OLG Karlsruhe – Az.: 7 U 143/21 – Urteil vom 17.08.2022
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 11.08.2021, Az. 4 O 130/19, wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist, ebenso wie das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Heidelberg, ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin ist eine private Krankenversicherung und macht Rückforderungsansprüche aus übergegangenem Recht gegen den Beklagten geltend.
Der Beklagte war der behandelnde Arzt einer Versicherungsnehmerin der Klägerin, die sich vom 26.05.2015 bis 16.06.2015 und vom 10.11.2015 bis 27.11.2015 bei diesem in Behandlung befand. Am 12.05.2015 hatte die Versicherungsnehmerin entsprechende Behandlungsverträge unterzeichnet, die u.a. folgenden Inhalt hatten:
„Mit Ihrer Unterschrift versichern Sie Forderungen aus der Behandlungsrechnung nicht an Ihre Krankenversicherung/Beihilfestelle abzugeben und das berechnete Honorar selbst zu tragen, soweit Ihre Versicherung oder Beihilfestelle dies nicht oder nicht in vollem Umfang erstattet.“
Am 27.05.2015 und 11.11.2015 führte der Beklagte bei der Versicherungsnehmerin Operationen an der Wirbelsäule durch, bei denen unter anderem Eingriffe an mehreren Wirbelsegmenten erfolgten. Hierfür stellte er ihr am 16.06.2015 einen Betrag in Höhe von 13.742,85 Euro und am 27.11.2015 einen Betrag in Höhe von 13.200,71 Euro in Rechnung. Die Versicherungsnehmerin bezahlte beide Rechnungen und reichte diese bei der Klägerin ein. Die Klägerin erstattete der Versicherungsnehmerin die bezahlten Beträge – trotz Ablehnung der Berechnungsfähigkeit zahlreicher GOÄ-Ziffern – anteilig in dem von der Versicherungspolice gedeckten Umfang. In der Folge machte die Klägerin wegen der erstatteten Beträge Rückforderungsansprüche gegen den Beklagten geltend.
Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, die vom Beklagten behauptete Gebührenvereinbarung mit der Versicherungsnehmerin sei unwirksam. Der Beklagte hätte in der Rechnung vom 16.06.2015 insgesamt 11.744,03 Euro zu viel angesetzt und dementsprechend – unter Berücksichtigung der 15%-igen Minderung des Betrages gem. § 6a Abs. 1 S. 2 GOÄ – 9.982,43 Euro zu viel erhalten. Im Rahmen der Rechnung vom 27.11.2015 hätte er 11.743,23 Euro zu viel berechnet und dementsprechend – unter Berücksichtigung der 15%-igen Minderung gem. § 6a Abs.1 S.2 GOÄ – 9.981,75 Euro zu viel erhalten. Unter Berücksichtigung des 30%-Tarifs ihrer Versicherungsnehmerin stünde der Klägerin ein Rückforderungsbetrag in Höhe von insgesamt 5.989,25 Euro zu. Konkret hat die Klägerin hinsichtlich der Rechnung vom 16.06.2015 moniert, dass zahlreiche GOÄ-Ziffern nicht korrekt angesetzt worden seien. Unter anderem könne die Ziff. GOÄ 2287 nur einmal abgerechnet werden, auch wenn eine Behandlung mehrerer Wirbelsegmente erfolgt sei.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 5.989,25 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen, einem Rückforderungsanspruch stehe schon eine wirksame Honorarvereinbarung zwischen ihm und der Versicherungsnehmerin der Klägerin entgegen. Die Versicherungsnehmerin sei mit Anschreiben vom 18.05.2015 und 30.05.2015 darüber aufgeklärt worden, dass sich für beide Operationen voraussichtlich gemäß § 2 Abs. 1 GOÄ der Steigerungsfaktor der in Ansatz gebrachten Gebührenposition ändern werde, was diese akzeptiert hätte. Zudem hätte sie schriftlich zugestimmt, keine Ansprüche an ihre Versicherung abzutreten. Die geltend gemachten Gebührenziffern seien nicht zu beanstanden. Insbesondere sei eine vierfache Abrechnung der Ziff. GOÄ 2287 zulässig gewesen, nachdem i.R.d. Operation vier Segmente mit einem Pedikelschrauben-Stabsystem instrumentiert worden seien und insoweit ein vierfacher zeitlicher Aufwand angefallen sei.
Das Landgericht hat der Klage nur in Höhe von 4.719,92 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.12.2018 stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Klägerin sei aktivlegitimiert, weil mögliche Ansprüche gegen den Beklagten schon gem. §§ 194 Abs. 2, 86 Abs. 1 VVG kraft Gesetzes auf sie übergegangen seien, weshalb es auf eine ausdrückliche Abtretung durch die Versicherungsnehmerin nicht ankomme. Dem stünden auch die von der Versicherungsnehmerin unterschriebenen Behandlungsverträge nicht entgegen. Das Abtretungsverbot sei im Zusammenhang mit dem weiteren Text der Behandlungsverträge auszulegen, in dem zwar darauf hingewiesen werde, dass die Versicherung nicht alle Leistungen tragen werde und dies ggf. vor der Operation mit der Versicherung geklärt werden möge; dies hätte sich jedoch – insbesondere in der ersten Erklärung – nur auf das Neuromonitoring bezogen. Jedenfalls könne der gesetzliche Forderungsübergang nicht mit einer allgemeinen Erklärung ausgeschlossen werden, ohne dass darauf ausdrücklich hingewiesen wurde. Zur Frage der GOÄ-Konformität der streitgegenständlichen Rechnungen, hat das Landgericht Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben und die Zulässigkeit der klägerseits monierten Rechnungspositionen auf Basis dieses Gutachtens beurteilt. Unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Sachverständigen, hat das Landgericht die Einwendungen der Klägerin gegen die erfolgten Abrechnungen nach der GOÄ größtenteils als begründet angesehen und insbesondere eine vierfache Abrechnung der Ziff. GOÄ 2287 für unzulässig erachtet, insoweit aber für den Mehraufwand einen 5-fachen Steigerungsfaktor berücksichtigt.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands in erster Instanz und den Einzelheiten der landgerichtlichen Feststellungen – insbesondere zu den Abrechnungsvoraussetzungen der streitgegenständlichen GOÄ-Ziffern – wird auf das erstinstanzliche Urteil, die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Anlagen Bezug genommen.
Mit der Berufung verfolgt der Beklagte weiterhin die vollumfängliche Abweisung der Klage. Er vertritt weiterhin die Auffassung, dass es aufgrund der zwischen ihm und der Versicherungsnehmerin getroffenen Vereinbarung nicht zu einem Forderungsübergang auf die Klägerin gekommen sei. Die Erstattung der Rechnung seitens der Klägerin sei offensichtlich in dem Bewusstsein erfolgt, die Vereinbarung zu unterlaufen, um ihn i.H.d. bestrittenen Rechnungsumfangs vergütungslos zu stellen. Ohne die getroffene Vereinbarung hätte er die ggü. der Versicherungsnehmerin angebotenen Leistungen nicht erbracht. Unter Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Vortrag, erachtet der Beklagte seine Abrechnung weiterhin als korrekt. So habe das Landgericht Mannheim mit Urteil vom 11.03.2009, Az. 8 O 182/07, festgestellt, dass die Ziff. GOÄ 2287 auch mehrfach in Ansatz gebracht werden kann, wenn sich ein Eingriff über mehrere Wirbelsegmente erstreckt. Weiterhin gelte es zu berücksichtigen, dass die GOÄ im operativen Bereich ca. 20 Jahre alt sei, was in Bezug auf weiter entwickelte medizinische Standards bzw. die nach heute wissenschaftlicher Kenntnis angewandten Operationsmethoden zu berücksichtigen sei.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im zweiten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift der Berufungsverhandlung Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig aber unbegründet. Der Klägerin steht gegen den Beklagten gem. §§ 194 Abs. 2, 86 Abs. 1 VVG, 812 Abs. 1 BGB ein Rückforderungsanspruch nebst Zinsen in der vom Landgericht zuerkannten Höhe zu.
1. Die Klägerin ist aktivlegitimiert, den – in der Person ihrer Versicherungsnehmerin entstandenen – Rückforderungsanspruch gegenüber dem Beklagten geltend zu machen. Ihre Aktivlegitimation beruht auf einem wirksamen gesetzlichen Forderungsübergang.
a. Gemäß §§ 194 Abs. 2, 86 Abs. 1 VVG gehen Ersatzansprüche des Versicherungsnehmers einer Krankenversicherung, die diesem z.B. gegen einen behandelnden Arzt zustehen, auf die Krankenversicherung über, soweit diese den Schaden ersetzt. Voraussetzung ist insoweit eine Abtretbarkeit des Anspruchs. Gemäß § 399 BGB kann eine Forderung nicht (rechtsgeschäftlich) abgetreten werden, wenn die Abtretung durch Vereinbarung mit dem Schuldner ausgeschlossen ist. Ob ein solches Abtretungsverbot gem. § 412 BGB auch einen gesetzlichen Forderungsübergang – wie hier nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG – grundsätzlich hindert (bejahend BeckOK VVG, Stand 02.05.2022, § 86, Rn. 43) kann offen bleiben, da das Abtretungsverbot vorliegend jedenfalls unwirksam ist.
b. Das in den vorliegenden Behandlungsverträgen enthaltene Abtretungsverbot ist bereits deshalb unwirksam, weil es der insoweit notwendigen AGB-Kontrolle nicht standhält.
aa. Das Abtretungsverbot stellt sich als allgemeine Geschäftsbedingung dar. Zwar handelt es sich bei den in dem Behandlungsvertrag aufgeführten Leistungen um individuelle ausgehandelte Vertragsbestandteile. Der Passus betreffend das Abtretungsverbot ist aber ersichtlich ein vorformulierter Bestandteil (hierzu unter aaa.) der vom Beklagten für eine Vielzahl von Verträgen herangezogen werden soll (hierzu unter bbb.).
aaa. Eine Vorformulierung ist gegeben, wenn dem Vertragspartner keine Wahl- oder Beeinflussungsmöglichkeit in Bezug auf den Inhalt zukommt. Dies ist hier der Fall, weil die Klausel ersichtlich nicht das Ergebnis einer Verhandlung zwischen dem Beklagten und der Versicherungsnehmerin war, nachdem der Beklagte selbst vorgetragen hat, dass er die Behandlung ohne (genau) diese Vereinbarung nicht durchgeführt hätte. Eine Wahl- oder Beeinflussungsmöglichkeit bestand dementsprechend nicht.
bbb. Der Passus war auch für eine Vielzahl von Verträgen vorgesehen. Insoweit genügt schon die bloße Absicht einer mehrfachen Verwendung (BGH, Urteil vom 11.12.2003 – VII ZR 31/03; BGH, Urteil vom 13.09.2001 – VII ZR 487/99), wobei im Falle einer erfolgten wiederholten Verwendung eine widerlegliche Vermutung für eine solche Absicht besteht (BGH, Urteil vom 26.09.1996 – VII ZR 318/95). Von einer Absicht zur wiederholten Verwendung ist hier auszugehen. Zunächst ist der Passus so allgemein gefasst, dass er sich grundsätzlich wortgleich für eine wiederholte Verwendung auch in anderen Verträgen eignet. Zudem findet er sich auch zweimal wortgleich in den streitgegenständlichen Behandlungsverträgen, was die Vermutung einer Absicht zur wiederholten Verwendung begründet, die beklagtenseits auch nicht widerlegt wurde.
bb. Das Abtretungsverbot stellt sich als überraschende Klausel i.S.d. § 305c BGB dar. Überraschend ist eine Klausel, wenn der Vertragspartner mit ihr nach den Umständen des Falles vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte (BeckOK BGB, Stand 01.05.2022, § 305c, Rn.18). Dies war hier der Fall.
aaa. Es fehlt zwar nicht an einem ausdrücklichen Hinweis auf das Abtretungsverbot als solches. Dieses wurde im Gegenteil hinreichend kenntlich gemacht. Zum einen, weil in den Behandlungsverträgen darauf hingewiesen wurde, dass seitens der Krankenversicherung ggf. nicht alle Leistungen anerkannt werden. Zum anderen, weil darauf hingewiesen wurde, dass die Versicherungsnehmerin die Kosten selbst tragen muss, wenn keine oder keine vollständige Erstattung seitens der Krankenversicherung erfolgt. Damit wurde die Versicherungsnehmerin sowohl auf das potentielle Kostentragungsrisiko als auch auf die hierzu führenden Umstände hingewiesen. Zusätzlich wurde die Versicherungsnehmerin darauf aufmerksam gemacht, die Erstattungsfähigkeit rechtzeitig vor der Behandlung mit der Krankenversicherung abzuklären.
bbb. Überraschend war das Abtretungsverbot aber insoweit, als es sich nicht allein auf die zuvor ausdrücklich im Behandlungsvertrag aufgeführten Leistungen bezogen hat, sondern auf alle Forderungen aus der letztlich zu stellenden Rechnung (“[…] versichern Sie Forderungen aus der Behandlungsrechnung nicht an Ihre Krankenversicherung/Beihilfestelle abzugeben […]“), und damit auch auf weitergehende Leistungen, die ggf. kurzfristig oder anlassbezogen notwendig werden (etwa wg. Komplikationen i.R.d. Operation). Mit einem so umfassenden Abtretungsverbot muss ein verständiger Patient aber nicht rechnen. Nachdem die Tragweite dieses Abtretungsverbots für einen durchschnittlich verständigen Patienten nicht ersichtlich ist und ein expliziter Hinweis auf diese nicht erfolgt ist, stellt sich die Klausel als überraschend dar.
cc. Das Abtretungsverbot stellt sich zudem als unangemessen benachteiligende Klausel i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB dar.
aaa. Dabei gilt es zwar zu berücksichtigen, dass im Einzelfall ein anerkennenswertes Interesse des Schuldners daran besteht, dass in der Person des Gläubigers kein Wechsel eintritt, etwa wenn er von diesem aus bestimmten Gründen eine besondere Rücksichtnahme erwarten darf, oder wenn verhindert werden soll, dass der Abrechnungsverkehr – aufgrund einer Konfrontation mit einer Vielzahl von Gläubigern – unklar oder unübersichtlich wird (BGH, Urteil vom 12.05.1971 – VIII ZR 196/69). Ein solches Interesse besteht aber jedenfalls nicht in Bezug auf Behandlungskosten und die mit diesen regelmäßig einhergehende Abtretung an die Krankenversicherung des Patienten. Insoweit besteht gerade keine Gefahr eines unklaren oder unübersichtlichen Abrechnungsverkehrs, weil der Arzt insoweit mit nur einem Gläubiger konfrontiert wird, der zudem regelmäßig mit derartigen Abrechnungen befasst ist und über eine entsprechende Sachkunde verfügt. Ein uneingeschränktes Abtretungsverbot – das auch die Übertragung auf den Versicherer des Vertragspartners umfasst – kann einen Vertragspartner daher unangemessen benachteiligen (BGH, Urteil vom 08.12.1975 – II ZR 64/74).
bbb. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze und Abwägung der beiderseitigen Interessen stellt sich das Abtretungsverbot hier als unangemessen benachteiligend dar.
(1) Dabei verkennt der Senat nicht, dass das vorliegende Abtretungsverbot nicht für Forderungen gilt, in denen eine Erstattungsfähigkeit der Forderungen seitens der Versicherung bejaht wird. Der Versicherungsnehmer kann daher berechtigte Forderungen weiter über seine Versicherung abrechnen. Weiterhin verkennt der Senat auch nicht, dass ein berechtigtes Interesse sowohl des Arztes als auch des Patienten besteht, im Einzelfall Leistungen zu ermöglichen, die von Versicherungen üblicherweise nicht übernommen werden.
(2) Trotzdem werden durch die gewählte Vorgehensweise die Interessen des Patienten nicht ausreichend gewahrt. Dieser verfügt – im Gegensatz zum abrechnenden Arzt oder seiner Krankenversicherung – nicht über die notwendige Sachkunde bzw. Kapazitäten, um qualifiziert zu beurteilen, ob eine Leistung zulässig abgerechnet wurde und sie nur nicht erstattungsfähig ist, oder ob bereits die Abrechnung unzulässig war. Gerade in Bezug auf schwer nachvollziehbare und ggf. sogar unberechtigte Forderungen muss ein Patient auf Basis des vorliegenden Abtretungsverbots die Kosten zumindest vorläufig selbst tragen, wenn er sich nicht dem Risiko einer (ggf. gerichtlichen) Auseinandersetzung mit dem abrechnenden Arzt aussetzen will, deren Ausgang er in der Regel schwer beurteilen kann. In einem solchen Fall tritt selbst dann, wenn der Beklagten ausnahmsweise ein besonderes Interesse daran haben sollte, dass ein Anspruchsübergang nicht stattfindet, dieser hinter die gegenteiligen Interessen der Versicherungsnehmerin zurück. Denn diese wäre ansonsten gegebenenfalls verpflichtet, den Rückforderungsanspruch selbst gegen den Beklagten geltend zu machen und den erstrittenen Ersatzbetrag an die Klägerin auszukehren. Dies widerspräche aber in erheblichem Maß dem Interesse der Versicherungsnehmerin (vgl. dazu BGH, Urteil vom 08.12.1975 – II ZR 64/74 – juris Rn.8). Dies gilt erst Recht, nachdem vom vorliegenden Abtretungsverbot auch Forderungen aus Leistungen umfasst sind, die nicht explizit im Behandlungsvertrag aufgeführt sind und deren Art und Umfang der Patient mithin nicht absehen kann. Damit fehlt ihm aber die Möglichkeit, deren Erstattungsfähigkeit vorab mit seiner Krankenversicherung abzuklären, um so das bei ihm verbleibende Kostenrisiko abzuschätzen. Unter diesen Umständen ist ein berechtigtes Interesse an dem konkreten Abtretungsverbot nicht ersichtlich bzw. überwiegt ein solches jedenfalls nicht die Interessen des Patienten.
2. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Rückforderung der abgerechneten ärztlichen Leistungen in dem vom Landgericht zuerkannten Umfang zu.
a. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen, dass einzelne GOÄ-Ziffern gänzlich zu Unrecht und andere in nicht zulässiger Anzahl oder Höhe abgerechnet wurden, und hierdurch eine unberechtigte Abrechnung i.H.v. insgesamt 4.719,92 Euro erfolgt ist, ist dabei der Entscheidung in der Berufungsinstanz gem. § 529 Abs.1 Nr.1 ZPO zugrunde zu legen.
aa. Ein Berufungsangriff gegen die diesen Feststellungen zugrundeliegende Beweiswürdigung ist überhaupt nur insoweit erfolgt, als der Beklagte bezüglich der Abrechnung der GOÄ-Ziff. 2287 weiterhin der Auffassung ist, dass bei einem sich über vier Segmente erstreckenden Eingriff auch ein mehrfacher Ansatz der Ziffer in Betracht kommt. Die insoweit vom Landgericht getroffene (gegenteilige) Feststellung wäre der Entscheidung in der Berufungsinstanz allerdings nur dann nicht zugrunde zu legen, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen bestehen oder eine neuerliche Beweisaufnahme mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu einem anderen Ergebnis führen würde. Dies ist hier schon deshalb nicht ersichtlich, weil beklagtenseits letztlich keine Auseinandersetzung mit den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen erfolgt. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass bei der Implantation nur einer Abstützvorrichtung, ungeachtet der Anzahl der Befestigungspunkte, nur ein Eingriff abgerechnet werden kann. Dabei hat er weiterhin ausgeführt, dass es bei einem mehrfachen Ansatz der Ziffer zu einem Ungleichgewicht im Verhältnis zu anderen Operationen kommen würde, zumal der erhöhte Aufwand bei mehreren Befestigungspunkten durch einen erhöhten Steigerungssatz berücksichtigt werden könne. Dass sich das Landgericht auf Basis dieser Ausführungen davon überzeugt hat, dass im Rahmen der streitgegenständlichen Operation nur eine einmalige Abrechnung der GOÄ-Ziff. 2287 in Betracht kommt, stellt daher eine nachvollziehbare und nicht zu beanstandende Schlussfolgerung dar.
bb. Im Übrigen wurde die – ohnehin nicht zu beanstandende – Beweiswürdigung des Landgerichts nicht angegriffen, weshalb die darauf beruhenden Feststellungen der Entscheidung in der Berufungsinstanz schon deshalb zugrunde zu legen sind, § 529 Abs.1 Nr.1 ZPO.
b. Auch mit dem weitergehenden Einwand, die GOÄ sei im operativen Bereich veraltet und daher so auszulegen, dass auch aktuelle Operationsmethoden abgebildet bzw. erfasst werden, vermag der Beklagte nicht durchzudringen. Der Einwand, dass die GOÄ in den operativen Fächern veraltet ist und nicht mehr den aktuellen Stand der Medizin abbildet ist, ist letztlich irrelevant.
aa. Nachdem die GOÄ eine grundsätzliche Regelung enthält, kann deren Anwendung nicht entgegenstehen, dass sie im Einzelfall zu einer möglicherweise unangemessenen Honorierung einer ärztlichen Leistung führt. Vom Beklagten angenommene Ungereimtheiten im Gesamtgefüge der GOÄ können nicht dazu führen, den eindeutigen Willen des Verordnungsgebers, der das Zielleistungsprinzip als grundlegende Regelung in der GOÄ implementiert hat, zu ignorieren. Vermeintliche Mängel der Gebührenordnung können nicht durch eine zusätzliche, gebührenrechtlich nicht zulässige Berechnung einzelner Leistungsbestandteile kompensiert werden. Detailregelungen im Gebührenverzeichnis, die mit dem Zielleistungsprinzip tatsächlich nur schwer in Einklang zu bringen sind, können nur bei einem weiteren Novellierungsschritt durch den Verordnungsgeber geändert werden. Es ist im Hinblick auf das Gewaltenteilungsprinzip nicht Sache der Gerichte, die Aufgabe des Verordnungsgebers zu übernehmen.
bb. Weiterhin sind vom Beklagten angenommenen Ungereimtheiten im Gesamtgefüge der GOÄ auch deshalb hinzunehmen, weil die GOÄ selbst ein systemimmanentes Regulativ enthält, um auf einen erhöhten Zeitaufwand oder eine erhöhte Schwierigkeit zu reagieren, indem in solchen Fällen die Abrechnung eines erhöhten Steigerungsfaktors in Betracht kommt.
cc. Schließlich gilt es zu berücksichtigen, dass vorliegend bezüglich beider Behandlungsverträge ausdrücklich eine Abrechnung nach GOÄ vereinbart wurde. Damit können die Leistungen aber auch nur nach den von der Gebührenordnung vorgesehenen Grundsätzen und Regeln abgerechnet werden. Zwar sieht § 2 Abs.1 GOÄ abweichende Gebührenvereinbarungen vor. Eine abändernde Vereinbarung nach § 2 Abs.1 GOÄ darf allerdings nur die Höhe der Gebühren betreffen (Spickhoff, Medizinrecht, 3. Auflage 2018, § 2 GOÄ, Rn.2). Die grundsätzliche Abrechenbarkeit einer bestimmten Leistung nach einer bestimmten GOÄ-Ziffer (und damit auch die wiederholte Abrechnung), kann dagegen nicht Gegenstand einer solchen Vereinbarung sein. Die grundsätzliche Abrechenbarkeit einer bestimmten Leistung ist vielmehr allein nach den Grundsätzen und Regeln der GOÄ zu beurteilen. Soweit etwa die wiederholte Abrechnung einer Leistung vereinbart wurde, die nach den Grundsätzen der GOÄ nur einmal erbracht werden kann (wie hier in Bezug auf die nach Ziff.2287 abzurechnende operative Behandlung der Wirbelsäule mit Implantation mehrerer metallischer Aufspreiz-/Abstützvorrichtungen), verstößt diese Vereinbarung schon gegen § 2 Abs.1 GOÄ.
3. Zinsen sind, nach Maßgabe der §§ 288, 291 BGB, in dem vom Landgericht zuerkannten Umfang geschuldet.
III.
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, da die Berufung des Beklagten erfolglos war.
2. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
3. Gründe, die Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, liegen nicht vor. Insbesondere hat sich der Bundesgerichtshof bereits zu der Frage positioniert, wie sich die GOÄ in Bezug auf neuere – bei Erlass der GOÄ noch unbekannte – Behandlungsmethoden verhält (vgl. etwa BGH, Urteil vom 14.10.2021 – III ZR 353/20).