmerzensgeld aufgrund des geistigen Zustands der Erblasserin zum Zeitpunkt des Sturzes vom Röntgentisch lediglich eine symbolische Wiedergutmachung darstelle, wurde diese Rechtsprechung mittlerweile aufgegeben (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 13.10.1992 – VI ZR 201/91, juris Rn. 28 ff.).

bb. Gemessen an diesem Maßstab erachtet das Gericht ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.000 € für angemessen.

(1) Im Rahmen der Gesamtwürdigung ist hinsichtlich der Schwere der Verletzungen zu berücksichtigen, dass es durch den Sturz kausal zu mehreren Verletzungen der Erblasserin kam, wobei es sich bei der Commotio cerebri, der Unterschenkelfraktur sowie der Schwellung und Hämatomverfärbung der kompletten rechten Gesichtshälfte mit Monokelhämatom um keine schwerwiegenden Verletzungen handelt. Hinsichtlich des durch diese Verletzung bedingten Leidens sowie dessen Dauer ist berücksichtigen, dass die Verletzungen in der Folge ausgeheilt sind. Zudem befand sich die Erblasserin lediglich bis 10.05.2018, mithin drei Tage, zur Beobachtung aufgrund der Commotio cerebri in stationärer Behandlung, wobei dies für die Erblasserin aufgrund ihres geistigen Zustands eine größere Einschränkung darstellte. Hinsichtlich der Unterschenkelfraktur ist bezüglich des hierdurch bedingten Leidens und der Dauer zu berücksichtigen, dass es – auch bedingt durch die Grunderkrankung der Erblasserin – zu einer dauerhaften Einschränkung der Mobilität und einer damit einhergehenden Einschränkung der Lebensqualität geführt hat. Hierbei ist einschränkend zu berücksichtigen, dass durch den Sachverständigen nicht ausgeschlossen werden konnte, dass es auch ohne den Sturz aufgrund der Grunderkrankung der Erblasserin im weiteren Verlauf zu dieser Einschränkung gekommen wäre. Nach der Überzeugung des Gerichts war dieses durch die Verletzungen verursachte Leiden auch durch die Erblasserin wahrnehmbar. Der Sachverständige führte insofern aus, dass die Tatsache, dass Schmerzen nicht geäußert werden können, nicht bedeute, dass diese nicht wahrgenommen werden könnten. Hinsichtlich des Grads des Verschuldens ist zu berücksichtigen, dass eine Pflichtverletzung in Form eines (groben) Befunderhebungs- und Behandlungsfehlers und ein Aufklärungsfehler nicht vorliegen. Hinsichtlich der Nebenpflichtverletzung ist zu berücksichtigen, dass zwar kein vorsätzliches Handeln, jedoch ein grob fahrlässiges Handeln feststeht.

(2) Unter Berücksichtigung aller vorgenannten Gesichtspunkte handelt es sich bei der Unterschenkelfraktur, die zu einer dauerhaften Einschränkung der Mobilität und einer damit einhergehenden Einschränkung der Lebensqualität, und die grob fahrlässige Nebenpflichtverletzung um die prägenden Umstände. Aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen handelt es sich für die Erblasserin gerade bei der eingeschränkten Mobilität um eine besonders schwerwiegende Einschränkung der Lebensqualität.

(3) Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ist für dieses prägende Schadensbild im Verhältnis zu der grob fahrlässigen Nebenpflichtverletzung der Beklagten ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.000 € angemessen.

f. Der Schadensersatzanspruch ist vorliegend auch nicht aufgrund eines Mitverschuldens der Erblasserin zu kürzen (§ 254 BGB).

aa. Ein Mitverschulden begründet einen von Amts wegen zu berücksichtigenden Einwand, sofern sich die entsprechenden Tatsachen aus dem Vortrag des Schädigers ergeben (BGH, Urteil vom 24.01.2018 – XII ZR 120/16, juris Rn. 28). Die Darlegungs- und Beweislast trägt insofern der Schädiger, mithin die Beklagte (vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2020 – III ZR 45/19, juris Rn. 11).

bb. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte ausreichende Tatsachen für ein Mitverschulden vorgetragen hat, da ein Mitverschulden der Erblasserin (§ 254 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB) aufgrund deren geistigen Zustands entsprechend § 827 BGB (vgl. Oetker in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl., § 254 Rn. 34 mwN) ausgeschlossen ist. Auch ein Mitverschulden der Zeugin B., das die Erblasserin sich gegebenenfalls gemäß § 254 Abs. 2 Satz 2 BGB i.V.m. § 278 BGB zurechnen lassen müsste (vgl. zu den Voraussetzungen hierzu: BGH, Urteil vom 03.07.1951 – I ZR 44/50, juris Rn. 7 f.), ist nicht gegeben, da die Zeugin B. die Beklagte auf die bestehende Sturzgefahr hingewiesen hat.

2. Ein weitergehender Anspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 229 StGB, § 831 BGB jeweils in Verbindung mit §§ 249 ff., 253 Abs. 2 BGB, da sich bei der Schmerzensgeldbemessung keine Unterschiede zu den vorstehenden Ausführungen ergeben.

3. Das zu zahlende Schmerzensgeld ist in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 07.06.2019 zu verzinsen (§§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, Abs. 4 § 288 Abs. 1 BGB).

a. Gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB tritt Verzug frühestens mit Fälligkeit ein. Vorliegend war die Zahlung des Schmerzensgelds aufgrund der Fristsetzung bis zum 02.06.2019 erst ab dem 03.06.2019 fällig (§ 271 Abs. 2 BGB).

b. Die Beklagte befindet sich gemäß § 187 BGB analog seit dem 07.06.2019 in Verzug, da die Haftpflichtversicherung der Beklagten, die für diese die Verhandlungen führte und insofern die Vertreterin der Beklagten war, mit Schreiben vom 06.06.2019 eine Haftung und damit die Zahlung eines Schmerzensgeldes ablehnte. Aufgrund dieses Schreibens war eine Mahnung durch die Erblasserin ab diesen Zeitpunkt entbehrlich (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB).

Entgegen der Auffassung des Klägers befindet sich die Beklagte nicht bereits seit 03.06.2019 in Verzug. Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 28.05.2019 setzte die Beklagte insofern nicht in Verzug, da die Schmerzensgeldleistung zu diesem Zeitpunkt noch nicht fällig war (§ 286 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die insofern durch den Prozessbevollmächtigten gesetzte Frist bis 02.06.2019 machte eine Mahnung auch nicht nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich, da es sich insofern weder um eine gesetzliche noch vertragliche noch durch Urteil gesetzte Frist handelt (vgl. hierzu: BGH, Urteil vom 25.10.2007 – III ZR 91/07, juris Rn. 7). Ein diesbezüglicher gerichtlicher Hinweis war nicht erforderlich (§ 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

c. Das Vertreten müssen wird vermutet, § 286 Abs. 4 BGB. Die Beklagte hat sich diesbezüglich nicht exkulpiert. Die Zinshöhe ergibt sich aus § 288 Abs. 1 BGB.

II. Dem Kläger steht aus übergegangenem Recht (§ 1922 Abs. 1 BGB) ein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, §§ 249 ff. BGB in Höhe von 41,40 € nebst Zinsen hieraus im tenorierten Umfang zu.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte entsprechend der obigen Ausführungen einen Schadensersatzanspruch dem Grunde nach. Bei den der Erblasserin angefallenen Kopierkosten in Höhe von 41,40 € handelt es sich um notwendige Kosten der Rechtsverfolgung, die gemäß §§ 249 ff. BGB zu ersetzen sind.

2. Der an den Kläger zu zahlende Betrag in Höhe von 41,40 € ist in entsprechender Anwendung des § 187 Abs. 1 BGB ab dem auf die Rechtshängigkeit folgenden Tag, mithin ab dem 24.01.2020, in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen (§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB).

III. Der Kläger hat darüber hinaus aus übergegangenen Recht (§ 1922 Abs. 1 BGB) gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 603,57 € nebst Zinsen hieraus im tenoriertem Umfang. Im Übrigen ist die Leistungsklage (Klageantrag Ziffer 3) unbegründet.

1. Zwar besteht kein Anspruch aus § 280 Abs. 2, § 286 Abs. 1 BGB, weil sich die Beklagte bei Beauftragung des Klägervertreters nicht in Verzug befunden hat. Allerdings kann der Kläger Schadensersatz wegen einer vertraglichen Nebenpflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB verlangen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten kann insofern nicht angenommen werden, dass die Beauftragung eines Rechtsanwalts durch die Erblasserin außerhalb der Beratungshilfe ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht ist (vgl. hierzu BGH, Versäumnisurteil vom 24.02.2011 – VIII ZR 169/10, juris Rn. 11 f. mwN).

2. Der dem Erstattungsanspruch zugrunde zu legende Vermögensschaden (§§ 249 ff. BGB) beläuft sich auf 603,57 €. Der geltend gemachte, nicht anrechenbare Teil der Geschäftsgebühr (0,7 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG) berechnet sich – zuzüglich einer Auslagenpauschale von 20 € und Mehrwertsteuer – aus einem Gegenstandswert von 17.041,40 € (7.000 € + 41,40 € + 10.000 €).

3. Der an den Kläger zu zahlende Betrag in Höhe von 603,57 € ist in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 24.01.2020 zu verzinsen (§ 286 Abs. 1, Abs. 4, § 288 Abs. 1 BGB).

a. Vorliegend war die Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zwar sofort fällig (§ 271 Abs. 1 BGB). Die Beklagte befindet sich jedoch gemäß § 187 BGB analog erst seit dem 24.01.2020 in Verzug, da die Beklagte erst durch Erhebung der Klage gemahnt wurde (§ 286 Abs. 1 Satz 2 BGB). Eine vorherige Mahnung durch die Erblasserin hinsichtlich der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist nicht erfolgt und eine Mahnung war insofern auch nicht gemäß § 286 Abs. 2 BGB entbehrlich. Ein diesbezüglicher gerichtlicher Hinweis war nicht erforderlich (§ 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

b. Das Vertreten müssen wird vermutet, § 286 Abs. 4 BGB. Die Beklagte hat sich diesbezüglich nicht exkulpiert. Die Zinshöhe ergibt sich aus § 288 Abs. 1 BGB.

D.

I. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91a Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 ZPO.

Hinsichtlich der noch streitgegenständlichen Klageanträge folgt die Kostenentscheidung aus § 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 ZPO. Bezüglich der übereinstimmenden Erledigungserklärungen betreffend den Feststellungsantrag (ursprünglicher Klageantrag Ziffer 3) hat das Gericht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen darüber zu entscheiden, wie die Kosten des Rechtsstreits zu verteilen sind. Ausschlaggebend ist hierbei insbesondere der ohne die Erledigterklärung zu erwartende Verfahrensausgang, wobei lediglich eine summarische Prüfung der jeweiligen Erfolgsaussichten erfolgen kann. Grundsätzlich entspricht es billigem Ermessen, der Partei, die ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses unterlegen wäre, die Kosten aufzuerlegen. Vorliegend sind die Kosten für den übereinstimmend für erledigt erklärten Feststellungsantrag nach billigem Ermessen der Beklagten aufzuerlegen, da dem Feststellungsantrag vor dem Hintergrund der Ausführungen unter Ziffer C. bei summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten stattgegeben hätte werden müssen.

II. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

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