OLG Dresden – Az.: 4 U 1119/16 – Beschluss vom 06.12.2016
1. Der Termin vom 20.12.2016 wird aufgehoben.
2. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO zurückzuweisen.
Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen nach Erhalt dieses Beschlusses. Innerhalb dieser Frist besteht ebenfalls Gelegenheit zur Rücknahme der Berufung, was der Senat – auch zur Vermeidung weiterer Kosten – empfiehlt.
3. Der Antrag des Klägers, ihm für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
Gründe
A.
Der Senat ist nach einer Vorberatung einstimmig davon überzeugt, dass der Berufung des Klägers offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg zukommt und auch die weiteren Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO gegeben sind.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
I.
Dem Kläger steht der im Berufungsverfahren geltend gemachte Aufwendungs- bzw. Schadensersatzanspruch i.H.v. 6.096,15 EUR wegen entstandener Kosten (Anlage K 4) durch die im Januar 2014 erfolgte Behandlung bei Dr. M. nicht zu.
1.
Der auf zahnprothetische Behandlung gerichtete Vertrag ist nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGHZ 63, 306; BGH, NJW 2001, 1674) zwar grundsätzlich Dienstvertrag, denn zahnärztliche Leistungen sind grundsätzlich Dienste höherer Art. Ein Arzt verspricht regelmäßig nur die sachgerechte Behandlung des Kranken, also seine ärztliche Tätigkeit, nicht aber den gewünschten Erfolg, die Heilung des Kranken. Das Gewährleistungsrecht des Werkvertrages (§§ 634 ff. BGB) gilt aber bei derartigen Verträgen insoweit, als eine spezifisch zahnärztliche Heilbehandlung nicht vorliegt, sondern es sich um die technische Anfertigung der Prothese handelt.
2.
Damit findet vorliegend das Gewährleistungsrecht des Werkvertrages (§§ 634 ff BGB) Anwendung. Denn das Landgericht hat auf Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Dr. K. allein einen Mangel an der bei dem Kläger durch den Beklagten eingegliederten Oberkieferprothese, soweit die eingebauten „Reiterchen“ nicht stabil genug waren (siehe insbesondere Bl. 105 ff dA zum Az. 1 H 15/13 und Bl. 135 ff der Hauptakte), festgestellt.
3.
Weitere Mängel bezüglich der Eingliederung der Oberkieferprothese sind dagegen nach den beanstandungsfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts, an die der Senat nach §§ 529, 531 ZPO gebunden ist, nicht gegeben. Das Landgericht ist insoweit dem Gutachten des Sachverständigen Dr. K. gefolgt, der bereits im Rahmen seiner Gutachtenerstattung im selbständigen Beweisverfahren (Az. 1 H 15/13) zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die vom Beklagten geplante sowie beim Kläger eingegliederte Oberkieferprothese – auch unter Verwendung von lediglich vier statt sechs Implantaten – mit Ausnahme der als Halterung verwandten „Reiterchen“, die nicht stabil genug waren (s.o.), „in Ordnung“ gewesen sei (vgl. Bl. 105 ff dA zum Az. 1 H 15/13). Der Kläger hat sich im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Landgericht das Ergebnis des Sachverständigengutachtens, nämlich dass die „Reiterchen“ als Halterung nicht ausreichend gewesen sind, ausdrücklich zu Eigen gemacht. Darüber hinaus hat der Kläger jedoch die Ausführungen des Sachverständigen, nämlich dass die eingesetzte Oberkieferprothese im Übrigen „in Ordnung“ gewesen sei, nicht weiter angegriffen bzw. hat insoweit die Erläuterung des Gutachtens bzw. Anhörung des Sachverständigen verlangt. Dementsprechend ist der Sachverständige in erster Instanz allein aufgrund der Einwände der Beklagtenseite nochmals in der mündlichen Verhandlung vom 11.05.2016 angehört worden, wobei er in der Anhörung allerdings seine bis dahin getätigten Ausführungen ausführlich erläutert und sodann bestätigt hat. Soweit der Vortrag des Klägers daher im Berufungsverfahren dahin verstanden werden soll, dass – anders als vom gerichtlich bestellten Sachverständigen dargelegt – der Einsatz von lediglich vier statt sechs Implantaten nicht fachgerecht gewesen sei bzw. das Zusammenspiel der Implantate mit der vom Beklagten verwendeten Prothesenart nicht fachgerecht gewesen wäre und er insoweit die Einholung eines weiteren (neu einzuholenden) Sachverständigengutachtens beantragt (Bl. 196 dA), ist die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nicht geboten. Denn die Voraussetzungen für die Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 412 ZPO liegen nicht vor. Vielmehr ist das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. K. ausführlich und in sich schlüssig begründet. Die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen gebieten daher die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nicht, zumal der Kläger im Berufungsverfahren selbst keine konkreten Einwände gegen das Gutachten erhebt, welchen nachzugehen wäre.
4.
Zu Recht hat das Landgericht verneint, dass dem Kläger wegen des festgestellten Mangels bezüglich der „Reiterchen“ der Oberkieferprothese ein Aufwendungsersatzanspruch bzw. ein Schadensersatzanspruch nach §§ 634 ff BGB zusteht. Denn der Kläger hat dem Beklagten vor der durch ihn veranlassten Beseitigung des Mangels keine Frist zur Nacherfüllung nach §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 1 BGB bzw. §§ 634 Nr. 4, 636, 281 Abs. 1 BGB gesetzt. Er ist daher, nachdem er den Mangel der Werkleistung durch den nachbehandelnden Zahnarzt M. hat beseitigen lassen, ohne dem Beklagten zuvor die erforderliche Möglichkeit zur Nacherfüllung gegeben zu haben, mit allen diesbezüglichen Gewährleistungs- bzw. Ersatzansprüchen aus allen dafür etwaig in Betracht kommenden Rechtsgründen ausgeschlossen (vgl. nur BGHZ 162, 219; OLG Düsseldorf, NJW 2014, 1115, m.w.N.; Senat, NJW-RR 2009, 30).
Die Fristsetzung zur Nacherfüllung war vorliegend entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht entbehrlich (vgl. §§ 634 Nr.2, 637 Abs. 2, 323 Abs. 2 BGB bzw. §§ 634 Nr. 4, 636, 281 Abs. 2, 323 Abs. 2 BGB). Insbesondere hat der Beklagte die Beseitigung des Mangels an der Oberkieferprothese nicht ernsthaft sowie endgültig verweigert (a); auch war die Mängelbeseitigung durch den Beklagten für den Kläger zumutbar (b).
a) Soweit der Kläger unter Benennung seiner Ehefrau als Zeugin behauptet, das Personal des Beklagten habe in einem Telefonat mit seiner Ehefrau mitgeteilt, ihn nicht weiter behandeln zu wollen, ergibt sich daraus keine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung bezüglich der Beseitigung des dargestellten Mangels an der Oberkieferprothese, so dass das Landgericht zu Recht die vom Kläger benannte Zeugin nicht vernommen hat. Denn dem Beklagten war in dem Zeitpunkt der Äußerung – für den Kläger ohne Weiteres erkennbar – nicht bekannt, dass ein Mangel an der Oberkieferprothese des Klägers vorlag. Dies räumt der Kläger im Berufungsverfahren selbst ein, indem er u.a. vorträgt: „Dadurch entzündete sich das Arzt-Patient-Verhältnis an dem Streit über den Unterkiefer, bevor über mögliche Nachbesserungen am Oberkiefer überhaupt geredet werden konnte“. Darüber hinaus ergibt sich dies jedoch auch ohne Weiteres aus dem vom Kläger im selbständigen Beweisverfahren (Az. 1 H 15/13) bzw. im Hauptsacheverfahren dargestellten und im unstreitigen Teil des Tatbestandes des angefochtenen Urteils wiedergegebenen Behandlungsablauf. Denn danach befand sich der Kläger wegen der eingegliederten Oberkieferprothese lediglich bis zum 02.07.2009 in der Behandlung bei dem Beklagten. Eine darauffolgende Behandlung durch den Beklagten fand erst im März 2011 im Zusammenhang mit einer Reparatur der – nicht vom Beklagten eingegliederten – Unterkieferprothese des Klägers statt, die der Beklagte sodann, was Gegenstand des Telefonates war, nicht fortsetzen wollte. Erst nach der Beendigung der Behandlung durch den Beklagten im Frühjahr 2011, nämlich im Januar 2012, stellte der Kläger Mängel im Bereich der Oberkieferprothese fest (vgl. nur Ast. 1, Bl. 8 dA, zum Az. 1 H 15/13). Als dem Beklagten bekannt wurde, dass der Kläger Mängel an der Oberkieferprothese geltend machte, lehnte er eine Mängelbeseitigung nicht ab. Im Gegenteil: Der Beklagte forderte den Kläger bereits mit Schreiben vom 04.06.2012 (Ast. 6, Bl. 21 dA zum Az. 1 H 15/13) auf, sich zur Nachbesserung in der Praxis vorzustellen. Auch aus dem weiteren Vortrag des Klägers geht nicht hervor, dass der Beklagte eine Mängelbeseitigung an der Oberkieferprothese verweigerte, im Gegenteil hat er diesbezüglich – worauf auch das Landgericht hingewiesen hat – Nachbesserungsarbeiten durchgehend angeboten.
b) Darüber hinaus ergeben sich aus dem Vorbringen des Klägers aber auch keine Umstände dafür, dass eine Nachbesserung der Prothese durch den Beklagten durch Ersatz der „Reiterchen“ für ihn unzumutbar war. So ist von einer Unzumutbarkeit auszugehen, wenn aus Sicht des Bestellers aufgrund objektiver Umstände das Vertrauen auf ordnungsgemäße Durchführung der Mängelbeseitigung nachhaltig erschüttert ist oder wenn die Nachbesserung dem Besteller im Verhältnis zum Ergebnis der Mängelbeseitigung unzumutbare Unannehmlichkeiten bereitet (vgl. nur Palandt, BGB, 75. Aufl., § 636 Rz. 16 m.w.N.). Dies ist hier, auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Beklagte eine Weiterbehandlung des Klägers bezogen auf den Unterkiefer abgelehnt hat, nicht ersichtlich. Denn soweit die Oberkieferprothese nach ihrer Eingliederung nachzubessern war, hat der Beklagte die Nachbesserung bis zum Juli 2009 vorgenommen. Anschließend hat der Kläger über mehrere Jahre die Oberkieferprothese genutzt, ohne dass bis Anfang des Jahres 2012 Mängel aufgetreten bzw. solche von ihm gegenüber dem Beklagten gerügt worden wären. Zudem ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Mangel an der Oberkieferprothese nach den Ausführungen des Sachverständigen in erster Linie um einen Laborfehler durch den Zahntechniker handelt, den der Beklagte in rechtlicher Hinsicht zwar zu verantworten hat, der aber nicht unmittelbar durch ihn verursacht worden ist. Schließlich hat der Sachverständige aber auch erläutert, dass die Mängelbeseitigung durch die Erneuerung der „Reiterchen“ lediglich zu einem geringen Eingriff beim Patienten führt, da dies allein zur Folge hat, dass er ca. „drei Tage ohne Prothese rumlaufen muss“ (S. 6 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 11.05.2016). Selbst wenn der Beklagte daher aufgrund des gestörten Vertrauensverhältnisses zu dem Kläger die Fortsetzung der Behandlung am Unterkiefer abgelehnt hatte, machte dies vor dem dargestellten Hintergrund, dass die Mängelbeseitigung lediglich den technischen Teil der Prothese betraf, diese für den Beklagten nicht unzumutbar.
II.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung des geltend gemachten Schmerzensgeldes gemäß §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1, 253 BGB.
Nach den – wie oben bereits ausgeführt – beanstandungsfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts, an die der Senat gebunden ist, lag hinsichtlich der beim Kläger durch den Beklagten eingegliederten Oberkieferprothese lediglich ein Mangel bezüglich der „Reiterchen“ vor, während die Leistung des Beklagten im Übrigen – auch hinsichtlich der Implantate – „in Ordnung“ war. Dass allerdings der festgestellte Mangel an der Oberkieferprothese zu einer einen Schmerzensgeldanspruch begründenden Rechtsgutverletzung i.S.d. § 253 Abs. 2 BGB geführt hat, hat der Kläger – wie vom Landgericht ausgeführt – nicht bewiesen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Mangel Eiterherde im Oberkiefer des Klägers verursacht hat. Die Behandlung bei Dr. R. fand ausweislich der vom Kläger vorgelegten Behandlungsunterlagen im Jahr 2011 statt, d.h. zu einem Zeitpunkt als der Kläger Mängel an der Oberkieferprothese selbst noch gar nicht festgestellt bzw. gerügt hat (vgl. Ast1, Bl. 8 dA zum Az. 1 H 15/13). Dr. M. hat ausweislich der vorgelegten Behandlungsunterlagen im Frühjahr 2013 lediglich Eiterherde im Unterkiefer des Klägers dokumentiert. Zudem war der Mangel – wie dargestellt – nach den Ausführungen des Sachverständigen ohne erheblichen Eingriff zu beseitigen.
III.
Nachdem dem Kläger bereits für die Vergangenheit weder ein Schadensersatz- noch ein Schmerzensgeldanspruch aus den dargelegten Gründen zusteht, bleibt daher auch der Antrag auf Feststellung einer Einstandspflicht des Beklagten für alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden ohne Erfolg.
B.
Mangels Erfolgsaussichten der Berufung war auch der Antrag des Klägers, ihm für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, zurückzuweisen.
Insoweit wird zur Begründung auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.