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Platzwunde – Narbenbildung bei Verwendung von Hautkleber

AG Eisenach, Az.: 54 C 1041/09, Urteil vom 24.11.2011

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120% des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Schmerzensgeld nach einer ärztlichen Behandlung.

Nachdem der Kläger am 16. 09. 2007 einen Fahrradsturz erlitt, wurde er am selben Tag in Eisenach in der Klinik der Beklagten zu 1. von dem Beklagten zu 2., der dort zu dieser Zeit Dienst als Notarzt verrichtete, behandelt.

Der Kläger erlitt neben anderen Verletzungen eine Platzwunde im Bereich des Kinns und der Oberlippe. Die Wunden wurden mit Hautkleber verschlossen. Eine stationäre Aufnahme erfolgte nicht.

Der Kläger beauftrage zur Schadensregulierung außergerichtlich einen Anwalt, wofür er 155,30 € zu zahlen hat.

Platzwunde – Narbenbildung bei Verwendung von Hautkleber
Foto: Kasia Bialasiewicz/Bigstock

Der Kläger behauptet, die im Gesichtsbereich vorhanden Wunden hätten nach drei Wochen geeitert. Nach Abheilen der Wunden hätten sich erhebliche, entstellende Narben zwischen Nase und Oberlippe sowie im Kinnbereich gebildet. Im Narbenbereich käme es zu lila Verfärbungen.

Die schlechte, verzögerte Wundheilung und Narbenbildung sei darauf zurückzuführen, dass die Wunden im Kinnbereich nicht gesäubert und anstatt genäht, nur geklebt worden wären. Ein Schmerzensgeld von mindestens 1000,00 € sei angemessen.

Der Kläger beantragt daher, die Beklagte als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit 19. 11. 2011 zu zahlen; weiterhin die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 155,30 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit 19. 11. 2011 zu zahlen.

Die Beklagten beantragten, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, die Wunden seien ordnungsgemäß gereinigt und mehrfach desinfiziert worden. Die Wundränder seien sauber adaptiert worden.

Nach zwei bis drei Monaten habe sich der Kläger unangemeldet bei dem Beklagten zu 2. vorgestellt und sich über die Bildung von Narben im Gesichtsbereich beschwert.

Bei der Untersuchung hätten sich reizfreie Narben am Kinn und oberhalb der Oberlippe links gezeigt. Eine Entzündung oder ein Schwellzustand des Gewebes habe nicht bestanden. Die Wunden hätten weder geeitert noch wären sie entzündet gewesen. Entstellende Narben seien nicht zu erkennen.

Selbst bei Eiterbildung könne nicht von einer fehlerhaften ärztlichen Behandlung ausgegangen werden.

Eine andere Art der Behandlung hätte die Bildung von Narben nicht verhindert. Eine Kausalität zwischen Narbenbildung und ärztliche Behandlung durch den Beklagten zu 2. bestünde nicht.

Die Höhe des geforderten Schmerzensgeldes sei überzogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 27. 05. 2010 (Bl. 63-64 d.A.) in Verbindung mit dem Beschluss vom 23. 06. 2010 (Bl. 72 d.A.) durch Anordnung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das schriftliche Gutachten des Prof. Dr. med. … (Bl. 88-94 d.A.) und Anhörung des Sachverständigen … in der mündlichen Verhandlung und Erörterung des schriftlichen Gutachtens vom 29. 09. 2011 (Protokoll Bl. 124-126 d.A.).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld gemäß §§ 823, 611, 276, 253, 249 BGB und vorgerichtlichter Anwaltskosten nach § 286 BGB.

Dem Kläger ist der Beweis zwischen Vertragsverletzung, Schaden und Kausalzusammenhang zwischen Vertragsverletzung und Schaden nicht gelungen. Nach dem vorliegenden schriftlichen Sachverständigengutachten ist dem Beklagten zu 2., für dessen Verhalten auch die Beklagte zu 1. einzustehen hat, kein Behandlungsfehler anzulasten.

Entgegen der Auffassung des Klägers hat der Beklagte zu 2. keinen Fehler gemacht, indem er die Wunde durch Verkleben versorgte und nicht durch Nähen.

Ein grober Behandlungsfehler liegt nach BGH (BGH VersR 01, 1115 f) dann vor, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf. Gemeint sind Verstöße gegen fundamentale ärztliche Regeln, gewissermaßen gegen das „Dickgedruckte“ in der Medizin. Maßgeblich ist eine Gesamtbetrachtung: so können mehrere an sich nicht grobe Fehler in der Gesamtschau die Behandlung insgesamt als grob fehlerhaft erscheinen lassen.

Nach dem Ergebnis des schriftlichen Gutachtens stellte die Klebung der Wunde ein adäquates Behandlungsverfahren dar (vgl. Bl. 93 d.A., Gutachten S. 6.).

Diese Beurteilung wiederholte der Sachverständige …, Facharzt für Chirurgie, in der mündlichen Erörterung seines schriftliche Gutachtens in der Verhandlung vom 29. 09. 2011 (Bl. 125 d.A.). Der Sachverständige machte darauf aufmerksam, dass gerade ein Nähen der Wunde mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die Stiche der Nadel noch größere Wunden verursacht werden, was problemlos logisch nachvollziehbar ist.

Nach der Behandlungsdokumentation vom 16. 09. 2007 (Bl. 23 d.A.) wurde die Wunde desinfiziert und desinfizierende Verbände angelegt.

Die Dokumentation ist Urkundsbeweis i. S. v. § 416 ZPO. im Verhältnis zu anderen Beweismitteln erachtet das Gesetz den Urkundenbeweis als sicherstes Beweismittel. Der von dem Kläger benannte Zeuge …, angeboten zum Beweis, dass keine desinfizierende Maßnahmen durchgeführt wurden, ist demgegenüber ein untaugliches Beweismittel. Der Zeuge war nicht im Behandlungszimmer zugegen und konnte nicht beobachten, wie die Behandlung durchgeführt wurde. Er hielt sich zu dieser Zeit im Wartezimmer auf (vgl. Bl. 100 d.A., KlV-Schriftsatz v. 16.02.2011, S. 4). Demnach kann er auch nicht beobachtet haben, dass die Wunde nicht desinfiziert worden war.

Auf welche Art und Weise der Zeuge ansonsten die dahingehende Behauptung des Klägers stützen sollte, wurde von dem Kläger nicht vorgetragen. Der Kläger führt weder an, dass er sich mit dem Zeugen über die Problematik unterhalten hätte, noch dass dem Zeugen irgendetwas in dieser Richtung aufgefallen wäre und er den Kläger darauf angesprochen hätte. Die Einvernahme des Zeugen wäre deshalb auf verbotene Ausforschung hinausgelaufen.

In diesem Zusammenhang verstärken sich weitere Zweifel an der Behauptung des Klägers, die Wunden seien nicht gereinigt worden. Der Kläger nahm die angeblich unzureichende ärztliche Versorgung hin, ohne dagegen zu protestieren. Das Gericht konnte sich jedoch von dem Kläger in der Verhandlung einen Eindruck verschaffen und feststellen, dass es sich hierbei um einen selbstbewusster Menschen handelt, der keine hatte Probleme hatte, sich sachlich gut zu artikulieren. Auch hatte der Kläger, nach eigenem Vortrag, nicht möglichst schnell einen anderen Arzt aufgesucht, um überprüfen zu lassen, ob die Behandlung fachgerecht durchgeführt worden war, was nahe gelegen hätte, wenn er gleich im Anschluss durch die Behandlung des Beklagten zu 2. Bedenken wegen der Nichtreinigung der Wunde gehabt hätte.

So bedauerlich der Unfall und die Verletzung für den Kläger auch war, muss davon ausgegangen werden, dass der von dem Kläger als überdurchschnittlich schlecht empfundene Heilungsprozess, bei dem die Wunde möglicherweise auch noch eiterte, rein objektiv betrachtet, im Rahmen des „normalen“ verlaufen ist. Jeder Mensch, der in seinem Leben einen mittleren bis schweren Sturz mit Verletzungen erlebt hat, gerade als erwachsener Mensch, muss bei Platz- und Schürfwunden mit einer längere Phase der Heilung und Komplikationen, wie Entzündungen oder Vereiterungen rechnen.

Das kleinste Staubpartikel in der Wunde haften bleiben, obwohl diese gründlich desinfiziert wird, hat der Sachverständige ebenfalls bestätigt (Bl. 125 d.A.). Möglicherweise hätte dies mit einem tieferen Herausschneiden des gesamten Wundbereichs vermieden werden können. Der Preis dafür wäre jedoch eine wesentlich höherer Vernarbung und möglicherweise innere Verwachsungsbildung der Narben gewesen.

Im Ergebnis ist festzustellen, dass er Kläger bei dem schwerwiegenden Sturz mit seinem Fahrrad und der damit einhergehenden Gesichtsverletzung kaum damit rechnen konnte, ohne eine „Blessur“ davon zu kommen. Diese ist jedoch nicht dem behandelnden Arzt und Krankenhaus anzulasten sondern wurde kausal durch den Unfall und die damit einhergehende Verletzung verursacht.

Der Beklagte zu 2. hat als behandelnder Arzt nach der o. a. Definition des BGH nicht gegen ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte Erkenntnis verstoßen. Es kann deshalb auch dahin stehen, ob der Kläger sich für die Wundverklebung entschieden oder der Beklagte zu 2. ohne Fragen des Klägers angeordnet hatte, denn beides ist, nach dem Gutachter, gleich gut geeignet, eine Wunde zu verschließen.

Nur am Rande sei bemerkt, weil es hierauf für die Entscheidung nicht ankommt, da die Höhe des Schmerzensgeldes nicht zu bemessen ist, dass das Gericht sich in den mündlichen Verhandlungen durch die Anwesenheit des Klägers davon überzeugen konnte, dass die Narben kaum sichtbar sind und ganz gewiss nicht entstellend wirken.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708, 711 ZPO.

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