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Sturz eines sich am Bett festhaltenden gehbehinderten Krankenhauspatienten – Haftung

OLG Koblenz – Az.: 5 U 1010/13 – Beschluss vom 09.12.2013

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 15.07.2013 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Dieses Urteil und der hiesige Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht von der Gegenseite Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags gestellt wird.

Gründe

Die Entscheidung ergeht gemäß §§ 522 Abs. 2, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Ihre sachlichen Grundlagen ergeben sich aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils und dem Senatsbeschluss vom 22.10.2013.

I. Dort hatte der Senat mitgeteilt:

„1. Die damals 73-jährige Klägerin hatte am 26.09.2011 nach einem Oberschenkelhalsbruch eine Hüftprothese erhalten. Zur Rehabilitation befand sie sich vom 06.10.2011 an im Haus der Beklagten. Dort stürzte sie am 20.10.2011 in ihrem Zimmer. Ihrem Vorbringen zufolge hatte sie sich bei Gehversuchen am Bett festhalten wollen. Das sei dabei in Bewegung geraten und habe sie dann teilweise überrollt.

Sturz eines sich am Bett festhaltenden gehbehinderten Krankenhauspatienten - Haftung
Symbolfoto: Von David Pereiras /Shutterstock.com

Am Tag nach dem Unfall wurde die Klägerin ins Krankenhaus zurückverlegt. Hier wurden zunächst am 25.10.2011 eine Ellenhakenfraktur sowie am 07.11. und am 10.11.2011 eine Hüftluxation unter schließlichem Einsatz einer neuen Hüftpfanne behandelt. Die Klägerin sieht in alledem Folgeerscheinungen ihres Sturzes, der außerdem eine anhaltende schmerzhafte Gehbehinderung bewirkt habe.

Dafür macht sie die Beklagte verantwortlich, die pflichtwidrig nicht für eine Arretierung der Bremsen am Bett gesorgt habe. Vor diesem Hintergrund hat sie ein mit mindestens 50.000 € zu bezifferndes Schmerzensgeld und den Ausgleich vorgerichtlicher Anwaltskosten eingeklagt und für den Fall ihrer grundlegenden Anspruchsberechtigung in diesem Zusammenhang die Feststellung der künftigen materiellen und immateriellen Ersatzpflicht der Beklagten beantragt.

Das Landgericht hat die Klägerin angehört sowie zwei Krankenschwestern und eine Ärztin als Zeugen vernommen. Sodann hat es die Klage abgewiesen. Seiner Meinung nach lässt sich eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht feststellen. Um die Bremsen des Betts zu lösen, hätte dieses über die Betätigung eines Schalters vollständig abgesenkt werden müssen. Wer dies konkret veranlasst habe, sei ungeklärt. Einen Beweisvorteil für die Klägerin dahin, dass die Ursache in der Sphäre der Beklagten zu vermuten sei, gebe es nicht. Die Beklagte habe ihren Verpflichtungen genügt, indem sie die Klägerin darüber informiert habe, wie das Bett zu steuern sei.

Dagegen wendet sich die Klägerin in Erneuerung ihres erstinstanzlichen Begehrens mit der Berufung. Sie rügt, dass das Landgericht den Geschehensablauf falsch gewürdigt habe. Ihr kämen sowohl ein Anscheinsbeweis als auch eine Umkehr der Beweislast zu Gute.

2. Damit vermag die Klägerin nicht durchzudringen. Die angefochtene Entscheidung hat Bestand.

Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass ein schadenskausaler Pflichtverstoß auf Seiten der Beklagten nicht gesichert ist. Diese Feststellung begründet keine rechtserheblichen Zweifel und ist deshalb auch für das Rechtsmittelverfahren maßgeblich (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Zunächst lässt sich nicht ersehen, dass die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt hätte, indem der Klägerin ein ungeeignetes Bett zur Verfügung gestellt worden wäre, weil es – wahlweise – mit einer Rollfunktion ausgestattet war. Eine entsprechende Ausrüstung ist in Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen gängig und wird auch von der Klägerin vom Grundsatz her nicht beanstandet. Genauso wenig fällt der Beklagten in diesem Zusammenhang ein Instruktionsversäumnis zur Last. Die Klägerin wurde von vornherein in den Mechanismus des Betts und seine Bedienung eingewiesen. Das ist nicht nur den Zeugenaussagen T. und S., sondern auch ihren persönlichen Bekundungen zu entnehmen.

Damit kann eine Haftung der Beklagten allein daran anknüpfen, dass die Bremsen des Betts am 20.10.2011 durch dessen vollständige, elektronisch gesteuerte Absenkung gelöst waren. Die Möglichkeit einer Deaktivierung durch einen bloßen Fußdruck, die die Klägerin eingangs des Rechtsstreits in den Raum gestellt hatte, ist nach dem erstinstanzlichen Beweisergebnis auszuschließen und wird jetzt auch von der Berufung nicht mehr behauptet.

Wer die Bremsen löste, ist spekulativ. Der Senat hat keinen Anlass, dafür abweichend von der Beurteilung des Landgerichts Mitarbeiter der Beklagten oder, wie die Berufung mutmaßt, das vor Ort tätige Reinigungsunternehmen verantwortlich zu machen und damit die Annahme, die Schadensursache könne versehentlich von der Klägerin selbst gesetzt worden sein, unzweifelhaft auszuschließen.

Ein Beweisvorteil kommt der Klägerin hier nicht zu Gute. Die Regeln des Anscheinsbeweises, die sie für sich reklamiert, gelangen nicht zur Anwendung. Denn es handelt sich nicht um einen typischen Geschehensablauf, der, allgemeinen Erfahrungssätzen zur Folge, prima facie auf ein Drittverschulden schließen lässt (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 30. Aufl., vor § 284 Rn 29). Genauso wenig ist Raum für eine Beweislastumkehr unter dem Gesichtspunkt des „voll beherrschbaren Risikos“ (vgl. dazu BGHZ 89, 263; BGHZ 171, 358; BGH NJW 1991, 1540), weil gerade nicht feststeht, dass die Schadensursache aus dem Herrschaftsbereich der Beklagten herrührt und jede Einflussnahme der Klägerin denknotwendig ausscheidet. Schließlich wendet sich die Beweislast entgegen deren Auffassung auch nicht aufgrund eines Dokumentationsmangels der Beklagten. Unter diesem Vorzeichen könnte lediglich vermutet werden, dass eine Maßnahme, die grundsätzlich aufzeichnungspflichtig gewesen wäre und nicht dokumentiert ist, nicht vorgenommen wurde (BGHZ 129, 6). Welche Maßnahme das im vorliegenden Fall sein sollte und welche Folgen aus deren Fehlen herzuleiten wären, ist indessen nicht zu erkennen.“

II. Mit Blick auf den Schriftsatz der Klägerin vom 05.12.2013 ist anzufügen:

Die Kausalitätsfrage ist nach den Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils offen. Dort heißt es:

„Wie es nun dazu kam, dass sich die Bremsen lösten, blieb auch nach der Beweisaufnahme ungeklärt. Eine etwaige Verantwortung des Reinigungspersonals bleibt spekulativ und ist nicht allein deshalb bewiesen, weil die Klägerin erklärt hatte, es sei an jenem Tag geputzt worden und sie selbst habe den Schalter nicht betätigt. Das allein verschafft dem Gericht noch nicht die Überzeugung, dass das Reinigungspersonal die Bremsen versehentlich gelöst hatte.“

Diese Sachverhaltswürdigung, die die eigenen – vom Landgericht zuvor in anderem Zusammenhang kritisch beurteilten – Bekundungen der Klägerin einbezieht, begegnet keinen rechtserheblichen Zweifeln, die eine neue Beweisaufnahme durch den Senat geböten. Sie ist daher für das Berufungsverfahren bindend (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das vorhandene non liquet lässt sich nicht nach den Regeln des Anscheinsbeweises oder nach den für „voll beherrschbare Risiken“ maßgeblichen Grundsätzen ausräumen. Das hat der Senat bereits unter dem 22.10.2013 dargelegt, und daran ist festzuhalten.

Rechtsmittelstreitwert: 50.000 €

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