Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Zahnschmerzen durch Behandlungsfehler: Schadensersatzansprüche im Fokus
- Der Fall vor Gericht
- Zahnarzt muss 10.000 Euro Schmerzensgeld nach unerlaubter Behandlungserweiterung zahlen
- Nicht abgesprochene Behandlungserweiterung führt zu Nervenverletzung
- Gravierende medizinische Fehler bei der Behandlung
- Erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen für die Patientin
- Besonders schwerwiegendes Verschulden des Zahnarztes
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Aufklärungspflichten hat ein Zahnarzt vor einer Behandlungserweiterung?
- Wie kann ich eine Nervenschädigung nach zahnärztlicher Behandlung nachweisen?
- Welche Faktoren beeinflussen die Höhe des Schmerzensgeldes bei Nervenschäden?
- Ab wann verjähren Ansprüche nach einem Behandlungsfehler?
- Welche Kosten entstehen bei der rechtlichen Durchsetzung von Schmerzensgeldforderungen?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt
- Datum: 24.09.2024
- Aktenzeichen: 1 U 86/23
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Arzthaftungsrecht, Schadensersatzrecht
Beteiligte Parteien:
- Beklagter: Ein Zahnarzt, der während einer zahnärztlichen Behandlung ohne Einwilligung der Patientin einen Eingriff erweitert und dabei eine dauerhafte Nervverletzung verursacht hat. Er argumentierte, dass die Erweiterung des Eingriffs medizinisch notwendig war.
- Klägerin: Die Patientin, die wegen der unrechtmäßigen Erweiterung des zahnärztlichen Eingriffs ohne ihr Einverständnis auf Schadensersatz klagt. Sie leidet unter anhaltenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen infolge des Eingriffs.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Zahnarzt führte eine tiefere Gewebeexzision durch, ohne die notwendige Zustimmung der Patientin einzuholen. Die Klägerin erlitt durch den Eingriff dauerhafte Beeinträchtigungen, insbesondere eine Verletzung des Nervus lingualis, die zu Sensibilitätsstörungen führte.
- Kern des Rechtsstreits: Die Entscheidung drehte sich um die Haftung des Zahnarztes für den erweiterten Eingriff ohne Einwilligung und um die Bemessung des Schmerzensgeldes.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Berufung des Zahnarztes wurde abgewiesen. Er wurde zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 EUR sowie zur Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten verurteilt.
- Begründung: Das Gericht stellte fest, dass der Zahnarzt eine Pflichtverletzung begangen hat, indem er den Eingriff ohne Einwilligung erweiterte. Durch die Erweiterung des Eingriffs wurde die Patientin nicht ordnungsgemäß aufgeklärt, was eine Verletzung ihrer Selbstbestimmungsrechte darstellt. Die Schwere der Verletzung und die Folgen für die Klägerin rechtfertigten das zugesprochene Schmerzensgeld.
- Folgen: Der Zahnarzt trägt die Kosten des Berufungsverfahrens und kann keine Revision einlegen, da das Gericht die Sache nicht als grundsatzrelevant ansieht. Die Entscheidung ist somit rechtskräftig.
Zahnschmerzen durch Behandlungsfehler: Schadensersatzansprüche im Fokus
Die Behandlung beim Zahnarzt ist für viele Menschen mit Ängsten und Unsicherheiten verbunden. Nicht selten können medizinische Eingriffe unbeabsichtigt zu Komplikationen führen, die das Leben der Patienten erheblich beeinträchtigen. Besonders schwerwiegend sind Nervenschädigungen, die während zahnärztlicher Behandlungen auftreten können.
Der Nervus lingualis, ein sensibler Nerv in der Mundregion, ist dabei besonders gefährdet. Verletzungen dieses Nervs können zu anhaltenden Schmerzen, Gefühlsstörungen und erheblichen Einschränkungen der Lebensqualität führen. Patienten haben in solchen Fällen grundsätzlich Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld, wenn ein Behandlungsfehler nachgewiesen werden kann.
Der Fall vor Gericht
Zahnarzt muss 10.000 Euro Schmerzensgeld nach unerlaubter Behandlungserweiterung zahlen

Das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt hat einen Zahnarzt zur Zahlung von 10.000 Euro Schmerzensgeld wegen einer eigenmächtig erweiterten Behandlung verurteilt. Der Mediziner hatte bei einer Patientin ohne deren Einwilligung eine oberflächliche Zahnfleischbehandlung zu einem tieferen chirurgischen Eingriff ausgeweitet, wodurch es zu einer dauerhaften Nervenschädigung kam.
Nicht abgesprochene Behandlungserweiterung führt zu Nervenverletzung
Die ursprünglich mit der Patientin vereinbarte Behandlung sah lediglich vor, eine Zahnfleischkapuze am Weisheitszahn 48 oberflächlich abzutragen. Diese Maßnahme stellte nach Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. V. eine einfache, wenig invasive Routinebehandlung dar. Der Zahnarzt erweiterte den Eingriff jedoch ohne Rücksprache zu einer tiefen Exzision der Schleimhautwucherung, bei der der Weisheitszahn teilweise operativ freigelegt werden musste.
Gravierende medizinische Fehler bei der Behandlung
Der Sachverständige stellte fest, dass der erweiterte Eingriff eine enge Lagebeziehung zum Nervus lingualis aufwies und damit deutlich risikoreicher war. Erschwerend kam hinzu, dass der Zahnarzt vor der tiefen Gewebeabtragung keine Röntgenaufnahme anfertigte, die für die Beurteilung der Lage des Weisheitszahns und der Platzverhältnisse erforderlich gewesen wäre. Bei dem später festgestellten Engstand wäre die durchgeführte tiefe Exzision ohnehin sinnlos gewesen, da in diesem Fall die Extraktion des Zahns die gebotene Behandlungsmethode darstellte.
Erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen für die Patientin
Durch den Eingriff erlitt die Patientin eine dauerhafte Verletzung des Nervus lingualis. In der Zeit von Ende November 2019 bis März 2020 litt sie unter erheblichen Beeinträchtigungen beim Sprechen und Essen, verbunden mit Gewichtsverlust. Die junge Frau musste sich elf logopädischen Behandlungen unterziehen. Während der akuten Phase von etwa zwei Monaten war sie in ihrer Lebensführung stark eingeschränkt und zog sich sozial zurück. Auch wenn sich die Sprachschwierigkeiten durch intensives Üben besserten, besteht die Taubheit der rechten Zungenhälfte dauerhaft fort.
Besonders schwerwiegendes Verschulden des Zahnarztes
Das Gericht bewertete das Verhalten des Zahnarztes als besonders schwerwiegend. Als ausgebildetem Mediziner waren ihm die Risiken des erweiterten Eingriffs bekannt. Er führte die Behandlungserweiterung dennoch ohne Einwilligung der Patientin durch und verzichtete auf die notwendige vorherige Röntgenuntersuchung. Das Gericht sah darin eine vorsätzliche Beeinträchtigung der körperlichen Integrität der Patientin, wobei der Zahnarzt die medizinische Sinnlosigkeit der Maßnahme zumindest billigend in Kauf nahm. Die Schädigung des Nervus lingualis erfolgte nach Auffassung des Gerichts mindestens grob fahrlässig.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Gericht stellt klar, dass Zahnärzte die Grenzen der vereinbarten Behandlung nicht eigenmächtig überschreiten dürfen. Eine Erweiterung des Eingriffs von einer einfachen Zahnfleischentfernung zu einem komplexeren chirurgischen Eingriff erfordert die ausdrückliche Einwilligung des Patienten nach entsprechender Aufklärung. Im konkreten Fall wurde eine unnötige und riskante Operation ohne Röntgendiagnostik durchgeführt, die zu einer dauerhaften Nervenschädigung führte. Das Gericht sprach der Patientin ein Schmerzensgeld von 10.000 EUR zu.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Als Patient haben Sie das Recht, vor jeder Erweiterung einer Behandlung umfassend aufgeklärt zu werden und dieser zuzustimmen. Ihr Zahnarzt muss Sie informieren und Ihre Einwilligung einholen, wenn er während der Behandlung von der ursprünglich vereinbarten Vorgehensweise abweichen will. Werden Sie durch einen nicht abgesprochenen Eingriff geschädigt, steht Ihnen Schadensersatz zu – auch wenn der Arzt in guter Absicht gehandelt hat. Bei gravierenden und dauerhaften Schäden können Sie mit einem Schmerzensgeld im fünfstelligen Bereich rechnen.
Benötigen Sie Hilfe?
Nervenschädigung nach Zahnarztbehandlung?
Dieses Urteil zeigt, wie wichtig es ist, seine Rechte als Patient zu kennen. Wurden auch Sie bei einer Zahnbehandlung geschädigt und haben den Verdacht, dass der Zahnarzt Ihre Einwilligung überschritten hat oder die Behandlung fehlerhaft durchgeführt wurde? Wir helfen Ihnen, Ihre Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadensersatz durchzusetzen. Dabei stehen wir Ihnen mit unserer Expertise im Medizinrecht zur Seite und beraten Sie umfassend über Ihre rechtlichen Möglichkeiten.
Sprechen Sie uns an, um Ihren individuellen Fall zu besprechen und gemeinsam die nächsten Schritte zu planen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Aufklärungspflichten hat ein Zahnarzt vor einer Behandlungserweiterung?
Grundsätzliche Aufklärungspflicht
Der Zahnarzt muss Sie vor jeder Erweiterung der ursprünglich geplanten Behandlung erneut aufklären und Ihre Einwilligung einholen. Dies gilt auch dann, wenn sich erst während des Eingriffs die Notwendigkeit einer Behandlungserweiterung zeigt.
Inhalt der Aufklärung
Bei einer möglichen Behandlungserweiterung muss der Zahnarzt Sie über folgende Aspekte informieren:
- Art und Umfang der erweiterten Behandlung
- Durchführung und Risiken der zusätzlichen Maßnahmen
- Erfolgsaussichten der erweiterten Behandlung
- Wirtschaftliche Folgen der Erweiterung, insbesondere wenn zusätzliche Kosten entstehen
Zeitpunkt und Form
Wenn sich während der Behandlung die Notwendigkeit einer Erweiterung zeigt, muss der Zahnarzt – soweit möglich – die Behandlung unterbrechen. Nach dem Abklingen einer eventuellen Narkose müssen Sie über die erforderliche Erweiterung aufgeklärt werden. Die Aufklärung muss mündlich erfolgen und darf nicht an nichtärztliches Personal delegiert werden.
Rechtliche Konsequenzen
Führt der Zahnarzt eine Behandlungserweiterung ohne Ihre vorherige Einwilligung durch, gilt der Eingriff als rechtswidrig. Dies kann sowohl zivilrechtliche Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche als auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Eine Ausnahme besteht nur bei unaufschiebbaren Notfällen, bei denen eine vorherige Aufklärung nicht möglich ist.
Wie kann ich eine Nervenschädigung nach zahnärztlicher Behandlung nachweisen?
Medizinische Diagnostik
Eine Nervenschädigung lässt sich durch spezifische neurologische Untersuchungen objektiv nachweisen. Die wichtigsten diagnostischen Verfahren sind:
Die Elektroneurografie (ENG) misst die Nervenleitgeschwindigkeit durch kleine, auf die Haut geklebte Elektroden. Diese Untersuchung zeigt, ob und wie stark die Nervenleitung beeinträchtigt ist.
Die Elektromyografie (EMG) ergänzt die Diagnostik und dokumentiert die Muskelaktivität. Diese Untersuchung ist besonders wichtig, um das Ausmaß der Nervenschädigung zu bestimmen.
Dokumentation der Symptome
Wenn Sie nach einer zahnärztlichen Behandlung Taubheitsgefühle, Missempfindungen oder Schmerzen bemerken, sollten Sie diese unmittelbar und detailliert dokumentieren. Typische Anzeichen sind:
- Anhaltende Taubheit der Schleimhaut und Zunge
- Unwillkürliches Beißen auf die Zunge
- Geschmacksverlust
- Störungen der Artikulation
Fachärztliche Begutachtung
Eine zeitnahe neurologische Untersuchung ist entscheidend. Der Neurologe führt verschiedene Tests durch:
Der Spitz-Stumpf-Test und die Zweipunktdiskriminierung prüfen die Empfindlichkeit im betroffenen Bereich. Zusätzlich werden Druck-, Berührungs- und Temperaturempfinden getestet.
Rechtliche Dokumentation
Für den juristischen Nachweis ist eine lückenlose Dokumentation wichtig. Dazu gehören:
Die zahnärztliche Dokumentation der Behandlung muss nach § 630f BGB mindestens 10 Jahre aufbewahrt werden. Sie haben ein Recht auf Kopien dieser Unterlagen.
Bildgebende Verfahren wie Röntgenaufnahmen oder CT-Untersuchungen können die Nervschädigung zusätzlich belegen.
Welche Faktoren beeinflussen die Höhe des Schmerzensgeldes bei Nervenschäden?
Schwere und Art der Nervenschädigung
Die Intensität und Dauer der Schmerzen sind maßgebliche Faktoren für die Bemessung des Schmerzensgeldes. Bei einer dauerhaften Taubheit der Zungenhälfte oder anhaltenden Beschwerden beim Kauen wird ein höheres Schmerzensgeld zugesprochen als bei vorübergehenden Beeinträchtigungen.
Beeinträchtigung der Lebensqualität
Die konkrete Auswirkung auf den Alltag spielt eine zentrale Rolle. Wenn Sie durch die Nervenschädigung beim Sprechen, Essen oder in der Geschmackswahrnehmung eingeschränkt sind, wirkt sich dies erhöhend auf das Schmerzensgeld aus. Besonders schwer wiegen dauerhafte Funktionseinschränkungen, die das tägliche Leben nachhaltig beeinflussen.
Medizinische Folgen
Folgeschäden und notwendige Behandlungen fließen in die Bewertung ein. Wenn weitere operative Eingriffe erforderlich sind oder sich Komplikationen wie chronische Schmerzzustände entwickeln, erhöht dies den Schmerzensgeldbetrag. Auch das Risiko zukünftiger gesundheitlicher Verschlechterungen wird berücksichtigt.
Verschuldensgrad des Behandlers
Der Grad des ärztlichen Verschuldens beeinflusst die Höhe des Schmerzensgeldes. Bei einem groben Behandlungsfehler oder mangelhafter Aufklärung über Behandlungsrisiken kann das Schmerzensgeld höher ausfallen als bei einer unvermeidbaren Komplikation.
Die Schmerzensgeldhöhe bei Nervenschäden bewegt sich je nach Schwere zwischen 6.000 und 26.000 Euro. In besonders schweren Fällen mit dauerhaften Beeinträchtigungen können auch höhere Beträge zugesprochen werden.
Ab wann verjähren Ansprüche nach einem Behandlungsfehler?
Die regelmäßige Verjährungsfrist für Ansprüche aus Behandlungsfehlern beträgt drei Jahre nach § 195 BGB. Der Beginn dieser Frist richtet sich jedoch nicht nach dem Zeitpunkt der fehlerhaften Behandlung, sondern nach Ihrer Kenntnis der relevanten Umstände.
Beginn der Verjährungsfrist
Die Verjährungsfrist beginnt erst mit dem Schluss des Jahres, in dem Sie:
- von dem Behandlungsfehler Kenntnis erlangt haben oder
- ohne Grobe Fahrlässigkeit hätten Kenntnis erlangen müssen.
Wenn Sie beispielsweise im Oktober 2024 einen Behandlungsfehler erleiden, aber erst im März 2025 davon erfahren, beginnt die Verjährungsfrist am 31.12.2025 und endet am 31.12.2028.
Besonderheiten bei der Kenntniserlangung
Als Patient müssen Sie nicht sofort erkennen, dass eine Behandlung fehlerhaft war. Die Verjährung beginnt erst, wenn Sie als medizinischer Laie ausreichende Anhaltspunkte haben, dass:
- der Arzt von üblichen medizinischen Standards abgewichen ist oder
- wichtige Maßnahmen zur Vermeidung von Komplikationen unterlassen hat.
Maximale Verjährungsfristen
Unabhängig von Ihrer Kenntnis gilt eine absolute Höchstfrist von 30 Jahren für Ansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit beruhen. Diese Frist beginnt mit dem Tag der fehlerhaften Behandlung.
Hemmung der Verjährung
Die Verjährung kann durch verschiedene Umstände gehemmt werden:
- Durch Verhandlungen mit dem Arzt oder der Versicherung
- Durch Einleitung eines Schlichtungsverfahrens bei der Ärztekammer
- Durch Erhebung einer Klage
Bei einer Nervus-lingualis-Verletzung beginnt die Verjährungsfrist beispielsweise erst, wenn Sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass die eingetretene Nervenschädigung auf einem Behandlungsfehler beruht und nicht eine unvermeidbare Komplikation darstellt.
Welche Kosten entstehen bei der rechtlichen Durchsetzung von Schmerzensgeldforderungen?
Außergerichtliche Kosten
Bei einer außergerichtlichen Einigung fallen zunächst die Anwaltskosten an, die sich nach dem Streitwert – also der Höhe der Schmerzensgeldforderung – richten. Vereinbaren die Parteien einen Vergleich, können sie selbst festlegen, wer die Kosten für den Anwalt übernimmt.
Gerichtliche Kosten
Kommt es zu einem Gerichtsverfahren, müssen Sie als Kläger zunächst einen Gerichtskostenvorschuss zahlen. Die Höhe richtet sich nach dem Streitwert. Bei Forderungen über 5.000 Euro ist die anwaltliche Vertretung vor dem Landgericht gesetzlich vorgeschrieben.
Kostenverteilung
War die Klage auf Schmerzensgeld erfolgreich, übernimmt die Gegenseite sämtliche Anwalts- und Gerichtskosten. Dies umfasst:
- Gerichtsgebühren
- Anwaltskosten beider Parteien
- Kosten für Gutachter und Zeugen
- Auslagen für Kommunikation und Post
Finanzierungsmöglichkeiten
Wenn Sie die Prozesskosten nicht selbst tragen können, bestehen mehrere Optionen:
Eine Rechtsschutzversicherung übernimmt bei Deckungszusage die anfallenden Kosten. Bei nachgewiesener finanzieller Bedürftigkeit können Sie Prozesskostenhilfe beantragen. Das Gericht gewährt den Zuschuss entweder als Vollzuschuss oder als Darlehen. Bei guten Erfolgsaussichten und einem ausreichenden Streitwert besteht auch die Möglichkeit einer Prozessfinanzierung durch spezialisierte Dienstleister.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Behandlungsfehler
Ein ärztlicher Behandlungsfehler liegt vor, wenn die medizinische Behandlung nicht nach den anerkannten fachlichen Standards erfolgt. Dies kann durch falsches Handeln oder Unterlassen geschehen. Gemäß § 630a BGB schuldet der Arzt eine Behandlung nach den allgemein anerkannten fachlichen Standards. Bei einem Behandlungsfehler können Patienten Schadensersatz und Schmerzensgeld verlangen. Ein typisches Beispiel ist die Durchführung einer Operation ohne vorherige notwendige Diagnostik wie Röntgenaufnahmen.
Einwilligung
Die Einwilligung ist die ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung des Patienten zu einer medizinischen Behandlung. Nach § 630d BGB muss vor jeder medizinischen Maßnahme die Einwilligung des Patienten eingeholt werden. Der Arzt muss den Patienten über Art, Umfang und Risiken der Behandlung aufklären. Führt der Arzt ohne Einwilligung eine Behandlung durch, ist diese rechtswidrig. Ein Beispiel ist die eigenmächtige Erweiterung einer Operation über das vereinbarte Maß hinaus.
Nervus lingualis
Der Nervus lingualis ist ein wichtiger Nerv, der für das Gefühl und die Geschmackswahrnehmung in der Zunge zuständig ist. Er verläuft im Unterkiefer nahe den Weisheitszähnen. Bei zahnärztlichen Eingriffen besteht die Gefahr einer Verletzung dieses Nervs. Eine Schädigung kann zu dauerhaften Gefühlsstörungen, Taubheitsgefühlen und Geschmacksstörungen in der betroffenen Zungenhälfte führen. Die Verletzung des Nervus lingualis gilt als schwerwiegende Komplikation bei zahnärztlichen Behandlungen.
Grobe Fahrlässigkeit
Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird. Der Handelnde lässt dabei die Sorgfalt außer Acht, die jedem einleuchten müsste. Im Medizinrecht bedeutet dies etwa, dass grundlegende Behandlungsstandards missachtet werden. Gemäß § 276 BGB haftet der Behandelnde für grobe Fahrlässigkeit verschärft. Ein Beispiel ist die Durchführung eines risikoreichen Eingriffs ohne vorherige Diagnostik und Patienteneinwilligung.
Vorsätzliche Körperverletzung
Eine vorsätzliche Körperverletzung liegt vor, wenn jemand absichtlich oder wissentlich die körperliche Unversehrtheit eines anderen verletzt. Im Medizinrecht gilt jeder ärztliche Eingriff ohne wirksame Einwilligung als vorsätzliche Körperverletzung nach § 223 StGB. Dies gilt auch dann, wenn der Eingriff medizinisch indiziert war und fachgerecht durchgeführt wurde. Ein typisches Beispiel ist die eigenmächtige Erweiterung einer Operation über das mit dem Patienten vereinbarte Maß hinaus.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 630a BGB: Dieser Paragraph regelt die allgemeinen Pflichten des Behandlers in der Zahnmedizin. Er verpflichtet den Zahnarzt, die Behandlung fachgerecht und sorgfältig durchzuführen. Zudem umfasst er die Pflicht zur umfassenden Dokumentation der Behandlungsschritte.
Im vorliegenden Fall hat der Zahnarzt die ursprünglich vereinbarte Maßnahme ohne Einwilligung des Patienten erweitert, was eine Verletzung der behandlungspflichtlichen Sorgfalt gemäß § 630a BGB darstellt.
- § 630d BGB: Diese Vorschrift befasst sich mit der Einwilligungsvorbehalt und der erforderlichen Aufklärung durch den Behandler. Der Zahnarzt muss den Patienten über Art, Umfang, Risiken und Alternativen der geplanten Behandlung ausführlich informieren und dessen Zustimmung einholen.
Hier hat der Zahnarzt die erweiterte chirurgische Maßnahme ohne die notwendige Einwilligung der Klägerin durchgeführt, wodurch er gegen die Aufklärungspflichten nach § 630d BGB verstoßen hat.
- § 280 BGB: Dieser Paragraph regelt den Anspruch auf Schadensersatz bei Pflichtverletzungen. Wenn eine Vertragspartei ihre Pflichten verletzt und dem anderen dadurch Schaden entsteht, ist sie zur Schadensersatzleistung verpflichtet.
Durch die unerlaubte Erweiterung der Behandlung und die daraus resultierende Nervenschädigung hat der Beklagte die Behandlungs- und Aufklärungspflichten nach § 280 BGB verletzt, was der Klägerin einen Schadensersatzanspruch begründet.
- § 253 BGB: Diese Vorschrift betrifft das Schmerzensgeld bei immateriellen Schäden wie körperlichen Verletzungen oder seelischen Leiden. Sie ermöglicht eine Entschädigung für erhebliche Beeinträchtigungen der Lebensqualität.
Die dauerhafte Verletzung des Nervus lingualis führte zu erheblichen Schmerzen und Einschränkungen für die Klägerin, wodurch ein Anspruch auf Schmerzensgeld gemäß § 253 BGB entsteht.
- § 249 BGB: Dieser Paragraph bestimmt, dass der Schadensersatz den durch die Pflichtverletzung entstandenen Schaden in voller Höhe ersetzen soll. Dazu gehört auch die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands, soweit dies möglich ist.
Im Ergebnis der Behandlungsschäden ist es erforderlich, den entstandenen Schaden inklusive der entstehenden Kosten vollständig zu ersetzen, was durch § 249 BGB gedeckt ist.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt – Az.: 1 U 86/23 – Urteil vom 24.09.2024
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