OLG Koblenz, Az.: 5 U 1535/13, Beschluss vom 25.02.2014
1. Der Klägerin wird die zur Durchführung des Rechtsmittelverfahrens beantragte Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung versagt.
2. Darüber hinaus beabsichtigt der Senat die Zurückweisung der Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO, weil er einstimmig davon überzeugt ist, dass sie offensichtlich ohne Erfolgsaussicht ist, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ein Urteil erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Gründe
1. Die Klägerin litt unter Oberkieferbeschwerden. Sie konsultierte deshalb den Beklagten am 17.07.2008 in dessen zahnärztlicher Praxis. Dieser erstellte tags darauf einen Heil- und Kostenplan, der eine Brückenneuversorgung im Zahnbereich 11 bis 13 vorsah; dazu sollte bei 12 ein Implantat eingeschraubt werden. Nach dem Plan hatte die Klägerin eine Eigenleistung von 3.567,30 € zu erbringen. Davon wurden von Seiten ihres Lebensgefährten, der sich insoweit verbürgte, insgesamt 1.214,98 € gezahlt.
Die Implantation erfolgte am 11.08.2008 unter Zufuhr von künstlichem Knochenmaterial, das mit der Zeit resorbiert werden und in Erweiterung des vorhandenen Kiefergewebes für eine zusätzliche Stabilisierung sorgen sollte. Nach etlichen zwischenzeitlichen Untersuchungen stellte der Beklagte am 10.02.2009 eine Osseointegration des Implantats fest. Als kurz darauf Schwellungen auftraten, verordnete er eine Antibiose. Unter dem 17.02.2009 monierte er schriftlich den Anfall von Zusatzkosten und verwies dabei auf Behandlungserschwernisse, die unter anderem aus einer ungewöhnlichen Schmerzempfindlichkeit und – das Implantat irritierenden – Manipulationen der Klägerin resultierten. Im Anschluss daran brach diese die Vertragsbeziehung ab und begab sich anderweit in zahnärztliche Versorgung.
In deren Zuge wurde diagnostiziert, dass das Implantat nicht ordnungsgemäß eingeheilt sei. Es weise in seinem vestibulären Gewindeteil keine hinreichende Knochendeckung auf, und seine Umgebung sei berührungsempfindlich und schmerzhaft. Vor diesem Hintergrund wurde es am 22.06.2009 operativ entfernt.
Gestützt auf den Vorwurf einer mangelhaften präimplantativen Aufklärung, handwerklicher Fehler bei der Insertion am 11.08.2008, in deren Folge die gebotene Einwachsung ausgeblieben sei, und therapeutischer Versäumnisse im Anschluss an den im Februar 2009 aufgetretenen Entzündungsprozess hat die Klägerin den Beklagten auf eine materielle Ersatzleistung von 2.881,75 € (Honorarerstattung von 1.214,98 €, Ausgleich von der streitigen Behandlung nachfolgenden Untersuchungs- und Begutachtungskosten von 1.079,28 €, 163,20 €, 163,75 € sowie 80,37 € und Aufwendungen von 180,17 € für die Entfernung des Implantats) in Anspruch genommen. Außerdem hat sie unter Hinweis insbesondere auf eine mehrmonatige Leidensphase mit Schlaf- und Essstörungen sowie depressiven Beschwerden ein Schmerzensgeld von 10.000 € geltend gemacht und die Feststellung der weiter- gehenden Haftung des Beklagten begehrt.
Das Landgericht hat einen Sachverständigen mit Blick auf mögliche Fehler des Beklagten befragt sowie – namentlich zur Aufklärung der Klägerin – Zeugenbeweis erhoben und die Parteien angehört. Sodann hat es die Klage abgewiesen. Es hat zwar Behandlungsfehler des Beklagten bei der Einbringung des streitigen Implantats und Befunderhebungsversäumnisse im Zuge der späteren Kontrolle von dessen Osseointegration bejaht, aber deren Schadenskausalität verneint. Mängel in der Aufklärung der Klägerin hat es nicht gesehen.
Dagegen wendet sich die Klägerin in Erneuerung ihres Begehrens mit der Berufung, für deren Durchführung sie um die Gewährung von Prozesskostenhilfe bittet. Ihrer Ansicht nach ist dem Beklagten bei der Implantation ein – die Beweislast zu ihren Gunsten umkehrender – grober Behandlungsfehler unterlaufen. Außerdem habe es entgegen der Auffassung des Landgerichts vor dem Eingriff keine hinreichende Risikoaufklärung gegeben.
2. Diese Angriffe dringen nicht durch. Von daher gibt es keine tragfähige Grundlage für eine Änderung der angefochtenen Entscheidung und vorbereitend dazu für die Gewährung von Prozesskostenhilfe an die Klägerin.
a) Deren Vorwurf, das Implantat sei grob fehlerhaft inseriert worden, so dass sich die Unsicherheit über die Kausalfaktoren für die nachfolgende schadensträchtige Entwicklung zu ihrem Beweisvorteil auswirke, greift nicht. Er knüpft daran an, dass der Beklagte auf die Durchtränkung des zugeführten Knochenersatzmaterials mit Eigenblut und die Beigabe körpereigener Knochenspäne verzichtete und damit nicht die gebotenen Voraussetzungen für eine feste Eingliederung geschaffen habe.
Allerdings hat der Sachverständige Dr. M. in diesem Zusammenhang Versäumnisse attestiert. Aber er hat die Versäumnisse – auch in der Gesamtschau des Vorgehens und dabei selbst unter Einbeziehung von Dokumentationsmängeln, die ihrem Wesen nach gar nicht als Behandlungsdefizit einzuordnen sind (BGH NJW 1995, 1611) – ausdrücklich nicht als groben Fehler eingestuft. Dass diese Wertung auf einer Verkennung der insoweit maßgeblichen rechtlichen Kategorien beruhen könnte, ist auszuschließen. Das Landgericht hatte, wie das beweiskräftige Protokoll der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung belegt, die insoweit wesentlichen Vorgaben gemacht. In der Konsequenz ist es dann der Beurteilung durch den Sachverständigen Dr. M. gefolgt.
Die so getroffene Würdigung der Verhältnisse begegnet keinen rechtserheblichen Zweifeln (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), die den Senat zu einem abweichenden Ergebnis gelangen lassen könnten. Freilich ist in den Herstellerhinweisen zur Einbringung des verwendeten Knochenersatzmaterials von einer Zugabe von Patientenblut und von autologen Knochenspänen die Rede. Aber das ist als bloße Empfehlung deklariert, die kritisch zu überprüfen sei. Dazu hat der Beklagte ins Einzeln gehende Ausführungen gemacht, die die von ihm applizierte alternative Verfahrensweise, nämlich die Infiltration des Materials mit Knochenzellen (Osteoblasten), wenn auch nicht als korrekt, so doch nachvollziehbar erscheinen lassen. Vor diesem Hintergrund ist der Sicht des Sachverständigen Dr. M. und der daran anknüpfenden Qualifizierung der streitigen Behandlung durch das Landgericht nicht der Boden entzogen.
b) Die Klägerin scheitert ebenfalls in ihrem Bestreben, eine Haftung des Beklagten aus einem Aufklärungsmangel herzuleiten. Ihrem Vortrag, das – durch ihre individuell vorhandene Knochenstruktur bedingte – Risiko eines Implantatverlusts sei nicht zur Sprache gebracht worden, ist das Landgericht nicht gefolgt; es hat vielmehr das Gegenteil festgestellt. Auch das bindet für die Berufungsinstanz. Die Erkenntnis des Landgerichts beruht auf einer Würdigung der Zeugenaussage Z., die keinen durchschlagenden Bedenken begegnet. Dass das Landgericht dabei – statt auf die naturgemäß nicht mehr vorhandene konkrete Erinnerung der Zeugin – auf deren allgemeine Erfahrungen mit der Handhabung der Patienteninformation in der Praxis des Beklagten abgehoben hat, ist nicht zu beanstanden (BGH VersR 1985, 361).
Die Berufung meint allerdings, dass eine entsprechende Routineaufklärung im vorliegenden Fall nicht zielführend gewesen sei, weil die Klägerin Sprachprobleme gehabt habe. Dazu hat diese im Rahmen ihrer Anhörung mitgeteilt: „Wenn ich etwas nicht verstanden habe, dann habe ich nachgefragt. Manchmal habe ich dann aber auch nicht mehr nachgefragt, obwohl ich etwas nicht verstanden hatte.“ Das mag die Annahme gestatten, dass es am Ende nicht gelungen war, alle erforderlichen Informationen „hinüberzubringen“. Aber daraus lässt sich eine Inanspruchnahme des Beklagten nicht herleiten. Denn das offensichtliche Bestreben der Klägerin, Verständnisdefizite durch Fragen zu beheben, musste den Eindruck erwecken, dass am Ende nichts mehr offen geblieben war. Der so begründete Eindruck schließt jedenfalls ein Verschulden auf Beklagtenseite aus.
Die Rüge, es habe keinen Hinweis darauf gegeben, dass das bei der Einbringung des Implantats zu verwendende Knochenersatzmaterial nicht in der von dem Sachverständigen Dr. M. für geboten erachteten Weise angereichert werde, ist unbehelflich. Die Klägerin beanstandet insoweit, ihr sei vorenthalten worden, dass es zu einem möglicherweise schädlichen Behandlungsfehler kommen werde. Das bedurfte jedoch keiner Erwähnung. Aufklärungspflichtig sind nur die Risiken einer ordnungsgemäßen Behandlung (Weidenkaff in Palandt, BGB, 73. Aufl., § 630e Rn. 3). Auf drohende Behandlungsfehler braucht nicht aufmerksam gemacht zu werden. Sie sind – unabhängig von irgendwelchen Warnhinweisen – bereits aus sich heraus haftungsträchtig.
3. Nach alledem sollte die Klägerin die Rücknahme ihres Rechtsmittels erwägen. Bis zum 24.03.2014 besteht Gelegenheit zur Stellungnahme.