Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Wirbelsäulen-OP endet vor Gericht: Patient scheitert mit Schmerzensgeldklage
- Hintergrund: Langjährige Wirbelsäulenbeschwerden und mehrere Operationen
- Vorwurf des Behandlungsfehlers: Unzureichende Dekompression der Nervenwurzeln
- Landgericht Heidelberg: Klageabweisung nach Gutachten
- Berufung vor dem OLG Karlsruhe: Kläger zweifelt an Operationsbericht
- OLG Karlsruhe: Bestätigung der Vorinstanz und Zurückweisung der Berufung
- Kein Schmerzensgeld: Patient trägt die Kosten des Berufungsverfahrens
- Bedeutung für Betroffene: Hohe Hürden bei Arzthaftungsklagen und Beweislast
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Hinweise und Tipps
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wann liegt ein Behandlungsfehler vor, der zu einer Schmerzensgeldforderung berechtigt?
- Wie wird die Höhe des Schmerzensgeldes bei einem Behandlungsfehler bestimmt?
- Welche Rolle spielt ein Gutachten bei einer Schmerzensgeldklage wegen eines Behandlungsfehlers?
- Welche Fristen muss ich bei der Geltendmachung von Schmerzensgeldansprüchen nach einem Behandlungsfehler beachten?
- Was kann ich tun, wenn ich mir unsicher bin, ob ein Behandlungsfehler vorliegt?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 7 U 2/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
- Datum: 06.09.2023
- Aktenzeichen: 7 U 2/22
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Zivilrecht, Arzthaftungsrecht
Beteiligte Parteien:
- Der Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Zahlung von Schmerzensgeld wegen behaupteter fehlerhafter Behandlung geltend. Er argumentiert, dass die Operation durch die Beklagten zu Zementeinlagerungen im Spinalkanal geführt habe.
- Die Beklagten zu 1, 2 und 4 werden vom Kläger wegen einer Operation belangt, bei der es zu Zementeinlagerungen in den Spinalkanal gekommen sein soll. Die Beklagten haben sich insoweit bereits gütlich geeinigt.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Kläger wurde im Jahr 2006 aufgrund einer Spondylosisthesis operiert. Nach einer Revisionsoperation und weiterhin bestehenden Beschwerden begab er sich im November 2011 in Behandlung bei der Beklagten zu 1 und wurde durch die Beklagten zu 2 und 4 operiert. Dabei kam es zu Zementeinlagerungen in den Spinalkanal, worüber sich die Parteien gütlich geeinigt haben.
- Kern des Rechtsstreits: Die Frage, ob die Behandlung durch die Beklagten fehlerhaft war und dem Kläger einen Anspruch auf Schmerzensgeld begründet.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg wird zurückgewiesen.
- Folgen: Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsrechtszugs. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Fall vor Gericht
Wirbelsäulen-OP endet vor Gericht: Patient scheitert mit Schmerzensgeldklage

Ein Patient, der sich einer Wirbelsäulenoperation unterzog, hat vor dem Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe eine Niederlage erlitten. Er hatte die behandelnden Ärzte und das Krankenhaus wegen angeblicher Behandlungsfehler verklagt und Schmerzensgeld gefordert. Das Gericht wies seine Berufung jedoch zurück und bestätigte damit das Urteil der Vorinstanz.
Hintergrund: Langjährige Wirbelsäulenbeschwerden und mehrere Operationen
Dem Rechtsstreit liegt eine komplexe Krankengeschichte des Klägers zugrunde. Bereits im Jahr 2006 wurde bei ihm eine Spondylodese, eine operative Versteifung der Wirbelsäule, durchgeführt. Diese Operation war aufgrund einer Spondylosisthesis, einem Wirbelgleiten, notwendig geworden. Schon kurz nach dieser ersten Operation kam es zu Komplikationen in Form einer Materiallockerung, die eine erneute Operation im selben Jahr erforderlich machte.
Trotz dieser Eingriffe litt der Patient weiterhin unter Beschwerden. Im November 2011 suchte er daher das beklagte Krankenhaus auf und wurde dort erneut operiert. Während dieser Operation, durchgeführt von den beklagten Ärzten, kam es zu einem unerwünschten Ereignis: Zement gelangte in den Spinalkanal, den Raum, in dem das Rückenmark verläuft. Über die Folgen dieses Zementaustritts hatten sich die Parteien bereits außergerichtlich geeinigt.
Vorwurf des Behandlungsfehlers: Unzureichende Dekompression der Nervenwurzeln
Der Patient argumentierte jedoch, dass die Operation im Jahr 2011 nicht nur durch den Zementaustritt fehlerhaft verlaufen sei. Er behauptete, dass die Ärzte es versäumt hätten, eine notwendige Dekompression der Nervenwurzeln L5 durchzuführen. Diese Nervenwurzeln waren nach seiner Darstellung durch knöcherne Einengungen beeinträchtigt, was seine anhaltenden Schmerzen verursacht habe. Erst eine weitere Operation im Jahr 2017 in einem anderen Krankenhaus habe diese Einengungen beseitigt.
Der Kläger führte an, dass er bis zur Operation im Jahr 2017 weiterhin starke Schmerzen gehabt und auf Schmerzmittel angewiesen gewesen sei. Er argumentierte, dass seine zwischenzeitliche Aussage bei einer Nachuntersuchung im Januar 2012, in der er eine Besserung seiner Beschwerden angab, unter dem Einfluss starker Schmerzmittel erfolgt sei und daher nicht zutreffend sei.
Landgericht Heidelberg: Klageabweisung nach Gutachten
Das Landgericht Heidelberg, die erste Instanz in diesem Rechtsstreit, holte zur Klärung der medizinischen Sachverhalte ein Sachverständigengutachten ein. Nach Auswertung des Gutachtens und Anhörung des Sachverständigen sowie des Klägers wies das Landgericht die Klage ab. Das Gericht war nicht davon überzeugt, dass ein Behandlungsfehler vorlag.
Das Landgericht stützte seine Entscheidung maßgeblich auf den Operationsbericht der Beklagten aus dem Jahr 2011. Der Sachverständige hatte diesen Bericht dahingehend interpretiert, dass darin eine knöcherne Dekompression der Nervenwurzel im Bereich L5 dokumentiert sei. Die detaillierte Beschreibung im Operationsbericht sowie zwei während der Operation durchgeführte CT-Untersuchungen sprächen laut Sachverständigem für ein sorgfältiges operatives Vorgehen, trotz der Komplikation des Zementaustritts.
Weiterhin argumentierte das Landgericht, dass der Umstand, dass im Bericht über die Revisionsoperation im Jahr 2017 keine erneute Dekompression der Nervenwurzel L5 erwähnt wurde, dafür spreche, dass diese Dekompression bereits 2011 erfolgt war. Das Gericht sah die Ursache für die anhaltenden Beschwerden des Klägers in einer erneuten Lockerung des eingebrachten Materials und Narbenbildung, welche jedoch nicht auf einen Behandlungsfehler zurückzuführen seien. Es wurde darauf hingewiesen, dass es bereits vor der Operation 2011 zu einer Lockerung von Schraubenmaterial gekommen war.
Berufung vor dem OLG Karlsruhe: Kläger zweifelt an Operationsbericht
Der Kläger legte gegen das Urteil des Landgerichts Berufung beim Oberlandesgericht Karlsruhe ein. Er rügte, dass das Landgericht und der Sachverständige zu Unrecht die Sorgfalt und Vollständigkeit des Operationsberichts der Beklagten angenommen hätten. Er argumentierte, dass der Bericht Mängel aufweise, da er beispielsweise die Gabe von zwei Blutkonserven und den unstreitigen Zementaustritt nicht erwähne. Daher könne nicht von einem vollständigen und zuverlässigen Operationsbericht ausgegangen werden.
Zusätzlich beanstandete der Kläger, dass nicht alle verfügbaren Röntgenbilder umfassend begutachtet worden seien. Er warf ein, dass Röntgenbilder, die vor der Revisionsoperation im Jahr 2017 angefertigt wurden, belegen würden, dass die Operation im Jahr 2011 nach dem Zementaustritt abgebrochen und die Dekompression der Nervenwurzeln L5 nicht durchgeführt worden sei. Er bezog sich dabei auch auf einen Radiologiebericht eines anderen Krankenhauses.
OLG Karlsruhe: Bestätigung der Vorinstanz und Zurückweisung der Berufung
Das Oberlandesgericht Karlsruhe teilte die Auffassung des Klägers nicht und wies die Berufung zurück. Das Gericht bestätigte im Wesentlichen die Argumentation des Landgerichts. Es sah keine stichhaltigen Gründe dafür, die Feststellungen der Vorinstanz und die Einschätzung des Sachverständigen zu beanstanden.
Das OLG Karlsruhe betonte, dass das Landgericht zu Recht auf den Operationsbericht und die Expertise des Sachverständigen abgestellt habe. Es sah keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Operationsbericht in wesentlichen Punkten unvollständig oder unrichtig sei. Auch die Argumentation des Klägers hinsichtlich der Röntgenbilder und des Radiologieberichts überzeugte das Gericht nicht.
Kein Schmerzensgeld: Patient trägt die Kosten des Berufungsverfahrens
Mit der Zurückweisung der Berufung durch das OLG Karlsruhe bleibt es bei der Entscheidung des Landgerichts Heidelberg: Der Patient erhält kein Schmerzensgeld. Darüber hinaus muss er die Kosten des Berufungsverfahrens tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, was bedeutet, dass die Beklagten ihre Ansprüche aus dem Urteil sofort durchsetzen können. Der Kläger hat jedoch die Möglichkeit, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden. Das Gericht ließ die Revision zum Bundesgerichtshof nicht zu.
Bedeutung für Betroffene: Hohe Hürden bei Arzthaftungsklagen und Beweislast
Dieses Urteil verdeutlicht die hohen Hürden, die Patienten nehmen müssen, wenn sie Ärzte oder Krankenhäuser wegen Behandlungsfehlern auf Schmerzensgeld verklagen. In Arzthaftungsprozessen liegt die Beweislast grundsätzlich beim Patienten. Er muss darlegen und beweisen, dass ein Behandlungsfehler vorliegt, der zu einem Schaden geführt hat.
Gerade in komplexen medizinischen Fällen, wie hier bei einer Wirbelsäulenoperation, ist es für Patienten oft schwierig, den Nachweis eines Behandlungsfehlers zu erbringen. Operationsberichte und Sachverständigengutachten spielen eine zentrale Rolle in solchen Verfahren. Das Gericht stützt sich in der Regel maßgeblich auf die Einschätzung von medizinischen Experten.
Für Patienten bedeutet dies, dass eine sorgfältige Dokumentation von Behandlungen und Beschwerden sowie die Einholung einer Zweitmeinung im Vorfeld einer Operation von großer Bedeutung sein kann. Im Falle eines vermuteten Behandlungsfehlers ist es ratsam, sich frühzeitig juristischen Rat einzuholen, um die Erfolgsaussichten einer Klage realistisch einschätzen zu können. Dieses Urteil zeigt, dass Gerichte hohe Anforderungen an den Nachweis eines Behandlungsfehlers stellen und dass detaillierte Operationsberichte und fachärztliche Gutachten in der Regel als maßgebliche Beweismittel angesehen werden.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt, dass ein Behandlungsfehler nur dann erfolgreich nachgewiesen werden kann, wenn über die subjektive Schmerzwahrnehmung hinaus objektive Belege für eine fehlerhafte Behandlung vorliegen. Die bloße Fortdauer von Beschwerden nach einer Operation reicht nicht aus, um Ärzte haftbar zu machen, besonders wenn die Operationsberichte eine fachgerechte Durchführung dokumentieren. Für Patienten ist entscheidend, dass sie bei Klagen wegen Behandlungsfehlern konkrete medizinische Nachweise für die behaupteten Versäumnisse vorlegen müssen, da Gerichte der ärztlichen Dokumentation erhebliches Gewicht beimessen.
Hinweise und Tipps
Praxistipps für Patienten nach Wirbelsäulenoperationen bei Verdacht auf Behandlungsfehler
Dieser Text beleuchtet einen Gerichtsfall im Arzthaftungsrecht und zeigt, wie wichtig es für Patienten ist, ihre Rechte zu kennen und im Falle von Komplikationen nach einer Wirbelsäulenoperation richtig zu handeln. Die folgenden Tipps sollen Ihnen helfen, sich in solchen Situationen zu orientieren und Ihre Ansprüche zu wahren.
⚖️ DISCLAIMER: Diese Praxistipps stellen keine Rechtsberatung dar und ersetzen nicht die individuelle juristische Beratung. Jeder Fall ist anders und kann besondere Umstände aufweisen, die einer speziellen Einschätzung bedürfen.
Tipp 1: Umfassende Dokumentation der Behandlung
Sichern Sie alle relevanten Dokumente und Informationen im Zusammenhang mit Ihrer Wirbelsäulenoperation. Dazu gehören Arztbriefe, OP-Berichte, Befundberichte, Röntgenbilder, CT- oder MRT-Aufnahmen, Medikationspläne und sämtliche Korrespondenz mit Ärzten und Kliniken. Eine lückenlose Dokumentation ist essenziell, um einen Behandlungsfehler nachzuweisen und Ihre Ansprüche geltend zu machen.
Beispiel: Führen Sie ein Schmerztagebuch, in dem Sie Ihre Beschwerden vor und nach der Operation detailliert festhalten. Notieren Sie auch alle Gespräche mit Ärzten und deren Aussagen.
⚠️ ACHTUNG: Verlassen Sie sich nicht allein auf Ihr Gedächtnis. Fordern Sie Kopien aller wichtigen Unterlagen von der Klinik und den behandelnden Ärzten an.
Tipp 2: Frühzeitige Einholung einer ärztlichen Zweitmeinung
Wenn Sie nach einer Wirbelsäulenoperation unerwartete oder anhaltende Beschwerden haben oder den Verdacht eines Behandlungsfehlers hegen, zögern Sie nicht, eine unabhängige ärztliche Zweitmeinung einzuholen. Ein neutraler Experte kann den Behandlungsverlauf beurteilen und Ihnen helfen, die Situation medizinisch einzuschätzen.
Beispiel: Kontaktieren Sie einen anderen Facharzt für Orthopädie oder Neurochirurgie, der nicht an Ihrer ursprünglichen Behandlung beteiligt war, und bitten Sie um eine Begutachtung Ihrer Unterlagen und eine Untersuchung.
⚠️ ACHTUNG: Die Einholung einer Zweitmeinung ist Ihr gutes Recht und sollte nicht als Misstrauen gegenüber Ihren behandelnden Ärzten missverstanden werden. Sie dient Ihrer eigenen Sicherheit und Entscheidungsfindung.
Tipp 3: Rechtzeitige juristische Beratung suchen
Bei Anzeichen für einen Behandlungsfehler, insbesondere wenn Komplikationen wie Zementeinlagerungen im Spinalkanal auftreten oder Ihre Beschwerden sich verschlimmern, sollten Sie sich umgehend von einem auf Medizinrecht spezialisierten Rechtsanwalt beraten lassen. Dieser kann Ihre Ansprüche prüfen, Ihnen die Erfolgsaussichten eines Schmerzensgeldanspruchs erläutern und Sie im weiteren Vorgehen unterstützen.
Beispiel: Suchen Sie online oder über Empfehlungen nach einem Anwalt für Medizinrecht in Ihrer Nähe und vereinbaren Sie einen ersten Beratungstermin. Viele Anwälte bieten eine kostenlose Erstberatung an.
⚠️ ACHTUNG: Warten Sie nicht zu lange, bis Sie einen Anwalt einschalten. Im Arzthaftungsrecht gelten Verjährungsfristen, nach deren Ablauf Ihre Ansprüche möglicherweise nicht mehr durchsetzbar sind.
Weitere Fallstricke oder Besonderheiten?
In Arzthaftungsprozessen ist es oft schwierig, einen Behandlungsfehler und dessen Ursächlichkeit für die entstandenen Schäden nachzuweisen. Gerichte fordern in der Regel ein medizinisches Sachverständigengutachten, um den Sachverhalt aufzuklären. Die Beweislast liegt grundsätzlich beim Patienten. Es ist daher entscheidend, von Anfang an sorgfältig vorzugehen und sich professionelle Unterstützung zu suchen.
✅ Checkliste: Vorgehen bei Verdacht auf Behandlungsfehler nach Wirbelsäulen-OP
- [x] Dokumentation aller Behandlungsunterlagen sichern
- [x] Ärztliche Zweitmeinung einholen
- [x] Rechtsberatung durch einen Fachanwalt für Medizinrecht in Anspruch nehmen
Benötigen Sie Hilfe?
Kompetente Unterstützung in Behandlungsfehlerfällen
Wer sich in einem vergleichbaren Fall mit Behandlungshaftungsfragen auseinandersetzen muss, erlebt häufig die Herausforderungen, die mit umfangreichen Beweisführungen und der Auswertung medizinischer Unterlagen einhergehen. Gerade wenn komplexe Operationsberichte und Gutachten eine zentrale Rolle spielen, kann es zu Unsicherheiten kommen – eine Lage, die einer präzisen juristischen Betrachtung bedarf.
Unsere Kanzlei bietet Ihnen eine sachliche und fundierte Analyse Ihrer individuellen Situation. Mit der Zielsetzung, Ihnen Übersicht über Ihre rechtlichen Handlungsmöglichkeiten zu verschaffen, stellen wir unsere Expertise dezent zur Verfügung. Sorgfältige Beratung und klare Aussagen sind dabei zentrale Elemente, um Sie bei der Bewältigung komplexer rechtlicher Fragestellungen zu unterstützen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wann liegt ein Behandlungsfehler vor, der zu einer Schmerzensgeldforderung berechtigt?
Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn eine medizinische Behandlung nicht nach den zum Zeitpunkt der Behandlung geltenden medizinischen Standards erfolgt ist und zu gesundheitlichen Schäden geführt hat. Damit ein Behandlungsfehler zu einer Schmerzensgeldforderung berechtigt, muss er ursächlich für den Schaden des Patienten sein. Das bedeutet, dass der Fehler direkt zu den gesundheitlichen Problemen geführt haben muss.
Wichtige Aspekte:
- Abweichung vom medizinischen Standard: Der Arzt muss sich von den allgemein anerkannten medizinischen Richtlinien entfernt haben.
- Gesundheitlicher Schaden: Der Fehler muss zu einem tatsächlichen gesundheitlichen Schaden geführt haben.
- Ursächlichkeit: Es muss nachgewiesen werden, dass der Schaden durch den Behandlungsfehler verursacht wurde.
Ein grober Behandlungsfehler ist besonders schwerwiegend und kann zu einer Beweislastumkehr führen, was bedeutet, dass der Arzt beweisen muss, dass der Schaden nicht durch ihn verursacht wurde.
Stellen Sie sich vor, Sie sind in einer Situation, in der Sie sich fragen, ob eine Behandlung fehlerhaft war. In solchen Fällen ist es wichtig, sich über die medizinischen Standards und die möglichen Folgen eines Fehlers zu informieren.
Wie wird die Höhe des Schmerzensgeldes bei einem Behandlungsfehler bestimmt?
Die Bestimmung der Höhe des Schmerzensgeldes bei einem Behandlungsfehler ist ein komplexer Prozess, der von vielen Faktoren abhängt. Keine festen Sätze oder Tabellen bestimmen die Höhe des Schmerzensgeldes; stattdessen werden individuelle Umstände berücksichtigt. Hier sind einige der wichtigsten Faktoren:
- Art und Schwere der Verletzung: Je schwerwiegender die Verletzung, desto höher kann das Schmerzensgeld ausfallen.
- Dauer der Behandlung: Langwierige Behandlungen oder chronische Schmerzen führen zu höheren Entschädigungen.
- Grad des Verschuldens des Arztes: Vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln kann die Höhe beeinflussen.
- Folgeschäden: Bleibende Schäden, wie Behinderungen oder Entstellungen, sind entscheidend.
- Alter und persönliche Lebensumstände des Geschädigten: Diese Faktoren spielen ebenfalls eine Rolle bei der Bemessung.
Schmerzensgeldtabellen dienen als Orientierungshilfe, basieren jedoch auf vergangenen Gerichtsurteilen und sind nicht verbindlich. Letztlich entscheidet ein Gericht über die Höhe des Schmerzensgeldes, indem es alle relevanten Umstände abwägt.
Welche Rolle spielt ein Gutachten bei einer Schmerzensgeldklage wegen eines Behandlungsfehlers?
Ein medizinisches Gutachten spielt eine entscheidende Rolle bei einer Schmerzensgeldklage wegen eines Behandlungsfehlers. Es dient dazu, den Behandlungsfehler und dessen Folgen für die Gesundheit des Betroffenen nachzuweisen. Ohne ein solches Gutachten kann es schwierig sein, die notwendigen Beweise zu erbringen, um einen Schadensersatzanspruch erfolgreich durchzusetzen.
Wer gibt ein Gutachten in Auftrag?
Ein Gutachten kann entweder von einer der Parteien (z.B. dem Kläger oder dem Beklagten) oder vom Gericht selbst in Auftrag gegeben werden. Gerichte ordnen oft Gutachten an, um Streitfragen zu klären, insbesondere wenn die medizinischen Sachverhalte komplex sind und die Parteien keine ausreichende medizinische Sachkunde besitzen.
Welche Arten von Gutachten gibt es?
Es gibt verschiedene Arten von Gutachten, die je nach Fall relevant sein können:
- Medizinische Gutachten: Diese bewerten die medizinischen Aspekte eines Behandlungsfehlers und seine Auswirkungen auf die Gesundheit des Betroffenen.
- Orthopädische oder unfallchirurgische Gutachten: Diese sind besonders bei Verletzungen relevant, die mit Unfällen zusammenhängen.
- Psychiatrische Gutachten: Diese werden benötigt, wenn psychische Folgen des Behandlungsfehlers vorliegen.
Warum sind Gutachten wichtig?
Gutachten sind wichtig, weil sie objektive Beweise liefern, die helfen, die Kausalität zwischen dem Behandlungsfehler und den gesundheitlichen Schäden nachzuweisen. Ohne ein solches Gutachten könnte es schwierig sein, die Verantwortlichkeit des Behandelnden zu beweisen und Schadensersatzansprüche erfolgreich durchzusetzen.
Für die Betroffenen bedeutet dies, dass sie umfassende Dokumentationen ihrer Verletzungen und Behandlungen sammeln sollten, um die Grundlage für ein aussagekräftiges Gutachten zu schaffen.
Welche Fristen muss ich bei der Geltendmachung von Schmerzensgeldansprüchen nach einem Behandlungsfehler beachten?
Wenn Sie Schmerzensgeldansprüche nach einem Behandlungsfehler geltend machen möchten, gibt es einige wichtige Fristen, die Sie beachten sollten:
- Regelmäßige Verjährungsfrist: Die Verjährungsfrist für Schmerzensgeldansprüche beträgt drei Jahre und beginnt am Ende des Jahres, in dem der Schaden entstanden ist und Sie Kenntnis von dem Behandlungsfehler und der Person des Schädigers erlangt haben. Das bedeutet, dass Sie erst dann handeln müssen, wenn Sie wissen, dass ein Fehler vorlag und wer dafür verantwortlich ist.
- Kenntnis des Schadens: Es reicht nicht aus, dass Sie wissen, dass etwas schiefgelaufen ist. Sie müssen auch erkennen können, dass der Schaden auf einem Behandlungsfehler beruht. Dies erfordert oft medizinische Gutachten oder eine fachkundige Bewertung.
- Absolute Verjährungsfrist: Unabhängig von Ihrer Kenntnis gibt es eine absolute Verjährungsfrist von 30 Jahren, die mit dem Tag der fehlerhaften Behandlung beginnt. Nach Ablauf dieser Frist können keine Ansprüche mehr geltend gemacht werden.
- Hemmung der Verjährung: In bestimmten Fällen kann die Verjährung gehemmt werden, zum Beispiel wenn Verhandlungen zwischen Ihnen und dem Arzt stattfinden oder wenn ein medizinisches Gutachten eingeholt wird. Dies kann die Frist verlängern, aber sobald die Hemmung endet, läuft die Verjährungsfrist weiter.
Es ist wichtig, sich über diese Fristen im Klaren zu sein, um sicherzustellen, dass Ihre Ansprüche nicht verjähren.
Was kann ich tun, wenn ich mir unsicher bin, ob ein Behandlungsfehler vorliegt?
Wenn Sie den Verdacht haben, dass ein Behandlungsfehler vorliegt, gibt es mehrere Schritte, die Sie unternehmen können, um Klarheit zu gewinnen:
1. Dokumentation und Zweitmeinung:
- Dokumentieren Sie alle Beschwerden und Symptome fotografisch und medizinisch. Dies kann helfen, den Behandlungsverlauf nachzuvollziehen.
- Suchen Sie eine ärztliche Zweitmeinung, um sicherzustellen, dass die Behandlung angemessen war. Ein anderer Arzt kann eine unabhängige Einschätzung abgeben.
2. Patientenberatungsstellen:
- Kontaktieren Sie eine Patientenberatungsstelle. Diese Stellen bieten oft kostenlose Beratung und Unterstützung bei Verdacht auf Behandlungsfehler.
3. Medizinische Gutachten:
- Lassen Sie ein medizinisches Gutachten erstellen. Ihre Krankenkasse kann den Medizinischen Dienst beauftragen, ein Gutachten zu erstellen, um den Verdacht auf einen Behandlungsfehler zu prüfen. Dies ist in der Regel kostenlos für Sie.
4. Spezialisierte Anwälte:
- Konsultieren Sie einen Anwalt für Medizinrecht, um rechtliche Optionen zu besprechen. Ein solcher Anwalt kann Ihnen helfen, die Erfolgsaussichten Ihres Falls einzuschätzen und weiteres Vorgehen zu planen.
5. Gedächtnisprotokoll:
- Erstellen Sie ein Gedächtnisprotokoll, in dem Sie den Behandlungsablauf detailliert beschreiben. Dies kann helfen, den genauen Zeitpunkt und die Umstände des vermuteten Fehlers zu dokumentieren.
Diese Schritte können Ihnen helfen, den Verdacht auf einen Behandlungsfehler zu klären und Ihre Rechte als Patient zu verstehen.
⚖️ DISCLAIMER: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Behandlungsfehler
Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn ein Arzt oder medizinisches Personal bei einer Behandlung nicht nach den anerkannten fachlichen Standards der medizinischen Wissenschaft handelt. Dies ist gemäß § 630a BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) zu beurteilen, wonach die Behandlung nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen hat. Der Nachweis eines Behandlungsfehlers erfordert in der Regel ein medizinisches Sachverständigengutachten.
Beispiel: Ein Operateur durchtrennt bei einer Wirbelsäulen-OP versehentlich einen Nerv, obwohl dies bei sorgfältiger Durchführung nach medizinischem Standard vermeidbar gewesen wäre.
Arzthaftungsrecht
Das Arzthaftungsrecht regelt die rechtlichen Folgen, wenn Ärzte oder medizinisches Personal bei der Behandlung von Patienten Pflichten verletzen. Es umfasst sowohl vertragliche Ansprüche (§§ 630a ff. BGB) als auch deliktische Ansprüche (§§ 823 ff. BGB). Im Arzthaftungsprozess gelten besondere Beweisregeln, wie z.B. Beweislasterleichterungen für Patienten bei groben Behandlungsfehlern oder Dokumentationsmängeln (§ 630h BGB).
Beispiel: Ein Patient kann nach einer fehlerhaften Operation Schadensersatz und Schmerzensgeld verlangen, wenn der Arzt gegen seine Sorgfaltspflicht verstoßen hat und dadurch ein Gesundheitsschaden entstanden ist.
Schmerzensgeld
Schmerzensgeld ist eine finanzielle Entschädigung für immaterielle Schäden wie körperliche und seelische Schmerzen, die jemand durch eine unerlaubte Handlung oder Pflichtverletzung erlitten hat. Die rechtliche Grundlage bildet § 253 Abs. 2 BGB. Die Höhe des Schmerzensgeldes richtet sich nach Art, Dauer und Schwere der Verletzung sowie dem Grad des Verschuldens des Schädigers und wird durch richterliches Ermessen festgelegt.
Beispiel: Ein Patient, der durch einen ärztlichen Fehler bei einer Wirbelsäulen-OP dauerhafte Schmerzen und Bewegungseinschränkungen erleidet, kann Schmerzensgeld als Ausgleich für diese Beeinträchtigungen fordern.
Berufungsverfahren
Das Berufungsverfahren ist ein Rechtsmittel gegen Urteile der ersten Instanz, mit dem eine erneute Überprüfung der Sach- und Rechtslage erreicht werden kann. Es ist in den §§ 511-541 ZPO (Zivilprozessordnung) geregelt. Die Berufung muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim zuständigen Berufungsgericht eingelegt werden. Im Berufungsverfahren findet grundsätzlich keine vollständige Neuverhandlung statt, sondern eine Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils.
Beispiel: Ein Patient, der vor dem Landgericht mit seiner Schmerzensgeldklage gescheitert ist, legt Berufung beim Oberlandesgericht ein, um eine erneute Prüfung seines Falls zu erreichen.
Spondylolisthesis
Spondylolisthesis ist eine Wirbelgleiten genannte Erkrankung, bei der ein Wirbel gegenüber dem darunterliegenden Wirbel nach vorne verschoben ist. Dies kann angeboren sein oder durch Verschleiß (degenerativ), Verletzungen oder andere Erkrankungen entstehen. Die Folgen können von leichten Beschwerden bis hin zu starken Schmerzen und neurologischen Ausfällen reichen. Bei schweren Fällen kann eine operative Stabilisierung der Wirbelsäule (Spondylodese) notwendig werden.
Beispiel: Ein Patient mit fortgeschrittener Spondylolisthesis, bei dem konservative Therapien keine Besserung brachten, unterzieht sich einer Operation, bei der die verschobenen Wirbel fixiert werden.
Spinalkanal
Der Spinalkanal ist ein knöcherner Kanal in der Wirbelsäule, der das Rückenmark und die davon abgehenden Nervenwurzeln umschließt und schützt. Er wird von den Wirbelbögen gebildet und erstreckt sich vom Foramen magnum am Schädelbasis bis zum Kreuzbein. Einengungen des Spinalkanals (Spinalstenosen) können durch verschiedene Ursachen wie Bandscheibenvorfälle, knöcherne Veränderungen oder, wie im vorliegenden Fall, durch Fremdmaterialien wie Zement zu Kompressionen des Rückenmarks oder der Nervenwurzeln führen.
Beispiel: Bei einer Wirbelsäulenoperation gelangt Knochenzement in den Spinalkanal und drückt auf Nervenstrukturen, was zu Schmerzen oder neurologischen Ausfällen führen kann.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Diese Norm regelt den Schadensersatzanspruch bei Verletzung von Rechtsgütern wie Körper und Gesundheit. Wer widerrechtlich und schuldhaft den Körper oder die Gesundheit eines anderen verletzt, ist zum Schadensersatz verpflichtet. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Kläger stützt seinen Anspruch auf Schmerzensgeld darauf, dass die Beklagten seine Gesundheit durch einen Behandlungsfehler widerrechtlich und schuldhaft verletzt haben sollen.
- § 280 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. Behandlungsvertrag: Diese Vorschrift begründet einen Schadensersatzanspruch bei Verletzung einer vertraglichen Pflicht. Ärzte und Patienten schließen einen Behandlungsvertrag, aus dem sich für den Arzt die Pflicht zur ordnungsgemäßen Behandlung ergibt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Zwischen dem Kläger und den Beklagten bestand ein Behandlungsvertrag. Der Kläger behauptet, dass die Beklagten ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen Behandlung verletzt und dadurch seinen Schaden verursacht haben.
- § 630a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – Behandlung nach dem Stand der medizinischen Erkenntnisse: Diese Norm schreibt vor, dass die Behandlung eines Patienten dem aktuellen, allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen muss. Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn diese Standards nicht eingehalten werden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Zentral ist die Frage, ob die Operation der Beklagten im Jahr 2011 dem medizinischen Standard entsprach, insbesondere ob die behauptete Dekompression der Nervenwurzeln fachgerecht durchgeführt wurde.
- § 630f Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – Dokumentation der Behandlung: Ärzte sind verpflichtet, die Behandlung und ihren VerlaufPatientenakte zu dokumentieren. Eine ordnungsgemäße Dokumentation ist wichtig für die Beweisbarkeit der Behandlung und das Aufdecken von Fehlern. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Kläger bemängelt die Vollständigkeit des Operationsberichts der Beklagten. Mängel in der Dokumentation können zulasten der Beklagten bei der Beweiswürdigung wirken.
- Zivilprozessordnung (ZPO) – Beweislast und Sachverständigengutachten: Im Zivilprozess trägt grundsätzlich der Kläger die Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen, also den Behandlungsfehler und den Schaden. Gerichte stützen sich in Arzthaftungsprozessen häufig auf Sachverständigengutachten, um medizinische Sachverhalte zu beurteilen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht hat ein Sachverständigengutachten eingeholt, um zu klären, ob ein Behandlungsfehler vorliegt. Das Urteil des Landgerichts und die Berufungsbegründung zeigen, dass die Beweiswürdigung des Sachverständigengutachtens entscheidend für den Ausgang des Rechtsstreits ist.
Das vorliegende Urteil
OLG Karlsruhe – Az.: 7 U 2/22 – Urteil vom 06.09.2023
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