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Unbrauchbare Implantatbehandlung und Anspruch auf Ersatz von Mängelbeseitigungskosten

OLG Oldenburg, Az.: 5 U 27/15, Urteil vom 12.08.2015

Auf die Berufung des Beklagten zu 1.) wird das am 08. Januar 2015 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Aurich unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen geändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 4.653,79 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02. August 2012 zu zahlen.

2. Der Beklagte zu 2.) wird verurteilt, an die Klägerin weitere 11.616,74 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02. August 2012 zu zahlen.

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Klägerin von außergerichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von 489,45 € durch Zahlung an die Rechtsanwälte Dr. … freizustellen.

4. Der Beklagte zu 2.) wird verurteilt, die Klägerin von weiteren außergerichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von 471,83 € durch Zahlung an die Rechtsanwälte Dr. … freizustellen.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

6. Von den in erster Instanz entstandenen Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 9 %, der Beklagte zu 2.) weitere 31 % und die Klägerin 60 %. Von den in erster Instanz entstandenen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1.) tragen die Klägerin 82 % und der Beklagte zu 1.) 18 %. Von den in erster Instanz entstandenen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2.) tragen die Klägerin 62 % und der Beklagte zu 2.) 38 %.

Die Kosten der Berufung – mit Ausnahme der Kosten der Streithilfe – tragen die Klägerin zu 71 % und der Beklagte zu 1.) zu 29 %. Die Kosten der Streithilfe tragen die Klägerin zu 71 % und der Beklagte zu 2.) zu 29 %.

7. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Unbrauchbare Implantatbehandlung und Anspruch auf Ersatz von Mängelbeseitigungskosten
Symbolfoto: Von Maxx-Studio /Shutterstock.com

Die Parteien streiten um Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche wegen einer zahnärztlichen Behandlung.

Die Klägerin stellte sich am 16. Oktober 2001 in der zahnmedizinischen Klinik der Beklagten vor. Dort wurde ihr nach Erhebung des Erstbefundes die Anfertigung einer neuen prothetischen Versorgung auf Implantatbasis empfohlen. Die Klägerin folgte der Empfehlung. Am 15. Mai 2002 wurden ihr unter Vollnarkose mehrere Zähne gezogen und anschließend Implantate gesetzt. Die Eingliederung der neuen Suprakonstruktion erfolgte im September 2002. Sie bestand aus einer Einzelkrone in regio 33 sowie mehreren Brücken im rechten und linken Ober- wie Unterkiefer. Die Beklagten stellten der Klägerin dafür unter dem 27. September 2002 einen Betrag in Höhe von 23.233,74 € in Rechnung. In der Folgezeit führten sie diverse Nacharbeiten durch. Diese stellten die Klägerin jedoch nicht zufrieden.

Im Januar 2003 beantragte sie deswegen beim Landgericht Aurich die Durchführung eines Beweissicherungsverfahrens (4 OH 3/03). Der Sachverständige … kam in dem Verfahren zu dem Ergebnis, dass die prothetische Versorgung grob fehlerhaft sei, weswegen die Krone in regio 33 erneuert und sämtliche Brücken überarbeitet bzw. erneuert werden müssten.

Im Dezember 2005 reichte die Klägerin gegen die Beklagten und eine weitere (angestellte) Zahnärztin Klage beim Landgericht Aurich auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 10.000,-€ und Feststellung der Haftung für alle künftigen materiellen und immateriellen Schäden ein (2 O 7/06). Das Landgericht Aurich gab der Klage mit Urteil vom 18. Dezember 2007 statt. Die Beklagten legten gegen das Urteil Berufung ein, nahmen diese jedoch später wieder zurück.

In der Zwischenzeit, im Sommer 2005, hatte sich die Klägerin in die Behandlung des Zahnarztes … begeben. Dieser veranlasste zunächst eine Schienentherapie, die bis 2009/2010 dauerte. Im Jahr 2012 erneuerte er die prothetische Versorgung der Klägerin. Dabei nutzte er Teile der vorhandenen Unterkonstruktion. Wegen der Leistungen im Einzelnen wird auf die Rechnungen vom 27. Juni 2012 (Anlagen K10-12) Bezug genommen.

Die Klägerin hat behauptet, die Behandlung durch … sei erforderlich gewesen, um die Fehler der Beklagten zu beheben. Zur Schaffung einer exakten Okklusionslage habe zunächst eine Schienentherapie durchgeführt werden müssen.

Mit der Klage hat die Klägerin die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes in Höhe von 10.000,-€ und Ersatz der ihr entstandenen Kosten für die durch … angefertigte prothetische Versorgung in Höhe von 16.451,69 € (18.488,33 € abzüglich von der Krankenkasse geleisteter 2.031,64 €) in Anspruch genommen.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie haben behauptet, dass sich der Sanierungsbedarf des Gebisses der Klägerin durch den Zeitablauf von 10 Jahren bis zur Erneuerung der Prothetik deutlich erhöht habe. Die von … behandelten Zähne seien außerdem nicht identisch mit den von ihnen behandelten. Weiter haben die Beklagten darauf hingewiesen, dass die Klägerin die Honorarrechnung vom 27. September 2002 in Höhe von 11.616,74 € noch nicht beglichen habe.

Die Klägerin hat bezüglich der Honorarforderung der Beklagten die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht hat ein Gutachten des Sachverständigen … eingeholt und der Klage sodann in Höhe von 16.270,53 € stattgegeben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung heißt es in dem Urteil, die Beweisaufnahme habe ergeben, dass sämtliche von … in Rechnung gestellten Leistungen mit Ausnahme von 2 x 90,58 € erforderlich gewesen seien, um die Fehler der Beklagten zu beheben. Ein weiteres Schmerzensgeld könne die Klägerin nicht beanspruchen, da die Folgebehandlungen bereits bei der Bemessung des im Vorverfahren zuerkannten Schmerzensgeldes berücksichtigt worden seien. Dem Anspruch der Klägerin auf Ersatz der Kosten für die Behandlung durch … stehe die Honorarforderung der Beklagten in Höhe von 11.616,74 € nicht entgegen. Diese sei verjährt und die Voraussetzungen des § 215 BGB lägen nicht vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten zu 1.), der meint, dass der Schadensersatzanspruch der Klägerin durch die von ihm erklärte Aufrechnung in Höhe von 11.616,74 € erloschen sei. Seine Forderung und die der Klägerin hätten sich bereits in unverjährter Zeit aufrechenbar gegenübergestanden. Der Beklagte zu 1.) macht weiter geltend, dass das Gutachten des Sachverständigen … unbrauchbar sei. Im Beweissicherungsverfahren habe dieser noch den Standpunkt vertreten, dass die Brücken im Unterkiefer umgearbeitet werden könnten und hinsichtlich des Oberkiefers eine Neuanfertigung in das Ermessen der Klägerin zu stellen sei. Nun halte der Sachverständige eine Neuanfertigung sämtlicher Brücken für erforderlich. Das passe nicht zusammen. Die von dem Sachverständigen als ersatzfähig angesehene Brücke in regio 13-15 sei, so der Beklagte zu 1.) weiter, nicht einmal Gegenstand der ursprünglichen Behandlung gewesen. Unplausibel seien auch die gutachterlichen Ausführungen zur Angemessenheit der Material- und Laborkosten.

Der Beklagte zu 1.) beantragt, unter Abänderung des am 08. Januar 2015 verkündeten Urteils des Landgerichts Aurich, 2 O 99/13, die gegen ihn gerichtete Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil, erklärt sich mit Nichtwissen zur Begleichung der Rechnung vom 27. September 2002 durch die Krankenkasse und hält an ihrem Standpunkt fest, dass die von den Beklagten erklärte Aufrechnung nicht zum Erlöschen ihres Anspruchs geführt habe. Die Beklagten hätten die Honorarforderung an die Zahnärztliche Abrechnungsgesellschaft AG in Düsseldorf abgetreten und seien deswegen nicht mehr deren Inhaber.

Der Beklagte zu 1.) behauptet, dass die Honorarforderung im Juli 2006 mangels Durchsetzbarkeit wieder rückabgetreten worden sei. Die Klägerin habe nicht wirksam in die Abtretung eingewilligt, da in der von ihr unterzeichneten Einwilligungserklärung das refinanzierende Institut nicht genannt gewesen sei.

Der Senat hat den Sachverständigen … in der mündlichen Verhandlung vom 05. August 2015 angehört.

II.

Die Berufung ist zulässig und teilweise begründet.

Sie führt zu einer Änderung des erstinstanzlichen Urteils in Bezug auf den Beklagten zu 1.). In Bezug auf den Beklagten zu 2.) bleibt es bei der Entscheidung des Landgerichts, weil dieser das Urteil nicht angefochten hat.

1.) Der Beklagte zu 1.) ist der Klägerin – als Gesamtschuldner mit dem Beklagten zu 2.) – zur Zahlung von 4.653,79 € verpflichtet.

Die Klägerin hat einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 16.270,53 € erworben. Dieser ist in Höhe von 11.616,74 € durch die von den Beklagten erklärte Aufrechnung erloschen.

a.) Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ergibt sich aus den §§ 280Abs. 1, 611,823 Abs. 1,249 BGB.

aa.) Das Landgericht Aurich hat die Beklagten in dem Vorprozess (2 O 7/06) rechtskräftig als Gesamtschuldner verurteilt, der Klägerin alle künftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihr aus der notwendigen Folgebehandlung zur Behebung der fehlerhaften prothetischen Versorgung entstehen.

bb.) Nach dem Ergebnis der im vorliegenden Rechtsstreit durchgeführten Beweisaufnahme belaufen sich die durch die Folgebehandlung verursachten materiellen Schäden der Klägerin auf 16.270,53 €. Einen entsprechenden Betrag hat sie zur Mängelbeseitigung aufwenden müssen.

Der Sachverständige … hat in seinem Gutachten festgestellt, dass die von dem Zahnarzt … gemäß den Rechnungen vom 27. Juni 2012 erbrachten Leistungen (Gesamtbetrag: 16.451,69 €) – mit Ausnahme der Position GOZ 508 zwei Mal in Höhe von 90,58 € – zur Nachbesserung der fehlerhaften prothetischen Versorgung erforderlich gewesen seien:

(1) Es habe, so der Sachverständige, die Notwendigkeit bestanden, die gesamte Suprakonstruktion zu erneuern. Die von den Beklagten angefertigte prothetische Versorgung sei in ihrer okklusalen Gestaltung völlig untauglich gewesen. Wenn, wie hier, alle vier Quadranten des Kiefers betroffen seien, müsse bei der okklusalen Justierung extrem genau gearbeitet werden. Das sei den Beklagten nicht gelungen. Bei der Klägerin habe sich infolge der Behandlung eine sog. CND-Problematik mit schweren Kiefergelenksbeschwerden entwickelt. In dem vor dem Landgericht Aurich geführten Beweissicherungsverfahren (4 OH 3/03) habe er zwar noch den Standpunkt vertreten, dass – mit Ausnahme der Brücke im linken Unterkiefer – ein Nachbrennen der prothetischen Versorgung möglich sei. Daran halte er jedoch nicht mehr fest. Er vertrete heute die Meinung, dass nur durch die komplette Neugestaltung der Suprakonstruktion eine harmonische, sauber justierte Okklusalgestaltung habe erreicht werden können. Der funktionelle Aspekt sei damals nicht ausreichend von ihm berücksichtigt worden. Beim Nachbrennen der prothetischen Versorgung hätte das große Risiko bestanden, dass die Okklusalgestaltung nicht gepasst hätte. Unabhängig davon, dass ein Nachbrennen unwirtschaftlich sei – es bedeute einen „Riesenaufwand“ und könne über den Honorarkatalog nicht abgerechnet werden -, wäre kein Zahnarzt – außer möglicherweise den Beklagten – bereit gewesen, dieses Risiko einzugehen. Der Zeitablauf von knapp 10 Jahren zwischen der Behandlung durch die Beklagten und der Behandlung durch … habe keinen Einfluss auf den Umfang der erforderlichen Nachbehandlung gehabt.

Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an. Es leuchtet ein, dass nur durch die komplette Neugestaltung der Suprakonstruktion eine harmonische Okklusalgestaltung erreicht werden konnte. Dass der Sachverständige im Beweissicherungsverfahren noch einen anderen Standpunkt vertreten hat, entkräftet den Beweiswert seiner Ausführungen nicht. Er hat plausibel begründet, weswegen er seine Meinung geändert hat, nämlich dass er den funktionellen Aspekt zunächst nicht hinreichend berücksichtigt habe.

Den Ausführungen des Sachverständigen zufolge hätte beim Nachbrennen der prothetischen Versorgung ein großes Misserfolgsrisiko bestanden. Der Klägerin war es nicht zuzumuten, dieses Risiko einzugehen. Sie hatte bereits zahlreiche Nachbesserungsversuche über sich ergehen lassen und eine mehrjährige Schienentherapie absolviert. Deswegen durfte sie sich für den „sicheren Weg“ entscheiden. Unabhängig davon hätte die Klägerin den Ausführungen des Sachverständigen zufolge auch gar keinen Zahnarzt außerhalb der Praxis der Beklagten gefunden, der die Prothesen nachgebrannt hätte. Eine Behandlung durch die Beklagten war ihr nicht mehr zumutbar.

(2) Der Sachverständige … hat weiter ausgeführt, dass auch die Brücke 13-15, die (wohl) nicht Gegenstand der zahnärztlichen Leistung der Beklagten gewesen sei, habe erneuert werden müssen. Bei Erhalt der Brücke hätte die okklusale Gestaltung möglicherweise nicht gepasst. Das Risiko eines Misserfolgs habe bei 50-50 gelegen. Der Senat hat keine Zweifel an der Richtigkeit auch dieser Ausführungen. Es war der Klägerin nicht zuzumuten, das von dem Sachverständigen beschriebene Risiko einzugehen.

(3) Der Sachverständige hat auch die von … abgerechneten Material- und Laborkosten für erforderlich gehalten. Diese seien angemessen und marktüblich. … habe keine Leistungen in Rechnung gesellt, die über den Kostenvoranschlag der … GmbH hinausgingen. Die Preisdifferenz beruhe zum einen darauf, dass die … GmbH anders als … nicht von Gold-, sondern von Standardaufbauten ausgegangen sei – was bereits einen Betrag von 800 bis 900,-€ ausmache -, zum anderen darauf, dass in der Preisgestaltung der Labore große Unterschiede bestünden. Der Senat hält auch diese Ausführungen für nachvollziehbar und überzeugend. Da die ursprüngliche prothetische Versorgung der Klägerin Goldaufbauten enthielt, durfte auch … Gold verwenden. Der Klägerin war nicht verpflichtet, Anstrengungen zu unternehmen, um das günstigste Labor zu beauftragen.

(4) Mit dem Einwand, die Position 3 auf Seite 2 der Rechnung vom 27. Juni 2012 „Versorgung eines Lückengebisses durch eine Brücke oder Prothese …“ sei nicht voll erstattungsfähig – es seien nur zwei Brückenglieder eingesetzt worden -, war der Beklagte zu 1.) nicht zu hören. Vor dem Landgericht hatte er dies noch nicht vorgetragen. Neues Vorbringen in zweiter Instanz ist nur unter den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Für deren Vorliegen hat der Beklagte zu 1.) nichts vorgetragen.

(5) Der Schadensersatzanspruch der Klägerin beläuft sich damit auf 16.270,53 € (16.451,69 € abzgl. 2 x 90,58 €).

b.) In Höhe von 11.616,74 € ist er durch die von den Beklagten erklärte Aufrechnung erloschen, § 389 BGB.

aa.) Ausdrücklich erklärt worden ist die Aufrechnung zwar erst in zweiter Instanz. Die Beklagten haben jedoch bereits in erster Instanz „darauf hingewiesen“, dass die Honorarrechnung vom 27. September 2002 in Höhe von 11.616,74 € noch nicht beglichen sei (vgl. Schriftsatz vom 03. Juli 2013, Seite 4). Eine Aufrechnung muss nicht ausdrücklich erklärt werden. Es genügt, wenn der Aufrechnungswillen klar erkennbar ist (vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 74. Auflage, § 388 Rn. 1 m.w.N.). Die Beklagten haben mit ihrem „Hinweis“ klar zu erkennen gegeben, ihre Honorarforderung der Forderung der Klägerin entgegenhalten zu wollen.

bb.) Der geltend gemachte Honoraranspruch steht den Beklagten dem Grunde nach zu. Der Patient kann zwar Freistellung von der Honorarforderung verlangen, wenn die Dienstleistung des Arztes für ihn aufgrund eines Behandlungsfehlers unbrauchbar ist. Dieser Anspruch besteht aber nicht neben dem Anspruch auf Erstattung der Mängelbeseitigungskosten, sondern nur alternativ dazu (vgl. dazu Senat, Urteil vom 27. Februar 2008 zu 5 U 22/07, bei juris Rn. 20; Urteil vom 05. September 1995 zu 5 U 75/95, bei juris Rn. 9). Hier hat sich die Klägerin für eine Geltendmachung der Mängelbeseitigungskosten entschieden.

cc.) Die Honorarforderung der Beklagten besteht auch der Höhe nach. Die Klägerin scheint zwar mit der Berufungsbegründung behaupten zu wollen, dass weitere Zahlungen als die berücksichtigten an die Beklagten geflossen seien. Ihr Vorbringen ist aber neu und daher gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr zu berücksichtigen. In erster Instanz hatte sie die Höhe der Honorarforderung noch nicht bestritten. In dem Schriftsatz vom 02. August 2013, Seite 5, hieß es lediglich: „Selbst wenn entsprechende Rechnungen weder in Form von Zuzahlungen durch die Klägerin noch von Abrechnungen über die Krankenkasse der Klägerin ausgeglichen sein sollten, so ist dies unerheblich.“. Darin war ein Bestreiten der Höhe der Honorarforderung nicht zu sehen.

dd.) Die Honorarforderung der Beklagten ist zwar, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, verjährt, §§ 195, 199 Abs. 1 BGB. Entstanden ist sie mit Abschluss der Behandlung im Jahr 2002 und verjährt im Jahr 2006 – die an sich Ende 2005 eingetretene Verjährung ist durch einen am 20. Dezember 2005 beim Landgericht Oldenburg eingeleiteten und spätestens im März 2006 – durch Klagerücknahme – beendeten Rechtsstreit (8 O 3734/05) für ein paar Monate gehemmt worden, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.

ee.) Gemäß § 215 BGB schließt die eingetretene Verjährung die Aufrechnung jedoch nicht aus. Die Honorarforderung der Beklagten und der Schadensersatzanspruch der Klägerin standen sich bereits in unverjährter Zeit aufrechenbar gegenüber.

(1) Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ist ebenso wie die Honorarforderung der Beklagten mit dem Abschluss der Behandlung, spätestens mit dem Scheitern der Nachbesserungsversuche im Jahr 2002 entstanden. Dass er damals noch nicht beziffert war, stand einer Aufrechnung weder unter dem Gesichtspunkt der Gleichartigkeit der Forderungen noch unter dem Gesichtspunkt der Erfüllbarkeit der Passivforderung entgegen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 24. Juni 2002 zu II ZR 256/01, bei juris Rn. 10 m.w.N.: Aufrechnung allenfalls dann ausgeschlossen, wenn ungewiss ist, ob die Passivforderung überhaupt entsteht).

(2) Die Beklagten waren auch immer Inhaber der Honorarforderung. Sie haben diese zwar (zunächst) an die Zahnärztliche Abrechnungsgesellschaft abgetreten. Die Abtretung war jedoch unwirksam.

Die Abtretung einer ärztlichen oder zahnärztlichen Honorarforderung an eine gewerbliche Verrechnungsstelle, die zum Zwecke der Rechnungserstellung und Einziehung unter Übergabe der Abrechnungsunterlagen erfolgt, ist wegen Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht, § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB, gemäß § 134 BGB nichtig, wenn der Patient ihr nicht zugestimmt hat (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1991 zu VIII ZR 296/90, bei juris Rn. 19 ff. m.w.N.). Eine wirksame Zustimmung setzt voraus, dass der Patient im Wesentlichen eine zutreffende Vorstellung darüber hat, welchen Umfang und welche Tragweite seine Entscheidung haben kann. Dazu gehört, dass er erfährt, welchen dritten Personen sein Arzt Mitteilungen zukommen lassen will. Der Patient muss auch darauf hingewiesen werden, dass er, wenn er einer Weiterabtretung an ein refinanzierendes Institut zustimmt, die Abrechnungsgesellschaft zugleich ermächtigt, Einzelheiten aus der ärztlichen Behandlung weiterzugeben. Denn nach § 402 BGB ist die Abrechnungsgesellschaft im Fall der Weiterabtretung verpflichtet, dem refinanzierenden Institut als neuem Gläubiger die zur Geltendmachung der Forderungen nötigen Auskünfte zu erteilen und damit Daten, die der Verschwiegenheitspflicht unterliegen, weiterzugeben. Für einen Patienten kann hierin, auch weil er auf die Wahl des refinanzierenden Instituts keinen Einfluss hat, eine sehr weitreichende, ihn beeinträchtigende Folge seiner Zustimmung liegen (vgl. dazu OLG Karlsruhe, Urteil vom 01. Oktober 1998 zu 12 U 314/97, bei juris Rn. 3 ff.; AG Mannheim, Urteil vom 21. September 2011 zu 10 C 102/11, bei juris Rn. 12 ff. m.w.N.).

Danach hat die Klägerin nicht wirksam in die Abtretung der Honorarforderung eingewilligt. Die von ihr unterzeichnete Einwilligungserklärung (Anlage 3 zum Schriftsatz des Beklagten zu 1.) vom 02. Juli 2015) enthält keinen Hinweis darauf, dass die Abrechnungsgesellschaft im Fall der Weiterabtretung an ein refinanzierendes Institut Informationen, die der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen, ggf. an dieses weitergeben muss.

Dem Beklagten ist es nicht verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit der Abtretung zu berufen. Er hat zwar im Jahr 2005 den Versuch der Zahnärztlichen Abrechnungsgesellschaft gebilligt, die Honorarforderung klageweise durchzusetzen. Damals wird ihm die Unwirksamkeit der Abtretung aber noch nicht bewusst gewesen sein; entsprechende Feststellungen lassen sich zumindest nicht treffen. Es verstößt daher nicht gegen Treu und Glauben, § 242 BGB, dass er sich jetzt auf die Unwirksamkeit der Abtretung beruft. Sein Verhalten ist auch nicht unter einem sonstigen Gesichtspunkt rechtsmissbräuchlich.

ff.) Die Beklagten haben damit wirksam die Aufrechnung mit der noch offenen Honorarforderung in Höhe von 11.616,74 € erklärt.

2.) Der Zinsanspruch beruht auf den §§ 286Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

3.) Die Rechtsanwaltskosten stehen der Klägerin gemäß den §§ 280 Abs. 1 BGB, 611, 823Abs. 1, 249 BGB zu. In Bezug auf den Beklagten zu 1.) bemessen sie sich nach einem Streitwert von 4.653,79 €. In Bezug auf den Beklagten zu 2.) bleibt es bei den vom Landgericht zuerkannten Rechtsanwaltskosten.

4.) Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92Abs. 1, 100 Abs. 4,101 Abs. 1,708 Nr. 10,711,713 ZPO.

 

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