1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger macht gegen die Beklagten zu 1) und 2) Ansprüche auf Schmerzensgeld, Schadensersatz und Feststellungsansprüche aufgrund handchirurgischer Behandlung der linken Hand geltend.
Der Kläger litt seit mindestens 2014 an der sog. dupuytren’schen Erkrankung (Morbus Dupuytren) beider Hände und befand sich insoweit in hausärztlicher und ambulanter chirurgischer Behandlung. Mit Blick auf das Leiden an der rechten Hand fand am 17.07.2014 eine subtotale Aponeurektomie in der Klinik für Handchirurgie … statt.
Mit Blick auf die streitgegenständliche linke Hand stellte sich der Kläger am 16.07.2019 ambulant im Haus der Beklagten zu 1) (Campus …) zu einer Beratung über die bestehenden Therapieoptionen vor. Der untersuchende Arzt – der Beklagte zu 2) – nahm die linke Hand des Klägers in Augenschein und teilte mit, dass aufgrund der bestehenden Beugekontrakturen im Grund- und im 3. Mittelgelenk des kleinen Fingers neben einer Operation keine sinnvolle Therapiealternative bestehe. Eine Aufklärung des Klägers erfolgte am 16.07.2019 mittels eines formalisierten Aufklärungsbogens.
Man vereinbarte daher einen Operationstermin für den 30.08.2019.
Am 26.08.2019 erfolgte die Aufnahme zur stationären Behandlung. Noch am Aufnahmetag erfolgte eine partielle Aponeurektomie der Hohlhand sowie des Kleinfingers links, eine Arthrolyse des PIP (proximales Interphalangealgelenk), ein Wundverschluss durch Transpositionslappen sowie eine Deckung des Hebedefektes mit Vollhaut vom Unterarm.
Postoperativ legte man eine dorsale Gipsschiene mit Stahlwollekompressionsverband bis zum ersten Verbandswechsel an. Anschließend sollten eine intensive Physiotherapie und eine Schienenbehandlung ab dem zweiten postoperativen Tag erfolgen. Der postoperative Verlauf war jedoch äußerst kompliziert. Bereits wenige Tage nach der Operation zeigte sich eine massive Schwellung, die als venöse Stauung interpretiert wurde. Zudem bestand eine Wundheilungsstörung am operierten linken Kleinfinger. Ferner bestand eine Durchblutungsstörung mit Ablösung der oberflächlichen Hautschichten.
Es zeigten sich prekäre Weichteilverhältnisse. Die Fingerbeere war blau-livide, so dass bereits am 30.08.2019 eine erste Revisionsoperation mit Spülung, Wunddebridement sowie Hautdefektdeckung mit Vollhauttransplantation vom Unterarm erfolgte. Am Ende der Revisionsoperation zeigte sich die Durchblutung der Fingerbeere noch immer pathologisch. Dennoch wurde die Situation so belassen und die Operation beendet.
Im weiteren Verlauf zeigte sich eine großflächige Wundheilungsstörung bzw. ein großflächiger Haut-Weichteildefekt palmar am Kleinfinger links. Vor diesem Hintergrund entschloss man sich, am 05.09.2019 eine Nekrosenabtragung, ein subkutanes Debridement, eine Spülung am linken Kleinfinger, eine Defektdeckung mit einem großen Crossfingerlappen sowie eine Deckung des Hebedefektes IV mit Spenderhaut vom Unterarm durchzuführen. Erneut entnahm man großflächig Spenderhaut vom Unterarm.
Es kam zudem zu einer Infizierung der Operationswunde mit dem Bakterium Citrobacter koseri. Die Entlassung des Klägers nach Hause erfolgte am 12.09.2019. Der Kläger litt während des gesamten Aufenthaltes unter starken Schmerzen.
Am 27.09.2019 nahm man den Kläger erneut stationär in das Haus der Beklagten zu 1) auf, da sich eine Besserung der Wundsituation nicht einstellte. Es bestanden weiterhin erhebliche Nekrosen und Wundheilungsstörungen. Die Ärzte der Beklagten zu 1) empfahlen eine operative Lappentrennung und eine physiotherapeutische/ergotherapeutische Komplexbehandlung. Den empfohlenen Eingriff führte man am 27.09.2019 durch.
Das Vollhauttransplantat, das am 30.08.2019 implantiert worden war, zeigte sich im Verlauf des stationären Aufenthaltes zunehmend mazeriert und sezernierte. Hierauf führte man eine Lasertherapie und eine handchirurgische Komplexbehandlung in physiotherapeutischer und ergotherapeutischer Zusammenarbeit durch. Der Faustschluss war postoperativ nach wie vor nicht möglich. Man entließ den Kläger am 03.10.2019 in seine Häuslichkeit.
Im weiteren Verlauf stellte sich der Kläger wiederholt ambulant im Haus der Beklagten zu 1) vor. Am 29.11.2019 berichtete der Kläger über Bewegungseinschränkungen im Ringfinger und Kleinfinger. Es zeigte sich eine Hypästhesie im Bereich des Kleinfingers. Ferner bestand eine verzögerte Rekapillarisierung am Ringfinger. Es bestanden trophische Veränderungen im Bereich des Ringfingers, des Kleinfingers und der Hohlhand. Der Faustschluss war nach wie vor eingeschränkt, ebenso die Fingerstreckung. Am Kleinfinger bestand eine fixierte Schwanenhalsdeformität. Röntgenologisch zeigte sich eine massive Überstreckung des Kleinfingers im PIP-Gelenk.
Eine weitere ambulante Vorstellung erfolgte am 16.01.2020. Der Kläger berichtete weiterhin über Bewegungseinschränkungen und ein Kältegefühl am kleinen Finger. Es bestand eine Sensibilitätsstörung am Kleinfinger ulnar. Die Beweglichkeit des Ringfingers war erheblich eingeschränkt. Ferner persistierte die fixierte Schwanenhalsdeformität.
Die nächste ambulante Vorstellung des Klägers in der Ambulanz der Beklagten zu 1) erfolgte am 16.03.2020. Weiterhin bestand eine Sensibilitätsstörung am Kleinfinger ulnar mit Kältegefühl. Die Beweglichkeit des Ringfingers war weiterhin eingeschränkt. Es bestand eine erhebliche Beugekontraktur im Kleinfingergrundgelenk sowie eine fixierte Überstreckbarkeit im Kleinfingermittelgelenk. Erstmalig empfahl der behandelnde Arzt, der Zeuge …, eine Strahlresektion (Amputation) des Kleinfingers. Der Kläger erbat sich Bedenkzeit.
Am 30.07.2020 stellte sich der Kläger wieder in der Klinik der Beklagten zu 1) vor, um die Amputation des linken Kleinfingers zu erörtern. An diesem Tag erfolgte die Aufklärung des Klägers über die Amputation durch den Zeugen Dr. …. Im Nachgang vereinbarte der Kläger einen Termin zur Strahlresektion des linken Kleinfingers für den 19.10.2020.
Am 19.10.2020 wurde der Kläger stationär im Haus der Beklagten zu 1) aufgenommen. Es bestanden weiterhin Bewegungseinschränkungen mit fixierter Schwanenhalsdeformität. Noch am selben Tag wurde die Strahlresektion des Kleinfingers links durchgeführt. Postoperativ kam es zu einer erheblichen Schwellung der betroffenen Hand sowie zu Schmerzsensationen. Am 21.10.2020 wurde der Kläger nach Hause entlassen.
Auch im weiteren Verlauf bestanden die Bewegungseinschränkungen im vierten Finger fort, ebenso die erhebliche Kälteempfindlichkeit. Zudem trat nach der Strahlresektion nun ein Phantomschmerz im Bereich des vormaligen kleinen Fingers auf. Auch Ende des Jahres bestanden die erhebliche Kälteempfindlichkeit sowie die Einschränkungen der Beweglichkeit weiter. Die Kraft war eingeschränkt. Zudem bildete sich im weiteren Verlauf eine Palmarfascie im Bereich des dritten Stranges aus.
Der Kläger behauptet, dass die Behandlung im Haus der Beklagten zu 1) nicht den geschuldeten Standards eines aufmerksamen und gewissenhaften Facharztes entsprochen habe und in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft erfolgt sei.
So sei der Eingriff am 26.08.2019 nicht zwingend indiziert gewesen, sondern es habe sich allenfalls um einen relativ indizierten Eingriff gehandelt.
Bei der postoperativen Unterbringung des Klägers in einem Zimmer mit wechselnder Belegung von ambulanten Patienten habe es sich um einen schwerwiegenden Hygieneverstoß gehandelt und hierdurch seien Keime in die OP-Wunde gelangt. Auch habe beim Kläger ein deutlich erhöhtes Infektionsrisiko vorgelegen.Die Revisionseingriffe am 30.08.2019, 05.09.2019 und 27.09.2019 seien ebenfalls nicht zwingend indiziert gewesen. Die beiden ersten Revisionseingriffe seinen zudem zu früh nach dem Ersteingriff erfolgt, was das Infektionsrisiko erhöht habe. Der Eingriff am 30.08.2019 sei zudem auch zu früh beendet worden, da noch immer Durchblutungsstörungen an der Fingerbeere bestanden haben. Zudem sei vor dem Ersteingriff und den Revisionseingriffen am 30.08.2019 und 05.09.2019 keine korrekt dosierte Antibiotikaprophylaxe erfolgt.
Die Amputation des Kleinfingers am 19.10.2020 sei nicht zwingend indiziert gewesen.
Weiter behauptet der Kläger, dass er weder hinsichtlich des Ersteingriffs noch hinsichtlich der Revisionseingriffe vollständig aufgeklärt worden sei. Gleiches behauptet der Kläger hinsichtlich des Eingriffs am 19.10.2020. Diese Aufklärung sei mit ca. 12 Wochen zeitlich zu früh vor dem eigentlichen Eingriff und überdies unzureichend erfolgt. Die Aufklärungen seien entweder durch den Beklagten zu 2) vorgenommen worden oder würden in dessen Verantwortungsbereich fallen.
Der Kläger meint, dass ihm daher gegen die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner ein Schmerzensgeld von mindestens 50.000 € und ein Verdienstausfallschaden für die Zeit vom 01.10.2019 bis 30.04.2022 in Höhe von insgesamt 88.801,30 € zustehe. Darüber sei der Haushaltsführungsschaden derzeit noch nicht bezifferbar, woraus sich das Bedürfnis des Feststellungsantrags ableiten ließe.
Der Kläger beantragt:
1.
Die Beklagten zu 1) und 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, wegen der fehlerhaften Behandlung des Klägers im Zeitraum vom 26.08.2019 bis zum 21.10.2020 an den Kläger ein in das Ermessen des Gerichts zu stellendes Schmerzensgeld – mindestens 50.000,00 € – zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2.
Die Beklagten zu 1) und 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, materiellen Schadenersatz (Verdienstausfall) in Höhe 88.801,30 € zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen.
3.
Festzustellen, dass die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner – vorbehaltlich eines Anspruchsüberganges – verpflichtet sind, dem Kläger allen weiteren materiellen und zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht absehbaren weiteren immateriellen Schaden aus der fehlerhaften Behandlung im Zeitraum vom 26.08.2019 bis zum 21.10.2020 zu ersetzen.
4.
Die Beklagten zu 1) und 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 4.374,20 zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt: Die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagten behaupten, der Kläger habe zum Zeitpunkt der Vorstellung am 16.07.2019 bereits unter Schmerzen und Einschränkungen gelitten und sei vor dem Eingriff am 26.08.2019 nicht schmerzfrei gewesen, was durch den vom Kläger ausgefüllten „DASH-Fragebogen“ belegt würde. Auch sei seitens des untersuchenden Arztes nicht geäußert worden, dass eine Operation unausweichlich und zwingend geboten sei.
Weiter behaupten die Beklagten, dass die vorgetragenen Gesundheitsschäden und Einschränkungen nicht auf den Eingriff vom 26.08.2019 zurückzuführen seien, sondern als Folge der Grunderkrankung bei dem Kläger einzuordnen seien.
Ein Verdienstausfallschaden stünde dem Kläger nicht zu, da er ab 01.09.2019 ohnehin ohne Arbeit gewesen sei und der Eingriff durch die Beklagte daher nicht kausal für den Verdienstausfall gewesen sei. Auch der beanspruchte Haushaltsführungsschaden sei nicht eingetreten, da der Kläger zuvor aufgrund Montagetätigkeiten zumindest mehrtägig abwesend gewesen sei.
Die Beklagten meinen, dass die von dem Kläger erhobene Aufklärungsrüge hinsichtlich der Eingriffe aus dem Jahr 2019 und des Eingriffs aus dem Jahr 2014 verjährt sei und insoweit eine Durchsetzung etwaiger Ansprüche scheitern würde.
Im Übrigen und ergänzend wird wegen des Parteivorbringens Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze einschließlich aller Anlagen. Das Gericht hat den Kläger und den Beklagten zu 2) in der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2023 informatorisch angehört. Weiterhin hat es Beweis erhoben durch die Einvernahme der Zeugen Dr. … und Dr. …. Zudem hat der Sachverständige Dr. … am 22.01.2023 ein schriftliches Sachverständigengutachten erstellt das er in der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2023 erläutert hat. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 25.10.2023 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage (siehe unter A) ist unbegründet (siehe unter B).
A)
Die Klage ist zulässig.
Der Kläger hat insbesondere ein Interesse an der Feststellung (§ 256 ZPO) der Ersatzpflicht der Beklagten zu 1) und 2) für weiteren materiellen und zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht absehbaren weiteren immateriellen Schaden aus der fehlerhaften Behandlung im Zeitraum vom 26.08.2019 bis zum 21.10.2020 gemäß Ziffer 3) der Klageanträge.
Das Feststellungsinteresse i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO hinsichtlich eines Schadensersatzanspruchs, der noch nicht abschließend mit der Leistungsklage geltend gemacht werden kann, ist grundsätzlich dann zu bejahen, wenn der Anspruchsgegner seine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit in Abrede stellt und durch die Klageerhebung einer drohenden Verjährung entgegengewirkt werden soll. Geht es dabei um den Ersatz erst künftig befürchteten Schadens auf Grund einer nach Behauptung der Klagepartei bereits eingetretenen Rechtsgutsverletzung, so setzt das Feststellungsinteresse weiter die Möglichkeit dieses Schadenseintritts voraus; diese ist dann zu verneinen, wenn aus der Sicht der Klagepartei bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines derartigen Schadens wenigstens zu rechnen (BGH NJW 2001, 1431 [Ls]).
Da bei dem Kläger in Hinblick auf die Strahlresektion des Kleinfingers links noch immer Beschwerden in Form von Phantomschmerzen und einer Kälteempflichkeit auftreten, ist die Möglichkeit eines weiteren Schadenseintritts gegeben.
B)
Der Kläger hat gegen die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf Zahlung immateriellen und materiellen Schadensersatzes oder auf die Feststellung der Eintrittspflicht der Beklagten zu 1) und 2) für künftige Schäden im Zusammenhang mit behaupteten fehlerhaften Behandlungen im Zeitraum vom 26.08.2019 bis zum 21.10.2020.
Insbesondere hat der Kläger keine Schadensersatzansprüche gemäß §§ 280 Abs. 1, 630 a BGB in Verbindung mit dem zwischen ihm und der Beklagten zu 1) geschlossenen Behandlungsvertrag bzw. gemäß § 823 Abs. 1 BGB jeweils unter dem Gesichtspunkt eines Behandlungsfehlers (sodann unter I.) oder wegen einer in Folge fehlerhafter Aufklärung mangelnden Einwilligung (abschließend unter II.).
Aus diesem Grund hat der Kläger gegen die Beklagten zu 1) und 2) auch keinen Anspruch auf Zahlung von Zinsen oder Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
I. Der Kläger hat entgegen der ihn als Anspruchsteller grundsätzlich treffenden Beweislast (vgl. Katzenmeier, in: Hau/Poseck [Hrsg.]: BeckOK BGB, 68. Edition Stand: 01.11.2023, § 630 h Rdnrn. 7 ff.) keinen Behandlungsfehler im Haus der Beklagten zu 1) bzw. des Beklagten zu 2) nachweisen können. Dies geht zu seinen Lasten.
1. Ersteingriff am 26.08.2019:
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Kammer davon überzeugt, dass bei dem Ersteingriff am 26.08.2019 intraoperativ den fachlichen Standards entsprochen wurde und kein Behandlungsfehler vorliegt.
Der Sachverständige Dr. …, der von der Kammer beauftragt wurde, in seinem Gutachten aus medizinisch-sachverständiger Sicht die Frage zu beurteilen, ob bei dem Ersteingriff am 26.08.2019 intraoperativ nicht den fachlichen Standards entsprechend vorgegangen worden sei, hat ausgeführt, dass der Eingriff aus handchirurgischer Sicht sachgerecht erfolgt sei. Die postoperative Durchblutungsstörung sei der lange anhaltenden, ausgeprägten Beugekontraktur mit postoperativ besserer Streckung des Fingers und damit niedrigerem Gefäßdurchschnitt geschuldet gewesen. Klarstellend führte der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung hierzu aus, dass sich seine Antwort auf Seite 16 des schriftlichen Gutachtens auf den Ersteingriff am 26.08.2019 beziehe. Bei der Formulierung „postoperativer“ Eingriff handele es sich um einen Schreib- bzw. Diktierfehler.
2. Revisionseingriff am 30.08.2019:
Einen Behandlungsfehlervorwurf im Zusammenhang mit dem bei dem Kläger durchgeführten Revisionseingriff am 30.08.2019 lässt sich auch nicht damit begründen, dass die Durchblutung der Fingerbeere noch immer pathologisch gewesen sei und der Eingriff daher fehlerhaft frühzeitig beendet worden sei.
Der Sachverständige Dr. …, der von der Kammer beauftragt wurde, in seinem Gutachten diese Frage aus medizinisch-sachverständiger Sicht zu beurteilen, hat ausgeführt, dass der Revisionseingriff darauf abzielte, auf jeden Fall einer Infektion bei schlecht durchbluteten Weichteilen vorzubeugen, einen erneut aufgetretenen Defekt zu decken und die Durchblutung mittels Plexus-Katheter parallel dazu zu steigern. Dieser Versuch sei im Vergleich zu sehr viel aufwändigeren und risikoreichen OP-Versuchen zu einem derart frühen Zeitpunkt postoperativ als aus handchirurgischer Sicht stimmig nachvollziehbar und angemessen zu betrachten. Ergänzend führte der Sachverständige hierzu in der mündlichen Verhandlung aus, dass bei der Durchblutungssituation grundsätzlich zwei Komponenten zu betrachten seien, nämlich einmal was „rein“- und andererseits was „rausfließt“. Bei der ersten Operation (26.08.2019) sei es zu einer verzögerten Rekapillisierung gekommen. Dies geschehe bei derartigen Eingriffen sehr häufig und sei fast die Regel. Die Ärzte der Beklagten zu 1) haben deshalb ein Spasmolytikum gegeben und am Ende auch noch einmal mit Kochsalzlösung durchgespült. Letztlich handele es sich um ein Dehnungs- oder Durchmesserproblem. Nach der Gabe des Spasmolytikums haben die Ärzte sicherlich einen arteriellen Effekt erreicht, der sich am ersten postoperativen Tag auch gezeigt habe. Am zweiten postoperativen Tag habe man eine zunehmende venöse Stauung festgestellt, der Finger war blau, es bestand ein Abflussproblem. Deshalb sei der weitere Eingriff am 30.08.2019 situationsgerecht durchgeführt worden. Dabei sei ein Plexus-Katheter angelegt worden, was dazu geführt habe, dass die Fingerbeere letztlich wieder durchblutet wurde. Allerdings sei es dann so, dass die schwächste Struktur, der Lappen, wieder abgegangen beziehungsweise abgestorben sei. Gefäßchirurgische Maßnahmen wären nach Ansicht des Sachverständigen im vorliegenden Fall nicht mehr in Betracht gekommen.
3. Revisionseingriffe am 30.08.2019 und 05.09.2019 zeitlich zu früh:
Der Kläger konnte einen Behandlungsfehlervorwurf im Zusammenhang mit den durchgeführten Revisionseingriffen am 30.08.2019 und 05.09.2019 auch nicht damit begründen, dass die Eingriffe zeitlich zu früh im Abstand zum Ersteingriff am 26.08.2019 durchgeführt worden sein sollen und sich dadurch das Infektionsrisiko erhöht habe.
Der Sachverständige Dr. …, der von der Kammer auch beauftragt wurde, in seinem Gutachten aus medizinisch-sachverständiger Sicht diese Frage zu beurteilen, hat ausgeführt, dass die entsprechenden Revisionseingriffe auf Grundlage der zu schlechten Durchblutungssituation mit zunehmendem Weichteilverlust erfolgt seien, sprich im Wesentlichen, um einen Fingererhalt und eine Infekt-Vorbeugung zu ermöglichen. Die Eingriffe würden daher also das Gegenteil einer möglichen Erhöhung des Infektions-Risikos darstellen. Der Sachverständige führte in diesem Zusammenhang weiter aus, dass auch nicht fehlerhaft oder unzureichend auf die Wundheilungsstörung reagiert worden sei. Vielmehr könne festgestellt werden, dass die Revisionseingriffe nach Aktenlage situationsadäquat terminiert und durchgeführt wurden. Weder läge eine zu frühe noch eine zu späte Reaktion vor.
4. Entlassung am 12.09.2019 bei bestehender Wundinfektion:
Schließlich konnte der Kläger einen Behandlungsfehlervorwurf im Zusammenhang mit seiner Entlassung am 12.09.2019 in seine Häuslichkeit nicht damit nachweisen, dass die Operationswunde am Tag der Entlassung infiziert gewesen sei.
Der Sachverständige Dr. …, der von der Kammer beauftragt wurde, in seinem Gutachten diese Frage aus medizinisch-sachverständiger Sicht zu beurteilen, hat ausgeführt, dass die Entlassung am 12.09.2019 bei bereits am 07.09.2019 dokumentierter deutlicher Besserung der Durchblutungs- und der generellen Weichteilsituation nach Cross-Fingerlappenplastik erfolgt sei. Ein Infekt habe sieben Tage nach genannter Operation nicht vorgelegen, so auch nicht im Weiteren bis zur Wiederaufnahme (Lappendurchtrennung), so dass von einer Infizierung der Operationswunde nicht gesprochen werden dürfe und vielmehr ein adäquater Entlasszeitpunkt konstatiert werden müsse.
5. Antibiotika-Prophylaxe:
Einen Behandlungsfehlervorwurf im Zusammenhang mit einer fehlerhaften Antibiotika-Prophylaxe konnte der Kläger auch nicht mit der Behauptung begründen, dass weder vor dem Ersteingriff noch vor den Revisionseingriffen am 30.08.2019 und 05.09.2019 keine Antibiotika-Prophylaxe erfolgt sei, auch postoperativ keine Antibiose erfolgt und eine evtl. am 28.08.2019 begonnene Antibiose jedenfalls fehlerhaft verspätet und falsch dosiert erfolgt sei.
Der Sachverständige Dr. …, der von der Kammer beauftragt wurde, in seinem Gutachten aus medizinisch-sachverständiger Sicht diese Frage zu beurteilen, hat ausgeführt, dass sich die Frage einer perioperativen Antibiotika-Prophylaxe, d.h. der einmaligen Gabe ca. 30 bis 60 Minuten vor der OP bestenfalls vor der ersten Operation stellte. Hier sei festzustellen, dass es sich bei einem – wie hier – aseptischen Eingriff grundsätzlich um keine Indikation zur routinemäßigen perioperativen Antibiotika-Prophylaxe handeln würde. Ab dem 28.08.2019 sei dann eine sogenannte intravenöse Antibiotika-Therapie eingeleitet, d.h. ein kontinuierlicher antibiotischer Wirkspiegel angestrebt und ohne jeden Zweifel erreicht worden, so dass sich die Frage einer zusätzlichen perioperativen Antibiotika-Prophylaxe vor den weitergehenden Operationen überhaupt nicht stellen würde. Ergänzend führte der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung aus, dass diese Feststellungen die Essenz einer Leitlinie Nummer 029/022 seien. In dieser ist grundsätzlich keine AntibiotikaEmpfehlung bei aseptischen Eingriffen (sogenannten Klasse-1-Eingriffen) enthalten. Lediglich bei kontaminierten oder sicher kontaminierten Eingriffen werde eine Antibiotika-Prophylaxe empfohlen. Zu anderen Eingriffsgruppen lasse sich diese Leitlinie nicht aus. Es gebe allerdings eine regelmäßig überarbeitete Publikation des Fachklinikausschusses Hygiene der Helios-Kliniken, die letzte sei im Jahr 2019 erschienen. Diese enthalte für den Bereich der Hand Empfehlungen zu einer perioperativen Prophylaxe lediglich bei arthroskopischen Eingriffen, schweren Handverletzungen und offenen Frakturen. Für den Eingriff, der hier zur Rede stehe, existiert eine solche Empfehlung nicht.
Weiter gibt der Sachverständige in diesem Zusammenhang an, dass man bei den Risikofaktoren zwischen patienteneigenen, präoperativen (z.B. Bestrahlung) und intraoperativen (z.B. Operationszeit) Risikofaktoren unterscheide. Wenn von diesen Risiken mehrere signifikante Risikofaktoren vorlägen, dann wäre die Empfehlung einer perioperativen Antibiotika-Prophylaxe nach der genannten Leitlinie gegeben. Vor einer Operation erfolge durch die Anästhesisten eine Einteilung der Risikofaktoren in eine ASA-Skala. Wenn diese ASA-Skala einen Wert von größer als 2 erreiche, bedeute dies eine Empfehlung für eine perioperative Antibiotika-Prophylaxe. Wie hoch der ASA-Wert im vorliegenden Fall war, könne er nicht sagen. An intraoperativen Risiken sei beispielsweise bei einer starken Blutung zu denken, an das Einbringen eines Implantats oder bei einer OP-Zeit von länger als zwei Stunden. Hier sei keine starke Blutung zu befürchten und kein Implantat einzubringen gewesen. Die Operationszeit könnte etwa eineinhalb Stunden oder etwas mehr betragen haben.
Aus Sicht des Sachverständigen würden die von Klägerseite aufgeworfenen Fragen zur Antibiotika-Prophylaxe beziehungsweise Antibiose allerdings ohnehin ins Leere laufen, weil es im gesamten Verlauf und im gesamten Ablauf der Behandlung des Klägers im Jahr 2019 bei der Beklagten zu 1) nie einen Hinweis auf ein Infekt oder ein Infektproblem gegeben habe. Es habe auch keine Infektsituation vorgelegen. Ursache für die Verschlechterung des Zustandes und für die Wundheilungsstörung bei dem Kläger sei die rasant schlechter werdende Durchblutung des operierten Fingers gewesen. Deshalb habe man eine intravenöse Antibiotika-Therapie im Sinne einer Antibiotika-Prophylaxe begonnen, um einen Infekt zu verhindern. Auch die Hautlappenplastik sei nicht auf infiziertes Gebiet aufgebracht worden. Bei der ersten Revisionsoperation, bei der eine Vollhauttransplantation durchgeführt worden ist, sei kein infiziertes Gebiet sichtbar gewesen. Zwar sei bei einem Abstrich eine Kolonisation Citrobakter gefunden worden, die Darm- oder Genitalinfekte verursachen könne. Wäre allerdings anderweitig eine Infektsituation gegeben gewesen, wäre es zu viel tieferen Substanzschädigungen bei dem Kläger gekommen. Zusammenfassend und wiederholend führte der Sachverständige an, dass im gesamten Behandlungsablauf kein Hinweis auf einen Infekt oder eine Infektsituation vorgelegen habe.
6. Hygieneverstoß:
Den ihm obliegenden Nachweis eines Behandlungsfehlers im Zusammenhang mit einem Verstoß gegen Hygienestandards konnte der Kläger zur Überzeugung der Kammer auch nicht dadurch erfolgreich führen, dass er anlässlich des ersten stationären Aufenthaltes ab dem 26.08.2019 in einem Zimmer untergebracht worden sei, in dem wechselnde Patienten nach ambulanten Operationen jeweils einige Stunden lang bis zu ihrer Entlassung untergebracht wurden, die sich im Zimmer umgezogen und Angehörige in Straßenkleidung empfangen hätten und in diesem Zusammenhang Keime in die Operationswunde gelangt seien, infolgedessen es zu einer Infektion und einer erheblichen Wundheilungsstörung der Operationswunde gekommen sei.
6.1 Der Kläger hat im Rahmen seiner informatorischen Anhörung ausgeführt, dass sich am Tag nach dem Ersteingriff ein Patient in seinem Zweitbettzimmer für seine Operation vorbereitet und dazu auch das Bad des Zimmers genutzt habe. Die Ehefrau dieses Patienten habe den ganzen Tag im Patientenzimmer gewartet und dabei auch die Toilette des Zimmers genutzt. Während des Aufenthalts bis zur Entlassung am 12.09.2019 habe sich das insgesamt noch drei weitere Male wiederholt. Weiter sei es so gewesen, dass nach dem Eingriff an den Folgetagen zur Morgenvisite der Verband jeweils abgenommen wurde. Der Verband sei dann entweder im Anschluss wieder angebracht worden oder aber der Finger auch längere Zeit nur durch ein Tuch bedeckt gewesen und der Verband dann erst zwischen 10 Uhr und 11 Uhr wieder angelegt worden.
6.2 Der Sachverständige Dr. … hat hierzu ausgeführt, dass sich diese Frage der sinnvollen Beantwortung durch den Gutachter entziehen würde. Grundsätzlich könne zunächst einmal festgestellt werden, dass es postoperativ immer wieder zu einer Durchmischung von Patienten und/oder auch Angehörigen komme. Dies sei bei ambulanten Operationen im Rahmen der Abholung denkbar und auf einer Station im Mehrbettzimmer der Normalfall, wo Angehörige andere Zimmerinsassen besuchen. Dass bei einer sterilen Verbandsanordnung sich sozusagen durch den Verband ein Infekt entwickeln könne, sei dabei keine realistische Annahme.
6.3 Aus Sicht der Kammer ist weder ein Hygieneverstoß noch die Kausalität zwischen einem etwaigen Verstoß und einer Infektion der OP-Wunde des Klägers nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nachgewiesen.
Ausgangspunkt ist zunächst § 630 h Abs. 1 BGB, wonach ein Behandlungsfehler dann vermutet wird, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht hat, das für den Behandelnden voll beherrschbar war und das zu einer Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit geführt hat. Voll beherrschbar sind letztlich all jene Bereiche im Umfeld ärztlichen Tuns, die von der Person des konkreten Patienten unabhängig und von den individuellen Eigenheiten seines Organismus nicht beeinflusst sind. Davon erfasst ist nahezu die gesamte Organisation und Koordination des Behandlungsgeschehens, u.a. auch die Gewährleistung der Hygiene (Katzenmeier, in: Hau/Poseck [Hrsg.]: BeckOK BGB, 68. Edition Stand: 01.11.2023, § 630 h Rdnrn. 74). Gleichwohl bezieht sich die Beweislastumkehr nicht auf Kausalitätsfragen. Eine Unaufklärbarkeit des Ursachenzusammenhangs zwischen Fehler und Gesundheitsschaden geht dabei zu Lasten des Patienten (Katzenmeier, in: Hau/Poseck [Hrsg.]: BeckOK BGB, 68. Edition Stand: 01.11.2023, § 630 h Rdnrn. 19). Selbst wenn man in der vom Kläger geschilderten Form der Unterbringung einen Verstoß gegen Hygienestandards sehen sollte, gelang ihm der Kausalitätsnachweis nicht. Der Kläger konnte nicht nachweisen, dass es zu einem Infekt am Finger kam, der auf der geschilderten Form der Unterbringung beruht.
Der Sachverständige Dr. …, der der Kammer aus einer Vielzahl von Verfahren als äußerst erfahrener, fachkundiger und zuverlässiger chirurgischer und insbesondere handchirurgischer Sachverständiger bekannt ist, hat die von den Parteien vorgelegten Unterlagen vollständig ausgewertet, das medizinische Behandlungsgeschehen umfassend untersucht und die hiesigen Beweisfragen in der dargestellten Weise auch für den chirurgischen Laien gut nachvollziehbar sowie widerspruchsfrei schriftlich bewertet und in der mündlichen Verhandlung dargestellt. Die Kammer hat die schriftlichen Ausführungen und die mündlichen Darlegungen des Sachverständigen selbst nachvollzogen und kritisch gewürdigt. Die Kammer hält die Ausführungen des Sachverständigen Dr. … nach kritischer Prüfung insgesamt für voll zutreffend und legt sie deshalb ihrer Überzeugungsbildung uneingeschränkt zu Grunde.
II. Ersatzansprüche des Klägers im Zusammenhang mit den im Haus der Beklagten zu 1) durchgeführten Eingriffen bestehen schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass im Haus der Beklagten zu 1) bzw. durch den Beklagten zu 2) nicht wirksam über die Eingriffe vom 26.08.2019, 30.08.2019, 05.09.2019, 27.09.2019 und 19.10.2020 und die damit verbundenen Risiken aufgeklärt worden wäre und die Eingriffe darum rechtswidrig gewesen wären.
Gemäß § 630 e Abs. 1 S. 1 und 2 BGB waren die Beklagten zu 1) und 2) verpflichtet, den Kläger als Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären, das heißt insbesondere über Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken des jeweiligen Eingriffs sowie deren Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten sowie ggf. bestehende Behandlungsalternativen. Ein Eingriff, der diesen Anforderungen nicht genügt, ist auch bei dessen fachgerechter Durchführung mit Blick auf § 630 d Abs. 1 S. 1 BGB ein rechtswidriger Eingriff in die körperliche Integrität des Patienten. Für diesen Eingriff und sämtliche Folgen haften die Beklagten bei einem Verschulden daher grundsätzlich vollumfänglich (siehe Katzenmeier, in: Hau/Poseck [Hrsg.], BeckOK BGB, 68. Edition, Stand: 01.11.2023, § 630 e Rdnr. 64 m.w.N). Die Behandlerseite – hier also die Beklagten zu 1) und 2) – trägt dabei die Darlegungs- und Beweislast dafür, über den Eingriff und die mit damit verbundenen Risiken aufgeklärt zu haben (Quaas, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, 4. Auflage 2018, § 14 Rdnr. 110).
Gemessen an diesen Anforderungen ist die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Kläger im Haus der Beklagten zu 1) durch den Beklagten zu 2) oder Dritte ordnungsgemäß über die streitgegenständlichen Eingriffe aufgeklärt worden ist:
1. Aufklärung anlässlich des Ersteingriffs am 26.08.2019:
1.1 Der Kläger gab im Rahmen seiner informatorischen Anhörung an, dass der von ihm am 16.07.2019 unterschriebene Aufklärungsbogen (Anlage B5) mit ihm besprochen wurde. Über Risiken sei nach seiner Erinnerung nicht groß gesprochen worden und er sei auch nicht über Risiken informiert worden. Vielmehr sei der Eingriff als Routineeingriff dargestellt worden. Zudem sei er nicht auf die Möglichkeit einer Hauttransplantation oder einer Amputation des Fingers hingewiesen worden. Er sei auch nicht darauf hingewiesen worden, dass sich die Situation mit dem Finger verschlechtern könne.
1.2 Der Beklagte zu 2) führte im Rahmen seiner informatorischen Anhörung aus, dass er an die Behandlung des Klägers im Haus der Beklagten zu 1) zwar keine aktive Erinnerung mehr habe, jedoch auf dem Aufklärungsbogen (Anlage B5) seine Handschrift wieder erkenne. Die handschriftlichen Eintragungen auf dem Aufklärungsbogen (Kreuzchen, Unterstreichungen, Einkreisungen, usw.) und auch die Unterschriften über „Ärztin/Arzt“ würden von ihm stammen. Auch der Arztbrief (Anlage B4) trage seine Unterschrift und sei vollständig von ihm diktiert worden, was sich aus dem hinter dem Datum stehenden Zeichen „PrK“ ergebe, da dieses Kürzel den jeweils das Diktat erstellenden Bearbeiter ausgebe. Zudem ergebe sich aus der Patientenakte und dem darin enthaltenen Eintrag vom 16.07.2019 (Anlage B3), dass der Beklagte zu 2) den Kläger am besagten Tag gesprochen, untersucht und auch die Winkel am Finger vermessen habe. Dies ergebe sich aus dem über dem Datum stehenden handschriftlichen Namenskürzel, welches vom Beklagten zu 2) gesetzt wurde.
Der Beklagte zu 2) führte weiter aus, dass er an das konkrete Aufklärungsgespräch keine Erinnerungen mehr habe. Allerdings führe er die Aufklärung vor einer Operation wie derjenigen, die bei dem Kläger durchgeführt worden ist, so durch, dass er die einzelnen Risiken anspreche und dies mit Kringeln, Unterstreichen und Ankreuzen in dem Bogen auch kennzeichne.
Es sei auch so, dass er bei jeder Dupuytren-Operation den Patienten sage, dass er viele Operationen durchgeführt habe, aber auch zwei Finger verloren habe. Dies führe der Beklagte zu 2) deshalb aus, da er vor einer solchen Operation gegenüber den Patienten auch immer die Möglichkeit oder das Risiko anspreche, dass ein Finger letztlich amputiert werden muss. Dies mache der Beklagte zu 2) auch, wenn der entsprechende Text im Aufklärungsbogen nicht markiert sei, da er bei der Aufklärung nicht alle angesprochenen Risiken handschriftlich markiere. Das Prozedere bei der Aufklärung sei in der Regel so, dass er den Patienten nach Besprechung des Bogens mit dem Bogen in einen anderen Raum schicke, damit dieser den Aufklärungsbogen durchlesen könne. Der Patient fülle dann in der Regel die von ihm auf dem Bogen zu tätigenden Angaben aus und komme wieder zum Beklagten zu 2). Anschließend würden beide, Patient und Beklagter zu 2) als aufklärender Arzt, den Aufklärungsbogen unterzeichnen. In aller Regel weise er die Patienten bei dem Aufklärungsgespräch auch darauf hin, dass es nach der Operation schlechter sein kann als davor.
Weiter führte der Beklagte zu 2) aus, dass er mangels konkreter Erinnerung an das Gespräch nicht mehr sagen könne, ob er mit dem Kläger auch andere Behandlungsmöglichkeiten als eine Operation besprochen habe.
Zwar habe es in der damaligen Zeit beziehungsweise kurz davor eine Behandlungsmöglichkeit gegeben, bei der in die Stränge Collagenase gespritzt worden ist. Dadurch wurden die Stränge erweicht und man hat dann nach zwei Tagen oder nach einer Woche die Finger aufgeknackt. Zu dem Zeitpunkt, als der Kläger bei der Beklagten zu 1) erschienen sei, war dieses Medikament in Europa allerdings schon vom Markt genommen. Hinzu komme, dass das Mittelgelenk des Fingers beim Kläger mit 80 Grad sehr stark betroffen gewesen sei, so dass dieses Medikament für ihn konkret nicht mehr in Betracht gekommen sei. Der Beklagte zu 2) führte weiter aus, dass aus seiner Sicht zu einer Operation keinerlei Behandlungsalternativen mehr bestanden haben.
Auf die Möglichkeit einer Strahlentherapie angesprochen, erläuterte der Beklagte zu 2), dass diese in erster Linie bei einer Knotenbildung in der Hohlhand in Betracht komme. Bei ausgedehnten Kontrakturen, wie sie beim Kläger vorhanden waren, sei eine Strahlentherapie nicht effektiv. Der Beklagte zu 2) habe eine Strahlentherapie deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit am 16.07.2019 gegenüber dem Kläger nicht angesprochen.
Abschließend führte der Beklagte zu 2) aus, dass er den Kläger nicht zu einer Operation gezwungen oder diese als zwingend unerlässlich dargestellt habe. Allerdings sei es so gewesen, dass er für den Kläger jenseits einer Operation in der damaligen Situation keine sinnvolle Behandlungsalternative gesehen habe. Grundsätzlich sei es so, dass die dupuytren’sche Erkrankung nicht heilbar ist. Diese sei genetisch determiniert.
An diesen in sich stimmigen und widerspruchsfreien Angaben des Beklagten zu 2) zu zweifeln, hat die Kammer keinen Anlass, auch wenn der Beklagte zu 2) durchaus ein gewisses Eigeninteresse an einem für die Beklagte zu 1), der Arbeitgeberin des Beklagten zu 2), und einem für ihn günstigen Ausgang des Rechtsstreits haben mag.
1.3 Ausgehend von der ständigen Rechtsprechung des BGH, nach der an den dem Arzt obliegenden Beweis der geschuldeten Aufklärung keine unbilligen und übertriebenen Anforderungen gestellt werden dürfen und nach welcher der Schluss von einer ständigen Aufklärungspraxis auf eine entsprechende Aufklärung im Einzelfall zulässig ist (vgl. BGH, Urt. v. 28.01.2014 – VI ZR 143/13), ist es kein Hindernis, dass sich der Beklagte zu 2) an das konkrete Aufklärungsgespräch nicht mehr erinnert. Das Gericht kann seine Überzeugungsbildung auch dann auf die Angaben des Arztes über eine erfolgte Aufklärung stützen, wenn seine Darstellung in sich schlüssig ist, die entsprechende Aufklärung der zum fraglichen Zeitpunkt praktizierten „ständigen Übung“ entspricht und die Angaben durch die ärztliche Dokumentation im Wesentlichen bestätigt werden. Dies vorausgeschickt, ist festzustellen, dass die Ausführungen des Beklagten zu 2) im Einklang mit den in den Behandlungsunterlagen vorhandenen Einträgen stehen, insbesondere in dem Aufklärungsbogen (Anlage B5), dem Auszug aus der Patientenakte (Anlage B3) und dem Arztbrief vom 23.07.2019 (Anlage B4).
1.4 Der Sachverständige Dr. …, der von der Kammer auch beauftragt wurde, in seinem Gutachten aus medizinisch-sachverständiger Sicht die Frage einer ordnungsgemäßen Aufklärung des Klägers hinsichtlich des Ersteingriffs am 26.08.2019 zu beurteilen, hat ausgeführt, dass sich in der Aktenlage zunächst einmal jeweils standardisierte OP-Aufklärungs-Formulare aus der Reihe Thieme Compliance finden würden, welche wiederum zeitgerecht mit ausreichenden handschriftlichen Ergänzungen ausgefüllt worden seien. Berücksichtigt man den ersten Aufklärungsbogen, so findet sich hier im Abschnitt „Behandlungsalternativen“ folgender Hinweis: „Liegt eine verstreute Ausbreitung der Bindegewebsveränderungen vor, eine starke Einkrümmung oder ein Rezidiv, ist die operative Entfernung die einzige Behandlungsmöglichkeit“. Da der Bogen dem Patienten ausgehändigt worden sei und bereits an der rechten Hand eine aufwändige Operation im Jahre 2014 erfolgt sei, dürfe zumindest unterstellt werden, dass unter persönlicher und schriftlicher Kenntnisnahme das Risiko-Potential für den Kläger abschätzbar gewesen sei, insbesondere die Aussichtslosigkeit einer Verbesserung durch sonstige Möglichkeiten, und sei es nur eine abwartende Haltung. Ergänzend führte der Sachverständige im Rahmen der mündlichen Verhandlung hierzu aus, dass die Erfolgsaussichten für eine Operation wie dem Ersteingriff am 26.08.2019 schlechter sind, je weiter die Krankheit bereits fortgeschritten ist. Im vorliegenden Fall sei es so gewesen, dass der Kläger ja bereits mehrmals bei der Beklagten zu 1) in Behandlung war und mit einem „Enterhaken“ herausgekommen sei. Ausweislich des von dem Kläger ausgefüllten DASH-Protokolls haben sich deutliche Einschränkungen bei der Arbeit und mittlere Schmerzen ergeben. Es habe deshalb ein erheblicher Leidensdruck bei dem Kläger bestanden. Dem Patienten musste schon von der Operation an der rechten Hand her klar gewesen sein, dass eine Operation nicht zu einer hundertprozentigen oder durchgreifenden Besserung führen muss. Allerdings sei die Möglichkeit oder Aussicht, dass sich durch den Eingriff, wie er beim Kläger vorgenommen wurde, eine funktionelle Verbesserung ergibt, sehr viel wahrscheinlicher als eine Komplikation. Auch komme der Sachverständige zu dem Schluss, dass seines Erachtens die Risiken dem Kläger verständlich ausgedrückt worden seien. Er führte weiter aus, dass kein schriftlicher Vermerk darüber existieren würde, dass auf eine erhebliche Erhöhung der Komplikationslage hingewiesen worden ist. Seines Erachtens sei grundsätzlich das Spektrum der Komplikationsmöglichkeiten hier ausreichend durch die ausgefüllten Bögen skizziert. Ob im vorliegenden Fall eine Pointierung wegen des erhöhten Komplikationsrisikos notwendig gewesen wäre, würde er dahingehend einordnen, dass eine solche Pointierung aus seiner persönlichen Sicht wünschenswert gewesen wäre, sich allerdings die Frage stellt, ob eine solche auch erforderlich gewesen wäre. Es sei ohnehin unmöglich, über alle speziellen Risiken aufzuklären, von einer Angst machenden Aufklärung halte er nichts.
Nach alledem ist die Kammer von einer vollständigen und wirksamen Aufklärung des Klägers hinsichtlich des Ersteingriffs am 26.08.2019 überzeugt.
2. Aufklärungen anlässlich der Revisionseingriffe am 30.08.2019, 05.09.2019 und 27.09.2019
Der Kläger gibt im Rahmen seiner informatorischen Anhörung an, dass vor dem jeweiligen Eingriff ein Aufklärungsbogen mit ihm besprochen wurde und er diesen jeweils unterzeichnet habe. Diese Aussage deckt sich auch mit den vorgelegten Aufklärungsbögen anlässlich des Revisionseingriffs am 30.08.2019 (Anlage B17) und des Revisionseingriffs am 05.09.2019 bzw. 27.09.2019 (Anlage B18).
Der Sachverständige Dr. …, der von der Kammer damit beauftragt wurde, in seinem Gutachten aus medizinisch-sachverständiger Sicht die Frage einer ordnungsgemäßen Aufklärung des Klägers hinsichtlich der Revisionseingriffe am 30.09.2019, 05.09.2019 und 27.09.2019 zu beurteilen, hat ausgeführt, dass die Frage implementieren würde, dass eine zwingende Indikation für die Eingriffe nicht bestanden habe. Dies sei aus der handchirurgischen ex post Sicht nicht richtig. Es habe sich selbstverständlich um notwendige und letztlich auch nur in allerengsten Grenzen verschiebbare Eingriffe gehandelt. Dies werde beispielsweise auch bei dem operativen Eingriff vom 30.08.2019 dadurch klar, dass die Aufklärung um 10.30 Uhr am OP-Tag, sprich der Situation einer lokalen Befundverschlechterung angepasst erfolgt sei.
Demnach ist die Kammer von einer vollständigen und wirksamen Aufklärung des Klägers hinsichtlich der drei Revisionseingriffe am 30.08.2019, 05.09.2019 und 27.09.2019 überzeugt.
3. Aufklärung anlässlich der Strahlresektion am 19.10.2020:
3.1 Der Kläger gibt im Rahmen seiner informatorischen Anhörung an, dass er am 30.07.2020 den Aufklärungsbogen für die geplante Strahlresektion des Kleinfingers links unterzeichnete, nachdem dieser zuvor mit ihm besprochen worden sei. An die Person, die die Besprechung mit ihm durchgeführt habe, könne er sich nicht mehr erinnern.
3.2 Der Zeuge Dr. … hat angegeben, an den Kläger keine konkrete Erinnerung mehr zu haben, allerdings habe er den Behandlungsunterlagen entnehmen können, dass er den Kläger zu zwei Begebenheiten, konkret am 16.01.2020 und 16.03.2020, ambulant behandelt habe. Die Arztbriefe vom 23.03.2020 und vom 23.01.2020 (Anlagen B12 und B13), die unter anderem seine Unterschrift tragen, seien auch von ihm diktiert worden. Der Kläger habe sich ambulant vorgestellt und man habe besprochen, dass – sollten die Probleme fortdauern und keine Besserung eintreten – eine weitere konservative Therapie wie Physiotherapie, Ergotherapie oder Schienenbehandlung nicht mehr Erfolg versprechend sei. Es sei auch darüber gesprochen worden, dass der Finger abgenommen werden könne, wenn dieser den Patienten behindern würde. Es sei so gewesen, dass der Kläger immer wieder zur Beklagten zu 1) kam, weil ihn der Finger gestört habe. Dies sei auch der Grund gewesen, weshalb der Kläger die Beklagte zu 1) wieder aufgesucht habe. In dem Schreiben vom 23.03.2020 (Anlage B13) wurde von dem Zeugen Dr. … die Möglichkeit einer Strahlresektion erwähnt. Diese Möglichkeit habe der Zeuge Dr. … gegenüber dem Patienten angesprochen und erläutert. Der Kläger habe sich Bedenkzeit erbeten.
3.3 Der Zeuge Dr. … hat angegeben, an das Aufklärungsgespräch mit dem Kläger am 30.07.2020 ebenfalls keine konkrete Erinnerung mehr zu haben. In Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung habe er anhand der Behandlungsunterlagen feststellen können, dass er den Kläger am 30.07.2020 zusammen mit dem Beklagten zu 2) gesehen habe. Zeitlich vor dem Termin vom 30.07.2020 sei der Kläger zu zwei Gelegenheiten beim Kollegen Dr. … wegen der ausgeprägten Bewegungseinschränkungen in Behandlung gewesen.
Den Unterlagen habe der Zeuge weiter entnehmen können, dass der Kollege Dr. … dem Kläger zuletzt die Möglichkeit einer Amputation des Fingers empfohlen habe. Dem Schreiben vom 23.03.2020 (Anlage B13) habe der Zeuge entnehmen können, dass sich der Patient Bedenkzeit erbeten habe und sich ggf. wieder bei der Beklagten zu 1) vorstellen werde. Dies sei dann am 30.07.2020 geschehen. Nachdem der Patient mit der Empfehlung, eine Amputation in Erwägung zu ziehen, am 30.07.2020 erneut bei der Beklagten zu 1) erschienen war, sei dem Zeugen klar gewesen, dass das Ganze schon in Richtung Amputation gehen werde. Mangels konkreter Erinnerung gehe er, so der Zeuge, davon aus, dass es im vorliegenden Fall sicher so gewesen sei, wie es auch bei anderen Patienten üblich sei, dass man mit dem Patienten durchgesprochen hat, wie die Operation durchgeführt werden wird. Es werde die Operations- und die Anästhesieaufklärung durchgeführt und man bespreche den Fall insgesamt noch einmal. In aller Regel werde der Patient dann noch einmal dem Chef, also dem Beklagten zu 2) vorgestellt. Die Unterschrift auf dem Aufklärungsformular vom 30.07.2020 stamme von dem Zeugen selbst. Wenn er den Aufklärungsbogen selbst unterschreibt, führe er auch die zuvor erfolgte Aufklärung persönlich durch. Die Aufklärung vor einem solchen Eingriff wie dem vorliegenden (Amputation) nehme der Zeuge in der Regel anders vor als vor anderen Operationen wie Routineoperationen, z.B. bei einem Karpaltunnelsyndrom oder Ähnlichem. Der Zeuge führte weiter aus, dass er sich für die Aufklärung mehr Zeit nehme und auch auf die Leidens- und Vorgeschichte des Patienten eingehe. Einem Arzt sei bewusst, dass bei einem solchen Eingriff auch viel Emotionalität im Spiel sei. Damit sich der Patient vorstellen kann, wie das Ganze nach der Operation aussehe, zeige er ihm beispielsweise auch Bilder, die aus einer Publikation von Richter stammen. Es werde dann im Rahmen der Aufklärung im Detail auf die Operation, mögliche Komplikationen und die Folgen der Operation eingegangen. Der Zeuge erläuterte weiter, dass die Anmerkungen auf Seite 4 unten links des Aufklärungsbogens vom 30.07.2020, die dort mit durchgezogener unterstrichener Linie dargestellt sind, Anmerkungen seien, die er in Anwesenheit des Patienten mit einem Spracherkennungsgerät diktiert und dann in den Aufklärungsbogen übertragen habe. Dabei handele es sich um mögliche Komplikationen, auch unangenehmer Art, die der Zeuge mit dem Patienten bespreche. Es handele sich bei dem mit Hilfe der Spracherkennungssoftware eingefügten Text vereinfacht gesagt um eine Zusammenfassung möglicher Komplikationen, wobei der Zeuge erklärte, dass dort insbesondere unangenehme Komplikationen angesprochen seien. Zum Phänomen des Phantomschmerzes führte der Zeuge aus, dass er dies dann näher erläutern würde, wenn er den Eindruck gewänne, dass der Patient damit nicht umzugehen wüsste oder dies nicht richtig verstehen würde.
3.4 An diesen in sich stimmigen und widerspruchsfreien Angaben der Zeugen Dr. … und Dr. … zu zweifeln hat die Kammer keinen Anlass, auch wenn beide Zeugen durchaus ein gewisses Eigeninteresse an einem für die Beklagte zu 1), der Arbeitgeberin beider Zeugen, günstigen Ausgang des Rechtsstreits haben mögen. Auch das Verhältnis der Zeugen zum Beklagten zu 2), der als Chefarzt unmittelbarer Vorgesetzter ist, lässt für die Kammer keinen Rückschluss dahingehend zu, dass die Zeugenaussagen nicht frei und unbefangen waren. So hat der Zeuge Dr. … in seiner Aussage sogar ausgeführt, dass er eine evtl. zuvor durch den Chefarzt, den Beklagten zu 2), getroffene Indikationserstellung stets hinterfrage und gegebenenfalls auch eigene Bedenken äußern würde.
Ausgehend von der ständigen Rechtsprechung des BGH, nach der an den dem Arzt obliegenden Beweis der geschuldeten Aufklärung keine unbilligen und übertriebenen Anforderungen gestellt werden dürfen und nach welcher der Schluss von einer ständigen Aufklärungspraxis auf eine entsprechende Aufklärung im Einzelfall zulässig ist (vgl. BGH, Urt. v. 28.01.2014 – VI ZR 143/13), ist es kein Hindernis, dass sich der Zeuge Dr. … an das konkrete Aufklärungsgespräch nicht mehr erinnert. Das Gericht kann seine Überzeugungsbildung auch dann auf die Angaben des Arztes über eine erfolgte Aufklärung stützen, wenn seine Darstellung in sich schlüssig ist, die entsprechende Aufklärung der zum fraglichen Zeitpunkt praktizierten „ständigen Übung“ entspricht und die Angaben durch die ärztliche Dokumentation im wesentlichen bestätigt werden. Dies vorausgeschickt ist festzustellen, dass die Angaben der Zeugen Dr. … und Dr. … in Einklang mit den in den Behandlungsunterlagen vorhandenen Einträgen stehen, insbesondere in dem Aufklärungsbogen (Anlage B15), dem Auszug aus der Patientenakte (Anlage B14) und den Arztbriefen vom 23.01.2020 und 23.03.2020 (Anlage B12 und B13).
3.5 Der Sachverständige Dr. …, der von der Kammer damit beauftragt wurde, in seinem Gutachten aus medizinisch-sachverständiger Sicht auch die Frage einer ordnungsgemäßen Aufklärung des Klägers hinsichtlich des Eingriffs am 19.10.2020 zu beurteilen, hat ausgeführt, dass für diesen Eingriff eine standardisierte OP-Aufklärung mittels Thieme Compliance („Amputation von Gliedmaßen“) erfolgte, wobei ausführlich das Sammelsurium der allgemeinen und spezifischen Risiko-Konstellationen benannt wird. Hinzuweisen sei außerdem darauf, dass am 23.03.2020 auf die Möglichkeit einer Amputation hingewiesen wurde, der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch Bedenkzeit gewünscht habe und alternativ eine Versteifungsoperation als nicht sinnvoll erachtet wurde. Festzustellen sei auch, dass am 30.07.2020 wörtlich formuliert wurde, dass nach Bedenkzeit eine Wiedervorstellung erfolgte, was die gründliche Überlegung des Für und Wider von Patientenseite aus belege.
3.6 Die Aufklärung am 30.07.2020 erfolgte auch zeitlich nicht zu früh vor der Operation am 19.10.2020. Zwischen dem Aufklärungsgespräch und der Operation lagen knapp 12 Wochen. Ausgehend von der Wertung des § 630 e Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB hat die Aufklärung so rechtzeitig zu erfolgen, dass der Patient das Für und Wider des Eingriffs abzuwägen vermag. Es wird verlangt, dass der Patient im Wege der Abwägung der für und gegen den Eingriff sprechenden Gründe sein Selbstbestimmungsrecht wahren kann (so zuletzt u.a. BGH, Urt. v. 20.12.2022 – VI ZR 375/21). Entscheidend ist, ob der Patient zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem Eingriff eine wirksame Einwilligung erklärt und diese nicht widerrufen hat (vgl. BGH, Urt. v. 7. April 1992 – VI ZR 192/91). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze vermag die Kammer nicht erkennen, weshalb die Aufklärung am 30.07.2020 in Hinblick auf den Eingriff am 19.10.2020 zeitlich zu früh gewesen sein soll. Der Kläger suchte die Beklagte zu 1) – nach zuvor erbetener Bedenkzeit – am 30.07.2020 erneut auf, um die fortdauernden Probleme am (Klein-)Finger der linken Hand zu beheben. Er entschied sich für eine Strahlresektion des linken Kleinfingers und es erfolgte die Aufklärung durch den Zeugen Dr. …. Gemessen an den Folgen des Eingriffs ist festzustellen, dass die zwischen der Aufklärung und dem Eingriff liegende Zeit sogar eher als angemessen zu bezeichnen ist, um den Kläger vor einer übereilten Entscheidung zu schützen. So blieb dem Kläger auch nach der Aufklärung und unter Berücksichtigung dieser noch ausreichend Zeit, für sich das Für und Wider des Eingriffs abzuwägen.
Demnach ist die Kammer von einer vollständigen und wirksamen Aufklärung des Klägers am 30.07.2020 hinsichtlich der Strahlresektion am 19.10.2020 überzeugt.
Der Sachverständige Dr. …, der der Kammer aus einer Vielzahl von Verfahren als äußerst erfahrener, fachkundiger und zuverlässiger chirurgischer und handchirurgischer Sachverständiger bekannt ist, hat die von den Parteien vorgelegten Unterlagen vollständig ausgewertet, das medizinische Behandlungsgeschehen umfassend untersucht und die hiesigen Beweisfragen in der dargestellten Weise auch für chirurgische Laien gut nachvollziehbar sowie widerspruchsfrei schriftlich bewertet und in der mündlichen Verhandlung dargestellt. Die Kammer hat die schriftlichen Ausführungen und die mündlichen Darlegungen des Sachverständigen nachvollzogen und kritisch gewürdigt. Die Kammer hält die Ausführungen des Sachverständigen Dr. … nach eigener kritischer Prüfung insgesamt für voll zutreffend und legt sie deshalb ihrer Überzeugungsbildung uneingeschränkt zu Grunde.
Zusammenfassend hat die Kammer an einer an dem bereits genannten Maßstab gemessen ordnungsgemäßen Aufklärung des Klägers über den jeweiligen Eingriff und seine Folgen keinerlei Zweifel. Keinem der Eingriffe vom 26.08.2019, 30.08.2019, 05.09.2019, 27.09.2019 und 19.10.2020 liegt eine fehlerhafte Aufklärung zugrunde.
C.
I. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
II. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.