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Zahnärztliche Nachbehandlung – Anspruch auf Kostenvorschuss

LG Magdeburg, Az.: 9 O 1064/09 (284), Urteil vom 27.01.2010

1. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jeden weiteren Schaden, der aus der Behandlung des Beklagten beim Kläger in der Zeit vom 17.04.02 bis 28.04.03 resultiert, zu ersetzen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 85 % und der Beklagte 15 % zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von dem Beklagten Vorschuss auf die Kosten einer Zahnarztbehandlung, Schmerzensgeld und Schmerzensgeldrente, sowie Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz des weiteren Schadens aus einer Zahnarztbehandlung.

Der Kläger war von April 2002 bis April 2003 bei dem Beklagten in dessen Mer Praxis in Behandlung. Der Beklagte führte eine umfassende Sanierung des Gebisses des Klägers durch.

Im März 2004 stellten die Zahnärzte S und D fest, dass die Kronen und Veneers an einer Vielzahl von Zähnen des Klägers insuffizient sind, vgl. Anlagen zu Bl. 1 der Akte 1M OH 1929/05.

Zahnärztliche Nachbehandlung - Anspruch auf Kostenvorschuss
Foto: pressmaster/Bigstock

Der Kläger leitete mit Antrag vom 08.03.05, zugestellt am 06.04.05, vor dem Landgericht M II ein selbständiges Beweisverfahren zur Qualität der zahnärztlichen Versorgung durch den Beklagten ein. Wegen des Ergebnisses des Beweisverfahrens wird auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. B vom 10.10.05 verwiesen, vgl. Bl. 25-32 der Akte 1M OH1929/05 des LG M II. Das selbständige Beweisverfahren endete am 16.12.05, vgl. Bl. 38 der Akte 1M OH 1929/05 des LG M II.

Mit Schriftsatz vom 26.11.08 hat der Kläger Klage vor dem Landgericht M II eingereicht. In der Klageschrift waren die bereits im Beweisverfahren bevollmächtigten Rechtsanwälte des Beklagten benannt, vgl. Bl. 1 d.A.. Nachdem der Kläger mit Schriftsatz vom 27.02.09 (Bl. 15 d.A.) die neue Adresse des Beklagten in B mitgeteilt und mit Schriftsatz vom 30.03.09 Verweisung an das Landgericht Magdeburg beantragt hatte, verwies das Landgericht M II den Rechtsstreit an das Landgericht Dessau-Roßlau, vgl. Beschluss vom 20.04.09 Bl. 23 d.A.. Eine Zustellung der Klageschrift erfolgte ausweislich des Empfangsbekenntnisses Bl. 26 d.A. erst am 27.04.09.

Nachdem das Landgericht Dessau sich ebenfalls für unzuständig erklärt hatte und der Rechtsstreit zunächst an das Landgericht M II, danach an das Landgericht Magdeburg und danach wieder an das Landgericht M II verwiesen worden war, erklärte das OLG M das Landgericht Magdeburg für örtlich zuständig, vgl. Beschluss vom 01.09.09 Bl. 51 d.A..

Der Kläger behauptet, die zahnärztliche Behandlung durch den Beklagten sei mangelhaft. Für die deshalb erforderliche Nachbehandlung entstünden Kosten in Höhe von voraussichtlich 23.589,82 Euro, vgl. Heil- und Kostenplan vom 11.01.06 im Anlagenband. Dabei sei nicht abzuschätzen, ob mit diesen Kosten alle notwendigen Behandlungen abgedeckt werden könnten.

Wegen der nunmehr notwendigen neuerlichen Behandlung stünden dem Kläger erneut Behandlungsschmerzen bevor. Er könne keine festen Lebensmittel kauen und leide an einer Überempfindlichkeit der Zähne, Zahnfleischbluten und Mundgeruch. Darüber hinaus habe er eine Phobie gegenüber Zahnärzten entwickelt und sein Selbstbewusstsein sei stark angegriffen.

Der Kläger beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 23.589,82 Euro nebst 5 % Zins über Basiszins, sowie Nebenkosten von 330,00 Euro nebst 5 % Zins über Basiszins seit jeweils 04.04.06 zu bezahlen,

2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein Schmerzensgeld zu bezahlen, das der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens aber 15.000,00 Euro,

3. festzustellen, dass der Beklagte jeden weiteren Schaden, der aus der Behandlung des Klägers beim Beklagten in der Zeit vom 17.04.02 bis 28.04.03 resultiert, zu ersetzen hat und

4. festzustellen, dass der Beklagte dem Kläger eine Schmerzensgeldrente zu bezahlen hat, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte meint, etwaige Ansprüche des Klägers seien verjährt.

Die Kammer hat das selbständige Beweisverfahren vor dem Landgericht M II zum Aktenzeichen 1M OH 1929/05 zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist überwiegend unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vorschuss der Nachbehandlungskosten durch den Beklagten.

Bei einem zahnärztlichen Behandlungsvertrag handelt es sich um einen Dienstvertrag, dessen Recht eine Regelung zum Kostenvorschuss für Mängelbeseitigung wie im Werkvertragsrecht fremd ist. Eine Klage auf Vorschusszahlung zur Selbstvornahme der Mängelbeseitigung kommt mithin nicht in Betracht, vgl. OLG Naumburg NJW-RR 2008, 1058.

Kosten einer wegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers notwendigen Nachbehandlung stellen nur dann einen ersatzfähigen Vermögensschaden dar, wenn der Patient diese Nachbehandlung schon hat durchführen lassen. Dies gilt insbesondere dann, wenn wie hier unter Berücksichtigung des bisherigen Verhaltens des Klägers auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass dieser die Durchführung der Nachbehandlung ernsthaft beabsichtigt.

Der Kläger muss sich vorhalten lassen, dass er seit dem Ende der Behandlung bei dem Beklagten, mithin seit 7 Jahren, offenbar keine weiteren zahnärztlichen Behandlungen hat durchführen lassen, insbesondere nicht die in dem Gutachten festgestellten Mängel an seinen Zähnen bzw. der Leistung des Beklagten hat beseitigen lassen. Der Einwand des Klägers, eine solche sei aus Kostengründen nicht möglich gewesen, entbehrt angesichts einer in Deutschland bestehenden Versicherungspflicht zur Krankenversicherung, die auch zahnärztliche Behandlungen abdeckt, jeder Grundlage. Dem von dem Kläger vorgelegten Heil- und Kostenplan ist zu entnehmen, dass eine dem Befund entsprechende Regelversorgung ca. 7.000,00 Euro kosten würde. Von diesen Kosten übernähme eine gesetzliche Krankenversicherung mindestens die Hälfte, vgl. Seite 2 des Heil- und Kostenplanes.

Darüber hinaus ist der Kammer nicht entgangen, dass in dem Gutachten von Belägen an allen Zähnen die Rede ist, der Kläger seine Zähne wohl nicht ordentlich pflegt.

Zudem sind zwischen dem Abschluss der Behandlung bei dem Beklagten und der Feststellung des anderen Zahnarztes fast ein Jahr und zwischen der Erstellung des Gutachtens in dem selbständigen Beweisverfahren und der Klage drei Jahre vergangen, ohne dass der Kläger irgendwelche Maßnahmen ergriffen hat, um die Mängel zu beseitigen.

Nach alledem war der Klageantrag zu 1) abzuweisen.

Aus den vorgenannten Gründen waren auch der Antrag auf Schmerzensgeld und der Antrag auf Schmerzensgeldrente abzuweisen.

Angesichts des langen Zeitlaufs seit Kenntnis von dem Inhalt des Gutachtens, ohne dass der Kläger sich in zahnärztliche Behandlung begab, geht die Kammer davon aus, dass die von dem Kläger behaupteten Beschwerden nicht so gravierend sein können, dass sie einen Schmerzensgeldanspruch rechtfertigen würden.

Die Belastungen einer erforderlichen Nachbehandlung begründen jedenfalls so lange keinen Schmerzensgeldanspruch, so lange eine solche nicht durchgeführt wurde.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Kläger seine Zähne in Zukunft behandeln lässt, war seinem Feststellungsantrag stattzugeben. Der Kläger hat einen Anspruch darauf feststellen zu lassen, dass der Beklagte für Schäden die aus seiner Behandlung künftig entstehen, ersatzpflichtig ist. Dieses Interesse folgt bereits aus der ansonsten drohenden Verjährung.

Die Prüfung der Kausalität der Behandlung des Beklagten für die Nachbesserung, die Notwendigkeit der geltend gemachten Kosten und des Mitverschuldens des Klägers ist in einem dann notwendigen Verfahren vorzunehmen.

Der Anspruch des Klägers auf Feststellung ist auch nicht verjährt.

Die Verjährung begann mit dem Ende des Jahres 2004, vgl. § 199 Abs. 1 BGB. In diesem Jahr begab sich der Kläger in die Behandlung der Zahnärzte S und D. Erst nachdem der Kläger durch diese Zahnärzte über den Befund informiert worden war, waren ihm alle anspruchsbegründenden Tatsachen insoweit bekannt, dass er zumindest Feststellungsklage hätte erheben können. Ein früherer Verjährungsbeginn, bereits mit dem Ende des Jahres 2003 ist durchaus denkbar, da die Behandlung bei dem Beklagten bereits im April 2003 beendet war. Hierfür liegen jedoch nicht ausreichend Anhaltspunkte vor. Der Beklagte hat zu einem möglichen früheren Verjährungsbeginn nichts vorgetragen.

Verjährt wären die Ansprüche des Klägers demnach gem. § 195 BGB mit dem Ablauf des 31.12.2007, mithin vor Klageerhebung. Allerdings wurde der Lauf der Verjährungszeit durch das selbständige Beweisverfahren vor dem Landgericht M II gehemmt, vgl. §§ 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB, 167 ZPO. Zwischen der Einreichung des Antrages auf Durchführung des Beweisverfahrens am 08.03.05 und dessen Ende am 16.12.05 lagen 9 Monate und 8 Tage. Wegen § 204 Abs. II BGB endet die Hemmungswirkung 6 Monate nach der Beendigung des Verfahrens. Die Verjährung war demnach für 15 Monate und 8 Tage gehemmt. Dieser Zeitraum ist zu dem regulären Ende der Verjährungszeit hinzuzurechnen, weshalb die Ansprüche des Klägers erst am 08.04.09 verjährten.

Die Klageschrift wurde bereits am 26.11.08 eingereicht; Gerichtskosten waren am 02.12.08 gezahlt. Für die Kammer ist nicht erkennbar, warum das Landgericht M II die Klageschrift nicht umgehend den damaligen Prozessbevollmächtigten des Beklagten zustellte. Der Kläger durfte jedenfalls mit einer unverzüglichen Zustellung rechnen, so dass die die Verjährung unterbrechende Wirkung der Klagezustellung bereits mit Einreichung des Klageantrages eintrat, vgl. § 167 ZPO. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die falsche Adresse des Beklagten in der Klageschrift eine unverzügliche Zustellung hinderte, so wäre eine solche spätestens unmittelbar nach dem Schriftsatz des Klägers vom 27.02.09, mit welchem er die Ber Adresse des Beklagten mitteilte, möglich gewesen. Die Verjährung wurde demnach spätestens am 27.02.09 durch die Klageeinreichung erneut gehemmt, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.

Da der Kläger mit seiner Klage überwiegend unterlegen ist, hat er den größten Teil der Kosten zu tragen, vgl. § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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