Übersicht
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Diagnosefehler im Gesundheitswesen: Rechtliche Konsequenzen und Abgrenzungen
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- FAQ – Häufige Fragen
- Was versteht man unter einem vertretbaren Diagnosefehler?
- Was ist der Unterschied zwischen einem Diagnosefehler und einem Befunderhebungsfehler?
- Welche Rolle spielt die ärztliche Sorgfaltspflicht bei der Bewertung von Diagnosefehlern?
- Welche rechtlichen Schritte können Patienten bei Verdacht auf eine Fehlbehandlung einleiten?
- Welche Beweispflichten bestehen in einem Gerichtsverfahren wegen eines Diagnosefehlers?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Der Fall dreht sich um die Klage eines Patienten wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung in der Notaufnahme.
- Der Kläger erlebte Schmerzen, nachdem er sich am Fuß verletzt hatte und erhielt zunächst eine nicht adäquate Diagnose.
- Der Fehler des behandelnden Arztes zeigte sich darin, dass er wichtige bildgebende Untersuchungen unterließ, die eine genauere Diagnose ermöglicht hätten.
- Das Gericht wies die Klage des Klägers ab und entschied, dass kein Schmerzensgeld oder Schadenersatz zu zahlen ist.
- Diese Entscheidung basiert auf der Bewertung, dass der behandelnde Arzt nicht gegen anerkannte Standards der medizinischen Behandlung verstoßen hat.
- Der Kläger konnte nicht beweisen, dass durch die verspätete Diagnose zusätzliche gesundheitliche Beeinträchtigungen entstanden sind.
- Die gerichtliche Entscheidung bedeutet, dass der Kläger auch keine Feststellung weiterer Ansprüche für zukünftige Schäden erlangen konnte.
- Der Fall verdeutlicht die Herausforderungen bei der rechtlichen Bewertung von Diagnosefehlern in der Medizin.
- Patienten sollten sich bewusst sein, dass nicht jeder Behandlungsmangel automatisch rechtliche Konsequenzen nach sich zieht.
- Die Entscheidung hat möglicherweise Auswirkungen auf zukünftige Klagen gegen Ärzte, da der Nachweis eines ärztlichen Fehlverhaltens oft schwer zu führen ist.
Diagnosefehler im Gesundheitswesen: Rechtliche Konsequenzen und Abgrenzungen
Ein Diagnosefehler im medizinischen Kontext kann gravierende Folgen für Patienten haben. Er tritt auf, wenn ein Arzt eine falsche oder unzureichende Diagnose stellt, was oft zu falschen Behandlungen führt. Ein solcher Fehler ist jedoch nicht immer gleichbedeutend mit einer medizinischen Fehlbehandlung. Der Unterschied zwischen einem vertretbaren Diagnosefehler und einem Befunderhebungsfehler ist von zentraler Bedeutung in der rechtlichen Beurteilung. Während ein vertretbarer Diagnosefehler unter bestimmten Umständen als entschuldbar angesehen wird, weil er im Rahmen der medizinischen Standards liegt, bedeutet ein Befunderhebungsfehler, dass wichtige Informationen bei der Diagnoseerstellung ignoriert oder fehlerhaft interpretiert wurden.
Das Verständnis dieser beiden Konzepte ist essenziell, um zu bewerten, ob ein medizinischer Eingriff rechtlich als fehlerhaft einzustufen ist. Es geht darum, abzugrenzen, wann ein Arzt aufgrund unvorhergesehener Umstände einen Diagnoseschritt nicht korrekt durchführen kann, und wann dies auf einer Nachlässigkeit oder mangelnden Sorgfalt beruht. Im Folgenden wird ein konkreter Fall vorgestellt, der verdeutlicht, wie diese Abgrenzung in der Praxis aussieht und welche rechtlichen Konsequenzen sich daraus ergeben können.
Rechtliche Unterstützung für Ihre Ansprüche
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Der Fall vor Gericht
Fehldiagnose in der Notaufnahme: Patient klagt gegen Krankenhaus und Arzt
Am 14. März 2010 ereignete sich ein Fall, der die Grenzen der ärztlichen Sorgfaltspflicht in Notfallsituationen aufzeigt. Ein Mann rutschte beim Befüllen eines Vogelhäuschens ab und verletzte sich am rechten Fuß. Gegen 15 Uhr suchte er die Notaufnahme eines Krankenhauses auf, wo er von einem diensthabenden Arzt untersucht wurde. Der Mediziner diagnostizierte einen Muskelteilriss des Musculus tibialis anterior und verordnete eine Salbe. Er riet dem Patienten, den Fuß nicht ruhig zu stellen.
Verschleppte Behandlung und späte Erkenntnis
In den folgenden Tagen litt der Patient unter erheblichen Schmerzen. Erst am 31. März 2010 wurde in einem anderen Krankenhaus mittels bildgebender Verfahren eine Ruptur der Sehne am Musculus tibialis anterior festgestellt. Bei der Operation am 6. April gelang es den Ärzten, die gerissene Sehne am Os naviculare zu befestigen. Eine Befestigung am ursprünglichen Sehnenansatz war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich.
Rechtliche Auseinandersetzung um ärztliches Fehlverhalten
Der Patient verklagte daraufhin das Krankenhaus und den behandelnden Arzt der Notaufnahme. Er forderte Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 20.000 Euro sowie Schadensersatz von 61.017,54 Euro. Zudem verlangte er die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden. Der Kläger argumentierte, der Arzt habe notwendige Untersuchungen unterlassen. Bei korrekter Diagnose und standardgemäßer Behandlung wäre eine Befestigung der Sehne am ursprünglichen Ansatzpunkt möglich gewesen, wodurch ihm erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen erspart geblieben wären.
Gerichtliche Bewertung des ärztlichen Handelns
Das Landgericht Regensburg befasste sich eingehend mit dem Fall. Ein medizinischer Sachverständiger wurde hinzugezogen, um die Behandlung zu beurteilen. Der Experte kam zu dem Schluss, dass die Diagnose des Arztes in der Notaufnahme zwar fehlerhaft, aber medizinisch vertretbar war. Der Arzt konnte die Tibialis-anterior-Sehne deutlich tasten, was seine Einschätzung nachvollziehbar machte. Ausgehend von der gestellten Diagnose eines Muskelteilabrisses waren laut Sachverständigem keine weiteren Untersuchungen erforderlich gewesen.
Urteil und rechtliche Begründung
Das Gericht wies die Klage ab. Es stützte sich dabei auf die Einschätzung des Sachverständigen und die rechtliche Bewertung des Diagnoseirrtums. Nach ständiger Rechtsprechung und dem mittlerweile in § 630h Abs. 5 Satz 2 BGB kodifizierten Grundsatz sind die Regeln für Befunderhebungsfehler nicht anwendbar, wenn die erste und maßgebliche Ursache für den weiteren Verlauf nicht die unterbliebene Befunderhebung, sondern der Diagnosefehler war. Das Gericht sah in der – wenn auch fehlerhaften – Diagnose eine Zäsur des Zurechnungszusammenhangs, die es rechtfertigte, nachfolgende Befunderhebungsfehler haftungsrechtlich nicht zu berücksichtigen.
Beweiswürdigung und Patientenaufklärung
Der Kläger konnte nicht beweisen, dass der Arzt es versäumt hatte, ihn über die Notwendigkeit einer erneuten Vorstellung bei anhaltenden Schmerzen aufzuklären. Der behandelnde Arzt gab an, Patienten in der Notaufnahme grundsätzlich entsprechend zu informieren. Das Fehlen einer Dokumentation dieses Hinweises in den Krankenunterlagen führte zu keiner Beweiserleichterung für den Kläger, da es sich hierbei nicht um eine dokumentationspflichtige Tatsache handelte.
Das Urteil des Landgerichts Regensburg verdeutlicht die komplexe Abwägung zwischen ärztlicher Sorgfaltspflicht und den Herausforderungen in Notfallsituationen. Es unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Diagnosestellung und zeigt gleichzeitig die Grenzen der Haftung bei vertretbaren ärztlichen Entscheidungen auf.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht die rechtliche Bewertung ärztlicher Diagnoseirrtümer in Notfallsituationen. Auch wenn die Diagnose fehlerhaft war, begründet sie keine Haftung, solange sie medizinisch vertretbar ist. Dies schafft eine Zäsur im Zurechnungszusammenhang und schließt die Anwendbarkeit der Grundsätze für Befunderhebungsfehler aus. Die Entscheidung betont die Notwendigkeit, die besonderen Umstände in Notaufnahmen bei der Beurteilung ärztlichen Handelns zu berücksichtigen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie mit einem Diagnosefehler konfrontiert sind, ist es wichtig zu verstehen, dass nicht jeder Fehler automatisch zu einer Haftung des Arztes führt. Das Gericht unterscheidet zwischen vertretbaren und nicht vertretbaren Fehlern. Ein vertretbarer Diagnoseirrtum, selbst wenn er zu Folgeschäden führt, begründet in der Regel keine Haftung. Entscheidend ist, ob die Diagnose zum Zeitpunkt der Behandlung nachvollziehbar war. Für Sie als Patient bedeutet dies, dass Sie bei anhaltenden Beschwerden aktiv werden und eine zweite Meinung einholen sollten. Dokumentieren Sie Ihre Symptome und den Behandlungsverlauf sorgfältig. Im Zweifelsfall kann nur ein medizinischer Sachverständiger beurteilen, ob ein Diagnosefehler vertretbar war oder nicht.
FAQ – Häufige Fragen
In dieser FAQ-Rubrik erhalten Sie wichtige Informationen rund um die Ärztliche Sorgfaltspflicht und die Thematik der Fehldiagnose. Wir bieten Ihnen prägnante Antworten auf häufige Fragen, um ein besseres Verständnis für Ihre Rechte und Pflichten im Gesundheitswesen zu entwickeln. Lassen Sie uns gemeinsam diese komplexen Themen erkunden, damit Sie gut informiert Entscheidungen treffen können.
Wichtige Fragen, kurz erläutert:
- Was versteht man unter einem vertretbaren Diagnosefehler?
- Was ist der Unterschied zwischen einem Diagnosefehler und einem Befunderhebungsfehler?
- Welche Rolle spielt die ärztliche Sorgfaltspflicht bei der Bewertung von Diagnosefehlern?
- Welche rechtlichen Schritte können Patienten bei Verdacht auf eine Fehlbehandlung einleiten?
- Welche Beweispflichten bestehen in einem Gerichtsverfahren wegen eines Diagnosefehlers?
Was versteht man unter einem vertretbaren Diagnosefehler?
Ein vertretbarer Diagnosefehler liegt vor, wenn ein Arzt trotz sorgfältiger Untersuchung und Befunderhebung zu einer falschen Diagnose kommt, diese aber aus fachlicher Sicht noch nachvollziehbar und vertretbar ist. Nicht jeder Diagnoseirrtum führt automatisch zu einer Haftung des Arztes.
Kriterien für die Vertretbarkeit
Die Vertretbarkeit einer Diagnose wird anhand folgender Faktoren beurteilt:
- Komplexität des Krankheitsbildes: Bei vieldeutigen Symptomen, die auf verschiedene Erkrankungen hindeuten können, ist ein Diagnoseirrtum eher vertretbar.
- Aktuelle medizinische Standards: Die Diagnose muss den zum Zeitpunkt der Behandlung geltenden medizinischen Erkenntnissen entsprechen.
- Verfügbare Informationen: Wenn der Arzt alle notwendigen Untersuchungen durchgeführt und die Ergebnisse sorgfältig ausgewertet hat, kann auch eine falsche Schlussfolgerung vertretbar sein.
Abgrenzung zum haftungsrelevanten Diagnosefehler
Ein Diagnosefehler wird erst dann haftungsrelevant, wenn er aus fachlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheint. Dies ist der Fall, wenn:
- Eindeutige Symptome übersehen oder falsch gedeutet wurden.
- Offensichtliche Differenzialdiagnosen nicht in Betracht gezogen wurden.
- Grundlegende Untersuchungen unterlassen wurden.
Stellen Sie sich vor, Sie haben diffuse Bauchschmerzen. Ihr Arzt untersucht Sie gründlich und diagnostiziert eine Magenverstimmung, obwohl es sich tatsächlich um eine beginnende Blinddarmentzündung handelt. Wenn die Symptome zu diesem Zeitpunkt noch nicht eindeutig waren und der Arzt alle notwendigen Untersuchungen durchgeführt hat, könnte dies als vertretbarer Diagnosefehler gelten.
Rechtliche Konsequenzen
Bei einem vertretbaren Diagnosefehler haftet der Arzt in der Regel nicht für eventuelle Folgeschäden. Dies schützt Ärzte vor übermäßigen Haftungsrisiken und berücksichtigt die Komplexität medizinischer Diagnosen. Für Sie als Patient bedeutet dies, dass nicht jeder Diagnoseirrtum automatisch zu Schadensersatzansprüchen führt.
Es ist wichtig zu verstehen, dass die Grenze zwischen einem vertretbaren und einem haftungsrelevanten Diagnosefehler oft fließend ist. Im Zweifelsfall wird ein medizinisches Gutachten eingeholt, um die Vertretbarkeit der Diagnose zu beurteilen. Wenn Sie vermuten, Opfer eines nicht vertretbaren Diagnosefehlers geworden zu sein, sollten Sie sich an einen spezialisierten Anwalt für Medizinrecht wenden.
Was ist der Unterschied zwischen einem Diagnosefehler und einem Befunderhebungsfehler?
Der wesentliche Unterschied zwischen einem Diagnosefehler und einem Befunderhebungsfehler liegt in der Art des ärztlichen Versäumnisses:
Diagnosefehler
Ein Diagnosefehler tritt auf, wenn ein Arzt vorhandene Befunde falsch interpretiert. Der Arzt hat in diesem Fall die notwendigen Untersuchungen durchgeführt und Befunde erhoben, zieht daraus jedoch falsche Schlüsse. Stellen Sie sich vor, ein Arzt sieht auf einem Röntgenbild einen Schatten, deutet diesen aber fälschlicherweise als harmlos, obwohl es sich um einen Tumor handelt.
Wichtig zu wissen: Nicht jeder Diagnoseirrtum wird als Behandlungsfehler gewertet. Die Rechtsprechung berücksichtigt, dass Symptome oft mehrdeutig sein können und jeder Patient individuell auf Krankheiten reagiert. Erst wenn die Fehldiagnose aus fachlicher Sicht nicht mehr nachvollziehbar ist, liegt ein haftungsrelevanter Diagnosefehler vor.
Befunderhebungsfehler
Im Gegensatz dazu liegt ein Befunderhebungsfehler vor, wenn der Arzt medizinisch gebotene Untersuchungen unterlässt. Wenn Sie beispielsweise mit Brustschmerzen zum Arzt gehen und dieser kein EKG durchführt, obwohl dies bei den geschilderten Symptomen notwendig wäre, könnte dies als Befunderhebungsfehler gewertet werden.
Wichtig für Sie zu wissen: Ein Befunderhebungsfehler wird in der Regel als Behandlungsfehler eingestuft und kann weitreichende rechtliche Konsequenzen haben. Wenn sich bei einer unterlassenen Untersuchung mit hoher Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiger Befund ergeben hätte, kann dies sogar zu einer Beweislastumkehr zu Ihren Gunsten führen.
Rechtliche Auswirkungen
Die Unterscheidung zwischen Diagnose- und Befunderhebungsfehler ist für Sie besonders relevant, wenn es um die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen geht:
- Bei einem Diagnosefehler müssen Sie als Patient in der Regel beweisen, dass der Fehler ursächlich für Ihren Gesundheitsschaden war.
- Bei einem Befunderhebungsfehler kann es hingegen zu einer Beweislastumkehr kommen. Der Arzt muss dann nachweisen, dass der Schaden auch bei korrekter Befunderhebung eingetreten wäre.
Wenn Sie vermuten, dass bei Ihrer Behandlung ein Fehler unterlaufen ist, sollten Sie sich an einen spezialisierten Anwalt für Medizinrecht wenden. Dieser kann Ihnen helfen, den Sachverhalt einzuordnen und Ihre rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen.
Welche Rolle spielt die ärztliche Sorgfaltspflicht bei der Bewertung von Diagnosefehlern?
Die ärztliche Sorgfaltspflicht ist der zentrale Maßstab bei der Bewertung von Diagnosefehlern. Sie verlangt, dass Ärzte bei der Diagnosestellung nach dem aktuellen medizinischen Standard handeln und die gebotene Sorgfalt anwenden. Ein Diagnosefehler liegt vor, wenn ein Arzt vorliegende Befunde falsch interpretiert oder aus ihnen nicht die richtigen therapeutischen oder diagnostischen Konsequenzen zieht.
Umfang der ärztlichen Sorgfaltspflicht
Bei der Untersuchung eines Leberflecks beispielsweise umfasst die ärztliche Sorgfaltspflicht eine gründliche visuelle Inspektion des gesamten Hautorgans, den Einsatz eines Dermatoskops, eine ausführliche Anamnese und gegebenenfalls die Entnahme einer Gewebeprobe. Stellen Sie sich vor, Ihr Arzt würde bei der Untersuchung eines verdächtigen Leberflecks nur einen flüchtigen Blick darauf werfen, ohne weitere Untersuchungen durchzuführen. In diesem Fall könnte eine Verletzung der Sorgfaltspflicht vorliegen.
Beurteilung von Diagnosefehlern
Bei der Beurteilung von Diagnosefehlern wird geprüft, ob der Arzt alle zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen genutzt hat. Dazu gehört auch, dass er bei unklarem Krankheitsbild alle Diagnosemöglichkeiten ausschöpft, insbesondere wenn schwere Krankheiten in Betracht kommen. Wenn Sie beispielsweise mit anhaltenden Kopfschmerzen zum Arzt gehen und dieser trotz auffälliger Symptome keine weiterführenden Untersuchungen veranlasst, könnte dies als Verletzung der Sorgfaltspflicht gewertet werden.
Abgrenzung zum Befunderhebungsfehler
Es ist wichtig, zwischen Diagnosefehlern und Befunderhebungsfehlern zu unterscheiden. Ein Diagnosefehler liegt vor, wenn erhobene Befunde falsch interpretiert werden, während ein Befunderhebungsfehler das Unterlassen medizinisch gebotener Befunderhebungen bezeichnet. Diese Unterscheidung kann entscheidend für die rechtliche Bewertung sein.
Bedeutung für Patienten
Als Patient sollten Sie wissen, dass die ärztliche Sorgfaltspflicht Sie schützt. Sie haben das Recht auf eine sorgfältige und dem aktuellen medizinischen Standard entsprechende Diagnose. Gleichzeitig ist es wichtig, dass Sie Ihrem Arzt alle relevanten Informationen mitteilen. Denn nur so kann er eine fundierte Diagnose stellen.
Die ärztliche Sorgfaltspflicht bildet somit die Grundlage für die Beurteilung von Diagnosefehlern. Sie definiert den Standard, an dem das ärztliche Handeln gemessen wird, und bietet Ihnen als Patient Schutz vor nachlässiger oder fehlerhafter Behandlung.
Welche rechtlichen Schritte können Patienten bei Verdacht auf eine Fehlbehandlung einleiten?
Bei Verdacht auf eine Fehlbehandlung können Sie als Patient mehrere rechtliche Schritte einleiten:
Dokumentation und Beweissicherung
Sammeln Sie zunächst alle relevanten medizinischen Unterlagen. Dazu gehören Arztbriefe, Befunde, Röntgenbilder und Laborergebnisse. Sie haben das Recht auf Einsicht in Ihre Patientenakte und können Kopien anfertigen lassen. Führen Sie ein detailliertes Tagebuch über Ihre Symptome, Behandlungen und Gespräche mit Ärzten.
Zweitmeinung einholen
Konsultieren Sie einen anderen Arzt, um eine zweite Meinung zu Ihrer Diagnose und Behandlung einzuholen. Dies kann helfen, den Verdacht auf einen Behandlungsfehler zu bestätigen oder zu entkräften.
Schlichtungsverfahren
Viele Ärztekammern bieten kostenlose Schlichtungsverfahren an. Diese außergerichtliche Option kann eine schnelle und kostengünstige Lösung sein, um Ihren Fall von unabhängigen Experten prüfen zu lassen.
Rechtliche Beratung
Konsultieren Sie einen Fachanwalt für Medizinrecht. Dieser kann Ihre Unterlagen prüfen, die Erfolgsaussichten einschätzen und Sie bei den weiteren rechtlichen Schritten unterstützen.
Beweislastumkehr prüfen
In bestimmten Fällen, wie bei groben Behandlungsfehlern oder Befunderhebungsfehlern, kann eine Beweislastumkehr zugunsten des Patienten eintreten. Dies bedeutet, dass der Arzt beweisen muss, dass kein Fehler vorliegt.
Ansprüche geltend machen
Wenn ein Behandlungsfehler festgestellt wird, können Sie Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadensersatz geltend machen. Diese können Verdienstausfall, Pflegekosten und andere finanzielle Folgen des Fehlers umfassen.
Klageerhebung
Als letzter Schritt kann eine Klage vor Gericht in Betracht gezogen werden. Dies sollte jedoch gut überlegt sein, da Gerichtsverfahren oft langwierig und kostspielig sind. Ihr Anwalt wird Sie über die Erfolgsaussichten und Risiken einer Klage informieren.
Bedenken Sie, dass nicht jeder unerwünschte Behandlungsverlauf automatisch einen Behandlungsfehler darstellt. Ärzte schulden Ihnen eine sorgfältige Behandlung nach medizinischen Standards, aber nicht zwingend den Erfolg der Behandlung. Eine sorgfältige Prüfung durch Experten ist daher unerlässlich, bevor rechtliche Schritte eingeleitet werden.
Welche Beweispflichten bestehen in einem Gerichtsverfahren wegen eines Diagnosefehlers?
Bei einem Gerichtsverfahren wegen eines Diagnosefehlers müssen Sie als Patient grundsätzlich drei wesentliche Punkte beweisen:
- Das Vorliegen eines Diagnosefehlers
- Den daraus resultierenden Gesundheitsschaden
- Den kausalen Zusammenhang zwischen Fehler und Schaden
Nachweis des Diagnosefehlers
Um einen Diagnosefehler nachzuweisen, müssen Sie darlegen, dass der Arzt die erhobenen Befunde falsch interpretiert hat. Dies erfordert in der Regel ein medizinisches Sachverständigengutachten. Der Gutachter wird beurteilen, ob die Diagnosestellung des Arztes dem medizinischen Standard entsprach oder ob sie als fehlerhaft einzustufen ist.
Beweis des Gesundheitsschadens
Sie müssen konkret aufzeigen, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen Sie erlitten haben. Dies kann durch ärztliche Atteste, Krankenhausberichte oder weitere medizinische Unterlagen erfolgen. Auch hier kann ein Sachverständigengutachten erforderlich sein, um die Schwere und den Umfang des Schadens zu belegen.
Kausalität zwischen Fehler und Schaden
Der schwierigste Teil der Beweisführung ist oft der Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Diagnosefehler und dem eingetretenen Gesundheitsschaden. Sie müssen darlegen, dass der Schaden bei richtiger Diagnosestellung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre.
Beweiserleichterungen
In bestimmten Fällen können Sie von Beweiserleichterungen profitieren:
- Bei einem groben Behandlungsfehler kehrt sich die Beweislast um. Der Arzt muss dann beweisen, dass der Schaden auch bei richtiger Diagnose eingetreten wäre.
- Bei einem Befunderhebungsfehler kann ebenfalls eine Beweiserleichterung greifen, wenn Sie nachweisen, dass ein nicht erhobener Befund mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiges Ergebnis erbracht hätte.
Wenn Sie einen Diagnosefehler vermuten, sollten Sie zunächst eine ärztliche Zweitmeinung einholen. Dies kann Ihnen helfen, die Situation besser einzuschätzen und gegebenenfalls Beweise zu sichern. Zudem haben Sie als Patient das Recht auf Einsicht in Ihre Krankenakte. Diese Unterlagen können wichtige Beweise für ein mögliches Gerichtsverfahren liefern.
Beachten Sie, dass nicht jeder Diagnoseirrtum automatisch einen haftungsrelevanten Fehler darstellt. Erst wenn die Fehldiagnose aus medizinischer Sicht nicht mehr verständlich oder vertretbar erscheint, kann eine Haftung des Arztes in Betracht kommen.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Vertretbarer Diagnosefehler: Ein vertretbarer Diagnosefehler liegt vor, wenn die vom Arzt gestellte Diagnose zwar falsch, aber zum Zeitpunkt der Behandlung nachvollziehbar und medizinisch vertretbar war. Dies bedeutet, dass der Arzt nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst vorgegangen ist und die Diagnose auf Grundlage der ihm vorliegenden Informationen und Untersuchungsergebnisse plausibel erschien. Entscheidend ist die ex-ante-Betrachtung, also die Sichtweise zum Zeitpunkt der Behandlung. Ein vertretbarer Diagnosefehler führt in der Regel nicht zu einer Haftung des Arztes, auch wenn sich die Diagnose später als falsch herausstellt.
- Befunderhebungsfehler: Ein Befunderhebungsfehler liegt vor, wenn der Arzt es unterlässt, medizinisch gebotene Untersuchungen durchzuführen oder erhobene Befunde nicht richtig zu interpretieren. Im Gegensatz zum vertretbaren Diagnosefehler geht es hier um die Vernachlässigung notwendiger diagnostischer Maßnahmen. Befunderhebungsfehler können zu einer Beweislastumkehr zugunsten des Patienten führen, wenn die unterlassene Untersuchung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiges Ergebnis erbracht hätte. Die rechtlichen Konsequenzen sind hier oft schwerwiegender als bei einem vertretbaren Diagnosefehler.
- Ärztliche Sorgfaltspflicht: Die ärztliche Sorgfaltspflicht beschreibt den Maßstab, an dem das Handeln eines Arztes gemessen wird. Sie verlangt, dass der Arzt die Behandlung nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards durchführt. Dies umfasst die Anamnese, Diagnose, Aufklärung, Therapie und Nachsorge. Die Sorgfaltspflicht berücksichtigt dabei die konkreten Umstände des Einzelfalls, wie z.B. die Dringlichkeit der Behandlung oder die Ausstattung der Praxis. Bei der Beurteilung von Diagnosefehlern wird geprüft, ob der Arzt diese Sorgfaltspflicht eingehalten hat.
- Kausalität: Im Arzthaftungsrecht bezeichnet Kausalität den ursächlichen Zusammenhang zwischen einem ärztlichen Fehler und dem eingetretenen Gesundheitsschaden. Der Patient muss nachweisen, dass der Schaden auf dem Fehler des Arztes beruht. Bei einem Diagnosefehler muss gezeigt werden, dass eine richtige Diagnose zu einer anderen, erfolgversprechenderen Behandlung geführt hätte. Die Beweisführung kann durch die Komplexität medizinischer Zusammenhänge erschwert sein. In bestimmten Fällen, wie bei groben Behandlungsfehlern, kann es zu Beweiserleichterungen für den Patienten kommen.
- Beweislast: Die Beweislast regelt, wer im Prozess welche Tatsachen beweisen muss. Grundsätzlich muss der Patient den Behandlungsfehler, den Schaden und die Kausalität beweisen. Bei Diagnosefehlern muss er darlegen, dass die Diagnose nicht dem medizinischen Standard entsprach. Der Arzt muss beweisen, dass er sorgfältig gehandelt und den Patienten ordnungsgemäß aufgeklärt hat. Bei Befunderhebungsfehlern kann es zu einer Beweislastumkehr kommen. Die Verteilung der Beweislast ist oft entscheidend für den Ausgang des Verfahrens.
- Sachverständigengutachten: Ein Sachverständigengutachten ist im Arzthaftungsprozess oft das zentrale Beweismittel. Der medizinische Sachverständige bewertet, ob die Diagnose und Behandlung dem medizinischen Standard entsprachen. Er untersucht, ob ein Diagnosefehler vorlag und ob dieser vertretbar war. Das Gutachten klärt komplexe medizinische Zusammenhänge für das Gericht und ist entscheidend für die rechtliche Beurteilung. Die Auswahl des Sachverständigen und die kritische Würdigung des Gutachtens durch das Gericht sind wesentliche Faktoren für den Prozessausgang.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 280 Abs. 1 BGB (Schadensersatz wegen Pflichtverletzung): Diese Vorschrift regelt den Schadensersatzanspruch bei Verletzung einer vertraglichen Pflicht. Im vorliegenden Fall geht es um die Verletzung der ärztlichen Behandlungspflicht im Rahmen des Behandlungsvertrags zwischen dem Patienten und dem Krankenhaus bzw. dem Arzt.
- § 823 Abs. 1 BGB (Schadensersatzpflicht bei unerlaubter Handlung): Dieser Paragraph begründet die Schadensersatzpflicht bei einer unerlaubten Handlung, die zu einem Schaden führt. Im medizinischen Kontext kann dies relevant sein, wenn ein Arzt durch eine fehlerhafte Behandlung einen Gesundheitsschaden verursacht.
- § 630h Abs. 5 Satz 2 BGB (Behandlungsfehler): Dieser Paragraph definiert, wann ein Behandlungsfehler vorliegt. Ein Behandlungsfehler ist insbesondere gegeben, wenn die medizinische Behandlung nicht dem zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standard entspricht. Im vorliegenden Fall wird geprüft, ob die Diagnose und Behandlung des Arztes diesem Standard entsprach.
- § 630e BGB (Einwilligungserfordernis): Diese Vorschrift besagt, dass eine medizinische Behandlung nur mit Einwilligung des Patienten durchgeführt werden darf. Der Patient muss über die Art und Risiken der Behandlung aufgeklärt werden, um eine informierte Entscheidung treffen zu können. Im vorliegenden Fall könnte relevant sein, ob der Patient ausreichend über die Möglichkeit weiterer Untersuchungen und Behandlungen aufgeklärt wurde.
- § 253 Abs. 2 BGB (Schmerzensgeld): Dieser Paragraph regelt den Anspruch auf Schmerzensgeld bei einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit. Im vorliegenden Fall fordert der Kläger Schmerzensgeld aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die er durch die angeblich fehlerhafte Behandlung erlitten hat.
Das vorliegende Urteil
LG Regensburg – Az.: 4 O 2532/13 – Urteil vom 18.12.2014
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I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Es ergeht folgender Beschluss:
Der Streitwert wird auf 139.295,09 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Schmerzensgeld und Ersatz des materiellen Schadens in Höhe von 61.017,54 EUR sowie die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige materielle und immaterielle Schäden des Klägers wegen einer vom Kläger behaupteten fehlerhaften ärztlichen Behandlung in der Notaufnahme der Beklagten zu 1) durch den dort tätigen Beklagten zu 2) am 14.03.2010 gegen 15.00 Uhr.
Der Kläger war am Vormittag des 14.03.2010 beim Befüllen eines Vogelhäuschens abgerutscht, wobei sein rechter Fuß wegkippte und er auf den Fuß fiel. Gegen 15.00 Uhr suchte er die Notaufnahme der Beklagten zu 1) auf und wurde durch den dort tätigen Arzt, den Beklagten zu 2), untersucht und behandelt. Der Beklagte zu 2) diagnostizierte einen Muskelteilriss des muskulus tibialis-anterior, er verordnete eine Salbe und empfahl den Fuß nicht ruhig zu stellen. Auf den Arztbericht vom 14.03.2010 (B 3) wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.
Am 31.03.2010 – der Kläger litt bis dahin unter erheblichen Schmerzen – wurde in einem anderen Krankenhaus eine Ruptur der Sehne am muskulus tibialis-anterior durch Einsatz bildgebender Verfahren festgestellt. Bei der Operation vom 06.04.2010 gelang es, die gerissene Sehne am os navikulare zu befestigen; eine Befestigung am ursprünglichen Sehnenansatz war nicht möglich.
Der Kläger behauptet, der Beklagte zu 2) habe am 14.03.2010 gebotene Befunderhebungen in völlig unverständlicher Weise nicht durchgeführt. Hätte er – wie geboten – mit Hilfe bildgebender Verfahren seinen Fuß untersucht, wäre der Sehnenriss erkannt worden, bei dann standardgerechneter Weiterbehandlung wäre es möglich gewesen, die Sehnen in der Folgezeit am ursprünglichen Ansatzpunkt wieder zu befestigen. In diesem Fall wären dem Kläger die von ihm erlittenen, in der Klage im Einzelnen dargelegten gesundheitlichen Beeinträchtigungen erspart geblieben. Beim Sturz selbst habe der Kläger ein auffälliges Reißgeräusch vernommen und dies bei der Untersuchung dem Beklagten zu 2) mitgeteilt. Der Kläger trägt weiter vor, der Beklagte zu 2) habe es standardwidrig unterlassen, ihn darauf hinzuweisen, dass es bei anhaltenden Schmerzen notwendig sei, den Hausarzt oder die Notaufnahme erneute aufzusuchen.
Der Kläger geht davon aus, ihm stehe ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 20.000,00 EUR zu. Er beantragt:
I. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 20.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.02.2011, im Übrigen ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
II. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 61.017,54 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für einen Betrag von 5.000,00 EUR seit 28.02.2011, im Übrigen ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
III. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger die angefallenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten als Nebenforcierung in Höhe von 3.364,73 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
IV. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen medizinischen Behandlung am 14.03.2010 entstanden sind oder entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht kraft gesetzlichen Forderungsübergangs auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Sie tragen vor, weitere Befunderhebungen seien nicht erforderlich gewesen, auf das „Reißgeräusch“ habe der Kläger den Beklagten zu 2) nicht hingewiesen. Die vom Beklagten zu 2) getroffene Diagnose sei zutreffend gewesen; die Ruptur der Sehne sei Folge erheblicher degenerativer Vorschäden gewesen. Die vom Kläger behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und ie Kausalität des angeblichen Behandlungsfehlers werden bestritten. Die Beklagten behaupten, der Beklagte zu 2) habe den Kläger sehr wohl darauf hingewiesen, dass er sich bei anhaltenden Schmerzen bei einem Arzt wieder vorstellen solle.
Das Gericht hat den Kläger und den Beklagten zu 2) informatorisch gehört. Der Sachverständige … erläuterte sein schriftliches Sachverständigengutachten vom 24.07.2014 im Termin vom 13.11.2014. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze, das Gutachten des Sachverständigen … vom … 14.07.2014 und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.11.2014 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige (§§ 12, 13 ZPO, 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG) Klage ist nicht begründet.
Weder wegen Verletzung des Behandlungsvertrages gemäß § 280 Abs. 1 BGB noch gemäß § 823 Abs. 1 BGB stehen dem Kläger die geltend gemachten Schmerzensgeld- und Schadenersatzansprüche zu.
1.
Der Beklagte zu 2) hat bei der notfallmäßigen Behandlung des Klägers am 14.03.2010 gegen 15.00 Uhr einen Teilabriss des muskulus tibialis diagnostiziert. Diese Diagnose war nach Auskunft des Sachverständigen … fehlerhaft, … weil tatsächlich- mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit – ein Teilabriss der Sehne und nicht des Muskels vorgelegen hat. Der Sachverständige hielt die vom Beklagten zu 2) getroffene Diagnose dennoch für medizinisch vertretbar, da der Beklagte zu 2) die Tibialis- anterior- Sehne deutlich tasten konnte. Die Vertretbarkeit der Diagnose hat der Sachverständige auch unter Berücksichtigung des erheblichen Körpergewichts des Klägers und des unterstellten Hinweises gegenüber denn Beklagten zu 2), dass beim Sturz selbst ein Reißgeräusch vernehmbar war, aufrecht erhalten.
Ausgehend von der (fehlerhaften) Diagnose „Muskelteilabriss“ waren weitere Befunderhebungen nicht veranlasst.
Der dem Gericht als besonders erfahren und sachkundig bekannte Sachverständige … hat in seinem schriftlichen, in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörterten, Gutachten sämtliche von den Parteien vorgelegten Behandlungsunterlagen umfassend ausgewertet und den Kläger persönlich untersucht. An den Feststellungen des Sachverständigen zu zweifeln besteht aus Sicht der Kammer kein Anlass.
2.
Lag (lediglich) ein – noch vertretbarer – Diagnoseirrtum vor, so sind die von der Rechtsprechung seit langem entwickelten und zwischenzeitlich in § 630 h Abs. 5 Satz 2 BGB kodifizierten Grundsätze für die rechtliche Bewertung des Befunderhebungsfehlers nicht anwendbar, weil erste und maßgebliche Ursache für den weiteren Geschehensablauf nicht die unterbliebene Befunderhebung sondern der Diagnosefehler war (BGH NJW 2011, 1672; MDR 14, 752).
Die bei Martis-Winkhart, Arzthaftungsrecht, 4. Auflage (U 17 ff.) als herrschend zitierte Auffassung, wonach auf den Schwerpunkt der Pflichtverletzung abzustellen sei, und, sofern der Schwerpunkt bei der unterbliebenen Befunderhebung liege, die fehlende Diagnose keine „Sperrwirkung“ zu Gunsten des Arztes entfalte, ist nicht zu folgen. Bei am Anfang der Behandlung stehender – fehlerhafter – Diagnose stellt diese die wesentliche und damit stets den Schwerpunkt bildende Ursache für die nachfolgende fehlerhafte Befunderhebung dar und lässt deshalb die nachfolgenden Befunderhebungsfehler als unter dem Gesichtspunkt der Zurechenbarkeit zu vernachlässigende konsequente Folgen der fehlerhaften Diagnose erscheinen. Dabei wird nicht verkannt, dass jede Diagnose (irgend) eine Befunderhebung zwingend voraussetzt, weshalb auch die fehlerhafte Diagnose jedenfalls in der Regel auf unterbliebener oder fehlerhafter Befunderhebung beruhen wird. Hat der Arzt aber – wenn auch fehlerhaft – eine bestimmte Diagnose getroffen, so stellt diese Diagnose eine Zäsur des Zurechnungszusammenhangs dar, die es rechtfertigt, Befunderhebungsfehler, die auf die fehlerhafte Diagnose zurückzuführen sind, haftungsrechtlich auszuscheiden.
Die vom Beklagten zu 2) angenommene Diagnose eines Teilabrisses des muskulus tibialis-anterior war, so der Sachverständige, zwar fehlerhaft, aber – wie gezeigt – vertretbar. Auf Grundlage dieser Diagnose waren, wie der Sachverständige zutreffend ausgeführt hat, weitere Befunderhebungen nicht erforderlich.
Die Ausführungen des Klägers in seiner Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme vom 03.12.2014 sind nicht geeignet, diese Einschätzung zu erschüttern. Der Sachverständige hat sowohl die Feststellung des MDK-Gutachtens bei seinen Ausführungen berücksichtigt, als auch in seine Beurteilung einbezogen, dass der Kläger ein Gewicht von etwa 125 kg aufwies. Bei der Lokalisation der Schmerzen des Klägers hat der Sachverständige sowohl die Dokumentation der Beklagten als auch die Angaben des Klägers in Rahmen der Untersuchung durch den Sachverständigen ausreichend berücksichtigt.
3.
Soweit der Kläger vorträgt, der Beklagte zu 2) habe es standardwidrig unterlassen, ihn darüber zu belehren, dass er bei anhaltenden Schmerzen erneut die Notaufnahme oder den Hausarzt aufzusuchen habe, konnte er diesen, von den Beklagten bestrittenen, Sachvortrag nicht beweisen. Der vom Kläger vorgetragene Aufklärungsmangel betrifft die Verletzung zur Pflicht zur therapeutischen Aufklärung; insoweit trifft den Kläger die Beweislast (Martis-Winkhart, a. a. O. A 600). Diesen Beweis konnte der Kläger nicht führen. Der Beklagte zu 2) hat für die Kammer nachvollziehbar und glaubwürdig berichtet, dass er grundsätzlich bei notfallmäßiger Behandlung seine Patienten darauf hinweist, dass sie bei anhaltenden Schmerzen erneut die Notaufnahme oder den Hausarzt konsultieren sollen.
Dass dieser Hinweis in den Krankenunterlagen der Beklagten zu 1) nicht dokumentiert ist, führt zu keiner Beweiserleichterung zu Gunsten des Klägers, weil es sich bei den vom Kläger als Unterlassen gerügten Hinweis nicht um eine dokumentationspflichtige Tatsache handelt. Dieser Hinweis ist unter dem Gesichtspunkt nachfolgender ärztlicher Behandlung ohne oder nur von geringer Bedeutung (Martis-Winkhart, a. a. O. D 318; OLG München, Juris Nr. 58, 59).
Die Klage erwies sich deshalb als unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt unbegründet und war deshalb abzuweisen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erging gemäß § 709 Satz 1, 2 ZPO.