LG Detmold – Az.: 12 O 34/15 – Urteil vom 14.12.2016
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 2.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.11.2014 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche weiteren zukünftigen materiellen und nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zu ersetzen, welche aus der fehlerhaften Behandlung in der Zeit vom 25.01.2013 bis 28.04.2014 bei den Beklagten entstanden sind und noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
3. Die Beklagten werden weiter als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Kosten in Höhe von 808,11 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.03.2015 zu zahlen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu tragen.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Bei der 1995 geborenen Klägerin sind mehrere bleibende Zähne nicht angelegt. Dabei handelt es sich um die Zähne 15, 35, 38, 45, 48. Verblieben sind aber die Milchzähne 55, 75, 85.
Die Klägerin befand sich in zahnärztlicher Behandlung bei der Zeugin Dr. O.
Ab dem Jahr 2012 befand sich die Klägerin darüber hinaus in kieferorthopädischer Behandlung in der Gemeinschaftspraxis der Beklagten zu 2.) und 3.). Die streitgegenständliche Behandlung wurde durch die Beklagte zu 1.) ausgeführt.
Ausweislich des Behandlungsplans vom 03.12.2012 sollten aufgrund der Nichtanlagen nach einer späteren Extraktion der Milchzähne diese durch Implantate ersetzt werden. Der Behandlungsplan wurde bei der Krankenkasse der Klägerin eingereicht und von dort genehmigt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Behandlungsplan vom 03.12.2015 (Hülle 81) Bezug genommen.
Im Hinblick auf die Behandlung bestand jedoch Einigkeit zwischen den Beklagten und der Klägerin bzw. ihrer Mutter dahingehend, dass die Milchzähne solange wie möglich erhalten bleiben sollten. Die implantologische Versorgung war nicht in näherer Zukunft geplant.
Am 25.01.2013 sowie am 28.04.2013 erfolgte eine seitliche Reduktion der Milchzähne der Klägerin durch die Beklagte zu 1.).
Die Klägerin ist der Auffassung, die Behandlung sei fehlerhaft erfolgt. Sie sowie ihre Mutter hätten bei Beginn der Behandlung durch die Beklagten ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Milchzähne sorgfältig zu behandeln seien. Darauf habe auch ihre behandelnde Zahnärztin, Frau Dr. O, stets hingewiesen. Der Beklagten zu 1.) sei – was zwischen den Parteien unstreitig ist – bekannt gewesen, dass die Zähne gerade nicht in absehbarer Zeit überkront oder durch Implantate ersetzt werden sollten. Die Beklagte zu 1.) habe die Milchzähne nach dem Beschleifen auch nicht versiegelt. Eine Versiegelung der geslicten Milchzähne sei erst anlässlich der Weiterbehandlung durch die Zeugin Dr. O Anfang November 2014 erfolgt. Im Rahmen der Behandlung durch die Beklagte zu 1) sei nie davon die Rede gewesen, dass die Milchzähne in ihrer Breite reduziert werden müssten. Weder die Klägerin noch ihre Mutter hätten dazu ihre Einwilligung erteilt. Wäre die Mutter bzw. die Klägerin über diese Absicht aufgeklärt worden, hätten sie ihre Einwilligung dazu nicht erteilt. Es sei auch niemals über Behandlungsalternativen gesprochen worden. Von dem Umstand, dass ihre Milchzähne geslict wurden, habe die Klägerin erst im Rahmen eines Termins bei ihrer behandelnden Zahnärztin, der Zeugin Dr. O, erfahren. Diese habe dies unverzüglich als Behandlungsfehler erkannt. Wegen des entfernten Zahnschmelzes sei ein Zahn sofort sehr temperaturanfällig gewesen. Auf Nachfrage habe die Beklagte zu 1.) dazu mitgeteilt, dass die Beschwerden nicht andauern würden und die Zähne ohnehin überkront werden müssten. Dies sei aber nicht richtig, da eine weitere Versorgung der Milchzähne nicht erforderlich gewesen wäre. Nach Entfernung des Zahnschmelzes habe sich innerhalb kürzester Zeit Karies an den Zähnen gebildet. Auch nach der Kariesbehandlung durch ihre Zahnärztin Frau Dr. O habe die Klägerin weiter unter Schmerzen gelitten. Da die Wiederherstellung des Zahnschmelzes nicht möglich sei, müssten die Zähne in absehbarer Zeit entfernt werden. Die Klägerin benötige dann zwei Implantate. Dies wäre ohne die Fehlbehandlung durch die Beklagte zu 1.) nicht erforderlich gewesen, da die Klägerin dann einfach ihre Milchzähne behalten und wie bleibende Zähne hätte nutzen können. Die Klägerin ist der Ansicht, dass aufgrund der Folgen der fehlerhaften Behandlung ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 2.000,00 Euro gerechtfertigt sei.
Die Klägerin beantragt,
1. Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, aber mindestens 2.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.11.2014 zu zahlen;
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die außergerichtlichen Kosten in Höhe von 808,11 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen;
3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, welche aus der fehlerhaften Behandlung in der Zeit vom 25.01.2013 bis zum 28.04.2014 bei den Beklagten entstanden sind und noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten behaupten, aufgrund des Behandlungsplans vom 03.12.2012 seien die Milchzähne in ihrer Breite reduziert und anschließend versiegelt worden. Dieses Vorgehen sei zu Beginn der Behandlung mit der Mutter der damals noch minderjährigen Klägerin ausführlich besprochen worden. Die Mutter sowie die Klägerin hätten gewusst, dass die seitliche Reduktion der Milchzähne 55, 57 und 85 erfolgen müsse und auch Teil der Behandlung sei. Die geplante Implantatversorgung stelle die einzige Möglichkeit dar, auf Dauer eine ordnungsgemäße Zahnversorgung zu gewährleisten. Behandlungsalternativen habe es insoweit nicht gegeben. Der dauerhafte Nutzen von Milchzähnen statt normaler Zähne durch Überkronung habe keine Behandlungsalternative dargestellt. Die Klägerin bzw. ihre Mutter hätten sich daher mit der Behandlung einverstanden erklärt. Insoweit sei von Anfang an eine implantologische Behandlung geplant und abgesprochen gewesen. Es sei allerdings richtig, dass die Milchzähne möglichst lange erhalten bleiben sollten. Die seitliche Reduktion der Milchzähne sei deshalb erforderlich gewesen, um die Milchzähne auf die Breite der bleibenden Zähne zu reduzieren, damit später passgenaue Implantate gesetzt werden könnten. Die Behandlung sei ordnungsgemäß erfolgt. Das Slicen der Zähne sei Teil der geplanten implantologischen Therapie gewesen. Aufgrund der später geplanten implantologischen Therapie hätten die Milchzähne letztlich auch extrahiert werden müssen. Da der Knochen für die notwendigen Implantate aber habe erhalten bleiben müssen, sei zunächst von der Extraktion der Milchzähne abgesehen und diese lediglich seitlich reduziert worden, um Platzbedarf für die später einzusetzenden Implantate korrekt einstellen zu können. Dies stelle die korrekte Behandlungsweise dar.
Die Beklagten sind weiter der Ansicht, der Feststellungsantrag sei dahingehend einzuschränken, dass er sich nur auf die weiteren nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden beziehen könne.
Das Gericht hat Beweis erhoben über die Behauptungen der Klägerin, sie sei über die Behandlung nicht hinreichend aufgeklärt worden und die seitlich reduzierten Milchzähne seien im Anschluss an die Behandlung durch die Beklagte zu 1.) nicht versiegelt worden durch Vernehmung der Zeuginnen L und Dr. O. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 01.07.2015 (Bl. 53 ff. d. A.) verwiesen.
Das Gericht hat weiter Beweis erhoben gemäß Beweisbeschlüssen vom 15.07.2015 und 15.10.2015 (Bl. 73, 90 d. A.). Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf das Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. I vom 02.04.2016 (Bl. 104 ff. d. A.) sowie auf die mündliche Erläuterung des Gutachtens durch die Sachverständige Dr. I im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23.11.2016 (Bl. 200 ff. d. A.) verwiesen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz aufgrund fehlerhafter Behandlung gem. §§ 280, 253 BGB i. V. m. dem Behandlungsvertrag, § 630 BGB (in Bezug auf die Behandlung nach dem 20.02.2013) gegen die Beklagten zu.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahmen steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass den Beklagten sowohl ein Aufklärungsfehler als auch ein Behandlungsfehler zur Last zu legen ist.
Der zahnärztliche Eingriff ist tatbestandlich eine Körperverletzung; er wird allerdings regelmäßig durch Einwilligung des Patienten gerechtfertigt sein. Die Einwilligung rechtfertigt den körperlichen Eingriff aber nur dann, wenn sie wirksam erteilt worden ist. Wirksam ist die Einwilligung nur dann erteilt, wenn sie von der Einsicht des Patienten in das Wesen, die Bedeutung und die Tragweite des ärztlichen Eingriffes in seinen groben Zügen getragen ist. Nur eine sachgerechte Aufklärung kann dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten, seinem Recht, sich für oder gegen den empfohlenen ärztlichen Eingriff zu entscheiden, Leben und Inhalt verleihen (vgl. OLG Frankfurt, NJW-RR 1995, 1048). Demnach ist der Behandelnde verpflichtet, den Patienten über sämtliche für eine an diesen Maßstäben zu messende Einwilligung wesentliche Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang und Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie (vgl. nunmehr § 630b BGB).
Unstreitig haben die Beklagten die Klägerin bzw. ihre Mutter über mögliche Behandlungsalternativen nicht aufgeklärt. Soweit die Beklagten behaupten, dass es dauerhafte Behandlungsalternativen zu der Reduktion der Milchzähne, der späteren Extraktion der Milchzähne und des Einsetzens von Implantaten nicht gegeben habe, vermag das Gericht dem nicht zu folgen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht vielmehr zur Überzeugung des Gerichts fest, dass mehrere echte Behandlungsalternativen zur Verfügung gestanden hätten. Die Sachverständige Prof. Dr. I, an deren Sachkunde für das Gericht keinerlei Zweifel bestehen, hat in ihrem nachvollziehbaren, in sich schlüssigen und überzeugenden Gutachten vom 02.04.2016 ausgeführt, dass vier gleichwertige Behandlungsalternativen zur Verfügung gestanden hätten. So hätte man zunächst abwarten können, um dann tätig zu werden, wenn die Milchzähne tatsächlich von selbst ausfallen. Weiter hätte die Möglichkeit bestanden, die Weisheitszähne im Oberkiefer in zwei der drei Regionen nach Entfernung oder Spontanausfall der Milchzähne zu verpflanzen. Weiter hätte nach Entfernung der Milchzähne eine Brückenversorgung stattfinden können, wobei jedoch der Nachteil bestanden hätte, dass dazu das Anschleifen intakter Nachbarzähne erforderlich gewesen wäre. Darüber hinaus hätte man auch einen kieferorthopädischen Lückenschluss in Betracht ziehen können. Das bedeutet, dass nach Entfernung der Milchzähne die entstandenen Lücken durch eine feste Zahnspange geschlossen werden. Zwar hat die Sachverständige Prof. Dr. I im Rahmen der mündlichen Erläuterung ihres Gutachtens im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23.11.2016 auch ausgeführt, dass auch die seitliche Reduktion der Milchzähne für eine spätere Implantatversorgung aus kieferorthopädischer Sicht durchaus eine geeignete Behandlungsmöglichkeit ist, um dadurch eine verbesserte Verzahnung der Zähne von Ober- und Unterkiefer zu erreichen. Allerdings ist das Verfahren des Beschleifens von Milchzähnen im Gegensatz zu dem Beschleifen von bleibenden Zähnen nicht etabliert. So gibt es keine Leitlinien zum Thema „Slicen von Milchzähnen“. Auch in der neueren Literatur zum Langzeiterhalt von Milchzähnen ist nach den Ausführungen der Sachverständigen entweder vermerkt, dass die Zähne nicht geslict wurden, oder es seien keine Angaben hierzu gemacht worden. Aktuelle wissenschaftliche Publikationen dazu, wie sich Milchzähne nach dem Beschleifen verhalten, gibt es ebenfalls nicht. Insofern ist das Verfahren des Beschleifens der Milchzähen aus kieferorthopädischer Sicht im Hinblick auf die Langzeitprognose nicht nachuntersucht und somit nicht absehbar. Insoweit muss das aus kieferorthopädischer Sicht erstrebte Ziel der optimalen Verzahnung gegen das ebenfalls erstrebenswerte Ziel der Konservierung der Milchzähne abgewogen werden. Da die Klägerin bzw. ihre Mutter über die weiteren möglichen Behandlungsalternativen nicht aufgeklärt worden sind, war ihnen die Möglichkeit der eigenständigen Abwägung im Hinblick auf diese beiden Zielsetzungen verwehrt.
Darüber hinaus steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Beklagten die Klägerin bzw. ihre Mutter nicht hinreichend über die Risiken des Slicens der Milchzähne aufgeklärt haben.
Nach den Feststellungen der Sachverständigen Prof. Dr. I in ihrem schriftlichen Gutachten vom 02.04.2016 bestehen die Risiken des Slicens darin, dass die Zähne eine erhöhte Empfindlichkeit aufweisen können. Weiter kann es zu einer Reaktion des Zahnnerves sowie zu Verfärbungen und Karies kommen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass eine hinreichende Aufklärung über diese Risiken durch die Beklagten nicht erfolgt ist.
Schon aufgrund der persönlichen Anhörung der Beklagten zu 1) im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 01.07.2015 vermag das Gericht eine erfolgte Aufklärung der Klägerin bzw. ihrer Mutter nicht festzustellen. Zwar die Beklagte zu 1.) im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung ausgeführt, dass sie der Mutter der Klägerin anhand von Zahnmodellen das Verschmälern der Zähne erklärt habe. Allerdings hat sie nichts dazu sagen können, ob sie mit der Mutter der Klägerin bzw. der Klägerin selbst über die Risiken, die die Verschmälerung der Milchzähne mit sich bringt, gesprochen hat. Auch konnte sie nichts dazu sagen, ob bei der Besprechung zu Beginn der Behandlung mit der Mutter der Klägerin über Risiken der Behandlung gesprochen worden sei, da sie bei der Planbesprechung zu Anfang der Behandlung nach eigener Aussage nicht teilgenommen hat.
Demgegenüber hat die Mutter der Klägerin, die Zeugin L, glaubhaft bekundet, dass die Beklagte zu 1.) ihr gegenüber zwar einmal erwähnt habe, dass die Milchzähne etwas verkleinert und verschmälert werden sollten. Über Risiken dieser Behandlung sei aber nicht gesprochen worden.
Nach alledem steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin bzw. ihre Mutter nicht über sämtliche für die Einwilligung in die Behandlung wesentlichen Umstände aufgeklärt worden ist. Die Einwilligung der Klägerin bzw. ihrer Mutter in die Behandlung ist damit unwirksam.
Von einer hypothetischen Einwilligung der Klägerin bzw. ihrer Mutter ist nicht auszugehen. Die Beklagten haben nicht dargelegt, dass die Klägerin bei ordnungsgemäßer Aufklärung in die konkrete Behandlung eingewilligt hätte.
Rechtsfolge der Pflichtverletzung der Beklagten im Hinblick auf die erforderliche Aufklärung ist, dass die Einwilligung der Klägerin bzw. ihrer Mutter in die Behandlung unwirksam ist. Dies führt dazu, dass die medizinische Maßnahme einen Behandlungsfehler darstellt (vgl. Palandt-Weidenkaff, 73. Aufl., § 630e BGB, Rz. 13). Für diesen haftet der Arzt dann, wenn dadurch ein Gesundheitsschaden der Klägerin verursacht worden ist.
Darüber hinaus steht zur Überzeugung des Gerichts aber auch fest, dass die konkrete Behandlung durch die Beklagte zu 1.) fehlerhaft war und nicht dem zahnmedizinischen Standard entsprach.
Bereits die Zeugin Dr. O hat glaubhaft bekundet, dass sie bei der Behandlung der Klägerin am 12.05.2014 festgestellt habe, dass in dem Bereich der Kontaktpunkte der Milchzähne zu den bleibenden Zähnen diese Zähne weggeschmirgelt worden seien. Sie selber habe sich darüber geärgert, dass gesunde Milchzähne so behandelt worden seien, da sie nach ihrem Wissensstand erhalten bleiben sollten. Zudem sei es so gewesen, dass der gesamte Zahnschmelz bis hin zum Zahnbein weggeschliffen worden sei und das Zahnbein frei gelegt worden sei. Darüber hinaus habe sie eine Versiegelung der Milchzähne nicht festgestellt.
Die Sachverständige hat darüber hinaus ausgeführt, dass das Beschleifen, so wie es von der Beklagten zu 1.) durchgeführt worden ist, fehlerhaft war. Dem schließt sich die Kammer an.
So ist bei den Zähnen 75 und 85 zuviel Material entfernt worden. Bei diesen Zähnen ist bis ins Dentin hinein geschliffen worden. Bei dem Zahn 55 ist grenzwertig viel abgeschliffen worden. Die Sachverständige hat weiter dargelegt, dass durch das Slicen der Zähne bis ins Dentin eine Dentinwunde entstanden ist, die die Qualität der Milchzähne herabgesetzt hat. Die Wunde musste dann zahnärztlich versorgt werden. Diese zahnärztlich erforderliche Versorgung des Dentins hat dann wiederum dazu geführt, dass der durch das Slicen gewonnene Platz zumindest an den Zähnen 75 und 85 wieder teilweise aufgefüllt wurde. Damit ist nach den Ausführungen der Sachverständigen ein Schaden gesetzt worden, dem letztlich nur noch ein geringer Vorteil gegenübersteht.
Darüber hinaus hat die Sachverständige überzeugend festgestellt, dass das Beschleifen auch was die Qualität betrifft nicht empfehlungsgemäß durchgeführt worden ist. So weist der Zahn 55 Stufenbildungen im Schmelz auf. Der Zahn 85 weist ein scharfgradiges Präparationsende aus, was im Gegensatz zu den einschlägigen Empfehlungen steht. Die Sachverständige hat insoweit im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23.11.2016 ausgeführt, dass eine so ungleichmäßige Oberfläche als Ergebnis des Beschleifens nicht hätte passieren dürfen.
Nach den Feststellungen Prof. Dr. I handelt es sich damit bei der konkreten Durchführung des Beschleifens durch die Beklagte zu 1) um einen eindeutigen Verstoß gegen gesicherte zahnmedizinische Erkenntnisse und um einen Fehler, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Zahnarzt schlechterdings nicht unterlaufen darf, mithin um einen groben Behandlungsfehler.
Durch die fehlerhafte Behandlung ist ein Gesundheitsschaden bei der Klägerin entstanden.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht ebenfalls zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin infolge des nicht fachgerechten Beschleifens der Milchzähne jedenfalls Schmerzen erlitten hat. Dies haben die Zeuginnen L und Dr. O übereinstimmend bekundet.
Darüber hinaus hat die Zeugin Dr. O auch bekundet, dass nach der Behandlung Kariesbefall aufgetreten ist. Ausweislich der von der Sachverständigen Prof. Dr. I ausgewerteten Behandlungsunterlagen der Zeugin ist der Kariesbefall jedenfalls unter dem 13.11.2014 dokumentiert. Zwar kann die Sachverständige Prof. Dr. I nicht mit Sicherheit feststellen, ob der Kariesbefall auch aufgetreten wäre, wenn der Milchzahn nicht beschliffen worden wäre. Diese Unsicherheiten in Bezug auf die Kausalität der Behandlungsfolgen geht allerdings zu Lasten der Beklagten. Denn im Fall eines groben Behandlungsfehlers, der grundsätzlich geeignet ist, eine Beeinträchtigung der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, wird vermutet, dass der Behandlungsfehler für diese Verletzung ursächlich war (vgl. nunmehr § 630 h Abs. 5 S. 1 BGB).
Gleiches gilt für den Umstand, dass die Sachverständige nicht feststellen kann, wie lange sich die Milchzähne in diesem Zustand erhalten lassen. Auch ohne das Slicen kürzen sich die Milchzahnwurzeln nach den Feststellungen der Sachverständigen Prof. Dr. I im Laufe der Zeit. Das Beschleifen kann diesen Vorgang aber möglicherweise beschleunigen.
Nach alledem steht der Klägerin gegen die Beklagten aufgrund der fehlerhaften Behandlung ein Schmerzensgeldanspruch für die erlittenen Gesundheitsschäden zu.
Hinsichtlich der Höhe des Schmerzensgeldanspruches ist zu berücksichtigen, dass der Schmerzensgeldanspruch einer doppelten Funktion dient. Der Verletzte soll einerseits einen Ausgleich für die erlittenen Schmerzen und Leiden erhalten, das Schmerzensgeld soll sie in die Lage versetzen, sich Erleichterungen und Annehmlichkeiten zu verschaffen, die die erlittenen Beeinträchtigungen jedenfalls teilweise ausgleichen. Darüber hinaus soll der Verletzte Genugtuung für das erfahren, was ihm widerfahren ist.
Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles hält die Kammer insoweit einen Schmerzensgeldbetrag in Höhe von 2.000,- EUR für angemessen. Dabei hat die Kammer die von der Klägerin erlittenen Schmerzen sowie den Kariesbefall an zwei der abgeschliffenen Milchzähne berücksichtigt. Auch ist die Unsicherheit in Bezug auf die Möglichkeit des weiteren Erhalts der angeschliffenen Milchzähne zu berücksichtigen. Nach alledem erscheint – auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung in ähnlich gelagerten Fällen – ein Schmerzensgeldbetrag in Höhe von 2.000,00 EUR angemessen, aber auch ausreichend, um der Billigkeits- und Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes gerecht zu werden.
Im Hinblick darauf, dass nicht absehbar ist, welche weiteren Folgen sich aus der fehlerhaften Behandlung durch die Beklagten ergeben, ist auch der Feststellungsantrag der Klägerin begründet. Der Feststellungsantrag war jedoch dahingehend auszulegen, dass nur nicht vorhersehbare immaterielle Schäden erfasst sind.
Der Klägerin steht weiter ein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten aus dem Gesichtspunkt des Verzuges zu.
Ebenfalls aus dem Gesichtspunkt des Verzuges folgt der Zinsanspruch der Klägerin.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.
Den Beklagten war eine weitere Stellungnahmefrist zu den Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. I im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23.11.2016 nicht zu gewähren. Die Sachverständige Prof. Dr. I hat lediglich ihre bereits schriftlich ausgeführten Feststellungen noch einmal mündlich erläutert. Mit Beschluss vom 01.06.2016 (Bl. 145 d.A.) ist den Parteien Gelegenheit gegeben worden, zu dem schriftlichen Gutachten Stellung zu nehmen. Neue Aspekte, die im schriftlichen Gutachten keine Berücksichtigung fanden, sind im Rahmen der mündlichen Anhörung der Sachverständigen Prof. Dr. I nicht zutage getreten.
Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangene, nicht nachgelassene Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 07.12.2016 bot darüber hinaus für die Kammer keine Veranlassung, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten.