Übersicht
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Ärztlicher Behandlungsfehler: Wann haftet der Arzt?
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- FAQ – Häufige Fragen
- Welche Rechte habe ich als Patient bei einem vermuteten Behandlungsfehler?
- Wann haftet ein Arzt für einen Behandlungsfehler?
- Was ist ein grober Behandlungsfehler und welche Folgen hat er?
- Wie kann ich einen Kausalzusammenhang zwischen Behandlungsfehler und Schaden nachweisen?
- Was bedeutet der Schutzzweckzusammenhang bei Behandlungsfehlern?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Der Klägerin wurde keine Rückzahlung des Zahnarzthonorars und kein Schmerzensgeld zugesprochen.
- Das Gericht bestätigte, dass dem Beklagten ein Behandlungsfehler unterlaufen war.
- Der Behandlungsfehler betraf die fehlende Abdeckschraube auf einem Implantat.
- Es konnte jedoch kein nachweisbarer Schaden für die Klägerin festgestellt werden.
- Weitere behauptete Behandlungsfehler wurden nicht nachgewiesen.
- Das Gericht entschied, dass die vom Beklagten erbrachten Leistungen insgesamt nicht fehlerhaft waren.
- Die Ursache für die Entfernung des Implantats lag nicht in der fehlenden Abdeckschraube.
- Ein grober Behandlungsfehler wurde zwar anerkannt, aber ohne nachteilige Auswirkungen für die Klägerin.
- Die Berufung der Klägerin wurde daher zurückgewiesen.
- Die Kosten des Verfahrens wurden der Klägerin auferlegt.
Ärztlicher Behandlungsfehler: Wann haftet der Arzt?
Jeder Mensch hat das Recht auf eine bestmögliche medizinische Versorgung. Doch was passiert, wenn ein Arzt nicht den medizinischen Standard einhält und dadurch ein Schaden beim Patienten entsteht? In solchen Fällen stellt sich die Frage nach der Haftung des Arztes. Ein zentrales Element in diesem Zusammenhang ist der sogenannte „Schutzzweckzusammenhang“. Dieser beschreibt die enge Verbindung zwischen dem ärztlichen Handeln und dem Schutz des Patienten vor einem bestimmten Schaden. Vereinfacht gesagt muss der Arzt mit seinem Handeln den Schaden, der eingetreten ist, gerade verhindern wollen.
Doch was geschieht, wenn ein Arzt eine Handlung unterlässt, die medizinisch notwendig gewesen wäre? Entsteht in diesem Fall ein Schutzzweckzusammenhang? Und wie verhält es sich, wenn der Arzt trotz Einhaltung des Standards einen Fehler macht? Diese Fragen sind in der Rechtsprechung immer wieder Gegenstand von Auseinandersetzungen. Im Folgenden wird ein konkretes Gerichtsurteil untersucht, welches sich mit dieser Thematik auseinandersetzt.
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Der Fall vor Gericht
Unterlassene Abdeckschraube bei Zahnimplantat führt nicht zu Schadensersatz
Die Klägerin scheiterte mit ihrer Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts Aachen vor dem Oberlandesgericht Köln. Sie hatte von einem Zahnarzt Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen behaupteter Behandlungsfehler bei einer Implantatversorgung im Oberkiefer gefordert.
Grober Behandlungsfehler ohne nachweisbare Folgen
Das OLG Köln bestätigte zwar, dass dem beklagten Zahnarzt ein grober Behandlungsfehler unterlaufen war. Er hatte es versäumt, ein Implantat im Bereich des Zahns 24 nach Abnahme des Aufbauteils (Abutment) mit einer Abdeckschraube zu versehen. Dies sei laut dem gerichtlichen Sachverständigen ein eindeutiger Verstoß gegen bewährte zahnärztliche Behandlungsregeln, der einem Zahnarzt schlechterdings nicht unterlaufen dürfe.
Allerdings konnte die Klägerin nicht nachweisen, dass dieser Fehler zu gesundheitlichen Schäden geführt hatte. Der Sachverständige schätzte die Wahrscheinlichkeit, dass kein Kausalzusammenhang zwischen der fehlenden Abdeckschraube und einer später aufgetretenen Entzündung mit Fistelbildung bestand, auf nahezu 100 Prozent.
Kein Schutzzweckzusammenhang bei Entzündung
Das Gericht verneinte zudem einen Schutzzweckzusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und der eingetretenen Entzündung. Ziel und Zweck einer Abdeckschraube sei es lediglich, das Einwachsen von Gewebe in den Hohlkörper des Implantats zu verhindern. Sie diene nicht dazu, das Eindringen von Keimen und daraus resultierende Infektionen zu verhindern.
Keine Beweise für weitere behauptete Behandlungsfehler
Weitere von der Klägerin behauptete Behandlungsfehler, wie eine fehlerhafte Insertion der Implantate oder mangelhaft sitzende Provisorien, konnte das Gericht nicht feststellen. Es stützte sich dabei auf die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen, die es als überzeugend und nachvollziehbar bewertete.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht, dass selbst ein grober Behandlungsfehler nicht automatisch zu Schadensersatz führt. Entscheidend sind der Nachweis eines Kausalzusammenhangs zwischen Fehler und Schaden sowie der Schutzzweckzusammenhang der verletzten Sorgfaltspflicht. Im vorliegenden Fall scheiterte die Klage, da weder eine Kausalität nachgewiesen werden konnte, noch der Schutzzweck der unterlassenen Abdeckschraube die eingetretene Entzündung umfasste. Dies unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Prüfung aller haftungsrechtlichen Voraussetzungen in der ärztlichen Berufshaftung.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Dieses Urteil verdeutlicht die Komplexität von Arzthaftungsfällen und hat wichtige Auswirkungen für Patienten: Selbst wenn Ihrem Arzt ein grober Behandlungsfehler unterläuft, bedeutet das nicht automatisch, dass Sie Anspruch auf Schadensersatz haben. Um erfolgreich zu sein, müssen Sie nachweisen können, dass der Fehler tatsächlich zu einem Schaden geführt hat und dass dieser Schaden vom Schutzzweck der verletzten Sorgfaltspflicht umfasst war. In diesem Fall konnte kein Zusammenhang zwischen dem Fehlen der Abdeckschraube und der späteren Entzündung nachgewiesen werden. Für Sie als Patient ist es daher wichtig, bei vermuteten Behandlungsfehlern möglichst zeitnah fachlichen Rat einzuholen und alle relevanten Unterlagen sorgfältig zu dokumentieren. Bedenken Sie auch, dass nicht jede Komplikation auf einen Behandlungsfehler zurückzuführen ist – manche Risiken gehören zum allgemeinen Lebensrisiko und sind nicht vom Arzt zu vertreten.
FAQ – Häufige Fragen
Ärztliche Haftung bei Behandlungsfehlern ist ein komplexes Thema, das viele Fragen aufwirft. Diese FAQ-Rubrik liefert Ihnen fundierte und verständliche Antworten zu den wichtigsten Aspekten dieses sensiblen Bereichs. Egal, ob Sie als Patient Unsicherheiten haben oder als Angehöriger nach Klarheit suchen, hier finden Sie wertvolle Informationen und praktische Hinweise.
Wichtige Fragen, kurz erläutert:
- Welche Rechte habe ich als Patient bei einem vermuteten Behandlungsfehler?
- Wann haftet ein Arzt für einen Behandlungsfehler?
- Was ist ein grober Behandlungsfehler und welche Folgen hat er?
- Wie kann ich einen Kausalzusammenhang zwischen Behandlungsfehler und Schaden nachweisen?
- Was bedeutet der Schutzzweckzusammenhang bei Behandlungsfehlern?
Welche Rechte habe ich als Patient bei einem vermuteten Behandlungsfehler?
Bei einem vermuteten Behandlungsfehler stehen Patienten verschiedene rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung, um ihre Interessen zu wahren und mögliche Ansprüche geltend zu machen.
Das Recht auf Einsicht in die Patientenakte ist dabei von zentraler Bedeutung. Gemäß § 630g des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) haben Patienten das Recht, unverzüglich Einsicht in ihre vollständige Patientenakte zu nehmen. Dies umfasst sämtliche Befunde, Arztbriefe, Laborergebnisse und andere behandlungsrelevante Dokumente. Die Einsichtnahme kann nur in Ausnahmefällen verweigert werden, etwa wenn erhebliche therapeutische Gründe oder Rechte Dritter dagegensprechen.
Ein weiteres wichtiges Recht ist die Möglichkeit, eine ärztliche Zweitmeinung einzuholen. Bei bestimmten planbaren Eingriffen besteht sogar ein gesetzlicher Anspruch darauf, dass die Krankenkasse die Kosten für eine Zweitmeinung übernimmt. Dies soll Patienten in die Lage versetzen, eine fundierte Entscheidung über ihre Behandlung zu treffen und mögliche Behandlungsfehler frühzeitig zu erkennen.
Im Falle eines vermuteten Behandlungsfehlers haben Patienten das Recht auf Unterstützung durch ihre Krankenkasse. Die gesetzlichen Krankenkassen sind verpflichtet, ihre Versicherten bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen, die aus Behandlungsfehlern entstanden sind, kostenlos zu unterstützen. Dies kann die Einholung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes umfassen.
Patienten können sich auch an die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern wenden. Diese bieten ein kostenloses, außergerichtliches Verfahren zur Klärung von Streitfällen an. Allerdings sind deren Entscheidungen nicht rechtsverbindlich.
Bei einem nachgewiesenen Behandlungsfehler können Patienten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend machen. Voraussetzung dafür ist, dass der Arzt schuldhaft gegen den medizinischen Standard verstoßen hat und dadurch ein Gesundheitsschaden entstanden ist. Die Beweislast liegt grundsätzlich beim Patienten, wobei in bestimmten Fällen Beweiserleichterungen greifen können.
Es ist wichtig zu betonen, dass nicht jeder unerwünschte Behandlungsverlauf auf einen Behandlungsfehler zurückzuführen ist. Ärzte schulden keinen Behandlungserfolg, sondern lediglich eine Behandlung nach den anerkannten fachlichen Standards. Dennoch haben Patienten das Recht, mögliche Fehler aufklären zu lassen und gegebenenfalls Entschädigung zu erhalten.
Wann haftet ein Arzt für einen Behandlungsfehler?
Ein Arzt haftet für einen Behandlungsfehler, wenn er gegen den anerkannten medizinischen Standard verstoßen hat und dadurch ein Gesundheitsschaden beim Patienten entstanden ist. Der medizinische Standard orientiert sich an den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Erfahrungen im jeweiligen Fachgebiet. Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn der Arzt nicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt angewendet hat.
Für die Haftung müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein: Erstens muss ein Behandlungsfehler nachgewiesen werden. Zweitens muss ein Schaden beim Patienten eingetreten sein. Drittens muss ein Kausalzusammenhang zwischen dem Fehler und dem Schaden bestehen. Der Patient muss grundsätzlich alle drei Punkte beweisen.
Bei der Beurteilung eines Behandlungsfehlers wird zwischen einfachen und groben Fehlern unterschieden. Ein grober Behandlungsfehler liegt vor, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen hat und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheint. In solchen Fällen kommt es zu einer Beweislastumkehr zugunsten des Patienten.
Ärzte haften nicht nur für Behandlungsfehler im engeren Sinne, sondern auch für Aufklärungsfehler. Der Arzt muss den Patienten über die Diagnose, die geplante Behandlung, deren Risiken und mögliche Alternativen aufklären. Unterlässt er dies oder klärt er unzureichend auf, kann er ebenfalls haftbar gemacht werden, selbst wenn die Behandlung an sich fehlerfrei durchgeführt wurde.
Es ist wichtig zu betonen, dass nicht jeder unerwünschte Behandlungsverlauf automatisch einen Behandlungsfehler darstellt. Komplikationen können auch bei sorgfältigster Behandlung auftreten. Entscheidend ist, ob der Arzt die nach den Umständen gebotene Sorgfalt hat vermissen lassen.
In der Praxis gestaltet sich der Nachweis eines Behandlungsfehlers oft schwierig. Gerichte ziehen häufig medizinische Sachverständige hinzu, um zu beurteilen, ob ein Verstoß gegen den medizinischen Standard vorliegt. Dabei wird der Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Behandlung zugrunde gelegt.
Die Haftung des Arztes kann sich auf verschiedene Weise auswirken. Der Patient kann Schadensersatz für materielle Schäden wie zusätzliche Behandlungskosten oder Verdienstausfall verlangen. Zudem besteht die Möglichkeit, Schmerzensgeld für immaterielle Schäden geltend zu machen.
Es ist zu beachten, dass die Rechtsprechung zur Arzthaftung ständig weiterentwickelt wird. Aktuelle Urteile zeigen eine Tendenz, die Anforderungen an die ärztliche Sorgfaltspflicht und Aufklärung strenger zu bewerten. Gleichzeitig wird aber auch berücksichtigt, dass Ärzte unter hohem Druck arbeiten und Entscheidungen oft in komplexen Situationen treffen müssen.
Was ist ein grober Behandlungsfehler und welche Folgen hat er?
Ein grober Behandlungsfehler liegt vor, wenn ein Arzt oder medizinisches Fachpersonal in eklatanter Weise gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstößt. Es handelt sich um einen Fehler, der aus objektiver Sicht nicht mehr nachvollziehbar ist und einem Arzt schlichtweg nicht unterlaufen darf. Die Schwere des Verstoßes muss dabei so erheblich sein, dass sie jenseits des Verständlichen liegt.
Im Gegensatz zu einem einfachen Behandlungsfehler, bei dem lediglich von den üblichen medizinischen Standards abgewichen wird, zeichnet sich der grobe Behandlungsfehler durch seine besondere Schwere aus. Während ein einfacher Fehler noch als menschliches Versagen eingestuft werden kann, ist der grobe Behandlungsfehler in seiner Dimension so gravierend, dass er die Grenzen des Vertretbaren deutlich überschreitet.
Die wohl bedeutendste rechtliche Konsequenz eines groben Behandlungsfehlers ist die Beweislastumkehr zugunsten des Patienten. Im Normalfall muss der Patient beweisen, dass der Arzt einen Fehler gemacht hat und dieser kausal für den eingetretenen Schaden war. Bei einem groben Behandlungsfehler kehrt sich diese Beweislast um: Der Arzt muss nun darlegen und beweisen, dass sein Fehler nicht ursächlich für den Schaden des Patienten war. Diese Regelung findet sich in § 630h Abs. 5 BGB und stellt eine erhebliche Erleichterung für den Patienten im Arzthaftungsprozess dar.
Ein anschauliches Beispiel für einen groben Behandlungsfehler wäre, wenn ein Chirurg nach einer Operation ein medizinisches Instrument im Körper des Patienten vergisst. Dies stellt einen derart schwerwiegenden Verstoß gegen elementare Sorgfaltspflichten dar, dass er als grober Behandlungsfehler einzustufen ist. Ein solcher Fehler ist für einen ausgebildeten Mediziner absolut unverständlich und hätte durch einfache Kontrollen verhindert werden können.
Die Feststellung eines groben Behandlungsfehlers hat auch Auswirkungen auf die Höhe des Schmerzensgeldes und möglicher Schadensersatzansprüche. Gerichte berücksichtigen die Schwere des Fehlers bei der Bemessung der Entschädigung, was in der Regel zu höheren Zahlungen an den geschädigten Patienten führt.
Es ist wichtig zu betonen, dass die Einstufung als grober Behandlungsfehler eine juristische Wertung darstellt, die vom Gericht vorgenommen wird. Dabei stützt sich das Gericht auf die Einschätzung medizinischer Sachverständiger, die den Sachverhalt fachlich beurteilen. Die endgültige rechtliche Bewertung obliegt jedoch dem Richter.
Neben den zivilrechtlichen Folgen kann ein grober Behandlungsfehler auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. In besonders schweren Fällen kann der Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung oder sogar der fahrlässigen Tötung erfüllt sein. Zudem drohen berufsrechtliche Sanktionen, die bis zum Entzug der Approbation reichen können.
Die Rechtsprechung hat in den letzten Jahren die Kriterien für die Annahme eines groben Behandlungsfehlers weiter konkretisiert. Entscheidend ist stets die Gesamtschau des Einzelfalls. Auch mehrere einfache Fehler können in ihrer Summe als grober Behandlungsfehler gewertet werden, wenn sie in ihrer Gesamtheit das Maß des Vertretbaren deutlich überschreiten.
Wie kann ich einen Kausalzusammenhang zwischen Behandlungsfehler und Schaden nachweisen?
Um einen Kausalzusammenhang zwischen einem Behandlungsfehler und einem daraus resultierenden Schaden nachzuweisen, sind mehrere Schritte und Methoden erforderlich. Zunächst muss der Patient beweisen, dass ein Behandlungsfehler vorliegt und dass dieser Fehler kausal für den entstandenen Schaden ist. Dies bedeutet, dass der Patient zeigen muss, dass der Schaden direkt durch den Behandlungsfehler verursacht wurde und nicht durch andere Faktoren.
Ein wesentlicher Bestandteil dieses Nachweises ist das Einholen eines Sachverständigengutachtens. Ein solches Gutachten wird in der Regel von einem medizinischen Experten erstellt und dient dazu, den Behandlungsfehler und dessen kausale Verbindung zum Schaden zu belegen. Der Sachverständige analysiert die Behandlungs- und Pflegedokumentation und bewertet, ob die medizinischen Standards eingehalten wurden und ob der Fehler tatsächlich zu dem gesundheitlichen Schaden geführt hat.
In bestimmten Fällen kann es zu einer Umkehr der Beweislast kommen. Dies bedeutet, dass nicht der Patient, sondern der Arzt oder das Krankenhaus beweisen muss, dass kein Behandlungsfehler vorliegt oder dass der Fehler nicht kausal für den Schaden war. Diese Beweiserleichterung tritt insbesondere bei groben Behandlungsfehlern ein, die klar und eindeutig gegen ärztliche Regeln verstoßen und aus objektiver Sicht nicht verständlich sind. Ein grober Behandlungsfehler liegt vor, wenn der Arzt gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstößt und der Fehler aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint.
Ein weiteres wichtiges Element ist die Dokumentation der Behandlung. Eine unvollständige oder widersprüchliche Patientendokumentation kann dem Patienten Beweiserleichterungen verschaffen, da sie als Indiz für einen Behandlungsfehler gewertet werden kann. Zudem muss der Patient nachweisen, dass der Behandlungsfehler nicht nur vorlag, sondern auch kausal für den Schaden war. Dies erfordert eine detaillierte Darstellung des hypothetischen Kausalverlaufs, also wie der Schaden bei ordnungsgemäßer Behandlung hätte vermieden werden können.
In Fällen von Aufklärungsfehlern, bei denen der Arzt den Patienten nicht ausreichend über die Risiken und Alternativen einer Behandlung informiert hat, trägt der Arzt die Beweislast dafür, dass die Aufklärung erfolgt ist. Der Patient muss jedoch nachweisen, dass die unterlassene Aufklärung kausal für den eingetretenen Schaden war.
Zusammengefasst erfordert der Nachweis eines Kausalzusammenhangs zwischen Behandlungsfehler und Schaden eine sorgfältige Beweisführung, die in der Regel durch ein Sachverständigengutachten unterstützt wird. Beweiserleichterungen und die Umkehr der Beweislast können dem Patienten in bestimmten Fällen zugutekommen, insbesondere bei groben Behandlungsfehlern und unzureichender Dokumentation.
Was bedeutet der Schutzzweckzusammenhang bei Behandlungsfehlern?
Der Schutzzweckzusammenhang ist ein wichtiges Konzept im Arzthaftungsrecht und dient der Begrenzung der Schadensersatzpflicht bei Behandlungsfehlern. Er besagt, dass ein Arzt nur für solche Schäden haftet, die in den Schutzbereich der verletzten Sorgfaltspflicht fallen.
Bei der Prüfung des Schutzzweckzusammenhangs wird untersucht, ob die verletzte Norm oder Sorgfaltspflicht gerade den eingetretenen Schaden verhindern sollte. Nicht jeder Behandlungsfehler führt automatisch zu einer Haftung für alle daraus resultierenden Folgen. Es muss vielmehr ein innerer Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden bestehen.
Ein anschauliches Beispiel verdeutlicht dieses Prinzip: Ein Autofahrer überfährt eine rote Ampel, ohne dass zunächst etwas passiert. Einen Kilometer weiter verletzt er jedoch ein Kind, das plötzlich auf die Straße läuft. Obwohl das Überfahren der roten Ampel kausal für den Unfall war, besteht hier kein Schutzzweckzusammenhang. Die Pflicht, an roten Ampeln zu halten, soll Unfälle an der Kreuzung verhindern, nicht aber Folgen an einem weit entfernten Ort.
Im medizinischen Kontext bedeutet dies: Ein Arzt haftet nur für Schäden, die typischerweise mit der Verletzung einer bestimmten Sorgfaltspflicht verbunden sind. Wenn beispielsweise ein Chirurg einen Fremdkörper im Operationsgebiet zurücklässt, haftet er für die daraus resultierenden Komplikationen. Er würde jedoch nicht für einen völlig unabhängigen Sturz des Patienten im Krankenhaus haften, auch wenn dieser ohne die Operation nicht stationär gewesen wäre.
Die Rechtsprechung wendet den Schutzzweckzusammenhang differenziert an. So hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass bei einem groben Behandlungsfehler, der zu einer Nachoperation führt, auch für Folgeschäden dieser zweiten Operation gehaftet wird. Der Schutzzweckzusammenhang wird hier weit ausgelegt, da die Nachbehandlung direkt auf dem ursprünglichen Fehler beruht.
Es ist wichtig zu verstehen, dass der Schutzzweckzusammenhang nicht dazu dient, Ärzte generell von der Haftung zu befreien. Vielmehr soll er eine faire und angemessene Zurechnung von Schäden ermöglichen. In komplexen medizinischen Fällen kann die Beurteilung des Schutzzweckzusammenhangs schwierig sein und erfordert oft eine genaue Analyse des Einzelfalls.
Für Patienten bedeutet dies, dass nicht jeder unerwünschte Ausgang einer Behandlung automatisch zu Schadensersatzansprüchen führt. Entscheidend ist, ob der eingetretene Schaden in einem inneren Zusammenhang mit der verletzten ärztlichen Sorgfaltspflicht steht. Diese Abwägung dient dem Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen der Patienten auf Schadensersatz und dem Schutz der Ärzte vor einer ausufernden Haftung.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Grober Behandlungsfehler: Ein grober Behandlungsfehler liegt vor, wenn der Arzt gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln verstößt und dieser Fehler aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint. Ein solcher Fehler darf einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen. Im vorliegenden Fall wurde dies bei der fehlenden Abdeckschraube am Implantat festgestellt.
- Kausalzusammenhang: Der Kausalzusammenhang beschreibt die direkte Verbindung zwischen einer Handlung (oder Unterlassung) und dem daraus resultierenden Schaden. In der Medizinrechtsprechung muss der Patient nachweisen, dass der Behandlungsfehler ursächlich für den entstandenen Schaden ist. Im besprochenen Fall konnte dieser Nachweis nicht erbracht werden.
- Schutzzweckzusammenhang: Der Schutzzweckzusammenhang bezieht sich auf die Frage, ob die verletzte ärztliche Sorgfaltspflicht dazu bestimmt war, den eingetretenen Schaden zu verhindern. Es muss nachgewiesen werden, dass die unterlassene Handlung genau dem Zweck diente, den eingetretenen Schaden zu vermeiden. Hier wurde dieser Zusammenhang verneint.
- Sachverständigengutachten: Ein Sachverständigengutachten ist eine fachliche Stellungnahme eines Experten, die von Gerichten häufig zur Klärung medizinischer Fragen herangezogen wird. Im vorliegenden Fall stützte sich das Gericht auf das Gutachten eines zahnärztlichen Sachverständigen, um die Kausalität und den Behandlungsfehler zu bewerten.
- Zahnprothetik: Zahnprothetik umfasst die Wiederherstellung und den Ersatz von Zähnen durch künstliche Zahnprothesen wie Kronen, Brücken, oder Implantate. In diesem Fall ging es um die Implantatversorgung im Oberkiefer der Klägerin, wobei der Fehler bei der Handhabung eines Implantats eine zentrale Rolle spielte.
- Dienstvertrag sui generis: Ein Dienstvertrag sui generis ist ein spezieller Dienstvertrag eigener Art, der besondere Rechte und Pflichten regelt. In der Medizin ist dies der Behandlungsvertrag, der auf einem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient beruht. Die Erfüllung dieses Vertrages nach den Regeln der ärztlichen Kunst war im vorliegenden Fall Gegenstand der Prüfung.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 630a Abs. 1 BGB (Behandlungsvertrag): Dieser Paragraph regelt den Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient, der als Dienstvertrag sui generis (eigener Art) gilt. Er betont das besondere Vertrauensverhältnis und legt fest, dass der Arzt die Behandlung nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchführen muss. Im vorliegenden Fall wurde geprüft, ob der Zahnarzt gegen diese Pflicht verstoßen hat, indem er die Abdeckschraube nicht angebracht hat.
- § 280 Abs. 1 BGB (Schadensersatz wegen Pflichtverletzung): Dieser Paragraph bildet die Grundlage für Schadensersatzansprüche bei Pflichtverletzungen aus einem Schuldverhältnis. Im vorliegenden Fall wurde geprüft, ob der Zahnarzt seine Pflicht zur fachgerechten Behandlung verletzt hat und ob diese Pflichtverletzung kausal für den Schaden der Klägerin war.
- § 823 Abs. 1 BGB (Schadensersatzpflicht): Dieser Paragraph regelt die allgemeine Schadensersatzpflicht bei Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder des Eigentums. Im vorliegenden Fall wurde geprüft, ob der Zahnarzt durch seinen Behandlungsfehler die Gesundheit der Klägerin verletzt hat und somit schadenersatzpflichtig ist.
- § 614 BGB (Fälligkeit der Vergütung): Dieser Paragraph bestimmt, dass die Vergütung bei einem Dienstvertrag nach der Leistungserbringung fällig ist. Im vorliegenden Fall wurde geprüft, ob der Zahnarzt trotz des Behandlungsfehlers Anspruch auf sein Honorar hat, da die Klägerin die Behandlung nicht wirksam gekündigt hatte.
- § 628 Abs. 1 S. 2 BGB (Kündigung des Dienstvertrags): Dieser Paragraph ermöglicht die Kündigung eines Dienstvertrags, wenn die Leistung mangelhaft erbracht wurde und der Dienstberechtigte (Patient) kein Interesse mehr an der Leistung hat. Im vorliegenden Fall wurde geprüft, ob die Klägerin den Behandlungsvertrag wirksam gekündigt hatte, um den Honoraranspruch des Zahnarztes zu entfallen lassen.
Das vorliegende Urteil
OLG Köln – Az.: 5 U 151/22 – Urteil vom 26.06.2024
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Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 30.11.2022 – 11 O 369/21 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das vorliegende Urteil und die angefochtene Entscheidung sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme sowie der ergänzenden Anhörung des Sachverständigen Dr. C. durch den Senat ist dem Beklagten zwar ein grober Behandlungsfehler unterlaufen, indem er das am 25.07.2019 gesetzte Implantat 24 zeitweise ohne Abdeckschraube beließ. Dieser Fehler hat sich jedoch nicht nachweisbar nachteilig für die Klägerin ausgewirkt. Soweit die Klägerin dem Beklagten über die nicht angebrachte Abdeckschraube weitere Behandlungsfehler vorgeworfen hat, sind solche nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten und von dem Senat nicht zu beanstandenden Beweisaufnahme nicht erwiesen. Sie kann daher weder Rückzahlung von Zahnarzthonorar (zu Ziff. 1.) noch Zahlung eines Schmerzensgeldes (zu Ziff. 2.) von dem Beklagten verlangen.
Im Einzelnen:
1.
Die Parteien haben einen Vertrag über die Erneuerung der Zahnprothetik im Oberkiefer der Klägerin geschlossen. Dabei handelt es sich um eine besondere Art des Dienstvertrages über Dienste höherer Art, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen werden (vgl. Grüneberg/Weidenkaff, BGB 83. Auflage, Vorb. v. § 630a Rn. 1; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht 8. Auflage, A Rn. 4 m.w.N.; BGH, Urteil vom 09.12.1974 VII ZR 182/73, BGHZ 63, 306; Urteil vom 13.09.2018 – III ZR 294/16, BGHZ 219, 298). Der Vergütungsanspruch des Zahnarztes entsteht nach Erbringung der Leistung, §§ 630a Abs. 1, 614 BGB. Der Anspruch entfällt, wenn die Leistung fehlerhaft erbracht wurde und infolge einer Kündigung des Vertrages für den Patienten kein Interesse mehr hat § 628 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. § 630b BGB. Die Voraussetzungen für den Entfall des Vergütungsanspruchs sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.
a) Nach den auf den sachverständigen Ausführungen von Dr. C. beruhenden und durch den Senat nicht zu beanstandenden Feststellungen des Landgerichts ist das Implantat 24 nicht fehlerhaft inseriert worden. Dr. C. hat zwar nach Auswertung der Behandlungsunterlagen der Nachbehandlerin Dr. Dr. O., insbesondere der durch diese gefertigten DVT vom 17.08.2020 festgestellt, dass bei Implantat 24 buccal kein Knochen vorhanden war (vgl. Seite 12 und 22 des schriftlichen Gutachtens vom 21.03.2021, Bl. 38 und 48 d.A. sowie Seite 5 des Ergänzungsgutachtens vom 15.08.2021, Bl. 60 d.A.). Dass dieser Zustand auf einen Behandlungsfehler des Beklagten zurückzuführen ist, hat Dr. C. jedoch nicht feststellen können. Er hat – anders als die Klägerin mit der Berufung geltend macht – nicht angenommen, dass bereits im maßgeblichen Zeitpunkt bei Insertion des Implantats in regio 24 Knochen nicht in ausreichender Menge vorhanden war und der Eingriff daher nicht indiziert war. Dafür, dass der Knochen schon vor der Implantation unzureichend war, hat er keine Anhaltspunkte gesehen. Dr. C. hat es für durchaus möglich gehalten, dass der Knochenabbau erst nach der Implantation infolge der Entzündung mit Fistelbildung in regio 24 stattgefunden hat.
b) Behandlungsfehler im Zusammenhang mit dem Einbringen des Implantats 25 hat das Landgericht ebenfalls zu Recht verneint. Nach den Ausführungen von Dr. C. ist zwar auf den DVT-Aufnahmen von Dr. Dr. O. vom 17.08.2020 zu sehen, dass zwei Windungen des Implantats 25 im kranialen Bereich frei lagen (S. 13 und 23 des Gutachtens vom 21.03.2021, Bl. 39 und 49 d.A.). Auch diesen Umstand hat der Sachverständige nicht auf einen Behandlungsfehler des Beklagten zurückführen können. Dr. C. hat im Rahmen seiner mündlichen Anhörung erläutert, dass die Lage des Implantats ausweislich des unmittelbar nach der Implantation angefertigten OPG in Ordnung gewesen sei (Seite 6 des Sitzungsprotokolls des Landgerichts vom 02.11.2022, Bl. 203 d.A.). Soweit sich ein Jahr nach Setzen des Implantats ein anderer Befund ergeben habe, könne auch dies auf einem zwischenzeitlich erfolgten Abbau des Knochens beruhen. Dass es nach Einfügen eines Implantats zu einer Knochenresorption von bis zu 1 mm komme, sei völlig normal (Seite 5 des Sitzungsprotokolls vom 29.05.2024, Bl. 235 der Berufungsakte).
c) Soweit die Klägerin behauptet, der Beklagte habe das Implantat 16 falsch eingesetzt, weil es mit einer Windung in die Kieferhöhle geragt habe, hat Dr. C. dem nach Sichtung der DVT der Ärztin Dr. Dr. O. vom 17.08.2020 widersprochen. Das Implantat sei, wie sich aus einem Ausschnitt der DVT ergebe, apical mit Knochen bedeckt (Seite 19 des Gutachtens vom 21.03.2021, Bl. 45 d.A. und Seite 3 des Ergänzungsgutachtens vom 15.08.2021, Bl. 58 d.A.).
d) Nach den Feststellungen von Dr. C. war die buccale Knochenlamelle vestibulär vom Implantat 16 nicht durchgängig vorhanden (Seite 20 des Gutachtens vom 21.03.2021, Bl. 46 d.A. sowie Seite 10 f des Ergänzungsgutachtens, Bl. 65f d.A.). Dass dieser Zustand auf einem Behandlungsfehler des Beklagten beruht, hat der Sachverständige nicht bestätigt. Er hat in der mündlichen Verhandlung vom 02.11.2022 ausdrücklich erklärt, dass dem Beklagten beim Setzen der Implantate keine Fehler unterlaufen seien.
e) Auch die Frage, ob der Beklagte es fehlerhaft unterlassen hat, auf den Knochenabbau zu reagieren, hat Dr. C. im Rahmen seiner mündlichen Anhörung durch das Landgericht ausdrücklich verneint. Er hat erklärt, dass der Beklagte auf den buccal fehlenden Knochen hätte reagieren können, wenn ihm dies bekannt gewesen sei. Das von ihm gefertigte OPG sei aber in Ordnung gewesen (vgl. Seite 7 des Sitzungsprotokolls, Bl. 204 d.A.).
f) Der Umstand, dass das durch den Beklagten am 15.05.2021 eingesetzte Provisorium am 20.01.2021 gebrochen ist, lässt ebenfalls nicht auf einen Behandlungsfehler des Beklagten schließen. Dr. C. hat angemerkt, dass solche Provisorien durchaus brächen, ohne dass dies auf einen Behandlungsfehler des Zahnarztes zurückgeführt werden könne (vgl. Seite 7 des Sitzungsprotokolls, Bl. 204 d.A.). Dies ist aufgrund ihrer Funktion als Interim und der vorgesehenen begrenzten Tragezeit ohne Weiteres nachvollziehbar.
g) Der Beklagte handelte nicht pflichtwidrig, weil er das gebrochene Provisorium nicht reparierte. Nach unbestritten gebliebenem Vortrag der Klägerin hat sie den Beklagten am 20.01.2021 zur Reparatur des Provisoriums aufgefordert. Zu diesem Zeitpunkt war der Behandlungsvertrag mit der Klägerin bereits beendet. Das Vertrauensverhältnis war durch die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens im September 2020 erschüttert. Eine vertragliche Pflicht zur Überarbeitung des Provisoriums oder zu einer Neufertigung bestand für den Beklagten nicht. Ein Mangel des Provisoriums, aufgrund dessen der Beklagte im Rahmen einer Gewährleistungspflicht aus § 136a Abs. 4 S. 3 SGB V hätte tätig werden müssen, ist nicht feststellbar. Der Bruch eines Provisoriums nach einer Tragezeit von 6 Monaten lässt – wie bereits ausgeführt – nicht auf einen Mangel schließen. Dass ein zahnärztlicher Notfall vorlag, auf den ausschließlich der Beklagte und nicht ein anderer Zahnarzt hin hätte tätig werden können, legt die Klägerin nicht dar und ist auch nicht ersichtlich.
h) Indes geht der Senat – wie auch schon das Landgericht – nach eigener Anhörung von Dr. C. davon aus, dass der Beklagte es grob fehlerhaft unterließ, das Implantat 24 nach Abnahme des Abutments mit einer Abdeckschraube zu versehen. Die im Zusammenhang mit dem Implantat erbrachten Leistungen des Beklagten sind für die Klägerin dadurch jedoch nicht unbrauchbar geworden.
aa) Davon, dass das Implantat 24 in der Zeit vom 20.04.2020 bis zum 17.08.2020 nicht mit einer Abdeckschraube versorgt war, ist aufgrund der OPG-Aufnahme des Beklagten vom 20.04.2020, der OPG-Aufnahme von Prof. Dr. Y. vom 10.08.2020 und der DVT-Aufnahme von Dr. Dr. O. vom 17.08.2020 auszugehen. Auf den Aufnahmen ist nach den Ausführungen von Dr. C., die durch den Senat nach Einsicht in die bildgebenden Befunde überprüft und für zutreffend erachtet wurden, eine Abdeckschraube auf Implantat 24 nicht zu sehen. Anhaltspunkte dafür, dass die Abdeckschraube zwischenzeitlich aufgebracht und möglicherweise durch einen der Nachbehandler wieder entfernt wurde, sind laut Dr. C. nicht vorhanden. Weder die Behandlungsunterlagen des Beklagten, noch die Dokumentationen von Prof. Dr. Y. und von Dr. Dr. O. geben einen Hinweis hierauf. Dies hat Dr. C. in der mündlichen Verhandlung vom 29.05.2024 dem Senat und den anwesenden Prozessbevollmächtigten nachvollziehbar erläutert.
bb) Wie das Landgericht zu Recht auf sachverständiger Grundlage des Gutachtens von Dr. C. festgestellt hat, war es fehlerhaft, das Implantat 24, nachdem das darauf befindliche Abutment am 10.01.2020 entfernt worden war, nicht mit einer Abdeckschraube zu versorgen. Dr. C. hat hierzu in der mündlichen Verhandlung beim Landgericht erläutert, dass die Versorgung mit einer Abdeckschraube zu einer ordnungsgemäßen Behandlung gehöre. Die Implantate seien innen hohl. Wenn eine Abdeckschraube nicht aufgesetzt werde, könne es dazu kommen, dass Gewebe einwachse, welches schwer wieder zu entfernen sei. Seine Ausführungen hat der Sachverständige gegenüber dem Senat in der mündlichen Verhandlung vom 29.05.2024 noch einmal überzeugend bekräftigt. Eine Abdeckschraube habe die Aufgabe und die Funktion, den Hohlkörper des Implantats nach oben hin abzudecken, um spätere Aufbauten aufbringen zu können. Sie solle verhindern, dass Gewebe in den Hohlkörper eindringe. Die Nichtverwendung einer Abdeckschraube sei ein Behandlungsfehler. Spätestens bei Sichtung des OPG vom 20.04.2020 hätte dem Beklagten auffallen müssen, dass auf dem Implantat 24 eine Abdeckschraube gefehlt habe und er hätte eine solche einbringen müssen. Auf die Frage des Senats nach der Qualität des Fehlers hat der Sachverständige erklärt, dass das Fehlen der Schraube auf dem OPG vom 20.04.2020 eindeutig zu sehen gewesen sei. Spätestens jetzt hätte die Abdeckschraube wieder eingebracht werden müssen. Selbst wenn das Gewebe über dem Implantat am 20.04.2024 wieder zugewachsen gewesen sein sollte, hätte man es wiedereröffnen und eine Abdeckschraube einbringen müssen. Es habe keinen Grund gegeben, eine Abdeckschraube nicht einzubringen. Alternativ hätte man direkt eine Heilkappe einsetzen können. In Anbetracht dieser sachverständigen Ausführungen von Dr. C. geht der Senat von einem eindeutigen Verstoß gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln und einen Fehler aus, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf und damit von einem groben Behandlungsfehler aus.
cc) Dieser Fehler hat jedoch nicht zur vollständigen Unbrauchbarkeit der im Zusammenhang mit dem Implantat 24 erbrachten Leistungen des Beklagten geführt, so dass die Klägerin die für die Einbringung des Implantats und die damit zusammenhängenden Leistungen gezahlte Vergütung nicht von dem Beklagten zurückverlangen kann. Die durch Dr. Dr. O. am 25.09.2020 erfolgte Entfernung des Implantats 24 beruht nicht nachweislich auf dem Fehlen der Abdeckschraube. Dr. C. hat die Wahrscheinlichkeit, dass zwischen der Nichtverwendung der Abdeckschraube und der Entstehung der Fistel kein Kausalzusammenhang besteht, mit nahezu 100 Prozent angegeben. Er hat dies überzeugend damit begründet, dass die Abdeckschraube nicht dazu diene, das Eindringen von Keimen in den Implantatkörper und das Entstehen von Infektionen zu verhindern, denn der Implantatkörper sei nach unten hin geschlossen. Selbst wenn Bakterien in den geschlossenen Körper des Implantats gelängen, wäre das Gewebe um das Implantat hiervon nicht betroffen. Die Nichtverwendung der Abdeckschraube habe mit der in diesem Bereich entstandenen Fistel nichts zu tun. Aufgrund dieser den Senat überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen hat der Beklagte den ihm obliegenden Kausalitätsgegenbeweis geführt.
i) Die Klägerin kann auch keine Rückerstattung der Vergütung für den am 10.01.2020 entfernten und nicht wieder eingegliederten Zahnersatz verlangen. Der Beklagte hat die vertraglich geschuldete Leistung erbracht. Davon, dass die Leistung mangelhaft und für die Klägerin nicht brauchbar war, ist nicht auszugehen. Soweit die Klägerin darauf verweist, der Zahnersatz habe wegen einer Allergie gegen Zahnersatzmaterialien entfernt werden müssen, legt sie nicht schlüssig dar, gegen welche von dem Beklagten genutzten Zahnersatzmaterialien sie allergisch reagierte und inwieweit dies dem Beklagten vor Anfertigung und Einsatz des Zahnersatzes bekannt war oder hätte bekannt sein müssen. Der Verweis darauf, dass sie dem Beklagten zu Beginn der Behandlung ihren Allergiepass ausgehändigt habe, genügt hierzu nicht. Welche Allergien dort eingetragen waren, insbesondere ob dort Materialien vermerkt waren, die bei der Anfertigung des Zahnersatzes verwendet wurden, trägt die Klägerin nicht vor. Sie legt auch nicht den Allergiepass vor, aus dem sich Entsprechendes entnehmen ließe.
2.
Aus vorstehenden Gründen kann die Klägerin von dem Beklagten auch nicht die Zahlung eines Schmerzensgeldes verlangen. Es steht nicht fest, dass die Klägerin aufgrund der unterlassenen Versorgung des Implantats mit einer Abdeckschraube einen Gesundheitsschaden erlitten hat.
a) Die Entzündung mit Fistelbildung in regio 24, welche zu einem Verlust des Implantats 24 geführt hat, beruht nicht auf der grob fehlerhaften Nichtverwendung einer Abdeckschraube auf Implantat 24. Auf die Ausführungen zu Ziff. 1. h) bb) wird Bezug genommen,
Darüber hinaus ist der Gesundheitsschaden nicht von dem Schutzzweck der verletzten Sorgfaltsregel umfasst ist. Die Schadensersatzpflicht wird durch den Schutzzweck der verletzten Norm begrenzt. Eine Schadensersatzpflicht besteht nur, wenn die Tatfolgen, für die Ersatz begehrt wird, aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen worden ist. Hierfür muss die Norm den Schutz des Rechtsguts gerade gegen die vorliegende Schädigungsart bezwecken; die geltend gemachte Rechtsgutsverletzung bzw. der geltend gemachte Schaden müssen also auch nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm fallen. Daran fehlt es in der Regel, wenn sich eine Gefahr realisiert hat, die dem allgemeinen Lebensrisiko und damit dem Risikobereich des Geschädigten zuzurechnen ist. Der Schädiger kann nicht für solche Verletzungen oder Schäden haftbar gemacht werden, die der Betroffene in seinem Leben auch sonst üblicherweise zu gewärtigen hat. Insoweit ist eine wertende Betrachtung geboten (BGH, Urteil vom 21.05.2019 – VI ZR 299/17, juris Rn. 11; Urteil vom 17.04.2018 – VI ZR 237/17, juris Rn. 13). Nach den Ausführungen von Dr. C. im Rahmen seiner mündlichen Anhörung durch den Senat ist ein solcher Schutzzweckzusammenhang zu verneinen. Ziel und Zweck der Anbringung einer Abdeckschraube ist es, den Hohlkörper nach oben hin abzudecken, um spätere Aufbauten aufbringen zu können. Sie soll verhindern, dass Gewebe in den Hohlkörper eindringt, welches dann vor dem Aufbringen des Aufbaus aus dem Implantat wieder entfernt werden muss. Ziel und Zweck der Einbringung einer Abdeckschraube ist hingegen nicht, das Eindringen von Keimen in den Implantatkörper und sich daraus möglicherweise ergebende Infektionen zu verhindern.
b) Soweit die Klägerin geltend macht, der Beklagte habe insgesamt sechs Provisorien angefertigt, die alle keinen richtigen Sitz gehabt bzw. nicht gehalten hätten, was bei ihr zu Schmerzen geführt habe, kann die Klägerin einen Behandlungsfehler nicht beweisen. Der Sitz der Provisorien ist nicht mehr überprüfbar. Der unstreitige Umstand, dass Anpassungsarbeiten an den Provisorien stattgefunden haben, indiziert einen Verstoß gegen die zahnärztliche Kunst nicht. Im Übrigen lässt die Klägerin unberücksichtigt, dass Nacharbeiten an den Provisorien bzw. deren Neuanfertigung auch aufgrund von ästhetischen Wünschen der Klägerin vorgenommen wurden (vgl. Einträge in der Behandlungsdokumentation des Beklagten vom 05.08.2019 „das pv im ganzen kürzer gemacht, weil es ihr zu groß ist und nicht gefällt“, vom 09.08.2019 „Pv eingeschliffen wegen Ästhetik erneuert“ und vom 13.05.2020 „wir machen jetzt noch einmal neues pv, letzter Versuch Pat ästhetisch glücklich zu machen“).
3.
Der Senat folgt den Ausführungen des Sachverständigen Dr. C.. Die von ihm im selbständigen Beweisverfahren sowie im Rahmen seiner mündlichen Anhörungen beim Landgericht und beim Senat getätigten sachverständigen Aussagen sind insgesamt überzeugend und nachvollziehbar. Die Berufung zeigt keine Gründe auf, die Zweifel an der Richtigkeit der sachverständigen Ausführungen und der darauf beruhenden Feststellungen des Landgerichts begründen könnten. Soweit die Klägerin meint, die Annahme des Sachverständigen, nach denen bei Insertion eines Implantats ein Knochenrückgang bis zu 1 mm im ersten Jahr und bis zu 0,5 mm in den Folgenjahren akzeptabel sei, widerspreche dem Stand der Wissenschaft, legt sie nicht dar, woher sie ihre angeblich dem Sachverständigen überlegene Sachkunde bezieht.
4.
Schließlich ist auch die Rüge der Klägerin, der Sachverständigen hätte nach seiner schriftlichen Gutachtenerstattung nicht mündlich angehört werden dürfen, unberechtigt. Im Zivilprozess darf das erkennende Gericht den Sachverständigen, der im selbständigen Beweisverfahren ein Gutachten erstattet hat, ergänzend anhören. Die mündliche Anhörung des Sachverständigen steht im Ermessen des Gerichts, § 411 Abs. 3 ZPO. Wird die Anhörung von einer Partei beantragt, ist das Gericht sogar verpflichtet, den Sachverständigen anzuhören. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat die Partei zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs nach §§ 397, 402 ZPO einen Anspruch darauf, dass sie dem Sachverständigen die Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für erforderlich hält, zur mündlichen Beantwortung vorlegen kann. Die Anhörung kann im selbständigen Beweisverfahren, aber auch im späteren Hauptsacheverfahren beantragt werden (vgl. Zöller/Herget, 34. Auflage, § 492 ZPO, Rn. 1).
5.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
6.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO). Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die entscheidungserheblichen Fragen sind ausschließlich solche des Einzelfalls.
Berufungsstreitwert: 15.003,18 EUR