OLG Dresden – Az.: 4 U 2899/19 – Beschluss vom 06.04.2020
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Die Klägerin hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung wird aufgehoben.
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch – einstimmig gefassten – Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung der Klägerin bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Zu Recht hat das Landgericht gestützt auf die sachverständigen Ausführungen von Prof. Dr. C… die von der Klägerin geltend gemachten Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche sowie die Feststellung der Einstandspflicht für Schäden verneint. Das Berufungsvorbringen ist nicht geeignet, eine andere Beurteilung zu rechtfertigen.
1. Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, die behandelnden Ärzte der Beklagten hätten ihrem Wunsch nach einer primären Sectio nachkommen müssen. Eine zwingende, zur Fehlerhaftigkeit einer vaginalen Geburt führende Indikation zur Durchführung einer primären Sectio hat der Sachverständige überzeugend verneint. Denn besonders schwerwiegende psychische Probleme, die die Durchführung einer primären Sectio erfordert hätten, liegen dem Sachverständigen zufolge nur dann vor, wenn die Schwangere „komplett außer sich“ und suizidal ist. Dass sich die Klägerin zu irgendeinem Zeitpunkt während ihrer stationären Aufenthalte bei der Beklagten in einem solchen Zustand befunden hätte, sei den Behandlungsunterlagen und auch dem Vorbringen der Klägerin nicht zu entnehmen. Die von der Klägerin geschilderte panische Angst vor der Geburt rechtfertige nur die Annahme einer relativen Indikation. Zudem sei es Aufgabe des behandelnden Frauenarztes und der Hebamme, bestehende Ängste vor einer natürlichen Geburt zu bekämpfen und der Schwangeren Hilfestellung zu leisten. Der Umstand, dass sich die Klägerin auch nach der Erstvorstellung im Hause der Beklagten am 24.05.2017 nicht an einen Psychologen gewandt hat, spricht ebenfalls nicht für derart schwerwiegende psychische Probleme, dass eine primäre Sectio erkennbar zwingend indiziert gewesen wäre. Dies gilt auch für die weiteren von der Klägerin geschilderten Symptome wie Gewichtsverlust, Angst vor einer Trisomie 21 – Erkrankung des Kindes und der – unzutreffende Verdacht auf das Vorliegen eines Helpp-Syndroms.
Auch die weitere Rüge der Klägerin, die behandelnden Ärzte hätten sie darauf hinweisen müssen, dass sie keine Wunsch-Sectio durchführen würden, greift nicht durch. Nach ihrem eigenen Vortrag hat sie bereits anlässlich ihrer ambulanten Vorstellung im Hause der Beklagten am 24.05.2017 den Wunsch nach einer primären Sectio geäußert, der von den behandelnden Ärzten der Beklagten mit dem nach den gutachterlichen Ausführungen zutreffenden Hinweis auf die fehlende zwingende Indikation abgelehnt worden sei. Eine darüber hinausgehende Pflicht der behandelnden Ärzte der Beklagten, die Klägerin dahingehend zu beraten, dass sie in anderen Geburtshilfeeinrichtungen möglicherweise eine Wunsch-Sectio durchführen lassen könne, bestand schon mangels aufklärungspflichtiger Behandlungsalternative nicht. Vor diesem Hintergrund kann auch offenbleiben, ob der erstmals zweitinstanzlich erhobene Vorwurf eines Aufklärungsfehlers ohnehin nicht wegen Verspätung zurückzuweisen ist.
2. Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg, soweit die Klägerin den Vorwurf erhebt, eine später festgestellte Infektion mit diversen pathogenen Keimen sei auf den standardwidrigen Aufenthalt in einem nicht auf der Wöchnerinnenstation gelegenen Familienzimmer bei der Beklagten zurückzuführen.
a) Das Landgericht hat sich zur Beurteilung der Behandlungsfehlerhaftigkeit des Vorgehens zu Recht auf die Sachkunde eines gynäkologischen Gutachters gestützt. Die Hinzuziehung eines Sachverständigen für Hygienefragen, wie von der Klägerin mit der Berufung gefordert, ist nach dem Grundsatz der fachgleichen Begutachtung nicht veranlasst (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 08. März 2018 – 8 U 89/16 -, Rn. 36, juris).
b) Der Sachverständige hat die Unterbringung der Klägerin außerhalb der Wöchnerinnenstation in einem Familienzimmer – unabhängig von der Frage, ob es sich hierbei um die gastroenterologische oder um die Privatstation gehandelt habe – unbeanstandet gelassen. Die Nutzung anderer Stationen für Schwangere sei nicht standardwidrig, da zum einen überall gleiche Hygienestandards einzuhalten seien und zum anderen eine interdisziplinäre Herangehensweise praktiziert werde und auch vorliegend bei der Betreuung der Klägerin unstreitig praktiziert wurde.
c) Zu behaupteten Hygienefehlern, die zu der im Nachgang festgestellten Infektion geführt haben sollen, zeigt die Berufungsbegründung keine Gesichtspunkte auf, die eine abweichende Beurteilung oder auch nur ergänzende Beweisaufnahme zu den landgerichtlichen Feststellungen rechtfertigen würden. Zwar bestehen bei der Behauptung von Hygieneverstößen – wie allgemein im Arzthaftungsrecht – regelmäßig nur maßvolle Anforderungen an die primäre Darlegungslast des Patienten. Es genügt, wenn der beweisbelastete Patient Vortrag hält, der die Vermutung eines Hygienefehlers der Behandlungsseite aufgrund der Folgen für ihn gestattet (BGH, Urteil vom 19. Februar 2019 – VI ZR 505/17 –, BGHZ 221, 139-145, Rn. 18 – 20). Nach diesen Grundsätzen reicht der Vortrag der Klägerin aber nicht aus, eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten zu Art und Umfang der von ihr verfolgten Hygienestandards zu begründen. Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Klage und auch ihrer Berufung lediglich geltend, eine Krankenschwester habe ihr gegenüber die Einhaltung einer besonderen Sorgfalt bei der Desinfektion angemahnt, da es auf der Station „Krankenhauskeime“ bzw. „besonders viele Keiminfektionen“ geben würde. Hierzu hat der Sachverständige überzeugend ausgeführt, dass die von der Klägerin beschriebene Aufklärung über Hygienemaßnahmen in jedem Fall als üblich anzusehen sei. Aus dem Vorhandensein von Keiminfektionen auf der Station könne auch noch nicht auf einen bei der Klägerin infolge des Auftretens einer Infektion manifesten Verstoß gegen Hygienemaßnahmen geschlossen werden, da die Unterbringung der Klägerin in einem Familienzimmer mit einer eigenen Nasszelle erfolgt sei. Sie könne daher keinen ausgiebigen Kontakt mit infizierten Patienten gehabt haben. Die Klägerin hat demgegenüber nicht einmal geltend gemacht, dass sie sich die bakterielle Infektion aufgrund unterdurchschnittlicher hygienischer Zustände in ihrem Krankenzimmer zugezogen habe. Konkrete Anhaltspunkte für einen Hygieneverstoß, die zu einer Verlagerung der sekundären Darlegungslast auf die Beklagte hätten führen können (vgl. BGH, Beschluss vom 16.8.2016 – VI ZR 634/15 – juris), zeigt sie nicht auf (vgl. Senat, Urteil vom 18. Oktober 2016 – 4 U 86/16 –, Rn. 17, juris). Auch der Verweis der Berufung auf das Urteil des OLG Oldenburg vom 03.12.2002 (Az 5 U 100/00) ist nicht überzeugend. Anders als in dem der zitierten Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt steht nach den Ausführungen des Sachverständigen gerade nicht fest, dass es sich bei den später bei der Klägerin festgestellten Keimen um Krankenhauskeime und demnach um einen wahrscheinlich nosokomialen Infektionsfall handelt. Der Sachverständige hat die bei der Klägerin nachgewiesenen Keime als solche bezeichnet, die üblicherweise auf der Haut vorkommen und eher untypisch sind für eine nosokomiale Infektion. Sie würden zwar wahrscheinlich mit der Wundinfektion der Klägerin im Zusammenhang stehen, könnten aber nicht ohne weiteres einer Infektion durch das Krankenhaus und das Klinikpersonal zugeordnet werden. Auch könne nicht auf eine eine Infektion durch Erreger anderer Patienten geschlossen werden. Zu diesen Feststellungen sei er auch als Frauenarzt berechtigt, da er regelmäßig mit der Problematik konfrontiert werde. Eine weitere Darlegung der von der Beklagten beachteten Hygienemaßnahmen oder der Angabe, welche Krankenschwester sich gegenüber der Klägerin geäußert hat, bedarf es daher nicht.
Selbst wenn es sich um eine gastroenterologische Station oder eine Station mit einer hohen Anzahl von Keiminfektionen gehandelt haben sollte, kann zudem hieraus noch nicht geschlossen werden, dass die bei der Klägerin später festgestellte Infektion während ihres Aufenthaltes auf der Station erfolgt ist und dies auf einen der Beklagten anzulastenden Pflichtenverstoß zurückzuführen ist. Aus der Rechtsprechung des BGH (vgl. nur NJW 1991, 1541; BGHZ 171, 358; Beschluss vom 16.08.2016, Az. VI ZR 634/15, zitiert nach juris) ergeben sich bezüglich behaupteter Hygienemängel im Rahmen der ärztlichen Behandlung bei ungeklärter Infektionsquelle grundsätzlich keine Erleichterungen hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast. Nur wenn feststeht, dass die Infektion aus einem hygienisch beherrschbaren Bereich, dessen Gefahren ärztlicherseits objektiv voll ausgeschlossen werden können und müssen, stammt, kommt eine Beweislastumkehr in Betracht. Es ist dann Sache des Arztes oder des Klinikträgers darzulegen und zu beweisen, dass es hinsichtlich des objektiv gegebenen Pflichtenverstoßes an einem Verschulden der Behandlungsseite fehlt (vgl. nur BGH, aaO.). Keimübertragungen, die sich aus nicht beherrschbaren Gründen und trotz Einhaltung der gebotenen hygienischen Vorkehrungen ereignen, gehören dagegen zum entschädigungslos bleibenden Krankheitsrisiko des Patienten (vgl. nur BGH, aaO.). Im Hinblick darauf reicht es nicht, lediglich vorzutragen, dass der betroffene Patient ohne Infektion eine Behandlung angetreten hat und nach der Behandlung infiziert war: Denn das Auftreten einer Infektion allein stellt keinen Anhaltspunkt für einen haftungsbegründenden Mangel dar (vgl. nur OLG Köln, Beschluss vom 10.10.2012, Az. 5 O 69/12, zitiert nach juris; Senat, Urteil vom 18.10.2016 – 4 U 86/16, juris).
Allein aus dem Eintritt der Infektion lässt sich nicht auf eine Verletzung von Hygienevorschriften schließen. Zudem kommt es unter Berücksichtigung der dargestellten Grundsätze auch nicht zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zu Lasten der Beklagten. Denn es lässt sich nicht feststellen, wann und wo bzw. unter welchen Umständen sich die Klägerin infiziert hat. Es gibt keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass es im Rahmen der Behandlung der Klägerin zu einem Hygienemangel in einem von der Behandlungsseite vollbeherrschbaren Bereich gekommen ist, wodurch die tatsächlich eingetretene Infektion verursacht worden ist. Vielmehr ist die Infektionsquelle gänzlich unbekannt.
3. Gegen die einen Behandlungsfehlervorwurf verneinenden weiteren Feststellungen des Landgerichts wendet sich die Klägerin nicht.
Der Senat rät daher zur Rücknahme der Berufung, die zwei Gerichtsgebühren spart.