Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Streit um eine gebrochene Spirale: Wenn ein Medizinprodukt versagt
- Eine fehlerhafte Spirale und eine notwendige Operation
- Der Weg durch die Gerichte: Von der Abweisung zum Teilerfolg
- Die erste Hürde: Darf ein deutsches Gericht überhaupt entscheiden?
- Das Kernproblem: War die Spirale wirklich fehlerhaft?
- Die entscheidende Frage: Hat der Fehler den Schaden verursacht?
- Warum nur 1.000 Euro? Die Bemessung des Schmerzensgeldes
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Rechte habe ich, wenn ein medizinisches Produkt nicht funktioniert und mir Schaden zufügt?
- Wie kann ich beweisen, dass ein Medizinprodukt fehlerhaft war und meinen Schaden verursacht hat?
- Kann ich einen Hersteller aus dem Ausland in Deutschland verklagen, wenn dessen Medizinprodukt hier Schäden verursacht hat?
- Wofür erhalte ich Schmerzensgeld und wie wird die Höhe dafür festgelegt?
- Welche Bedeutung hat es, wenn der Hersteller selbst eine Warnung vor Materialfehlern herausgegeben hat?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 17 U 181/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: OLG Frankfurt
- Datum: 09.04.2025
- Aktenzeichen: 17 U 181/23
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Produkthaftungsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Die Patientin, der ein Intrauterinpessar (IUP) der Beklagten eingesetzt wurde, dessen Seitenarme brachen, was eine operative Entfernung erforderte. Sie forderte Schmerzensgeld wegen dieser Gesundheitsverletzung.
- Beklagte: Die Herstellerin des Intrauterinpessars (IUP), gegen die Schmerzensgeldansprüche wegen eines Produktfehlers geltend gemacht wurden.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Eine Patientin ließ sich ein Intrauterinpessar (IUP) der beklagten Herstellerin einsetzen. Später wurde festgestellt, dass beide Seitenarme des IUP gebrochen waren, was eine operative Entfernung unter Vollnarkose erforderte. Die Patientin forderte daraufhin Schmerzensgeld von der Herstellerin.
- Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war, ob ein Anspruch auf Schmerzensgeld aus Produkthaftung gegen den Hersteller des IUP besteht. Dies hing davon ab, ob ein Fabrikationsfehler des IUP vorlag, ob dieser Fehler die Gesundheitsverletzung (Bruch und notwendige Operation) verursachte und ob der Anscheinsbeweis in diesem Zusammenhang angewendet werden konnte.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Oberlandesgericht hob ein früheres Versäumnisurteil teilweise auf und änderte das Urteil des Landgerichts ab. Die beklagte Herstellerin wurde verurteilt, der Klägerin 1.000,00 € Schmerzensgeld zuzüglich Zinsen zu zahlen. Die weitergehende Klage der Patientin wurde abgewiesen.
- Begründung: Das Gericht bejahte seine Internationale Zuständigkeit. Es stellte fest, dass die Klägerin durch den Bruch des IUP eine Gesundheitsverletzung erlitten hatte. Für die Fehlerhaftigkeit des IUP und den Kausalzusammenhang zur Verletzung sprach der Anscheinsbeweis, da das IUP aus einer fehlerhaften Charge stammte und die Warnmeldung der Herstellerin dies bestätigte.
- Folgen: Die beklagte Herstellerin muss der Patientin das zugesprochene Schmerzensgeld zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits wurden überwiegend der Klägerin auferlegt, da sie nur zu einem geringen Teil obsiegte und zusätzliche Kosten durch ihre Säumnis sowie die Anrufung eines unzuständigen Gerichts verursacht hatte. Eine weitere Überprüfung des Urteils durch den Bundesgerichtshof (Revision) wurde nicht zugelassen.
Der Fall vor Gericht
Streit um eine gebrochene Spirale: Wenn ein Medizinprodukt versagt
Medizinprodukte sollen helfen, schützen und heilen. Millionen Menschen vertrauen täglich darauf, dass Implantate, Verhütungsmittel oder Herzschrittmacher sicher sind und wie versprochen funktionieren. Doch was passiert, wenn dieses Vertrauen enttäuscht wird? Wenn ein Produkt nicht nur nicht wirkt, sondern durch einen Fehler sogar eine Operation notwendig macht? Genau mit dieser Frage musste sich das Oberlandesgericht Frankfurt am Main beschäftigen. Es ging um eine Frau, deren Verhütungsspirale gebrochen war und die vom Hersteller eine Entschädigung für ihre Schmerzen und die Belastungen des Eingriffs forderte.
Eine fehlerhafte Spirale und eine notwendige Operation

Eine Frau, die Klägerin in diesem Fall, ließ sich im Januar 2016 eine sogenannte Intrauterinpessar (kurz IUP oder Spirale) zur Schwangerschaftsverhütung einsetzen. Hersteller dieses Produkts war ein Unternehmen aus dem Ausland, das wir hier als „die Herstellerin“ bezeichnen. Jahre später wurde bei einer Untersuchung im Krankenhaus festgestellt, dass beide Seitenarme der Spirale abgebrochen waren. Die Bruchstücke befanden sich noch in der Gebärmutter der Frau. Um diese Reste zu entfernen, musste sich die Klägerin im März 2021 einer Operation unter Vollnarkose unterziehen.
Wie konnte es dazu kommen? Es stellte sich heraus, dass die Herstellerin selbst bereits im Februar 2018 eine Warnmeldung herausgegeben hatte. Darin informierte sie die zuständigen Behörden, dass es bei bestimmten Produktionsreihen – sogenannten Chargen – ihrer Spiralen vermehrt zu Brüchen der Seitenarme kam. Der Grund war ein Fehler im Rohmaterial. Die Spirale der Klägerin stammte nachweislich aus einer dieser fehlerhaften Chargen. Aufgrund der notwendigen Operation und der damit verbundenen Belastungen verlangte die Frau von der Herstellerin ein Schmerzensgeld von mindestens 7.000 Euro.
Der Weg durch die Gerichte: Von der Abweisung zum Teilerfolg
Der Fall landete zunächst beim Landgericht Frankfurt am Main. Die Herstellerin wehrte sich gegen die Klage. Sie argumentierte unter anderem, dass ein deutsches Gericht gar nicht für sie zuständig sei, da sie ihren Sitz im Ausland habe. Das Landgericht sah das anders und erklärte sich für zuständig. Trotzdem wies es die Klage der Frau ab. Aber warum? Die Richter waren nicht überzeugt, dass der Materialfehler der Spirale tatsächlich die Ursache für die Gesundheitsverletzung der Frau war. Sie meinten, die Klägerin habe diesen Zusammenhang nicht ausreichend beweisen können. Es sei nicht auszuschließen, dass auch andere Kräfte in der Gebärmutter den Bruch hätten verursachen können.
Mit dieser Entscheidung gab sich die Klägerin nicht zufrieden und legte Berufung ein. Das bedeutet, sie bat das nächsthöhere Gericht, das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt, den Fall noch einmal zu prüfen. Sie war der Meinung, das Landgericht habe ihre Beweisangebote ignoriert und die Rechtslage falsch bewertet. Nun musste das OLG die entscheidenden Fragen neu klären.
Die erste Hürde: Darf ein deutsches Gericht überhaupt entscheiden?
Bevor es um den eigentlichen Streit ging, musste das OLG Frankfurt eine formale, aber wichtige Frage klären: die internationale Zuständigkeit. Ist ein deutsches Gericht befugt, über ein Unternehmen aus einem anderen EU-Land zu urteilen? Die Antwort ist ja. Grundlage dafür ist eine europäische Verordnung, die besagt, dass eine Person oder ein Unternehmen auch an dem Ort verklagt werden kann, an dem der Schaden eingetreten ist. Juristen nennen diesen Ort den Erfolgsort.
Um das mit einem Alltagsbeispiel zu veranschaulichen: Wenn ein Tourist aus Frankreich in Deutschland einen Autounfall verursacht, kann der Geschädigte ihn in Deutschland verklagen, weil hier der Schaden – der kaputte Kotflügel und die Verletzungen – eingetreten ist. Genauso war es hier: Die fehlerhafte Spirale wurde der Klägerin in Deutschland eingesetzt, und die Gesundheitsverletzung durch den Bruch und die Operation trat ebenfalls in Deutschland ein. Daher war das deutsche Gericht zuständig.
Das Kernproblem: War die Spirale wirklich fehlerhaft?
Nun kam das Gericht zum Kern der Sache. Nach dem Produkthaftungsgesetz (ein Gesetz, das die Haftung von Herstellern für fehlerhafte Produkte regelt) muss der Hersteller für Schäden aufkommen, die durch sein fehlerhaftes Produkt entstehen. Die Klägerin musste also beweisen, dass ihre Spirale einen Fehler hatte. Aber wie soll man das bei einem einzelnen, kleinen Plastikteil beweisen, das nach der Operation vielleicht nicht einmal mehr vollständig vorhanden ist?
Hier half der Klägerin ein juristisches Instrument namens Anscheinsbeweis. Man kann es sich so vorstellen: Wenn ein bestimmter Sachverhalt nach allgemeiner Lebenserfahrung typischerweise auf eine bestimmte Ursache hindeutet, muss nicht jeder einzelne Schritt bewiesen werden. Das Gericht kann dann davon ausgehen, dass es so war, solange die Gegenseite nicht das Gegenteil beweist.
Das Gericht zog hier einen Vergleich zu einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs über Herzschrittmacher. Dort wurde entschieden: Wenn ein Produkt aus einer ganzen Serie stammt, bei der ein möglicher Fehler festgestellt wurde, kann man davon ausgehen, dass auch das einzelne Produkt fehlerhaft ist. Man muss den Defekt nicht an genau diesem einen Gerät nachweisen. Die Herstellerin argumentierte, dass man eine Spirale nicht mit einem lebenswichtigen Herzschrittmacher vergleichen könne. Das OLG sah das anders. Es erklärte, dass die Gesundheit des Menschen ein sehr hohes Gut sei und die Sicherheitserwartungen an jedes Produkt, das in den menschlichen Körper eingeführt wird, besonders hoch sind. Da die Spirale der Klägerin unstrittig aus einer Charge mit einem bekannten Materialfehler stammte, sprach der Anscheinsbeweis dafür, dass auch sie fehlerhaft war.
Die entscheidende Frage: Hat der Fehler den Schaden verursacht?
Damit war klar: Die Spirale war fehlerhaft. Aber führte genau dieser Fehler auch zu der Operation? Juristen nennen dies die Prüfung der Kausalität, also des Ursache-Wirkungs-Zusammenhangs. Das Landgericht hatte hier noch gezweifelt. Das OLG Frankfurt sah die Sache jedoch anders und nutzte erneut den Anscheinsbeweis.
Was war hier der typische Geschehensablauf? Die Herstellerin hatte in ihrer eigenen Warnmeldung geschrieben, dass der Materialfehler bei den betroffenen Chargen zu Brüchen der Seitenarme führen kann. Genau das ist bei der Klägerin passiert. Für das Gericht war dies ein klares Indiz dafür, dass der Fehler die Ursache für den Bruch war. Der Einwand der Herstellerin, dass eine Spirale auch durch natürliche Kräfte in der Gebärmutter brechen könne, reichte nicht aus, um diesen Anscheinsbeweis zu erschüttern.
Die Herstellerin brachte noch ein weiteres Argument vor: Vielleicht sei die Operation gar nicht zwingend notwendig gewesen und die Ärzte hätten überreagiert. Aber auch das half ihr nicht. Das Gericht erklärte den haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhang. Das klingt kompliziert, bedeutet aber im Grunde: Derjenige, der die erste, gefährliche Ursache setzt (hier: die fehlerhafte Spirale), haftet grundsätzlich auch für die Folgen, die daraus entstehen. Diese Haftung wird nur unterbrochen, wenn etwas völlig Unvorhersehbares oder grob Unsinniges dazwischenkommt. Die operative Entfernung von Bruchstücken aus der Gebärmutter ist aber keine unvorhersehbare oder sachfremde Reaktion, sondern eine nachvollziehbare ärztliche Maßnahme, um Risiken wie Entzündungen oder Verletzungen der Gebärmutterwand zu vermeiden.
Warum nur 1.000 Euro? Die Bemessung des Schmerzensgeldes
Nachdem das Gericht entschieden hatte, dass die Herstellerin grundsätzlich haften muss, ging es um die Höhe des Schmerzensgeldes. Die Klägerin hatte mindestens 7.000 Euro gefordert. Das Gericht sprach ihr jedoch nur 1.000 Euro zu. Warum dieser große Unterschied?
Ein Schmerzensgeld soll eine angemessene Entschädigung für erlittene körperliche und seelische Beeinträchtigungen sein. Juristen sprechen von einer billigen Entschädigung in Geld. Bei der Festlegung der Höhe schaut das Gericht auf alle Umstände des Einzelfalls: Wie schwer war die Verletzung? Wie lange dauerten die Schmerzen? Gab es Komplikationen? Gab es bleibende Schäden?
Das Gericht sichtete hierzu den Operationsbericht und vernahm die behandelnden Ärzte als Zeugen. Dabei kam heraus, dass der Eingriff selbst unkompliziert und ohne besondere Vorkommnisse verlief. Die Behauptung der Klägerin, der Eingriff sei „nicht unkompliziert“ gewesen, konnte nicht bestätigt werden. Eine Ausschabung der Gebärmutter, wie sie hier durchgeführt wurde, ist ein relativ kurzer Routineeingriff. Die von der Klägerin später geschilderten massiven Beschwerden wie Angstzustände oder Schlafstörungen hatte sie im ursprünglichen Verfahren nicht vorgetragen und konnten daher nicht mehr berücksichtigt werden. Unter Abwägung aller Umstände und im Vergleich mit ähnlichen Fällen hielt das Gericht daher eine Summe von 1.000 Euro für angemessen und ausreichend.
Die Schlüsselerkenntnisse
Die Entscheidung zeigt, dass Verbraucher auch bei kostengünstigen Medizinprodukten wie Verhütungsspiralen erfolgreich Schadensersatz fordern können, wenn ein bekannter Produktionsfehler vorliegt. Entscheidend ist dabei, dass Betroffene nicht jeden technischen Detail beweisen müssen – es reicht aus, wenn ihr Produkt aus einer Charge stammt, für die der Hersteller selbst bereits Warnmeldungen wegen Defekten herausgegeben hat. Das Gericht stellt klar, dass die Sicherheitsanforderungen an alle Produkte, die in den menschlichen Körper eingesetzt werden, besonders hoch sind und Hersteller für die Folgen ihrer Materialfehler haften müssen. Allerdings orientiert sich die Höhe der Entschädigung strikt an der tatsächlichen Schwere der Gesundheitsbeeinträchtigung und an vergleichbaren Fällen.
Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Rechte habe ich, wenn ein medizinisches Produkt nicht funktioniert und mir Schaden zufügt?
Wenn ein medizinisches Produkt, dem Sie vertrauen, fehlerhaft ist und Ihnen dadurch ein Schaden entsteht, schützt Sie das Gesetz. Ihre Rechte leiten sich hauptsächlich aus dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) ab. Dieses Gesetz wurde speziell dafür geschaffen, um Personen zu schützen, wenn Produkte – wie auch Medizinprodukte – nicht die erwartete Sicherheit bieten.
Grundlagen der Herstellerhaftung
Der Hersteller eines Medizinprodukts haftet für Schäden, die durch ein fehlerhaftes Produkt entstehen. Das Besondere am Produkthaftungsgesetz ist, dass es eine verschuldensunabhängige Haftung vorsieht. Das bedeutet für Sie:
- Sie müssen als geschädigte Person nicht beweisen, dass der Hersteller den Fehler fahrlässig oder vorsätzlich verursacht hat.
- Es reicht aus, wenn feststeht, dass das Produkt einen Fehler hatte, Ihnen dadurch ein Schaden entstanden ist und es einen Zusammenhang zwischen diesem Fehler und dem Schaden gibt.
Ein Produkt gilt als fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände (z.B. der Art der Präsentation, des zweckmäßigen Gebrauchs, des Zeitpunkts des Inverkehrbringens) berechtigterweise erwarten kann. Solche Fehler können beispielsweise in der Konstruktion (Planung), der Herstellung (Produktion) oder in den Gebrauchsanweisungen und Warnhinweisen (Instruktion) liegen.
Neben dem Produkthaftungsgesetz können in bestimmten Fällen auch Ansprüche aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in Betracht kommen. Hierbei kann es aber notwendig sein, ein Verschulden des Herstellers nachzuweisen, was oft komplexer ist.
Welche Schäden können ersetzt werden?
Das Produkthaftungsgesetz deckt verschiedene Arten von Schäden ab, die Ihnen durch ein fehlerhaftes Medizinprodukt entstehen können:
- Körperschäden: Dies umfasst alle Schäden an Ihrer Gesundheit oder an Ihrem Körper. Dazu gehören beispielsweise:
- Heilungskosten: Kosten für medizinische Behandlungen, Medikamente oder Therapien.
- Verdienstausfall: Wenn Sie aufgrund der Verletzung nicht arbeiten können und Ihnen dadurch Einkommen entgeht.
- Schmerzensgeld: Eine Entschädigung für die erlittenen Schmerzen, Leiden und Beeinträchtigungen Ihrer Lebensqualität. Das Schmerzensgeld soll einen Ausgleich für immaterielle (nicht direkt messbare) Schäden darstellen.
- Sachschäden: Das sind Schäden an anderen Sachen als dem fehlerhaften Medizinprodukt selbst. Wenn das Produkt beispielsweise andere Ihrer Gegenstände beschädigt hat, können Sie auch dafür Ersatz verlangen. Hierbei gibt es jedoch eine gesetzliche Selbstbeteiligung von 500 Euro. Das bedeutet, dass Sie die ersten 500 Euro des Sachschadens selbst tragen müssen.
Für Sie bedeutet dies, dass es gesetzliche Mechanismen gibt, um Sie vor den Folgen fehlerhafter medizinischer Produkte zu schützen und Ihnen einen Ausgleich für erlittene Schäden zu ermöglichen. Es ist dabei wichtig, alle relevanten Informationen und Belege im Zusammenhang mit dem Produkt, dem Schaden und der Behandlung zu sammeln.
Wie kann ich beweisen, dass ein Medizinprodukt fehlerhaft war und meinen Schaden verursacht hat?
Der Nachweis, dass ein Medizinprodukt fehlerhaft war und dadurch ein Schaden entstanden ist, stellt in der Praxis oft eine große Herausforderung dar. Viele Betroffene fragen sich, wie sie einen Materialfehler oder den genauen Zusammenhang zwischen dem Produkt und ihren Beschwerden belegen können, insbesondere wenn das Produkt nicht mehr intakt ist oder sich im Körper befindet. Es gibt jedoch juristische Wege, diese Beweisschwierigkeiten zu überwinden, da das Gesetz Erleichterungen vorsieht.
Beweismittel: Was kann helfen?
Um einen Fehler des Medizinprodukts und den ursächlichen Zusammenhang mit einem Schaden nachzuweisen, können verschiedene Arten von Beweismitteln wichtig sein:
- Medizinische Unterlagen: Arztberichte, Operationsberichte, Krankenhausakten, Röntgenbilder, MRTs oder andere bildgebende Verfahren, die den Schaden und gegebenenfalls Auffälligkeiten am Produkt dokumentieren.
- Aussagen von Ärzten oder medizinischem Personal: Diese können wichtige Beobachtungen zum Zustand des Produkts vor, während oder nach der Implantation liefern.
- Das Medizinprodukt selbst: Wenn das Produkt nach der Entfernung noch vorhanden und nicht vollständig zerstört ist, kann es von Sachverständigen untersucht werden. Auch einzelne Bruchstücke oder Teile können aufschlussreich sein.
- Sachverständigengutachten: Unabhängige Experten können das Produkt oder die Umstände untersuchen und beurteilen, ob ein Fehler vorliegt und wie dieser den Schaden verursacht haben könnte.
- Dokumentation über das Produkt: Kaufbelege, Implantationspässe, Gebrauchsanweisungen oder andere produktbezogene Unterlagen können wichtige Informationen über das spezifische Modell und seine Spezifikationen liefern.
Erleichterungen bei der Beweisführung
Sie müssen nicht immer selbst den genauen Materialfehler am einzelnen Produkt nachweisen. Das Gesetz bietet bestimmte Erleichterungen, die die Beweisführung vereinfachen können:
- Der Anscheinsbeweis: Stellen Sie sich vor, ein typischer Schaden tritt ein, der nach allgemeiner Lebenserfahrung nur durch einen Fehler des Medizinprodukts verursacht werden kann. In solchen Fällen kann der sogenannte „Anscheinsbeweis“ oder „Beweis des ersten Anscheins“ greifen. Das bedeutet, wenn ein bestimmter Ablauf oder eine bestimmte Art von Schaden nachvollziehbarerweise auf einen Produktfehler hindeutet und keine andere Erklärung plausibel ist, wird angenommen, dass der Produktfehler die Ursache war. Zum Beispiel könnte ein plötzlicher Bruch eines Herzschrittmachers ohne äußere Einwirkung als Anscheinsbeweis für einen Materialfehler gewertet werden. Die Beweislast verschiebt sich dann auf den Hersteller, der beweisen müsste, dass der Schaden nicht durch einen Fehler seines Produkts verursacht wurde.
- Allgemeine Warnungen oder Rückrufe des Herstellers: Wenn ein Hersteller eine allgemeine Warnung für eine bestimmte Produktserie herausgibt oder ein Medizinprodukt öffentlich zurückruft, kann dies Ihre Beweissituation erheblich verbessern. Solche Maßnahmen legen nahe, dass es ein bekanntes Problem mit dieser Produktreihe gibt. Dies kann es für Sie einfacher machen, den Nachweis eines Fehlers an Ihrem individuellen Produkt zu führen, selbst wenn Sie den genauen Defekt nicht im Detail nachweisen können. Es stärkt die Annahme, dass auch Ihr Produkt aufgrund eines allgemeinen Fehlers der Serie fehlerhaft war.
Für Sie bedeutet das: Auch wenn Ihr Medizinprodukt nicht mehr intakt ist oder Sie keinen direkten Zugang zu einem zerstörten Bauteil haben, gibt es Möglichkeiten, Ihren Anspruch zu belegen. Es geht darum, durch alle verfügbaren Informationen und Umstände eine schlüssige Darstellung zu liefern, die auf einen Produktfehler und dessen kausalen Zusammenhang mit Ihrem Schaden hindeutet.
Kann ich einen Hersteller aus dem Ausland in Deutschland verklagen, wenn dessen Medizinprodukt hier Schäden verursacht hat?
Ja, grundsätzlich ist es möglich, einen Hersteller aus dem Ausland in Deutschland zu verklagen, wenn dessen Medizinprodukt hier Schäden verursacht hat. Dies hängt von den sogenannten Regeln der „internationalen Zuständigkeit“ ab. Diese Regeln bestimmen, welches Gericht in welchem Land für einen Rechtsstreit zuständig ist.
Grundsatz der Zuständigkeit am Schadensort
Ein wichtiger Aspekt, der für Sie als Betroffener relevant ist, betrifft Fälle, in denen ein Schaden durch ein Produkt, wie ein Medizinprodukt, in Deutschland eingetreten ist. Im europäischen Raum regelt dies maßgeblich die Europäische Gerichtsstandsverordnung (häufig als „Brüssel-I-Verordnung“ bezeichnet). Diese Verordnung legt fest, welche Gerichte in der Europäischen Union für bestimmte Streitigkeiten zuständig sind.
Für den Fall der Schädigung durch ein Produkt sieht die Verordnung vor, dass Klagen oft auch am Ort des schädigenden Ereignisses oder am Ort des Schadenseintritts erhoben werden können. Dieser Ort wird juristisch als „Erfolgsort“ bezeichnet.
Das bedeutet für Sie: Wenn ein Medizinprodukt eines ausländischen Herstellers, das beispielsweise in Deutschland implantiert wurde und hier zu Gesundheitsschäden geführt hat, den Schaden in Deutschland verursacht hat, können die deutschen Gerichte unter Umständen für Ihre Klage zuständig sein. Es ist also nicht zwingend notwendig, dass Sie im Herkunftsland des Herstellers klagen müssen.
Bedeutung des „Erfolgsorts“
Der Erfolgsort ist der Ort, an dem sich der Schaden tatsächlich verwirklicht hat. Bei einem Medizinprodukt, das beispielsweise zu gesundheitlichen Komplikationen führt, ist dies in der Regel der Ort, an dem die gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei der geschädigten Person aufgetreten sind. Für Sie bedeutet das eine praktikable Möglichkeit, Ihre Ansprüche in Ihrem Heimatland vorzubringen, statt sich auf Verfahren im Ausland einlassen zu müssen.
Besonderheiten außerhalb Europas
Sollte der Hersteller des Medizinprodukts seinen Sitz außerhalb der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) haben, gelten andere internationale Zuständigkeitsregeln, die oft auf völkerrechtlichen Verträgen oder nationalen Gesetzen basieren. Doch auch in solchen Fällen kann es Konstellationen geben, die eine Klage in Deutschland ermöglichen, insbesondere wenn der Schaden hier entstanden ist oder der Hersteller eine Niederlassung in Deutschland hat. Die grundlegende Idee, dass der Ort des Schadenseintritts eine Rolle spielt, ist auch hier oft relevant.
Wofür erhalte ich Schmerzensgeld und wie wird die Höhe dafür festgelegt?
Schmerzensgeld ist ein finanzieller Ausgleich für nicht-materielle Schäden, die Ihnen durch eine Verletzung oder Beeinträchtigung widerfahren sind. Es geht dabei nicht um den Ersatz von Kosten wie Arzt- oder Medikamentenrechnungen (das sind materielle Schäden), sondern um das Leiden und die Einschränkungen, die Sie körperlich und seelisch erfahren haben. Dazu gehören beispielsweise:
- Körperliche Schmerzen jeglicher Art, von leichten Prellungen bis zu schweren Knochenbrüchen.
- Psychische Belastungen wie Ängste, Schlafstörungen oder Traumata, die durch das Ereignis ausgelöst wurden.
- Beeinträchtigungen im Alltag, die Ihre Lebensqualität mindern, etwa die Unfähigkeit, Hobbys auszuüben, im Haushalt zu helfen oder soziale Kontakte zu pflegen.
- Verlust von Lebensfreude oder dauerhafte Entstellungen.
Wie wird die Höhe des Schmerzensgeldes festgelegt?
Die Höhe des Schmerzensgeldes wird in Deutschland nicht nach einer festen Formel berechnet. Sie soll eine gerechte Entschädigung für das erlittene Leid darstellen. Ein Gericht berücksichtigt dafür eine Vielzahl von Faktoren, um den Einzelfall umfassend zu bewerten. Im Vordergrund steht dabei immer das Ausmaß der Schmerzen und Leiden sowie die Schwere der Lebensbeeinträchtigung.
Wichtige Kriterien, die die Höhe des Schmerzensgeldes beeinflussen, sind unter anderem:
- Die Art und Schwere der Verletzungen: Ob es sich um eine leichte Prellung oder eine komplexe Fraktur, innere Verletzungen oder neurologische Schäden handelt, spielt eine große Rolle.
- Die Dauer und Intensität der Schmerzen: Kurzfristige Beschwerden werden anders bewertet als chronische oder lang anhaltende Schmerzen.
- Die Notwendigkeit und der Umfang medizinischer Behandlungen: Dazu zählen die Anzahl und Art der Operationen, die Dauer von Krankenhausaufenthalten, Rehabilitationsmaßnahmen und Therapien.
- Bleibende Schäden und Langzeitfolgen: Dauerhafte Narben, Funktionsbeeinträchtigungen (z.B. Lähmungen, eingeschränkte Beweglichkeit), chronische Krankheiten, psychische Folgen oder eine bleibende Behinderung wirken sich stark auf die Höhe aus.
- Die Auswirkungen auf den persönlichen und beruflichen Alltag: Inwieweit konnten Sie Ihren Beruf, Ihre Hobbys oder Ihr Familienleben weiterführen? Gab es Einschränkungen bei der Mobilität oder der Selbstständigkeit?
- Das Alter des Betroffenen: Bei jüngeren Personen können bleibende Schäden eine längere Beeinträchtigung des Lebens bedeuten.
- Der Grad des Verschuldens des Schädigers: Auch wenn das Leiden des Opfers im Vordergrund steht, kann ein besonders schwerwiegendes oder vorsätzliches Fehlverhalten des Verursachers die Höhe beeinflussen.
Zur Orientierung ziehen Gerichte häufig sogenannte Schmerzensgeldtabellen heran, wie zum Beispiel die „Beck’sche Schmerzensgeldtabelle“ oder die „Celler Schmerzensgeldtabelle“. Diese Tabellen sind Sammlungen von Gerichtsentscheidungen zu vergleichbaren Fällen und geben einen Überblick über die in der Vergangenheit zugesprochenen Beträge. Sie dienen jedoch lediglich als Richtwert und ersetzen nicht die individuelle Würdigung jedes einzelnen Falles, da jeder Unfall und jede Verletzung einzigartig sind.
Welche Bedeutung hat es, wenn der Hersteller selbst eine Warnung vor Materialfehlern herausgegeben hat?
Wenn ein Hersteller selbst eine Warnung vor bestimmten Materialfehlern an seinen Produkten veröffentlicht, hat dies im Falle eines Rechtsstreits eine erhebliche Bedeutung für die Person, die einen Schaden aufgrund eines solchen Fehlers geltend macht. Eine solche Warnung kann die Beweisführung für den Mangel des Produkts deutlich erleichtern und die eigene Position stärken.
Starkes Indiz für einen Produktfehler
Eine vom Hersteller selbst herausgegebene Warnung ist juristisch betrachtet ein sehr starkes Indiz dafür, dass ein bestimmter Materialfehler tatsächlich existiert und dem Hersteller bekannt war oder hätte bekannt sein müssen. Man könnte es als eine Art indirektes Eingeständnis des Herstellers werten, dass ein potenzielles Problem mit seinen Produkten besteht. Für Sie als Betroffene(r) bedeutet das, dass Sie nicht mühsam beweisen müssen, dass der Fehler überhaupt existieren könnte – der Hersteller hat dies bereits selbst bestätigt.
Erleichterung der Beweisführung durch Anscheinsbeweis
Die größte Wirkung entfaltet eine solche Herstellerwarnung oft im Zusammenhang mit dem sogenannten Anscheinsbeweis (auch als „Prima-facie-Beweis“ bekannt). Stellen Sie sich vor, es gibt Situationen, in denen ein Schaden typischerweise nur auf eine bestimmte Ursache zurückzuführen ist. Wenn beispielsweise ein Auto mit hoher Geschwindigkeit auffährt, spricht der Anscheinsbeweis dafür, dass der Auffahrende zu schnell war oder unaufmerksam.
Im Kontext einer Herstellerwarnung bedeutet der Anscheinsbeweis folgendes: Wenn der Hersteller selbst vor einem bestimmten Materialfehler warnt und Ihr Produkt genau diesen Fehler aufweist und dadurch einen Schaden verursacht, dann spricht vieles dafür, dass dieser Fehler tatsächlich ursächlich für den Schaden war. Es wird dann gerichtlich angenommen, dass der Fehler die Ursache war, es sei denn, der Hersteller kann das Gegenteil beweisen. Die Last, das Gegenteil zu beweisen, liegt dann nicht mehr ausschließlich bei Ihnen. Dies vereinfacht Ihre Ausgangslage im Gerichtsverfahren erheblich, da es den Nachweis eines Herstellerfehlers spürbar erleichtert.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Anscheinsbeweis
Der Anscheinsbeweis ist ein juristisches Mittel, das die Beweisführung erleichtert, wenn aus den Umständen typischerweise auf eine bestimmte Ursache geschlossen werden kann. Das Gericht nimmt dann an, dass eine Ursache vorliegt, wenn dies nach allgemeiner Lebenserfahrung sehr wahrscheinlich ist, solange die Gegenseite nicht das Gegenteil beweist. Im vorliegenden Fall bedeutet das, dass bei einem Schaden, der gewöhnlich durch einen Produktfehler entsteht, angenommen wird, dass auch das konkrete Medizinprodukt fehlerhaft war. So muss die Geschädigte nicht jeden einzelnen Nachweis erbringen, z. B. dass genau ihr Implantat fehlerhaft war.
Beispiel: Wenn ein Herzschrittmacher aus einer fehlerhaften Serie ausfällt, kann man vermuten, dass auch das einzelne Gerät defekt ist, ohne jeden Produktionsschritt exakt nachzuweisen.
Internationale Zuständigkeit
Die internationale Zuständigkeit regelt, welches Gericht für einen Rechtsstreit zuständig ist, wenn Beteiligte aus verschiedenen Ländern kommen. Innerhalb der EU bestimmt dafür unter anderem die Europäische Gerichtsstandsverordnung, dass ein Schadensfall auch dort verhandelt werden kann, wo der Schaden eingetreten ist (der sogenannte Erfolgsort). Im Beispiel darf ein deutsches Gericht über einen ausländischen Hersteller urteilen, wenn die gesundheitlichen Folgen des fehlerhaften Produkts in Deutschland entstanden sind. Diese Regel erleichtert es Betroffenen, ihre Rechte ohne komplizierte Verfahren im Ausland durchzusetzen.
Beispiel: Ein Patient in Deutschland kann den ausländischen Hersteller eines defekten Implantats vor einem deutschen Gericht verklagen, weil hier die gesundheitlichen Schäden aufgetreten sind.
Kausalität
Kausalität beschreibt den ursächlichen Zusammenhang zwischen einem Ereignis und einem Schaden. Juristisch wird geprüft, ob der Fehler des Produkts die Ursache für den eingetretenen Schaden war. Dabei reicht es, wenn der Fehler eine notwendige Bedingung für den Schaden war (conditio sine qua non). Im vorliegenden Fall musste festgestellt werden, ob der Materialfehler der Spirale tatsächlich den Bruch und die notwendige Operation verursacht hat. Die Kausalitätsprüfung ist entscheidend, um Herstellerhaftung zu begründen.
Beispiel: Wenn eine defekte Bremsanlage eines Autos zum Unfall führt, besteht Kausalität zwischen dem Defekt und dem eingetretenen Schaden.
Haftungsrechtlicher Zurechnungszusammenhang
Der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang ist die rechtliche Bewertung, ob die Folgen eines verursachten Schadens dem Verursacher zugerechnet werden können. Es bedeutet, dass wer die erste gefährliche Ursache setzt, grundsätzlich auch für die dadurch entstandenen Folgeschäden haftet. Dies gilt nur solange keine völlig unvorhersehbare oder nicht nachvollziehbare Reaktion dazwischenkommt. Im Fall der Spirale haftet die Herstellerin nicht nur für den Bruch selbst, sondern auch für die Operation, da diese ärztliche Maßnahmen zum Schutz der Patientin darstellt.
Beispiel: Verursacht ein Autofahrer einen Unfall, haftet er auch für Folgeschäden wie Heilbehandlungen, wenn diese eine typische Reaktion sind und nicht unverhältnismäßig.
Schmerzensgeld
Schmerzensgeld ist ein finanzieller Ausgleich für immaterielle Schäden, also für Schmerzen, Leiden und Beeinträchtigungen der Lebensqualität, die durch eine Verletzung entstanden sind. Es ersetzt keine materiellen Kosten wie Arztrechnungen, sondern soll das erlittene Leid abmildern. Die Höhe wird individuell vom Gericht unter Berücksichtigung von Art, Dauer und Schwere der Verletzung sowie den persönlichen Umständen festgelegt. Im Fall der Klägerin wurde Schmerzensgeld gezahlt, jedoch in geringerer Höhe als gefordert, da der Eingriff als routinemäßig eingeschätzt wurde.
Beispiel: Nach einem Knochenbruch mit starken Schmerzen kann ein Verletzter zusätzlich zu den Behandlungskosten Schmerzensgeld erhalten, um das Leiden finanziell auszugleichen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 (Brüssel-Ia-Verordnung): Regelt die internationale Zuständigkeit für grenzüberschreitende Zivil- und Handelssachen innerhalb der EU, insbesondere dass Klagen auch am Ort des Schadenseintritts geführt werden können. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Sie legitimiert die Zuständigkeit der deutschen Gerichte, da der Schaden in Deutschland eingetreten ist, obwohl die Herstellerin im Ausland sitzt.
- Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) §§ 1, 3: Dieses Gesetz bestimmt die Haftung des Herstellers für fehlerhafte Produkte, die Personen schädigen, ohne dass ein Verschulden nachgewiesen werden muss (Gefährdungshaftung). | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Herstellerin haftet für die durch die fehlerhafte Spirale verursachten Gesundheitsschäden der Klägerin, wenn der Defekt und die Kausalität bewiesen sind.
- § 286 Zivilprozessordnung (ZPO) – Anscheinsbeweis: Ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen die Annahme einer typischen Kausalzusammenhangsfiktion, wenn Fakten nach medizinischer und technischer Erfahrung nahelegen, dass ein bestimmter Ursache-Wirkungs-Zusammenhang vorliegt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Dient der Klägerin als Beweiserleichterung, weil bei Vorliegen bekannter Materialfehler der Spirale und einem typischen Schaden wie Bruch die Fehlerhaftigkeit auch ohne exakte Einzelnachweise angenommen wird.
- § 249 BGB – Kausalitätsprinzip (allgemein zivilrechtlich): Der Schaden muss ursächlich auf die fehlerhafte Handlung oder das fehlerhafte Produkt zurückzuführen sein; die Haftung besteht nur bei einer adäquaten, wesentlichen Ursache. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stellte die Verursachung der Operation durch den Materialfehler fest, sodass die Herstellerin für Folgeschäden haftet.
- § 253 Abs. 2 BGB – Grundsatz der billigen Entschädigung: Schmerzensgeld soll eine angemessene, aber keine überhöhte Entschädigung für körperliche und seelische Beeinträchtigungen sein, basierend auf Schwere, Dauer und Intensität der Verletzungen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht begründete den verhältnismäßig niedrigen Schmerzensgeldbetrag von 1.000 Euro aufgrund der geringen Schwere und der fehlenden Nachweise für langfristige Beschwerden.
Das vorliegende Urteil
OLG Frankfurt – Az.: 17 U 181/23 – Urteil vom 09.04.2025
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