Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Grober Behandlungsfehler: Patientenrechte und Beweislastumkehr im Fokus
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was macht einen Behandlungsfehler zu einem groben Behandlungsfehler?
- Welche Vorteile bringt die Beweislastumkehr dem geschädigten Patienten?
- Welche Fristen müssen Patienten bei der Geltendmachung von Ansprüchen wegen grober Behandlungsfehler beachten?
- Wie können Patienten einen groben Behandlungsfehler dokumentieren und nachweisen?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Weitere Beiträge zum Thema
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Memmingen
- Datum: 15.02.2019
- Aktenzeichen: 26 O 1193/16
- Verfahrensart: Zivilklageverfahren wegen Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüchen aus ärztlicher Fehlbehandlung
- Rechtsbereiche: Arzthaftungsrecht, Schadensersatzrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Der Kläger erlitt am 24.08.2012 durch einen Sturz von einer Leiter schwere Verletzungen am Sprunggelenk, die bei der Beklagten teilstationär behandelt wurden. Er forderte Schmerzensgeld und Schadensersatz aufgrund grober ärztlicher Behandlungsfehler bei der Operation zur Entfernung einer Stellschraube am 12.10.2012.
- Beklagte: Ein Krankenhaus, das die medizinische Behandlung des Klägers durchführte. Die Beklagte bestritt den groben Behandlungsfehler und führte die vom Kläger geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf vorbestehende Erkrankungen und die Schwere der ursprünglichen Verletzungen zurück.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Kläger erlitt bei einem Unfall eine Luxationsfraktur am Sprunggelenk und wurde stationär behandelt. Während einer Nachbehandlung zur Entfernung einer Stellschraube kam es zu einer behandlungsfehlerhaften Situation, die angeblich Infektionen und weitere Komplikationen verursachte.
- Kern des Rechtsstreits: Ob die Entfernung der Stellschraube in einer nicht-sterilen Umgebung einen groben Behandlungsfehler darstellte und ob die anschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers darauf zurückzuführen sind.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Klage war teilweise begründet. Der Beklagte wurde verurteilt, dem Kläger 5.000,00 € Schmerzensgeld und 440,78 € Anwaltskosten zu zahlen. Der Rest der Klage wurde abgewiesen.
- Begründung: Das Gericht erkannte den groben Behandlungsfehler aufgrund der Verletzung hygienischer Standards während der Schraubenentfernung an. Jedoch konnte der Kläger nicht nachweisen, dass die festgestellten Sekundärschäden typischerweise aus dem Behandlungsfehler hervorgingen.
- Folgen: Das Urteil stellte klar, dass den Klägern bei groben Behandlungsfehlern die Beweislastumkehr hinsichtlich der Primärfolgen zugutekommt. Die Beklagte muss für die primär entstandene Wundheilungsstörung und Knochennekrose aufkommen. Das Urteil ist gegen eine Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, und der Kläger trägt die Gesamtkosten des Verfahrens.
Grober Behandlungsfehler: Patientenrechte und Beweislastumkehr im Fokus
Ein Grober Behandlungsfehler liegt vor, wenn ein Arzt in seiner Behandlung der medizinischen Standards derart stark abweicht, dass dies als schwerwiegende Pflichtverletzung angesehen wird. In solchen Fällen haben Patienten nicht nur das Recht auf eine sorgfältige Behandlung, sondern auch auf Schadensersatzansprüche, wenn sie durch ärztliches Fehlverhalten geschädigt wurden. Die Beweisführung im Arzthaftungsprozess gestaltet sich oft schwierig, aber die gesetzlichen Regelungen sehen bei einem groben Behandlungsfehler eine Beweislastumkehr zugunsten des Patienten vor, was bedeutet, dass die Nachweisführung der Fahrlässigkeit in diesen Fällen dem Arzt obliegt.
Die juristischen Voraussetzungen sind entscheidend, um rechtliche Ansprüche erfolgreich geltend zu machen. Hierbei können gutachterliche Stellungnahmen von medizinischen Fachgesellschaften eine wichtige Rolle spielen. Im Folgenden wird ein konkreter Fall betrachtet, der das Thema grober Behandlungsfehler und die damit verbundene Beweislastumkehr detailliert beleuchtet.
Der Fall vor Gericht
Grober Hygiene-Verstoß: Klinik muss Patient nach mangelhafter Operation 5.000 Euro zahlen
Eine unzureichend durchgeführte Metallschrauben-Entfernung mit gravierenden Hygienemängeln führt zu einer Verurteilung des Krankenhauses durch das Landgericht Memmingen. Der Patient erhält 5.000 Euro Schmerzensgeld für eine mehrmonatige Heilungsverzögerung aufgrund einer Wundheilungsstörung und Knochennekrose.
Schwerwiegende Verstöße gegen medizinische Standards
Bei der Operation am 12. Oktober 2012 missachteten die behandelnden Ärzte grundlegende hygienische Standards. Weder die operierende Ärztin noch die hinzugezogenen Kollegen trugen die vorgeschriebene Operationskleidung, Mundschutz oder Kopfhaube. Die Hose des Patienten wurde lediglich hochgekrempelt, seine Sandale verblieb während des gesamten Eingriffs am Fuß. Das Gericht stufte dieses Vorgehen als grob behandlungsfehlerhaft ein, da es gegen elementare medizinische Behandlungsregeln verstieß.
Verlängerte Heilungszeit und weitere Operationen
Die mangelnde Hygiene führte zu einer Wundheilungsstörung und Knochennekrose, wodurch sich der Heilungsprozess um vier Monate verzögerte. Der Patient musste zwei weitere operative Eingriffe mit stationären Aufenthalten von acht bzw. 15 Tagen über sich ergehen lassen. Nach der letzten Operation war er weitere sechs bis zehn Wochen durch einen Gips beim Gehen eingeschränkt.
Begrenzte Haftung trotz schwerer Folgen
Das Gericht sprach dem Patienten ein Schmerzensgeld von 5.000 Euro zu. Weitergehende Forderungen nach Schadenersatz für Haushaltsführungs- und Erwerbsschäden wurden abgewiesen. Die späteren Funktionseinschränkungen im Sprunggelenk seien nicht auf den Behandlungsfehler, sondern auf die ursprüngliche schwere Verletzung zurückzuführen. Der Patient hatte sich bei einem Sturz von einer Leiter eine Luxationsfraktur des rechten Sprunggelenks mit Frakturen von Wadenbein und Innenknöchel sowie einer Zerreißung der vorderen Syndesmose zugezogen.
Beweislastumkehr bei grobem Behandlungsfehler
Da ein grober Behandlungsfehler vorlag, kam dem Patienten eine Beweislasterleichterung zugute. Er musste nicht nachweisen, dass die Wundheilungsstörung und Knochennekrose durch die mangelnde Hygiene verursacht wurden. Das Krankenhaus konnte im Gegenzug nicht beweisen, dass diese Komplikationen andere Ursachen hatten.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht, dass grobe Hygieneverstöße bei medizinischen Eingriffen zu Schadensersatzansprüchen führen können, auch wenn diese zunächst als einfache Routineeingriffe erscheinen. Die Beweislast kehrt sich bei groben Behandlungsfehlern zugunsten des Patienten um – allerdings nur für die direkten Folgen des Fehlers (Primärschäden), nicht für spätere Folgeschäden. Entscheidend ist die klare Unterscheidung zwischen unmittelbaren Behandlungsfolgen und späteren Komplikationen, die auch auf die ursprüngliche Verletzung zurückgehen können.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie eine Operation oder einen Eingriff hatten, bei dem grundlegende Hygienestandards missachtet wurden, können Sie Ansprüche geltend machen. Sie müssen dabei die konkreten Hygieneverstöße möglichst genau dokumentieren und beschreiben können. Achten Sie darauf, welche gesundheitlichen Probleme direkt nach dem Eingriff auftraten (wie hier die Wundheilungsstörung) und welche erst später hinzukamen. Bei direkten Folgen eines groben Behandlungsfehlers muss nicht Sie, sondern die Klinik beweisen, dass der Schaden andere Ursachen hatte. Bei späteren Komplikationen müssen Sie hingegen nachweisen, dass diese auf den Behandlungsfehler zurückgehen. Das Schmerzensgeld bemisst sich dabei nach der Schwere und Dauer der unmittelbaren Beeinträchtigungen.
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Bei Hygieneverstößen während medizinischer Eingriffe stehen Ihnen möglicherweise weitreichende Ansprüche zu. Unsere erfahrenen Anwälte für Medizinrecht analysieren Ihre Behandlungsunterlagen und prüfen, ob ein grober Behandlungsfehler vorliegt. In einem persönlichen Gespräch klären wir gemeinsam die Erfolgsaussichten Ihres individuellen Falls und entwickeln eine passende Strategie zur Durchsetzung Ihrer Rechte. ✅ Fordern Sie unsere Ersteinschätzung an!
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was macht einen Behandlungsfehler zu einem groben Behandlungsfehler?
Ein grober Behandlungsfehler liegt vor, wenn ein Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstößt und dieser Fehler aus objektiver medizinischer Sicht nicht mehr verständlich erscheint.
Rechtliche Kriterien
Der Bundesgerichtshof hat klare Kriterien definiert: Der Fehler muss schlechterdings nicht unterlaufen dürfen und ein besonders schwerer Verstoß gegen etablierte medizinische Standards darstellen. Dabei wird der Facharztstandard als Maßstab herangezogen – das bedeutet, die Behandlung wird an den Kenntnissen und Fähigkeiten gemessen, die von einem Facharzt des jeweiligen Gebiets erwartet werden können.
Typische Beispiele
Als grobe Behandlungsfehler gelten etwa:
- Patientenverwechslung bei Operationen
- Zurückgelassene OP-Instrumente im Körper des Patienten
- Übersehen eindeutiger und lebensbedrohlicher Befunde
- Massive Überdosierungen von Medikamenten
- Eingriffe am falschen Körperteil
Abgrenzung zum einfachen Behandlungsfehler
Ein einfacher Behandlungsfehler liegt bei einer nicht sorgfältigen, von medizinischen Standards abweichenden Behandlung vor, die noch als menschliches Versagen eingestuft werden kann. Die Schwelle zum groben Behandlungsfehler ist erst dann überschritten, wenn der Fehler für einen Mediziner des entsprechenden Fachgebiets absolut unverständlich erscheint.
Bei einem groben Behandlungsfehler tritt eine wichtige rechtliche Konsequenz ein: Die Beweislastumkehr. Dies bedeutet, dass nicht der Patient die Ursächlichkeit des Fehlers für seinen Gesundheitsschaden beweisen muss, sondern der Arzt nachweisen muss, dass der Schaden auch ohne den Fehler entstanden wäre.
Welche Vorteile bringt die Beweislastumkehr dem geschädigten Patienten?
Die Beweislastumkehr verschafft dem geschädigten Patienten eine deutlich bessere Ausgangsposition im Arzthaftungsprozess. Wenn ein grober Behandlungsfehler festgestellt wird, muss nicht mehr der Patient den Zusammenhang zwischen Fehler und Gesundheitsschaden beweisen, sondern der Arzt muss das Gegenteil nachweisen.
Konkrete Vorteile für Patienten
Der zentrale Vorteil liegt darin, dass der Arzt beweisen muss, dass sein Fehler nicht die Ursache für den eingetretenen Gesundheitsschaden war. Diese Beweisführung ist für Ärzte meist äußerst schwierig bis unmöglich, wodurch die Erfolgsaussichten für den Patienten erheblich steigen.
Die Beweislastumkehr greift bereits dann, wenn der Behandlungsfehler grundsätzlich geeignet ist, eine Gesundheitsverletzung der eingetretenen Art herbeizuführen. Eine besondere Wahrscheinlichkeit für den Schadenseintritt muss nicht nachgewiesen werden.
Praktische Bedeutung
Ein weiterer wichtiger Vorteil ergibt sich bei der Dokumentation: Wenn der Arzt bestimmte Maßnahmen nicht in der Patientenakte dokumentiert hat, wird automatisch vermutet, dass diese Maßnahmen nicht durchgeführt wurden. Dies stärkt die Position des Patienten zusätzlich.
Gesetzliche Absicherung
Die Beweislastumkehr ist in § 630h Abs. 5 BGB gesetzlich verankert und gilt nicht nur bei groben Behandlungsfehlern, sondern auch bei unterlassener Befunderhebung. Wenn ein medizinisch gebotener Befund nicht rechtzeitig erhoben wurde und dieser mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen behandlungsbedürftigen Zustand aufgezeigt hätte, profitiert der Patient ebenfalls von der Beweislastumkehr.
Welche Fristen müssen Patienten bei der Geltendmachung von Ansprüchen wegen grober Behandlungsfehler beachten?
Reguläre Verjährungsfrist
Die regelmäßige Verjährungsfrist bei Behandlungsfehlern beträgt drei Jahre nach § 195 BGB. Der Fristbeginn richtet sich jedoch nicht nach dem Zeitpunkt der Fehlbehandlung, sondern nach Ihrer Kenntnis von dem Fehler.
Die Dreijahresfrist beginnt erst mit dem Schluss des Jahres, in dem Sie von dem Behandlungsfehler Kenntnis erlangt haben. Wenn Sie beispielsweise im Jahr 2024 von einem Behandlungsfehler erfahren, beginnt die Verjährungsfrist am 31.12.2024 und endet am 31.12.2027.
Kenntnisabhängiger Fristbeginn
Eine reine Vermutung über einen Behandlungsfehler reicht für den Fristbeginn nicht aus. Sie müssen als Patient positive Kenntnis von folgenden Umständen haben:
- Den wesentlichen Umständen des Behandlungsverlaufs
- Der Tatsache, dass ein Behandlungsfehler vorliegt
- Den daraus resultierenden gesundheitlichen Schäden
Maximale Verjährungsfrist
Unabhängig von Ihrer Kenntnis gilt eine absolute Höchstfrist von 30 Jahren nach dem schädigenden Ereignis. Nach Ablauf dieser Frist können keine Ansprüche mehr geltend gemacht werden, auch wenn Sie erst später von dem Fehler erfahren.
Hemmung der Verjährung
Die Verjährung kann durch bestimmte Umstände gehemmt werden. Eine Hemmung tritt insbesondere ein bei:
- Laufenden Verhandlungen zwischen Ihnen und dem Behandler
- Einschaltung einer Schlichtungsstelle
- Beantragung eines Sachverständigengutachtens
Während der Hemmung läuft die Verjährungsfrist nicht weiter. Die Frist setzt sich erst fort, wenn der Hemmungsgrund wegfällt, etwa wenn die Verhandlungen beendet sind.
Wie können Patienten einen groben Behandlungsfehler dokumentieren und nachweisen?
Ein grober Behandlungsfehler liegt vor, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte medizinische Behandlungsregeln oder gesicherte Erkenntnisse verstoßen hat und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint.
Eigenständige Dokumentation durch den Patienten
Führen Sie ein detailliertes Behandlungstagebuch mit folgenden Informationen:
- Datum und Uhrzeit aller Behandlungen
- Namen der behandelnden Ärzte und beteiligten Personen
- Durchgeführte Maßnahmen und Behandlungen
- Aufgetretene Beschwerden und Komplikationen
- Gespräche mit Ärzten und medizinischem Personal
Sicherung der Behandlungsunterlagen
Sie haben einen gesetzlichen Anspruch auf Einsicht in Ihre vollständige Patientenakte nach § 630g BGB. Die Dokumentation muss folgende Aspekte enthalten:
- Krankheitsgeschichte und Diagnosen
- Untersuchungen und deren Ergebnisse
- Therapien und deren Verlauf
- Eingriffe und Medikation
- Einwilligungen und Aufklärungen
Bedeutung der Gutachten
Der Nachweis eines groben Behandlungsfehlers erfolgt in der Regel durch medizinische Sachverständigengutachten. Hierfür stehen verschiedene Wege zur Verfügung:
Der Medizinische Dienst (MD) erstellt auf Antrag bei Ihrer Krankenkasse ein kostenloses Gutachten.
Die Gutachterkommissionen der Ärztekammern bieten ebenfalls kostenfreie Begutachtungen an.
Beweiserleichterung bei grobem Behandlungsfehler
Wird ein grober Behandlungsfehler festgestellt, greift eine wichtige Beweislasterleichterung: Der Arzt muss dann beweisen, dass der eingetretene Gesundheitsschaden nicht auf seinem Fehler beruht. Diese Beweislastumkehr gilt, wenn der Fehler grundsätzlich geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu verursachen.
Auch Dokumentationsmängel in der Patientenakte können zu Beweiserleichterungen führen. Nicht dokumentierte, aber erforderliche Maßnahmen gelten als nicht durchgeführt.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Grober Behandlungsfehler
Ein besonders schwerwiegender Verstoß gegen medizinische Standards und Sorgfaltspflichten durch einen Arzt oder medizinisches Personal. Dies liegt vor, wenn elementare Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse in besonders gravierender Weise missachtet werden. Geregelt ist dies in § 630h Abs. 5 BGB. Bei einem groben Behandlungsfehler wird vermutet, dass dieser für den Gesundheitsschaden ursächlich war. Beispiel: Operation ohne sterile Kleidung oder Durchführung einer Behandlung ohne notwendige Hygienemaßnahmen.
Beweislastumkehr
Eine Ausnahme von der normalen Beweisregel im Prozess, bei der nicht der Patient, sondern der Arzt oder das Krankenhaus beweisen muss, dass der Schaden nicht durch ihr Handeln verursacht wurde. Dies ist in § 630h BGB geregelt und gilt besonders bei groben Behandlungsfehlern. Der Patient muss nur den Fehler nachweisen, nicht aber den ursächlichen Zusammenhang mit dem Schaden. Beispiel: Bei einer OP ohne Schutzkleidung muss das Krankenhaus beweisen, dass eine aufgetretene Infektion andere Ursachen hatte.
Knochennekrose
Ein Absterben von Knochengewebe durch mangelnde Durchblutung oder Infektion. Dies kann zu Instabilität des Knochens und chronischen Schmerzen führen. Rechtlich relevant ist dies als mögliche Folge von Behandlungsfehlern nach § 823 BGB. Bei einer durch Hygienemängel verursachten Knochennekrose können Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche entstehen. Beispiel: Nach einer unsachgemäß durchgeführten OP stirbt Knochengewebe durch eine Infektion ab.
Luxationsfraktur
Eine schwere Verletzung, bei der ein Knochen nicht nur bricht, sondern gleichzeitig auch aus dem Gelenk springt. Dies erfordert meist eine zeitnahe operative Behandlung. Geregelt in den Behandlungsleitlinien der medizinischen Fachgesellschaften. Die korrekte Diagnose und Behandlung gehört zu den Sorgfaltspflichten des Arztes nach § 630a BGB. Beispiel: Bei einem Sturz bricht der Knöchel und das Sprunggelenk springt gleichzeitig aus seiner normalen Position.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 823 Abs. 1 BGB): Dieser Paragraph regelt die Schadensersatzpflicht bei unerlaubten Handlungen. Er besagt, dass jemand, der vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, dem Geschädigten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet ist.
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte durch einen groben Behandlungsfehler die Gesundheit des Klägers verletzt, wodurch dieser Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 1 BGB geltend machen kann. - § 630a BGB): Dieser Paragraph definiert den Anspruch des Patienten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld bei einem Behandlungsfehler. Er sieht vor, dass der Patient bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Arztes einen Anspruch auf Ersatz der Schäden hat, die unmittelbar aus dem Behandlungsfehler resultieren. Zudem umfasst er die Möglichkeit einer Beweislastumkehr zugunsten des Patienten bei groben Behandlungsfehlern.
Im vorliegenden Fall wurde festgestellt, dass ein grober Behandlungsfehler vorlag, wodurch der Kläger Anspruch auf Schmerzensgeld und bestimmte Schadensersatzleistungen gemäß § 630a BGB hat. - Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlern (§ 630h Abs. 5 BGB): Diese Vorschrift ermöglicht eine Umkehr der Beweislast, wenn ein grober Behandlungsfehler vorliegt. Das bedeutet, dass der Behandelnde nachweisen muss, dass der Schaden nicht durch den Behandlungsfehler verursacht wurde.
Da im Urteil ein grober Behandlungsfehler anerkannt wurde, kommt dem Kläger in Bezug auf die Primärfolgen des Fehlverhaltens eine Beweislastumkehr zu, was die Anerkennung seines Schmerzensgeldanspruchs erleichtert hat. - § 253 BGB – Haftung für Schäden an Körper, Gesundheit, Freiheit oder Immobilie): Dieser Paragraph regelt den Ersatz von Schäden, die durch Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit oder die Gesundheit entstehen. Er bildet die Grundlage für Ansprüche auf Schmerzensgeld sowie auf Ersatz materieller Schäden.
Der Kläger beruft sich auf § 253 BGB, um Schmerzensgeld für die erlittenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch den Behandlungsfehler zu fordern, was im Urteil teilweise anerkannt wurde. - § 286, § 288 Abs. 1 S. 2 BGB – Verzugszinsen und Schadensersatz bei Nichterfüllung): Diese Paragraphen regeln die Fälligkeit und Höhe der Zinsen, die bei verspäteter Zahlung von Geldforderungen anfallen. Sie bestimmen, dass bei Verzögerungen ein Zinssatz von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zur Anwendung kommt.
Im Urteil wurde dem Kläger neben dem Schmerzensgeld auch Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zugesprochen, basierend auf den Regelungen des § 286 und § 288 Abs. 1 S. 2 BGB.
Weitere Beiträge zum Thema
- Behandlungsfehler: Beweislast und Beweislastumkehr
Der Artikel erläutert die Anwendung der Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlern. Liegt ein solcher Fehler vor, muss der Arzt nachweisen, dass seine Behandlung den anerkannten medizinischen Standards entsprach. Beispiele für grobe Behandlungsfehler werden aufgeführt, etwa die Nichterkennung offensichtlicher Symptome. → → Ärztliche Beweislast bei Fehlern verstehen - Beweislastumkehr – Arzthaftpflichtprozess – grober Behandlungsfehler
In diesem Fall ließ ein Arzt während einer Operation einen Tupfer in der Wunde zurück. Das Gericht prüfte, ob eine Beweislastumkehr zugunsten des Patienten gerechtfertigt sei, lehnte dies jedoch ab, da kein grober Behandlungsfehler vorlag. → → Gerichtliche Entscheidungen zu Beweislast in Arzthaftungsfällen - Beweislast für Kausalität eines Befunderhebungsfehlers für eingetretenen Schaden
Das Oberlandesgericht Köln wies die Berufung einer Klägerin ab, da kein schadensursächlicher Behandlungsfehler nachgewiesen werden konnte. Es wurde festgestellt, dass weder grobe Behandlungs- noch Befunderhebungsfehler vorlagen, sodass keine Beweislastumkehr zugunsten der Klägerin erfolgte. → → Kausalitätsnachweis bei Behandlungsfehlern - Feststellung eines ärztlichen Behandlungsfehlers
Der Artikel beschreibt die Voraussetzungen für die Feststellung eines ärztlichen Behandlungsfehlers. Bei groben Fehlern kehrt sich die Beweislast zugunsten des Patienten um; der Arzt muss dann beweisen, dass der Fehler nicht ursächlich für den Schaden war. → → Kriterien zur Feststellung von Behandlungsfehlern - Grober Behandlungsfehler – unterlassene Basisdiagnostik
Die Klägerin erlitt nach fehlerhafter Behandlung schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigungen. Sie argumentierte, dass die unterlassene Basisdiagnostik einen groben Behandlungsfehler darstelle, der zu ihren Schäden führte. → → Fehler bei der Basisdiagnostik rechtlich beleuchten
Das vorliegende Urteil
LG Memmingen – Az.: 26 O 1193/16 – Endurteil vom 15.02.2019
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