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Schmerzensgeld für behandlungsfehlerhafte Injektion bei Patienten

OLG Dresden – Az.: 4 U 1385/16 – Beschluss vom 05.01.2017

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Die Klägerin hat Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 7.2.2017 wird aufgehoben.

4. Der Senat beabsichtigt, den Gegenstandswert für das Berufungsverfahren auf 47.700 EUR festzusetzen.

Gründe

Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch – einstimmig gefassten – Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung der Klägerin bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht. Das Landgericht hat die Klage zu Recht auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens abgewiesen, da die Klägerin den ihr obliegenden Nachweis eines den Beklagten anzulastenden Behandlungsfehlers nicht geführt hat, der für den bei ihr vorliegenden Dauerschaden am rechten Knie ursächlich ist.

Schmerzensgeld für behandlungsfehlerhafte Injektion bei Patienten
(Symbolfoto: REDPIXEL.PL/Shutterstock.com)

Der Sachverständige Prof. S. hat im Wesentlichen festgestellt, dass bei der Klägerin degenerative Veränderungen am rechten Kniegelenk vorliegen, die zu einer Varusgonarthrose geführt haben und die mit hinreichender Sicherheit durch die Spritzenbehandlung nicht ungünstig beeinflusst worden sind. Er konnte auch ausschließen, dass die Spritzenbehandlung und insbesondere die Injektion vom 07.06.2010 Ursache für den Einriss des Innenmeniskushinterhorns waren. Nach seinen Ausführungen ist die Schädigung entweder durch ein Unfallereignis oder durch die bei der Klägerin vor der Injektionsbehandlung bestehende Arthrose auch des rechten Kniegelenkes eingetreten. Aufgrund der Vorbefunde hat er eine durch die Injektion hervorgerufene Infektion als Ursache der Meniskusschädigung oder -zerstörung wie auch eine rheumatische Erkrankung ausdrücklich ausgeschlossen.

An den sachverständigen Feststellungen bestehen auch im Hinblick auf das Berufungsvorbringen keine Zweifel. Grundsätzlich ist es nicht zu beanstanden, wenn im Rahmen der Begutachtung die Behandlungsdokumentation einbezogen wird. Für eine Manipulation der Behandlungsunterlagen bestehen keine ausreichenden Hinweise und werden von der Berufung auch nicht aufgezeigt. Seit dem Jahr 1993 sind dem Sachverständigen zufolge auch bezüglich des rechten Knies Beschwerden und pathologische Untersuchungsbefunde dokumentiert, wenn auch entsprechend der Angaben der Klägerin das linke Knie im Vordergrund stand. Das rechte Knie sei seit 1993 mit behandelt worden, unter anderem auch durch Injektionen in den Jahren 1993, 1999 und 2006, die von der Klägerin auch nicht bestritten werden. Ferner würden auch die Angaben zu den Untersuchungen vom 07.04.2006 und 20.07.2006 als deutliche Hinweise auf eine Knorpelschädigung gewertet werden können. Selbst wenn zugunsten der Klägerin unterstellt wird, dass die Injektion vom 07.06.2010 entgegen den Behandlungsunterlagen durch den Beklagten zu 1 und nicht durch den Beklagten zu 2 gesetzt wurde, lässt sich der Vorwurf einer Verfälschung der Dokumentation damit nicht begründen, da auch eine versehentliche Fehleintragung vorliegen kann. Ohnehin kommt es auf die Frage, wer von den Beklagten die Injektion gesetzt hat, nicht entscheidend an. Zweifel an der Behandlungsdokumentation ergeben sich auch nicht daraus, dass zu den Injektionen unter dem 07.06.2010 vermerkt ist „gut vertragen“ und am 14.06.2010 „oB, noch geringe Beschwerden“. Der Sachverständige hat die Eintragung vom 14.06.2010 mit einer abschließenden Bewertung des Behandlungsergebnisses nachvollziehbar erklärt. Eine nachträgliche Manipulation der Dokumentation wird dadurch nicht zwingend belegt. Der Sachverständige hat sich entgegen der Ansicht der Berufung auch mit den abweichenden Angaben der Klägerin zu der besonderen Schmerzhaftigkeit dieser Injektion auseinandergesetzt und ausgeführt, dass unabhängig von der Dokumentation jede Injektionsbehandlung an einem Kniegelenk auch bei korrekter Durchführung mit lokalen, äußerst unangenehmen Schmerzen verbunden sein kann. Anhaltspunkte für eine nach der Injektion aufgetretene Entzündung würden nicht bestehen, was insbesondere durch die Laborbefunde nach einer Kniegelenkpunktation vom 23.07.2010 belegt sei. Schließlich greift auch der Einwand der Berufung nicht durch, der Sachverständige habe sich im Rahmen der Begutachtung ausschließlich auf die Dokumentation der Beklagten gestützt. Auch die von dem Gutachter selbst befundete Röntgenaufnahme des rechten Kniegelenkes vom 02.08.2010 dokumentiert dem Sachverständigen zufolge degenerative Veränderungen des rechten Kniegelenks, die nicht innerhalb von vier Wochen entstanden sein können, sondern auf eine über Monate und Jahre vorher eingeleitete Veränderung schließen lassen. Dies werde auch durch das MRT vom 09.09.2010 nachgewiesen. Schließlich hat der Sachverständige auch die weiteren diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen im Rahmen der weiteren Behandlung der Klägerin nach den Injektionen ausdrücklich unbeanstandet gelassen, ohne dass von der Berufung dagegen konkrete Einwände erhoben werden. Konkrete Zweifel im Sinne des § 529 ZPO, die Anlass zu einer ergänzenden Beweisaufnahme geben könnten, sieht der Senat insofern nicht.

Ansprüche der Klägerin kämen daher allenfalls in Betracht, soweit der Sachverständige die Injektion des Medikaments „Traumeel“ als behandlungsfehlerhaft bewertet hat, ohne diese allerdings als schlechthin unverständlich zu bezeichnen. Die insoweit von der Klägerin behaupteten stechenden Schmerzen, die sie unmittelbar durch die Injektion dieses Medikaments bei der „neunten Injektion“ erlitten haben will, stellen indes Bagatellverletzungen dar, die nach dem die Vorschrift des § 253 Abs. 2 BGB bestimmenden Billigkeitsgrundsatz keinen ein Schmerzensgeld rechtfertigenden Schaden darstellen. Zwar kann grundsätzlich bei jeder Verletzung des Körpers oder der Gesundheit eine billige Entschädigung in Geld für den erlittenen immateriellen Schaden verlangt werden. Dabei ist jedoch stets der in § 253 Abs. 2 BGB enthaltene Billigkeitsgrundsatz zu berücksichtigen, der dem Umstand Rechnung trägt, dass für die Bemessung des Schmerzensgeldes auch dort, wo seine Ausgleichsfunktion gegenüber einer Genugtuung ganz im Vordergrund steht, ein Maßstab zur Bewertung des Ausgleichsbedürfnisses in Geld fehlt. Der Richter hat sich deshalb in erster Linie an der Bedeutung der konkreten Gesundheitsverletzung für die Lebensführung des Verletzten auszurichten. Danach kann es im Einzelfall gerechtfertigt sein, ein Schmerzensgeld zu versagen, wenn die erlittene Beeinträchtigung derart geringfügig ist, dass ein Ausgleich des sich aus ihr ergebenden immateriellen Schadens in Geld nicht mehr billig erscheint. Deshalb ist es nach § 287 ZPO geboten, bei geringfügigen Verletzungen ohne wesentliche Beeinträchtigung der Lebensführung und ohne Dauerfolgen zu prüfen, ob es sich nur um vorübergehende, im Alltagsleben typische und häufig auch aus anderen Gründen als einem besonderen Schadensfall entstehende Beeinträchtigungen des körperlichen oder seelischen Wohlbefindens handelt, die im Einzelfall weder unter dem Blickpunkt der Ausgleichs- noch der Genugtuungsfunktion ein Schmerzensgeld als billig erscheinen lassen (BGH, Urteil vom 14. Januar 1992, VI ZR 120/91 – juris). Derartige Bagatellbeschwerden stellen hier die durch die Injektion vom 7.6.2010 hervorgerufenen Schmerzen dar, die durch das Eindringen der Nadel in das Gewebe und die dadurch hervorgerufene Verletzung der Haut hervorgerufen worden sind. Der Senat ist angesichts der Feststellungen des Sachverständigen, wonach weder die bei der Klägerin festgestellte Varusgonarthrose noch der Einriss des Innenmeniskushinterhorns auf die Spritzenbehandlung vom 7.6.2010 und die Injektion von Traumeel zurück zu führen sind, davon überzeugt, dass die von ihr beklagten „nicht nachlassenden Schmerzen“ allein auf diese Krankheitsbilder, nicht aber auf die Injektion selbst, die keine weitergehenden Schäden hervorgerufen hat, zurückzuführen sind. In diesem Sinne hat sich auch der Sachverständige Prof. S. geäußert, der lediglich einen „gewissen Reizzustand“ durch die Injektion angenommen hat. Ein Schmerzensgeld rechtfertigt dies nach Auffassung des Senats nicht.

Die Klägerin sollte daher eine Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen, die zwei Gerichtsgebühren spart.

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