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Unterbleiben von Untersuchungen – Verkennen einer Krebserkrankung

OLG München – Az.: 1 U 2405/11 – Beschluss vom 05.09.2011

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 02.05.2011, Az. 9 O 18312/10 durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen 3 Wochen Stellung zu nehmen.

Gründe

I.

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

Die Klägerin, Witwe und Erbin des am 07.07.2010 verstorbenen Patienten Wolfgang R., wirft den Beklagten vor, diese hätten im Mai 2005 pflichtwidrig Untersuchungen unterlassen, bei denen sich Hinweise für eine Krebserkrankung des Patienten ergeben hätten. Mit Urteil vom 02.05.2011 hat das Landgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin könne einen Behandlungsfehler der Beklagten nicht beweisen. Der Senat teilt die Beurteilung des Landgerichts vollumfänglich.

Die von der Klägerin in der Berufung vorgetragenen Argumente begründen keinen Zweifel daran, dass die Klägerin den ihr obliegenden Beweis eines Behandlungsfehlers nicht führen kann und geben auch keine Veranlassung für eine nochmalige oder ergänzende Beweisaufnahme.

Im Einzelnen:

Das Landgericht hat weder die Beweislast verkannt noch die Angaben der Klägerin, des verstorbenen Ehemannes und der Beklagten, die im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bzw. im Zivilverfahren gemacht wurden, fehlerhaft gewürdigt. Die Klägerin wurde zudem vom Landgericht persönlich angehört. Zu Recht hat das Landgericht anhand der zur Verfügung stehenden Beweismittel den Schluss gezogen, dass die Klägerin den ihr obliegenden Beweis eines Behandlungsfehlers nicht führen kann. Nicht erforderlich (und vom Landgericht auch nicht festgestellt) ist, dass die Schilderungen der Klägerin und ihres Mannes unwahr oder unglaubwürdig sind, entscheidend ist vielmehr, dass stichhaltige Gründe, die Angaben der Klägerin bzw. ihres Mannes für glaubwürdiger zu halten, als die der Beklagten, fehlen. Zu Recht hat das Landgericht festgestellt, dass die Aussagen der Klägerin und ihres verstorbenen Mannes in den entscheidenden Punkten (geklagte Beschwerden, Wunsch nach umfassender Abklärung des Gesundheitszustandes bzw. Durchführung einer Vorsorgeuntersuchung) im Widerspruch zu den detaillierten und plausiblen Angaben der Beklagten stehen. Der Ehemann, der als einziger unmittelbar zum Inhalt der Gespräche mit den Beklagten Angaben machen kann, lebt nicht mehr, so dass sich das Gericht keinen eigenen Eindruck mehr von ihm verschaffen und keine eigenen Fragen mehr an ihn stellen kann. Zugunsten der Beklagten spricht, dass ihre Angaben mit der handschriftlichen Dokumentation korrespondieren, die bei den Beklagten im Rahmen des Ermittlungsverfahrens von der Polizei sichergestellt wurde. Weder begründet die Dokumentation selbst Anhaltspunkte für eine Manipulation oder Unrichtigkeit noch existieren objektive Beweismittel, die die Richtigkeit der Dokumentation zu erschüttern vermögen. Die Dokumentation enthält keinen Hinweis auf den behaupteten allgemeinen Erschöpfungszustand und Unwohlsein des Patienten, obwohl eine differenzierte Anamnese (u.a. „Miktio o.B., Stuhl o.B., Vitalfunktion o.B.“) festgehalten ist. Ausdrücklich findet sich des weiteren der Vermerk „will Zeckenbiss abklären“, was gegen den strittigen Patientenwunsch nach einer umfangreichen Vorsorgeuntersuchung bzw. Klärung eines schlechten Allgemeinzustandes spricht. Bestenfalls bleibt es bei einer solchen Beweislage bei einem non liquet, das zu Lasten der beweispflichtigen Klägerin geht.

Auch die von der Klägerin in der Berufung aufgezeigten Aspekte vermögen hieran nichts zu ändern.

Unterbleiben von Untersuchungen - Verkennen einer Krebserkrankung
Symbolfoto: Von Tyler Olson/Shutterstock.com

1. Die Angaben der Klägerin und des verstorbenen Patienten im Ermittlungsverfahren haben keinen höheren Beweiswert als die Angaben der Beklagten. Das Ermittlungsverfahren gegen die Beklagten wurde eingeleitet, weil die Klägerin und ihr Ehemann vertreten durch die Klägervertreterin Anzeige erstattet haben. Die Klägerin und ihr Mann haben sich demnach vor Anzeigeerstattung anwaltlich beraten lassen, inwieweit sie die Beklagten wegen des Vorwurfs einer fehlerhaften Behandlung des Ehemannes der Klägerin verantwortlich machen können und welche Schritte sie hierfür einleiten können. Dass sie sich zunächst dazu entschlossen haben, Strafanzeige zu erstatten und nicht sofort eine Zivilklage zu erheben, mag taktische oder wirtschaftliche Gründe gehabt haben. Es ist nicht ersichtlich, dass sich an ihrer Interessenlage oder Glaubwürdigkeit dadurch etwas ändert, weil sie nicht sofort geklagt haben, sondern mit einer Klageerhebung, die ohne weiteres zeitnah möglich gewesen wäre, abgewartet haben, ob die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen für sie günstige Ergebnisse erbringen würden.

2. Der Klagepartei stehen keine objektiven Beweismittel zur Verfügung, die die Richtigkeit der vorgelegten Dokumentation zu erschüttern vermögen. Die Beklagten haben den Vermerk „Doxy 100 2 x 1“ schlüssig und plausibel damit erklärt, dass dies die vorsorglich verschriebene Medikation für den Patienten war. Abgesehen davon, dass die Erklärung der Klägerin, wie es in der Dokumentation zu dem Hinweis „Doxy“ gekommen ist, recht ungewöhnlich erscheint (frühere Infektion des Hundes mit Borreliose und Therapie des Hundes mit Doxycylin), stehen ihr keine konkreten Belege für ihre Behauptung zur Verfügung. Sie kann sich nur auf ihre eigenen Annahmen und die Angaben ihres verstorbenen Mannes stützen. Die Klägerin kann damit einen Beweis zu ihren Gunsten nicht führen.

3. Soweit dem Senat bekannt ist, unterscheidet sich das sogenannte „kleine Blutbild“ vom „großen Blutbild“ durch eine differenziertere Untersuchung der roten und weißen Blutkörperchen. Dass eine derartige spezifische Untersuchung gemacht wurde, ist nicht ersichtlich. Die in den Akten befindliche Auswertung des abgenommenen Blutes ist im Übrigen als „kleines Blutbild“ bezeichnet, so dass nicht ersichtlich ist, weshalb die Verwendung des Begriffs durch das Landgericht fehlerhaft sein sollte. Soweit die Klägerin meint, die durchgeführte Blutuntersuchung umfasse auch die Bestimmung von Parametern, wie sie beim Verdacht einer Borreliose nicht nötig wären, erscheint dies unstreitig (vgl. S. 2 des Schriftsatzes der beklagten Partei vom 30.03.2011). Abgesehen davon, dass die Gründe für die Erhebung der weiteren Werte von den Beklagten im einzelnen plausibel dargelegt wurden und der im Ermittlungsverfahren eingeschaltete Sachverständige die Bestimmung der Laborparameter im Hinblick auf zwei Schlaganfallereignisse im Jahr 1999/2000 auch für sinnvoll erachtete (Bl. 56 der Ermittlungsakten), lässt die Vornahme einer etwas umfangreicheren Diagnostik und Befunderhebung nicht den von der Klägerin gewünschten Schluss zu, dass der Patient speziell eine (Prostatakrebs-) Vorsorgeuntersuchung oder einen allgemeinen „check-up“ gewünscht und erwartet habe. Eine Erhebung der Laborparameter erklärt sich ohne weiteres auch aus anderen Motiven.

4. Ebenso wenig vermag der Senat in der Argumentation des Landgerichts, es sei kein Motiv für die Beklagten ersichtlich, dem Wunsch des privat versicherten Patienten nach einer (noch) umfassenderen Diagnostik nicht nachzukommen, einen Denkfehler zu erkennen.

5. Zur Frage der Pflicht zur Abklärung von nicht ganz unauffälligen Laborwerten kann auf die Angaben der Beklagten, die Behandlungsdokumentation sowie die Beurteilung von Prof. Dr. D. verwiesen werden. Demnach wurden mit dem Patienten die Werte besprochen – eine persönliche Besprechung des Ergebnisses der Untersuchung hat im Übrigen auch der verstorbene Patient bestätigt – und es wurde wegen einzelner Auffälligkeiten (lt. Prof. Dr. D. „marginale Anämie und Einschränkung der Nierenleistung“) eine weitere Kontrolle angeraten, die der Patient nicht wahrgenommen hat. Soweit die Klägerin bzw. der Verstorbene vortragen, die Beklagten hätten die Laborwerte als „in Ordnung“ bezeichnet, kann auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden, wonach die Klägerin dies lediglich behaupten, nicht jedoch beweisen kann. Dass die Beklagten wegen dieser Werte eine Tumorerkrankung hätten vermuten und deshalb spezifische Krebsuntersuchungen (insbesondere der Prostata) hätten anraten müssen, hat das erholte Sachverständigengutachten nicht bestätigt. Zweifel an einem fachgerechten Vorgehen der Beklagten hatte der Gutachter nur unter der Voraussetzung, dass der Patient einen umfassende Vorsorgeuntersuchung gewünscht oder über Beschwerden geklagt haben sollte. Beides ist nach den vorliegenden Unterlagen und Beweismitteln für die Klägerin nicht nachweisbar.

II.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder ergibt sich vorliegend eine neue, über den Einzelfall hinausgehende Frage, die für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen Bedeutung haben könnte, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BGH, § 522 Abs. 2 ZPO.

Der Klägerin wird angeraten, zur Vermeidung weiterer Kosten ihre Berufung zurückzunehmen.

 

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