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Krankenhaushaftung: Beweislastumkehr bei Lagerungsschaden

OLG Koblenz, Az.: 5 U 1144/16

Beschluss vom 02.12.2016

1. Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 24. August 2016 einstimmig gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Die Klägerin kann zu den Hinweisen des Senats bis zum 30. Dezember 2016 Stellung nehmen. Die Rücknahme der Berufung wird empfohlen.

Gründe

I.

Die Klägerin verfolgt Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Lagerung bei einer orthopädisch-chirurgischen Operation.

Krankenhaushaftung: Beweislastumkehr bei Lagerungsschaden
Foto: giggsy25/Bigstock

Nach einer Spondylodese im Jahr 2004 wurde die Klägerin nach präoperativer Untersuchung einschließlich radiologischer Bildgebung und entsprechender Aufklärung am 5. Januar 2011 in der Klinik der Beklagten in …[Z] erneut operiert. In Bauchlage wurde zunächst der Fixateur intern entfernt und eine Reposition L5/S1 unter Montage eines neuen Fixateurs intern vorgenommen. Nach Wundverschluss erfolgte die Umlagerung auf den Rücken mit retroperitonealem Zugang auf der Wirbelsäule. Der Zugang zu L5/S1 gestaltete sich wegen erheblicher Verklebungen mühevoll. In den Etagen L4/L5 wurde jeweils ein Cage eingebracht und die Wunde anschließend nach Röntgenkontrolle wieder verschlossen.

Postoperativ litt die Klägerin an Schmerzen im Bereich des linken Oberschenkels. Zudem zeigte sich eine leichte Hüftbeugeschwäche sowie eine Zehenheberschwäche auf der linken Seite. Nach Feststellung einer Implantatfehllage erfolgte am 11. Januar 2011 eine dorsale Korrektur-Operation.

Nach Entlassung aus der Klinik klagte die Klägerin weiterhin über eine bestehende Fußheberschwäche links, eine Taubheit in der Schamregion sowie an der linken Oberschenkelinnenvorderseite. Eine neurologische Untersuchung im Juni 2011 ergab bezüglich des Nervus peronaeus links eine reduzierte Nervenleitgeschwindigkeit im Bereich des Fibulaköpfchens.

Die Klägerin hat zur Begründung ihres auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in einer Mindesthöhe von 10.000,00 €, die Erstattung von Kopiekosten hinsichtlich der angeforderten Behandlungsunterlagen von 70,05 €, die Feststellung der Einstandspflicht für jeden weiteren materiellen Schaden sowie die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 523,48 € gerichteten Begehrens vorgetragen, die Nervschädigung an der Oberschenkelinnenseite sei kein eingriffsimmanentes Risiko und daher auf einen Behandlungsfehler zurückzuführen. Die Fußheberparese beruhe auf einer fehlerhaften Lagerung während des operativen Eingriffs. Es sei Druck auf das Fibulaköpfchen ausgeübt und so die Schädigung verursacht worden. Insoweit greife eine Beweislastumkehr wegen der Realisierung eines sog. voll beherrschbaren Risikos. Sie leide nunmehr unter dauerhaften Beeinträchtigungen und Schmerzen, könne keine langen Strecken mehr zu Fuß gegen und habe Schwierigkeiten beim Autofahren.

Die Beklagte hat dem entgegengehalten, von einer Nervschädigung bei dem operativen Eingriff könne nicht ausgegangen werden. Im Übrigen sei für eine fehlerfreie Lagerung Sorge getragen worden. Das an der Operation beteiligte Personal habe darauf geachtet, dass die Beine nicht außenrotiert liegen und alle druckrelevanten Stellen regelgerecht unter Verwendung von Knierollen und Fußpolstern abgesichert worden seien. Zudem sei ein Gurt gegen ein Verrutschen des Beins angelegt worden.

Hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der wechselseitigen Anträge der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 227 ff. GA) Bezug genommen.

Das sachverständig beratene Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Sensibilitätsstörung im linken Oberschenkel sei zwar von einer Schädigung des Nervus genitofemoralis im Zuge der Operation am 5. Januar 2011 auszugehen. Hierbei handele es sich jedoch um die Verwirklichung eines Behandlungsrisikos. Gerade bei Verwachsungen und Verklebungen aufgrund von Voroperationen, wie sie vorliegend bei der Klägerin ausweislich des Operationsberichts gegeben gewesen seien, könne es zu einer Nervschädigung kommen, ohne dass dies dem Operateur vorgeworfen werden könne. Ein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen des Operateurs habe die Klägerin nicht bewiesen. Auch aus der Schädigung der Nervus peronaeus könne die Klägerin keine Schadensersatzansprüche herleiten. Es sei zwar davon auszugehen, dass die Schädigung der Nervus peronaeus durch eine Druckausübung im Bereich des Fibulaköpfchens im Zusammenhang mit der Operation am 5. Januar 2011 eingetreten sei. Allerdings könne insoweit nicht von einem Behandlungsfehler der Beklagten ausgegangen werden. Dabei könne offen bleiben, ob die Grundsätze der Beweisregel des sog. voll beherrschbaren Risikos Anwendung finden. Jedenfalls habe die Beklagte bewiesen, dass eine technisch richtige und nicht zu beanstandende Lagerung der Klägerin vor Beginn des operativen Eingriffs erfolgt sei. Die auf Beweisantritt der Beklagten vernommenen Zeugen hätten die üblichen Abläufe zur Lagerung bei der Operation in Rückenlage in einer dem medizinischen Standard entsprechenden Weise geschildert. So sei es zur Verwendung von Knierollen und Fußpolstern sowie eines Gurtes zum Verhindern des Abrutschens der Beine gekommen. Auch wenn die Zeugen lediglich ihre Lagerungsübung geschildert hätten, sei von einer entsprechenden Vorgehensweise auch bei der Operation der Klägerin auszugehen. Die Angaben der Zeugen seien überzeugend. Einer ordnungsgemäßen Vorgehensweise stehe auch nicht entgegen, dass eine Schädigung nur bei unzulänglicher Lagerung erfolgen könne. Der Sachverständige habe geschildert, dass es zu kleineren Bewegungen während der Operation kommen könne, die unvermeidbar seien. Auf die geklagte Fußsenkerparese könne ebenfalls kein Schadensersatz gestützt werden. Der Sachverständige hat klargestellt, dass eine Druckschädigung des Nervus peronaeus hierfür nicht als Ursache herangezogen werden könne, da die Fußstrecker vom Nervus tibialis innerviert werden. Zudem könne eine Fußsenkerparese aufgrund unzulänglicher Mitwirkung der Klägerin bei der Untersuchung durch den Sachverständigen nicht angenommen werden. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 230 ff. GA) verwiesen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin unter Aufrechterhaltung ihres erstinstanzlichen Begehrens. Bei der Schädigung der Nervus peronaeus sei von der Verwirklichung eines voll beherrschbaren Risikos auszugehen. Das Landgericht habe sich insoweit unzureichend mit den Ausführungen des Sachverständigen beschäftigt. Dieser habe neben einem Lagerungsfehler keine anderweitige Ursache als denkbar angesehen. Er habe ausgeführt, dass durch eine sachgerechte Lagerung ein entsprechender Schaden „vermeidbar“ gewesen wäre. Damit stehe fest, dass eine nicht ordnungsgemäße Lagerung vorgelegen haben müsse. Die Angaben der Zeugen seien vor diesem Hintergrund nicht glaubhaft. Diese hätten auch keine Erinnerung an den Operationsvorgang schildern können und daher nur auf die übliche Lagerung verwiesen. Zudem habe sich das Landgericht nicht mit Widersprüchen in den Ausführungen des Sachverständigen auseinandergesetzt. Im schriftlichen Gutachten habe der Sachverständige ausgeführt, die Schädigung sei durch die Lagerung entstanden. Hingegen habe er in der mündlichen Anhörung eine Druckausübung als Ursache bezeichnet. Die vom Sachverständigen angeführten Fallbeispiele für entsprechende Nervschädigungen bei richtiger Lagerung seien nicht nachprüfbar. Schließlich habe der Sachverständige die vom Landgericht vorgenommene Feststellung, dass sich eine Schädigung „bei optimaler Lagerung gerade nicht gänzlich vermeiden lasse“, nicht vorgenommen. Im Übrigen wird auf die Berufungsbegründung vom 23. November 2016 (Bl. 290 ff. GA) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 70,05 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr jeden weiteren materiellen Schaden zu ersetzen, welcher ihr durch die Operation am 8. Januar 2011 entstanden ist oder noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist oder übergehen wird;

4. die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 523,48 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

II.

Der Senat ist nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand einstimmig der Überzeugung, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Rechtsache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten. Von ihr sind keine neuen Erkenntnisse zu erwarten.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidung des Landgerichts Bezug genommen. Die dagegen erhobenen Angriffe der Berufung überzeugen den Senat nicht.

Von einem Behandlungsfehler der Beklagten kann nicht ausgegangen werden. Dabei unterstellt der Senat zu Gunsten der Klägerin, dass die postoperativ festgestellte Schädigung des Nervus peronaeus als Lagerungsschaden unter der Operation entstanden ist. Dem Ansatz der Klägerin, die Beklagte hafte hierfür, weil sich ein für sie bzw. ihre Hilfspersonen voll beherrschbares Risiko verwirklicht habe, kann indes nicht gefolgt werden, wobei dahinstehen kann, ob die insoweit vom Bundesgerichtshof entwickelte Beweisregel vorliegend Anwendung findet.

1. Anknüpfend an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die eine Beweislastumkehr bei Lagerungsschäden dann ablehnt, wenn dem Patienten eine ärztlicherseits nicht im Voraus erkennbare, extrem seltene körperliche Anomalie vorliegt, die ihn für den eingetretenen Schaden anfällig gemacht hat (vgl. BGH, NJW 1995, 1618), wird die Beweisregel des sog. voll beherrschbaren Risikos bei Lagerungsschäden nicht generell herangezogen. Neben Vorschädigungen des Patienten, die auch bei ordnungsgemäßer Lagerung während der Operation zu Schäden führen können (vgl. hierzu auch OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Oktober 2007 – 14 U 200/05, BeckRS 2011, 25297), wird auch bei während der Operation möglichen kleineren, nicht vermeidbaren Verlagerungen des Körpers des Patienten, die ebenfalls für den Lagerungsschaden ursächlich sein könnten, eine Beweislastumkehr abgelehnt (vgl. nur OLG Hamm, Urteil vom 20. Mai 2011 – 26 U 23/10, BeckRS 2012, 01671; OLG Köln, Beschluss vom 25. Februar 2013 – 5 U 152/12, BeckRS 2013, 20591). Soweit der Senat diese Rechtsprechung zugrunde legt, wäre auch vorliegend nicht von einem voll beherrschbaren Risiko auszugehen, da der Sachverständige klargestellt hat, dass es bei der Lagerung der Klägerin in Rückenlage während der Operation zu nicht vermeidbaren Bewegungen außerhalb des steril zu haltenden Operationsgebiets kommen kann. In diesem Fall obläge es zwar der Beklagten, im Wege ihrer sekundären Darlegungslast zur Art und Weise der vorgenommenen Lagerung vorzutragen. Es bliebe allerdings bei der Beweislast der Klägerin für ein fehlerhaftes Verhalten. Die von der Beklagten geschilderte Lagerung hat der Sachverständige als standardgerecht angesehen, weshalb die Klägerin beweisfällig geblieben wäre, da sie selbst – ohne dass es auf die Würdigung der Aussagen der vernommenen Zeugen ankäme – keinen Beweis für ein standardwidriges Vorgehen angetreten hat.

2. Letztlich kommt es darauf indes nicht an. Selbst wenn der Senat davon ausgeht, dass die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für die technisch richtige Lagerung der Klägerin auf dem Operationstisch trifft, sie also nachweisen muss, dass sämtliche zum Schutz der Klägerin vor etwaigen Lagerungsschäden einzuhaltenden Regeln beachtet wurden, kann ein Behandlungsfehler nicht angenommen werden. Auch wenn die richtige Lagerung als sog. voll beherrschbares Risiko in die Beweislast der Beklagten gestellt wird, muss eine Haftung ausscheiden, wenn diese nachweist, dass sämtliche Sicherungsmaßnahmen getroffen wurden. Die entsprechende Beweisführung ist der Behandlungsseite eröffnet (vgl. nur OLG München, Urteil vom 15. März 2012 – 1 U 3064/11; Senat v. 22.10.2005, 5 U 662/08, NJW 2010, 1759).

Die richterliche Überzeugung von der Richtigkeit der von der Beklagten und der von ihr benannten Zeugen geschilderten Lagerung der Klägerin bei dem operativen Eingriff erfordert keine mathematische Gewissheit. Vielmehr ist ein Grad von Wahrscheinlichkeit ausreichend, der vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet. Soweit die Klägerin anführt, die Zeugen der Beklagten hätten sich an die Behandlung der Klägerin nicht mehr erinnern können und nur ihre übliche Lagerung geschildert, steht dies einer Beweisführung nicht entgegen. Bei der Lagerung der Klägerin in Rückenlage handelte es sich um einen standardisierten Ablauf im Operationsalltag. Dies belegen auch die von den Zeugen angegebenen und von der Klägerin nicht in Streit gestellten Operationszahlen. Eine dauerhaft im Gedächtnis bleibende Erinnerung wäre daher äußerst ungewöhnlich. Insofern kann – wie auch bei anderen Routinemaßnahmen im Klinikalltag – der Nachweis korrekter Lagerung durch die Schilderung der bestehenden Übung erfolgen (vgl. auch OLG Köln, a.a.O.; Senat, a.a.O.). Vor diesem Hintergrund begegnet es keinen Bedenken, wenn das Landgericht anknüpfend an die Angaben der Zeugen eine richtige Lagerung angenommen hat. Der Senat nimmt insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die eingehende Beweiswürdigung des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung Bezug. Diese begegnet keinerlei Bedenken und wird vom Senat in vollem Umfang geteilt. An der Richtigkeit der Angaben der Zeugen besteht auch aus Sicht des Senats kein Zweifel. Insbesondere waren die Angaben ersichtlich nicht darauf angelegt, einen in jeder Hinsicht über sämtliche Zweifel erhabenen klinischen Behandlungsalltag zu schildern. Klar ist allerdings, dass es zur Verwendung von Abpolsterungen gekommen ist. Der Sachverständige Prof. Dr. …[A] hat die von den Zeugen geschildert Lagerungsübung als in jeder Hinsicht standardgerecht bezeichnet.

Die hiergegen von der Klägerin mit der Berufung geführten Angriffe, die sich auf eine Unvereinbarkeit der Angaben der Zeugen mit den Ausführungen des Sachverständigen beziehen, stehen der Überzeugungsbildung nicht entgegen. Die Klägerin beruft sich darauf, angesichts der Ausführungen des Sachverständigen sei eine anderweitige Ursache neben einer fehlerhaften Lagerung nicht denkbar. Dies ergebe sich daraus, dass der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten (dort S. 39) das Auftreten eines lagerungsbedingten Peronaeusschadens als „vermeidbar“ bezeichnet hat, sofern eine ausreichende Abpolsterung des Fibulaköpfchens bei der Lagerung erfolge. Damit stehe fest, dass keine ordnungsgemäße Lagerung erfolgt sein könne. Diese Betrachtung verkürzt die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. …[A] indes entscheidend. Der Sachverständige hat im Anhörungstermin vom 7. Dezember 2015 auf eine Erläuterung seiner in einem Satz erfolgten Darstellung zur Vermeidbarkeit im Gutachten gerichteten Frage darauf hingewiesen, man könne nicht ausschließen, dass es trotz richtiger Lagerung im Verlauf der OP zu dem Schaden gekommen sei (Bl. 146 GA). Es könne während der OP zu Verschiebungen kommen, wodurch der Druck auf das Fibulaköpfchen entstanden sein könne. Solche Veränderungen seien während der OP nicht zu bemerken, da der entsprechende Bereich abgedeckt und nur der reine Operationsbereich sichtbar sei. Diese Bewertung des Sachverständigen ist maßgeblich. Der Sachverständige ist hiermit auch nicht von seiner schriftlichen Darstellung abgewichen, sondern hat diese lediglich näher erläutert. Insoweit hat er seine Einschätzung nicht revidiert, sondern konkretisiert, da im schriftlichen Gutachten zur konkreten Art der Lagerung noch keine Ausführungen gemacht wurden, wohingegen dies in den Anhörungsterminen zentraler Gegenstand der Sachaufklärung war. Insoweit sind seine näheren Ausführungen zu den Möglichkeiten des Entstehens eines entsprechenden Lagerungsschadens zu beachten. Sie begegnen auch keinen Bedenken, zumal die entsprechenden Feststellungen sich mit denen des OLG Hamm zu einem vergleichbaren Fall decken (vgl. OLG Hamm, BeckRS 2012, 01671).

Auch die weiteren von der Klägerin angeführten Widersprüche des Sachverständigengutachtens vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Die Klägerin führt an, der Sachverständige habe in seinem schriftlichen Gutachten eine Schädigung durch die Lagerung als Ursache festgehalten. Hingegen habe er in der Anhörung von einer Druckausübung gesprochen. Hierin liege ein Widerspruch. Dies vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Selbst die Klägerin hat in ihrer Klageschrift vorgetragen, es müsse durch die Lagerung zu einem Druckschaden gekommen sein. Insofern hat auch sie bereits von vornherein zugrunde gelegt, dass es zu einer Druckausübung im Bereich des Fibulaköpfchens gekommen sein muss. Sie hat dies mit der Lagerung in einen Zusammenhang gestellt. Exakt dies entspricht den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen. Dieser hat klargestellt, dass er davon ausgeht, dass es während der Operation durch die Lage der Klägerin zu einer Druckausübung gekommen ist. Hierin besteht kein Widerspruch. Beides kann nicht voneinander getrennt werden. Entscheidend ist vielmehr, ob diese Druckausübung der Beklagten als fehlerhaftes Verhalten vorgeworfen werden kann. Ein Widerspruch des Sachverständigen liegt hierin hingegen nicht.

Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, der Sachverständige habe die Bewertung des Landgerichts, „auch bei optimaler Lagerung lasse sich eine Schädigung nicht gänzlich vermeiden“, in dieser Weise nicht vorgenommen. Der Sachverständige Prof. Dr. …[A] hat darauf verwiesen, dass es während der Operation zu unvermeidbaren Veränderungen der Lage des Patienten kommen kann. Er hat auch klargestellt, dass diese Lageveränderungen nicht bemerkt werden können und sich im abgedeckten Bereich vollziehen. In seiner nochmaligen Erläuterung des schriftlichen Gutachtens im Termin vom 9. Juni 2016 hat er darüber hinaus auf zwei ihm bekannte Fälle in seiner Klinik hingewiesen, in denen es komplikationsbedingt zu einer entsprechenden Schädigung gekommen sei (Bl. 209 GA). Diesen Ausführungen des Sachverständigen lässt sich entnehmen, dass er von einer Sachlage ausgeht, bei der auch die richtige Lagerung nicht zwingend eine Schädigung ausschließen kann. Insoweit hat das Landgericht die Ausführungen des Sachverständigen keinesfalls fehlerhaft gewürdigt oder überdehnt. Vielmehr ist die entsprechende Feststellung des Landgerichts als konsequente Bewertung der Ausführungen des Sachverständigen zu sehen. Dem die entsprechende Würdigung der Bewertung des Sachverständigen unterstützenden Hinweis darauf, er habe bei Nachforschungen ebenfalls zwei komplikationsbedingte entsprechende Schädigungen in seiner Klinik ermitteln können, kann eine Aussagekraft nicht abgesprochen werden. Die Klägerin stellt zwar die richtige Lagerung in diesen Fällen in Abrede. Es ist aber gerade Aufgabe des Sachverständigen, klinische Erfahrungswerte mitzuteilen. Hierzu gehören auch Praxiserfahrungen, in denen aus medizinischer Sicht von einer schicksalhaften Verwirklichung einer Komplikationsmöglichkeit ausgegangen wurde. Zöge man entsprechende klinische Erfahrungen nicht heran, könnten die Parteien in rechtlichen Auseinandersetzungen stets den vom Sachverständigen mitgeteilten klinischen Erfahrungsschatz in Abrede stellen.

Hat nach alledem die Behandlungsseite den Nachweis geführt, die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen getroffen zu haben, kommt eine Einstandspflicht der Beklagten nicht in Betracht. Der abweichende Ansatz der Berufung läuft darauf hinaus, die Behandlungsseite für jedweden Lagerungsschaden haften zu lassen. Das wäre indes nicht mit der vorliegend gegebenen Erkenntnis zu vereinbaren, dass es trotz Beachtung der Sorgfaltsanforderungen bei der Lagerung gleichwohl zu einem Lagerungsschaden kommen kann.

Anderweitige Beweiserleichterungen kommen nicht in Betracht. Von einem Dokumentationsversäumnis ist nicht auszugehen. Auch insoweit nimmt der Senat auf die Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung Bezug.

III.

Aufgrund der vorstehenden Ausführungen bietet die Berufung offensichtlich keine hin- reichende Aussicht auf Erfolg. Auch unter Berücksichtigung des neu gefassten § 522 Abs. 2 ZPO ist eine mündliche Verhandlung aus den eingangs genannten Gründen nicht geboten. Die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 3 ZPO liegen vor.

Der Klägerin wird empfohlen, die Berufung kostensparend zurückzunehmen.

Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf die Streitwertstufe bis zu 19.000,00 € festzusetzen. Erstinstanzlich hat die Klägerin eine Taubheit in der Schamregion und an der linken Oberschenkelinnenvorderseite angeführt. Die Sachaufklärung des Landgerichts ergab insoweit eine als Verwirklichung der Behandlungskomplikation anzusehende Schädigung des Nervus genitofemoralis. In der Berufungsbegründung verfolgt die Klägerin indes ausschließlich den (schwerwiegenderen) Vorwurf einer Schädigung des Nervus peronaeus weiter. Da sie nicht verdeutlicht, dass sie entgegen der Ausführungen des Landgerichts, die an die Darstellung des Sachverständigen anknüpfen, auch die Taubheitsgefühle im Schambereich sowie der linken Oberschenkelinnenvorderseite auf die Schädigung des Nervus peronaeus zurückführt, hat sie insoweit ihr Vorbringen in der Berufungsinstanz eingeschränkt. Auch die vom Landgericht vorgenommene Abweisung von Ansprüchen wegen einer behaupteten Verursachung einer Fußsenkerparese wird in der Berufung nicht thematisiert. Das Landgericht hat insoweit auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen darauf verwiesen, dass der Fußstrecker vom Nervus tibialis innerviert wird. Eine Schädigung des Nervus peronaeus kann also mit der Fußsenkerparese nicht in Zusammenhang gebracht werden. Auch diesen Gesichtspunkt greift die Berufung nicht auf. Insofern schränkt die Klägerin ihre Berufungsangriffe gegenüber dem erstinstanzlichen Vorbringen ein. Selbst wenn daher die in der Berufungsbegründung vorgenommene Angabe des für angemessen angesehenen Schmerzensgeldes in einer Mindesthöhe von 10.000,00 € als Anpassung auch für den Fall einer Schädigung (lediglich des) Nervus peronaeus angenommen wird, ist gleichwohl eine Anpassung des Wertansatzes für das Feststellungsbegehren und damit eine Absenkung des Gegenstandswertes vorzunehmen.

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