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Zahnarzthaftung – nachträgliche Patientendokumentation

Behandlung bei Nachtrag 4 Monate nach der Operation

LG Heilbronn – Az.: Hn 1 O 14/17 – Urteil vom 17.08.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist für den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 15.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger verlangt vom Beklagten Schmerzensgeld aufgrund einer fehlerhaften zahnärztlichen Behandlung vom Mai 2015.

Der Kläger war seit August 2014 Patient in der zahnärztlichen Praxis des Beklagten. Der Kläger hatte mehrere kariöse Zähne, so dass umfangreiche Behandlungen erforderlich waren.

In einem Behandlungstermin am 30.04.2015 wurden dem Kläger unter anderem die Zähne 12 und 14 gezogen. Am 04.05. fand hierzu ein Kontrolltermin zur Nachuntersuchung statt.

Im Behandlungstermin am 11.05.2015 wurde Zahn 26 des Klägers extrahiert. Hierzu wurde der Zahn in drei Teile geteilt und die Wurzeln einzeln entfernt. Die Behandlung am 11.05. dauerte insgesamt ca. 2,5 Stunden. Der Kläger kam am 13.05.2015 zur Nachkontrolle zum Beklagten. Der Beklagte stellte in beiden Terminen keine Mund-Antrum-Verbindung (MAV) fest. Wegen der Einzelheiten der Patientendokumentation wird auf die vorgelegten Ausdrucke der elektronischen Patientenkarteikarte Bezug genommen.

Der Beklagte befand sich dann zwei Wochen in Urlaub. Der Kläger hatte Schmerzen und suchte daher am 18.05. die zahnärztliche Praxis Dr. … als Praxisvertretung des Beklagten auf. Dr. … untersuchte die Wunde des Klägers und nahm unter anderem eine Spülung der Wunde sowie eine medikamentöse Streifeneinlage vor. Der Kläger begab sich in den folgenden Tagen mehrmals in Behandlung bei Dr. …, unter anderem wurde die Streifeneinlage täglich gewechselt. Am 26.05.2015 erklärte Dr. … gegenüber dem Kläger, dass die Kieferhöhle geöffnet sei und dokumentierte dies in der Patientenakte des Klägers.

Ab dem 01.06.2015 übernahm der Beklagte wieder die Behandlung des Klägers. Er verwies den Kläger wegen der festgestellten MAV an einen Oralchirurgen.

Der Kläger behauptet, bei der Extraktion des Zahnes 26 durch den Beklagten sei es zu einer MAV gekommen. Diese sei vom Beklagten in den Behandlungsterminen vom 11.05. und 13.05.2015 nicht erkannt worden. Der Beklagte habe nach der Extraktion die zur Feststellung des Vorliegens einer MAV notwendigen Untersuchungen, namentlich einen Nasenblasversuch und die Sondierung der Alveolen (Zahnfächer), nicht durchgeführt. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die Überprüfung mittels dieser Untersuchungen durch den Beklagten am 11.05.2015 nicht in der Patientenakte dokumentiert sei. Es sei mit dem Kläger auch nicht über die Durchführung entsprechender Untersuchungen gesprochen worden.

In der Praxis von Dr. … sei die Öffnung der Kieferhöhle sofort erkannt worden. Bei der Spülung der Wunde beim ersten Termin habe Dr. … angemerkt, dass die Spülung verrinne. Zudem sei dem Kläger dabei Flüssigkeit aus der Nase gelaufen. Der Kläger habe in der Folge trotz verschiedenster zahnärztlicher und HNO-ärztlicher Behandlungen unter einer schmerzhaften Infektion im Kieferbereich gelitten und sei über einen Zeitraum von 1 ½ Jahren wegen des Zahnprovisoriums mit eingeschränktem Kauvermögen beeinträchtigt gewesen.

Der Kläger meint, es liege ein grober Behandlungsfehler durch den Beklagten vor. Dieser habe die Erhebung medizinisch gebotener Befunde unterlassen, welche mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das Vorliegen einer MAV ergeben hätten. Bei rechtzeitiger Diagnose der MAV wäre es nicht zu der umfangreichen Entzündung der Kieferhöhle gekommen. Bei einem umgehenden Verschluss der Kieferhöhlenöffnung sei eine Heilung der Wunde in der Kieferhöhle sowie des Kieferknochens problemlos möglich gewesen.

Der Kläger beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 20.02.2016 zu bezahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen, die aufgrund einer fehlerhaften zahnärztlichen Behandlung zwischen dem 04.05.2015 und 30.09.2016 entstanden sind oder noch entstehen werden;

3. den Beklagten zu verurteilen, die ihm entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.029,35 € zu erstatten.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zahnarzthaftung - nachträgliche Patientendokumentation
(Symbolfoto: Von Andrey_Popov/Shutterstock.com)

Der Beklagte behauptet, er habe nach der Extraktion des Zahnes 26 die Alveole sondiert und einen Nasenblasversuch durchgeführt. Diese Untersuchungen mache er nach jeder Extraktion – insbesondere bei der Entfernung von Oberkieferseitenzähnen. Eine Perforation sei dabei nicht tastbar gewesen. Der Nasenblasversuch sei ebenfalls negativ gewesen. Eine MAV habe daher am 11.05.2015 nicht vorgelegen.

Beim Kontrolltermin am 13.05.2015 habe der Kläger keine nennenswerten Beschwerden gehabt. Die Wundverhältnisse an Zahn 26 seien reizlos gewesen. Der Kläger habe auch keine Äußerungen gemacht, die auf das Vorliegen einer MAV hingedeutet hätten.

Die Einträge in der Patientenakte des Klägers am 04.05.2015 seien teilweise dem Termin vom 11.05.2015 zuzuordnen. Dies sei auf ein Versehen beim Eintragen in die elektronische Patientenkarteikarte zurückzuführen. Aus der Dokumentation ergebe sich daher, dass nach der Extraktion von Zahn 26 sowohl eine Sondierung der Alveolen als auch ein Nasenblasversuch durchgeführt worden seien. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll vom 06.07.2018 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen … und … Hinsichtlich des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird verwiesen auf das Protokoll vom 06.07.2018. Gemäß Beweisbeschluss vom 26.10.2017 hat der Sachverständige Dr. … am 14.03.2018 ein schriftliches Gutachten erstattet, das dieser in der Sitzung vom 06.07.2018 mündlich erläutert hat. Auf das Gutachten und das Protokoll vom 06.07.2018 wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Schmerzensgeld wegen fehlerhafter zahnärztlicher Behandlung aus §§ 630a, 630f, 630h Abs. 3, Abs. 5 S.2, 253 Abs. 2 BGB.

1.

Grundsätzlich muss der Patient eine Pflichtverletzung des Arztes in Form eines Behandlungsfehlers darlegen und beweisen. Eine Pflichtverletzung des Beklagten aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Behandlungsvertrag nach § 630a BGB liegt nicht vor. Ein Behandlungsfehler des Beklagten in Form eines Befunderhebungsfehlers gem. § 630h Abs. 5 S.2 BGB ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht erwiesen.

Nach Einholung des Gutachtens des Sachverständigen Dr. …, dessen nachvollziehbare, widerspruchsfreie und überzeugende Angaben sich der Einzelrichter zu Eigen macht, Anhörung der Parteien und Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vom 06.07.2018 steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die erforderlichen Untersuchungen durch den Beklagten erfolgt sind und eine MAV zum 11.05.2015 noch nicht vorgelegen hat.

a)

Ein Behandlungsfehler des Beklagten ergibt sich nicht unter Zuhilfenahme der Beweiserleichterung des § 630h Abs. 3, 630f Abs. 1, Abs. 2 BGB. Ein Dokumentationsfehler des Beklagten, der zugunsten des Klägers vermutet, dass eine medizinisch gebotene wesentliche Maßnahme nicht getroffen wurde, liegt nicht vor.

Nach der Entfernung eines Oberkieferseitenzahnes muss der behandelnde Zahnarzt im Rahmen seiner medizinischen Sorgfaltspflichten überprüfen, ob es zu einer Eröffnung der Kieferhöhle gekommen ist. Dies geschieht mittels Abtasten der Alveole und Nasenblasversuch. Demnach handelt es sich bei diesen Untersuchungen um medizinisch gebotene wesentliche Maßnahmen.

Diese notwendigen Untersuchungsmaßnahmen sind den Anforderungen des § 630f entsprechend dokumentiert.

aa) Zum einen findet sich in der elektronischen Patientenakte des Klägers unter dem 04.05.2015 der Eintrag „NBLV (-)“. Dieser Eintrag wurde vom Beklagten am 13.05.2015 vorgenommen. Dies ergibt sich aus der dem mündlichen Sitzungsprotokoll als Anlage beigefügten Patientendokumentation, die vom Beklagten vorgelegt wurde. Darin ist in der letzten Spalte erkennbar, wann die jeweilige Eintragung oder Änderung eines Eintrags erfolgt ist.

Der Beklagte hat bereits in seiner Klageerwiderung darauf hingewiesen, dass die Extraktion des Zahnes 26 aufgrund eines Versehens fälschlicherweise unter dem Datum 04.05. eingetragen ist. Diese erfolgte unstreitig erst am 11.05.2015. Am 04.05. wurde keine Extraktion durchgeführt, so dass ein Nasenblasversuch in diesem Behandlungstermin auch keinen Sinn ergibt. Es ist daher davon auszugehen, dass der Beklagte seine nachträgliche Eintragung zur Extraktion von Zahn 26 in sachlichem Zusammenhang mit der bereits vorhandenen Dokumentation derselben vorgenommen hat. Somit ist die Eintragung vom 13.05. „NBLV (-)“ auch dem 11.05. zuzuordnen.

Die Eintragung zwei Tage nach der Extraktion ist auch noch in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dieser erfolgt, so dass die Dokumentation insoweit nicht zu beanstanden ist.

bb) Weiterhin ergibt sich ebenfalls unter dem 04.05. betreffend die Extraktion des Zahnes 26 die Eintragung „Alveolen anschl. sondiert, keine Perf. tastbar“. Dies bedeutet, dass die Wunde mittels einer Sonde abgetastet wurde und eine Eröffnung der Kieferhöhle nicht tastbar war, somit am 11.05. nicht vorlag.

Diese Dokumentation genügt ebenfalls den Anforderungen des § 630f Abs. 1, Abs. 2 BGB und begründet daher keine Vermutung für die Nichtvornahme der entsprechenden Untersuchung.

Die Eintragung wurde vom Beklagten zwar erst nachträglich am 30.09.2015 und damit ca. 4 ½ Monate nach der Extraktion vorgenommen. Dabei handelt es sich aber noch um eine Dokumentation in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang zur Behandlung im Sinne des § 630f Abs. 1 S.1 BGB. Nach der Rechtsprechung zur Verwertbarkeit von Patientendokumentationen vor Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes führt der Umstand, dass ein Operationsbericht erst vier Monate nach der Operation erstellt worden ist, für sich betrachtet grundsätzlich nicht zu einer Beweislastumkehr bzw. zu Beweiserleichterungen (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 07.12.2005 – 7 U 87/04). Maßgeblich sind allerdings die Umstände des Einzelfalles.

Für einen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang spricht zum einen, dass der Beklagte nicht die komplette Behandlung, d.h. Anästhesie, Ablauf der Extraktion, Vernähen der Wunde, Aufklärung zum Verhalten nach der Extraktion usw., sondern nur eine einzelne Untersuchungsmaßnahme nach der Entfernung des Zahnes 26 nachgetragen hat. Bei dieser Untersuchung handelt es sich zudem um eine Maßnahme, die standardmäßig nach jeder Extraktion durchgeführt wird. Es ist daher anzunehmen, dass der Beklagte die Untersuchung mit Ergebnis auch noch nach vier Monaten korrekt und vollständig wiedergeben kann. Darüber hinaus ist die Durchführung eines Nasenblasversuches nach der Extraktion zeitnah dokumentiert. Dies lässt darauf schließen, dass dem Beklagten im Zeitpunkt der Behandlung das Risiko einer MAV bewusst war und er daher routinemäßig sämtliche zur Überprüfung erforderlichen Maßnahmen durchgeführt hat.

Da es sich bei der fraglichen Maßnahme um ein Standardverfahren nach entsprechendem Eingriff handelt und diese ohne Befund geblieben war, ist es einsichtig, dass der Beklagte die Eintragung am 11.05. schlicht vergessen hat und erst später beim Nachlesen der gesamten Behandlung bemerkte, dass die Untersuchung nicht eingetragen wurde. Insbesondere hat der Beklagte die Nachüberlegungen zur Behandlung und die daraufhin erfolgte Ergänzung der Dokumentation zu einem Zeitpunkt vorgenommen, zu welchem der Kläger noch keinen Behandlungsfehler und darauf basierende Schadensersatzforderungen geltend gemacht hatte. Es kann daher nicht unterstellt werden, der Beklagte habe vor diesem Hintergrund die eigene Dokumentation manipuliert.

Darüber hinaus ist die nachträgliche Berichtigung nach § 630f Abs. 1 S.2 BGB zulässig. Es ist anhand der schraffierten Eintragungen erkennbar, dass es sich um eine nachträgliche Änderung handelt und auch wann diese vorgenommen wurde.

b)

Diese Dokumentation wird durch die Anhörung des Beklagten und die Aussage der Zeugin … bestätigt. Danach steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Nasenblasversuch und die Sondierung der Alveolen ohne Befund erfolgt sind. Für den Fall der Annahme eines Dokumentationsfehlers wäre die hieraus möglicherweise folgende Vermutung jedenfalls widerlegt.

Die Angaben des Beklagten, wonach das Abtasten des Knochens sowie ein Nasenblasversuch zum üblichen Vorgehen des Beklagten nach der Extraktion von Oberkieferseitenzähnen gehört, wird durch die Zeugenaussage der Zeugin … bestätigt. Die Zeugin …, die als Zahnarzthelferin beim Beklagten beschäftigt ist, hat im Rahmen ihrer Aussage das Vorgehen des Arztes nach einer Extraktion vollumfänglich beschrieben, mit vorheriger Säuberung und anschließendem Einbluten lassen der Wunde, sowie der Wundkontrolle einige Tage später. Die Zeugin schildert das übliche Vorgehen des Beklagten und ihre eigene Rolle im Rahmen der Behandlung widerspruchsfrei. An der Glaubwürdigkeit der Zeugin bestehen keine Zweifel.

2.

Ein etwaiger Befunderhebungsfehler des Beklagten war auch folgenlos.

Aus den überzeugenden schriftlichen und den ergänzenden mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung sowie der Vernehmung des Zeugen Zimmermann ergibt sich, dass eine MAV unmittelbar nach der Extraktion am 11.05.2015 nicht vorgelegen hat. Der Sachverständige kommt nach Auswertung des gesamten Behandlungsverlaufs für das Gericht nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass mit ausreichender Sicherheit angenommen werden kann, dass am 11.05. nach der Extraktion des Zahnes 26 keine klinisch erkennbare MAV aufgetreten ist.

a) Zum einen ergibt die Dokumentation des Beklagten vom 11.05.2015, dass das Zahnfach sondiert wurde und eine Eröffnung zur Kieferhöhle dabei nicht tastbar sowie, dass der Nasenblasversuch negativ war. Die Dokumentation zum Kontrolltermin am 13.05.2015 spricht von unauffälligen Wundverhältnissen ohne nennenswerte Beschwerden.

Bei der Weiterbehandlung in der Praxis Dr. … wird am 18.05.2015 das Auskratzen der Wunde (Kürettage) dokumentiert. Dabei handelt es sich um ein übliches und sinnvolles Vorgehen bei Beschwerden nach einer Zahnentfernung, um das Zahnfach von möglicherweise entzündlichem Gewebe zu reinigen. Auch die weiteren Behandlungen mit Spülungen und Streifeneinlagen stellen sich als folgerichtige Behandlung einer Wundheilungsstörung im Sinne eines dolor post extractionem dar. Dieses Vorgehen lässt daher keinen Rückschluss darauf zu, dass bereits eine Eröffnung der Kieferhöhle vorgelegen hat.

b) Andererseits hätte Dr. … bei den genannten Behandlungen vom 18.05., insbesondere bei der Kürettage, eine Eröffnung der Kieferhöhle auffallen müssen. Diese wäre dann zu dokumentieren gewesen. Eine Mund-Antrum-Verbindung wird durch Dr. … allerdings erstmals am 26.05.2015 in der Patientenakte des Klägers dokumentiert. Der Zeuge … hat auch mündlich angegeben, am 18.05.2015 keine MAV festgestellt zu haben.

c) Der dargestellte Ablauf spricht somit dafür, dass es sich bei der Eröffnung der Kieferhöhle um eine sekundär aufgetretene Mund-Antrum-Verbindung handelt. Diese kann z.B. beim Niesen auftreten, wenn die Gewebe durch entzündliche Veränderungen beeinträchtigt sind. Dies ist im vorliegenden Fall deshalb besonders wahrscheinlich, da beim Kläger am 18.05. eine Wundheilungsstörung (dolor post extraktion) durch Dr. … dokumentiert ist, die zwangsläufig zu einer Beeinträchtigung der Knochen führt. Zudem ergibt sich aus den dem Sachverständigen vorliegenden Röntgenbildern, dass die knöcherne Membran zur Kieferhöhle im Bereich von Zahn 26 sehr dünn gewesen ist, was eine spätere Eröffnung ebenfalls nachvollziehbar erklärt.

d) Für eine erst nachträglich entstandene MAV spricht zudem, dass der Kläger nach eigener Aussage einen Flüssigkeitsaustritt aus der Nase, wie er bei einer Eröffnung der Kieferhöhle auftreten kann, erst einige Tage nach der Extraktion bemerkte. Dies sei ihm erstmals bei einer Spülung der Wunde durch Dr. … am 15.05.2015 aufgefallen.

Nach der Aussage des Zeugen … sei der Kläger nicht bereits am 15.05. und 16.05, einem Samstag und Sonntag, sondern erstmals am 18.05. zur Behandlung in die Praxis Dr. … gekommen. Es kann aber sein, dass der Kläger später im Rahmen der Weiterbehandlung zum Streifenwechsel auch am Wochenende gekommen sei. Diese Aussage wird bestätigt durch die Patientenkarteikarte des Klägers aus der Praxis …, nach der eine Behandlung durch Dr. … erstmals am 18.05. dokumentiert ist.

Unabhängig davon, ob der Kläger im Rahmen dieser Spülung am 18.05.2015 gegenüber dem Zeugen … über einen Flüssigkeitsaustritt aus der Nase klagte bzw. ob die Spülung in dieser Hinsicht auffällig war, liegen zwischen der Extraktion und der Behandlung durch Dr. … sieben Tage. Dadurch wird die Einschätzung des Sachverständigen, wonach es sich um eine nachträgliche MAV handelt, welche jedenfalls im Zeitpunkt der Operation durch den Beklagten am 11.05. noch nicht vorgelegen hat, ebenfalls bekräftigt.

Am Wahrheitsgehalt der Angaben des Zeugen … bestehen im Übrigen keine Zweifel. Er ist glaubwürdig, da er als Dritter am Rechtsstreit nicht beteiligt ist und als Zahnarzt über entsprechenden Sachverstand verfügt.

2.

Da ein Anspruch auf immateriellen Schadensersatz aus der zahnärztlichen Behandlung vom 11.05.2015 bereits dem Grunde nach nicht besteht, ist auch der Feststellungsantrag hinsichtlich der Schadensersatzpflicht bezüglich weiterer aus der Behandlung resultierender Schäden unbegründet. Aus dem gleichen Grund besteht auch kein Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

 

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