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Orthopädische Operation – Aufklärungspflicht des Anästhesisten

LG Dresden – Az.: 4 U 2369/19 – Beschluss vom 02.03.2020

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung am 10.03.2020 wird aufgehoben.

Gründe

Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch – einstimmig gefassten – Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Zu Recht hat das Landgericht – gestützt auf die sachverständige Begutachtung – die vom Kläger aus übergegangenem Recht geltend gemachten Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche wegen der Behandlung seiner verstorbenen Ehefrau im Hause der Beklagten verneint. Die von der Berufung hiergegen vorgetragenen Angriffe vermögen keine andere Beurteilung zu rechtfertigen.

1. Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, dass die am 04.04.2016 durchgeführte orthopädische Operation nicht ohne vorheriges Absetzen des Herzmedikaments Z mit dem Wirkstoff Y hätte erfolgen dürfen, denn dies wurde von der erstinstanzlich beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. K…… mit überzeugender Begründung verneint, wie das Landgericht ausgeführt hat.

Zweifel an den Ausführungen der Sachverständigen ergeben sich auch nicht, soweit der Kläger unter Bezugnahme auf mit Schriftsatz vom 05.07.2019 vorgelegte Literatur darauf verweist, dass der Wirkstoff Y toxische Nebenwirkungen bzw. Schädigungen an der Lunge hervorrufen kann und zwar auch nach chirurgischen Eingriffen. Denn die Hinweise in den angeführten Literaturstellen entsprechen insoweit der von der Sachverständigen zitierten und als Anlage ihrem Gutachten beigefügten Fachinformation mit Stand September 2016. Weder den vom Kläger zitierten Literaturstellen noch der Fachinformation lässt sich jedoch entnehmen, dass von einem chirurgischen Eingriff bei Einnahme des Medikaments abgeraten oder – alternativ – ein präoperatives Absetzen empfohlen wird. Der Sachverständigen zufolge findet sich auch in den Empfehlungen der anästhesiologischen Fachgesellschaften kein konkreter Hinweis auf Notwendigkeit, das Medikament Y präoperativ abzusetzen. Vielmehr werde empfohlen, die antiarrythmische Therapie in der Regel weiterzuführen. Dies werde auch durch eine Europäische Leitlinie der Kardiologen bestätigt. Die Leitlinie enthalte den ausdrücklichen Hinweis darauf, dass unter anderem Y bei supraventrikulärer Tachykardie auch in der perioperativen Phase eingesetzt und darüber hinaus auch empfohlen werde, eine orale antiarrythmische Medikation vor dem chirurgischen Eingriff fortzusetzen. Für die Fortsetzung der bisherigen antiarrythmischen Medikation mit Y bestand nach dem Sachverständigengutachten auch umso mehr Anlass, als sich der Zustand der Ehefrau des Klägers unter der laufenden Therapie deutlich verbessert hatte, Kontraindikationen nicht bekannt waren und präoperativ kein Anhalt erkennbar war, das Medikament abzusetzen. Die sachverständige Würdigung, vor dem streitgegenständlichen Eingriff sei ein Absetzen des Medikaments Y nicht geboten gewesen, wird durch die durch die vom Kläger angeführten Literaturstellen daher nicht in Frage gestellt.

Orthopädische Operation – Aufklärungspflicht des Anästhesisten
(Symbolfoto: Von Roman Zaiets/Shutterstock.com)

Die Ausführungen der Sachverständigen werden entgegen der Ansicht der Berufung auch nicht durch die Aussage der erstinstanzlich vernommenen Anästhesistin, der Zeugin P……, in Frage gestellt, nach deren Auffassung das Medikament vor der Operation abzusetzen gewesen wäre. Unabhängig davon, dass es sich hierbei um eine allein durch Sachverständigengutachten abzuklärende Frage handelt, hat die Gutachterin es – auch nach den kardiologischen Leitlinien – als entscheidend angesehen, dass für einen Eingriff stabile Herz- und Kreislaufverhältnisse herrschen. Der die Ehefrau des Klägers zuvor in anderen Einrichtungen behandelnde Kardiologe hätte das Medikament Z zur Behandlung der Herztätigkeit, insbesondere der Herzrhythmusstörung ausgewählt. Auf dieses Medikament sei die Patientin seit längerer Zeit eingestellt gewesen und es habe zu einer Verbesserung der Herztätigkeit geführt. Da therapierte Herz-Rhythmus-Störungen für eine Operation herzkranker Patienten wichtig seien, sei im Zusammenhang mit einem Eingriff kein präoperatives Absetzen oder eine Umstellung des Medikaments geboten gewesen. Hinzu komme noch, dass das Medikament eine sehr lange Halbwertzeit habe, so dass es im Körper lange aktiv verbleibe. Der Auffassung der erstinstanzlich vernommenen Anästhesistin sei daher nicht überzeugend und werde auch nicht durch Literaturstellen belegt oder durch andere Kollegen bestätigt. Der Auffassung der Zeugin P…… steht der Sachverständigen zufolge auch die Einschätzung des behandelnden Kardiologen Dr. V…… entgegen, den die Zeugin insbesondere zur Abklärung der Herzprobleme im Vorfeld der geplanten Operation und zur Bestätigung der Operationsfähigkeit der Patientin konsiliarisch hinzugezogen hatte. Denn der Kardiologe habe nach einer am 30.03.2016 erfolgten Echokardie die Operationsfähigkeit ausdrücklich bestätigt und lediglich geraten, bei der Patientin „72h vor OP xxx“ abzusetzen, ein Medikament zur Blutverdünnung.

Schließlich hat sich die Sachverständige auch mit den vom Kläger vorgelegten weiteren Unterlagen (K10, K12, K15) auseinandergesetzt, einen Zusammenhang zwischen dem bei der Ehefrau des Klägers durchgeführten Eingriff und durch hohe Sauerstoffkonzentrationen hervorgerufenen Lungenschäden aber mit nachvollziehbarer Begründung verneint. Der Eingriff sei in lokaler Spinalanästhesie und damit nicht in (Allgemein-)Narkose durchgeführt worden. Es habe konkret auch keine Beatmung im engeren Sinne stattgefunden, sondern es sei nur ein Vorbeileiten von Sauerstoff durchgeführt worden. Da bei diesem Vorgehen keine hohen Sauerstoffkonzentrationen wie bei einer Langzeitbeatmung erreicht werden, seien auch keine Wechselwirkungen mit dem Medikament Z anzunehmen. Derzeit gebe es auch keine Studien, die von einer Narkose bei Einnahme von Z gänzlich abraten würden. Solche Studien hat auch der Kläger nicht vorgelegt.

2. Selbst wenn das Medikament präoperativ hätte abgesetzt werden müssen, hat der Kläger nicht nachgewiesen, dass die von der Patientin im weiteren Verlauf der Behandlung nach der am 15.04.2016 erfolgten Verlegung in die Reha-Klinik entwickelte Pneumonie im Zusammenhang mit dem am 04.04.2016 durchgeführten operativen Eingriff oder der dabei durchgeführten Spinalanästhesie im Haus der Beklagten steht. Ein solcher Zusammenhang wurde von der Sachverständigen Prof. Dr. K…… mit überzeugender Begründung verneint.

3. Die Berufung rügt auch ohne Erfolg, dass sich die im Hause der Beklagten erfolgte präoperative Aufklärung der Patientin auf die sich aus der Einnahme von Z ergebenden Risiken hätte erstrecken müssen. Da das Medikament der Patientin bereits für April 2015 durch die sie behandelnden Kardiologen durchgängig als Dauermedikation verordnet wurde und die Fortführung der Medikation im August nach Implantation eines Herzschrittmachers und noch im November 2015, hier durch einen weiteren Kardiologen, empfohlen wurde, musste die Patientin von den behandelnden Ärzten der Beklagten nicht nochmals über die Risiken der Einnahme dieses Medikaments aufgeklärt werden. Es war auch nicht geboten, die Patientin im Zusammenhang mit der geplanten orthopädischen Operation über Risiken aufzuklären, die sich in Bezug hierauf aus der Einnahme von Z ergeben. Einer Verletzung der Aufklärungspflicht steht entgegen, dass nach den Feststellungen der Sachverständigen bereits keine Pflicht zur Absetzung des Medikaments Z vor der geplanten Operation bestand, die nicht in Allgemeinnarkose durchgeführte wurde. Vielmehr war die Fortsetzung der bestehenden Medikation leitliniengemäß geboten und wurde auch im Hinblick auf die konkret geplante Operation von den gesondert im Rahmen einer externen Konsultation hinzugezogenen Kardiologen angeraten. Auf diese Einschätzung durften die behandelnden Ärzte der Beklagten vertrauen.

Soweit Bedenken im Zusammenhang mit der Herzerkrankung der Patientin, der Medikation und ihrer Operationsfähigkeit bestanden, steht einer Aufklärungspflichtverletzung zudem entgegen, dass die Patientin über das erhöhte Risiko eines letalen Ausgangs nach den Feststellungen des Landgerichts im Rahmen der durchgeführten Beweisaufnahme hinreichend aufgeklärt wurde, die Patientin jedoch an ihrem Operationswunsch festgehalten hat.

Der Senat rät im Anschluss hieran zu einer Rücknahme der Berufung, die zwei Gerichtsgebühren spart.

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